juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 16.07.2024 - II ZR 100/23
Autor:Prof. Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:24.09.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 714 BGB, § 708 BGB, § 1 PartGG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 9/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Hippeli, jurisPR-HaGesR 9/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Nichtigkeit von Beschlüssen nach Einberufung einer Partnerversammlung durch Unbefugten



Leitsatz

Bei der Partnerschaftsgesellschaft führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.



A.
Problemstellung
Was passiert bei einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) mit gleichwohl gefassten Beschlüssen auf einer Partnerversammlung, wenn ein Unbefugter die Partnerversammlung einberufen hat: Sind diese Beschlüsse dann nur anfechtbar oder sogar nichtig? Diese Frage musste nun der BGH klären.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Gründungspartner einer mittlerweile fünfköpfigen Rechtsanwalts-PartG mbB. Beklagt waren die übrigen vier Partner. Das Einberufungsrecht für Partnerversammlungen der PartG mbB stand nach dem Gesellschaftsvertrag nur dem Managing Partner zu. 2020 lud offenbar ein anderer Partner zu einer außerordentlichen Partnerversammlung ein. In der Einladung fand sich als Tagesordnungspunkt der Ausschluss des Klägers aus der PartG mbB. Ohne den abwesenden Kläger stimmten die Beklagten dort sodann sämtlich für seinen Ausschluss.
Der Kläger klagte auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses. Vor dem Landgericht und dem OLG hatte er damit keinen Erfolg.
Anders nun die Revisionsentscheidung des BGH. Dieser hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache wieder zurück.
Das OLG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die erfolgte Einberufung der außerordentlichen Partnerversammlung durch einen anderen Partner als dem Managing Partner der PartG mbB unerheblich ist. Dementgegen führe die Einberufung einer Partnerversammlung durch einen Unbefugten zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der in der Partnerversammlung gefassten Beschlüsse.
Bei Beschlussmängeln in einer PartG seien die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze anzuwenden. Dort führe die Einberufung durch einen Unbefugten zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse. Was die Einberufung einer Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten anbelange, gilt nach ständiger BGH-Rechtsprechung rechtsformübergreifend, dass dieser Verfahrensfehler zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Die Einberufung durch einen Unbefugten stelle keinen bloßen Formmangel dar, sondern es fehle vielmehr an einem Mindesterfordernis für die Gesellschafterversammlung.


C.
Kontext der Entscheidung
Eine ungewöhnliche Entscheidung, schließlich enthalten die Entscheidungsgründe keinerlei eindeutige Normbezüge hinsichtlich des PartGG oder sonstiger gesellschaftsrechtlicher Gesetze. Die dogmatische Fundierung der Entscheidung mutet damit zunächst etwas undurchsichtig an. Zur Einberufung von Partnerversammlungen enthält das PartGG jedenfalls keine speziellen Regelungen, so dass nach § 1 Abs. 4 PartGG das Recht der GbR gilt. Dort existiert auch nach Inkrafttreten des MoPeG keine ausdrückliche Regelung zu Gesellschafterversammlungen und deren Einberufung. im neugefassten § 714 BGB ist lediglich geregelt, dass Gesellschafterbeschlüsse der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter bedürfen. Die Art der Willensbildung der Gesellschafter (etwa auf Gesellschafterversammlungen) bleibt damit der Gestaltungsfreiheit innerhalb des Gesellschaftsvertrags i.S.d. § 708 BGB vorbehalten (Retzlaff in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 714 Rn. 1).
An der vorgenannten Stelle konnte offenbleiben, ob altes oder neues GbR-Recht gelten soll. Zwar lagen die fallrelevanten Tathandlungen eindeutig vor dem Inkrafttreten des (neuen GbR-Rechts im Zuge des) MoPeG am 01.01.2024, was bereits zur Frage hätte führen können, ob der Grundsatz des „lex temporis actus“ oder der Grundsatz des „lex praesens“ zur Anwendung zu bringen ist. Allerdings ist anerkannt, dass dieser Kollisionskonflikt nicht aufgelöst werden muss, wenn sich alte und neue Rechtslage jedenfalls decken (OLG Hamm Urt. v. 17.06.2024 - 8 U 102/23). So liegt der Fall hier. Auch nach altem GbR-Recht bestand keine gesetzliche Regelung zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen bei der GbR. Nach altem und neuem GbR-Recht galt die Regelung aus dem Gesellschaftsvertrag als maßgeblich, hier also die Regelung der Einberufungsbefugnis seitens des Managing Partners.
Was das anwendbare Beschlussmängelrecht anbelangt, so hat sich durch das MoPeG bei der GbR und über § 1 Abs. 4 PartGG auch bei der PartG nichts geändert, da mit dem MoPeG nur das Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften geändert wurde. Jenseits dessen gilt im Recht der GbR weiter das Feststellungsmodell, wonach Gesellschafterbeschlüsse im Rahmen einer erhobenen Feststellungsklage im Fehlerfall (formell oder materiell) grundsätzlich nichtig sind, anders gewendet regelmäßig keine Unterscheidung zwischen bloßer Anfechtbarkeit und Nichtigkeit getroffen wird (vgl. BT-Drs. 19/27635 v. 17.03.2021, S. 227). Bei formellen Fehlern erkennt der BGH aber Ausnahmen von der Regel an. Dabei differenziert er seit jeher zwischen allgemeinen Verfahrensfehlern einerseits und Ladungsmängeln (= schwerwiegender Verfahrensmangel) andererseits (vgl. Schäfer in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2024, § 714 Rn. 74), so dass bei Vorliegen eines Ladungsmangels nicht auf die Ausnahmebestimmungen für allgemeine Verfahrensfehler im Sinne von bloßer Anfechtbarkeit zurückgegriffen werden kann. Ladungsmängel führen zur Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses, wenn hierdurch im Sinne eines Dispositionsschutzes die Teilnahme eines Gesellschafters oder die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte vereitelt oder erschwert wird (zur GmbH: BGH, Urt. v. 14.11.1994 - II ZR 160/93 - WM 1995, 701, 706; zur GbR: BGH, Urt. v. 11.03.2014 - II ZR 24/13 - NZG 2014, 621; OLG Hamm, Urt. v. 03.08.2009 - 8 U 237/07). Dies ist jedoch als neuerliche – jedoch so gut wie nie greifende – Ausnahme dann nicht der Fall, wenn sicher ausgeschlossen werden kann, dass das Zustandekommen des Beschlusses durch den Fehler beeinflusst ist (explizit zur GbR: BGH, Urt. v. 16.10.2012 - II ZR 251/10; BGH, Urt. v. 11.03.2014 - II ZR 24/13 - NZG 2014, 621; OLG Düsseldorf, Teilurt. v. 17.07.2019 - 14 U 107/15; OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2024 - 9 U 58/23 - NZG 2024, 1027, 1029). Im Recht der GbR (und insgesamt im Personengesellschaftsrecht) erfordert die Annahme der Nichtigkeit damit zumindest eine potenzielle Kausalität des Verfahrensverstoßes.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Auswirkungen für die Praxis sind überschaubar. Schließlich behält der BGH seine Rechtsprechung zur unterschiedlichen Behandlung von formellen Beschlussmängeln im Personengesellschaftsrecht bei. Die Einberufung durch einen Unbefugten zählt dabei bereits seit langem zu den schweren formellen Beschlussmängeln, die nahezu immer zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, da der Dispositionsschutz eben ein großes Gewicht für die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte besitzt. Das einzig neue Jota der Entscheidung liegt darin, dass der BGH dies erstmals im Zusammenhang mit einer Partnerschaftsgesellschaft entschieden hat.
Da aber im Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften seit jeher nicht weiter nach einzelnen Rechtsformen differenziert wird (allerdings seit 2024 durch Inkrafttreten des maßgeblichen Teils des MoPeG erstmals (nur) für Personenhandelsgesellschaften durchbrochen) und bereits eine dementsprechende Entscheidung zur KG vorlag (Einberufung durch Unbefugten führt jedenfalls zur Nichtigkeit der gleichwohl gefassten Beschlüsse: BGH, Urt. v. 25.10.2016 - II ZR 230/15 - DStR 2017, 993, 996), lag die nunmehrige Entscheidung auf der Hand.



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