Betriebsbedingte Änderungskündigung infolge Filialschließung: Sozialauswahl bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf freien ArbeitsplätzenOrientierungssatz zur Anmerkung Bestimmt der Arbeitsvertrag auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls keinen Arbeitsort, auf den die Tätigkeit einer Arbeitnehmerin beschränkt sein oder bleiben soll, und enthält er auch keinen Versetzungsvorbehalt, so kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts nach § 106 GewO auch nach Jahren der Tätigkeit an einem Arbeitsort die Fortsetzung der Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort anweisen. Die Erklärung einer Änderungskündigung ist in diesem Falle überflüssig, weil das Ziel der Änderung der Arbeitsbedingungen bereits mit der rechtswirksamen Weisung erreicht worden ist. - A.
Problemstellung Auf welche Weise kann eine Arbeitgeberin nach der Schließung ihrer Filiale in B-Stadt die drei dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen in der Filiale in C-Stadt weiterbeschäftigen? Welches arbeitsrechtliche Gestaltungsmittel kann bzw. muss sie für die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse an dem anderen Ort nutzen? Genügt ihre Weisung nach § 106 Satz 1 GewO oder muss sie im Wege des § 2 KSchG die Arbeitsverhältnisse kündigen und den Arbeitnehmerinnen im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen, nämlich an anderem Ort, anbieten? Das umrissene Problem ist in Gestalt einer Änderungsschutzklage vor das Arbeitsgericht und von diesem nach abweisendem Urteil vor das Berufungsgericht gelangt. Das in dem Fall steckende Problem der Abgrenzung zwischen den beiden genannten arbeitsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten eines Arbeitgebers hat seit vielen Jahren eine in der Rechtssprache ungewöhnliche und vielleicht deshalb einprägsame Bezeichnung. Als „überflüssige Änderungskündigung“ wird im Anschluss an die Begriffsbildung des BAG die Erklärung eines Arbeitgebers nach § 2 KSchG bezeichnet, derer es nicht bedurfte, weil die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen auch ohne die die Änderungskündigung prägende Koppelung einer Beendigungskündigung mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen erreicht werden konnte bzw. erreicht wurde. Die Abgrenzung zwischen den genannten beiden rechtlichen Erklärungsformen und anderen arbeitsrechtsspezifischen Formen der Änderung von Arbeitsbedingungen ist nicht einfach und lässt sich nicht schematisch bestimmen. Sie hängt von der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages, ggf. einer Vertrauen begründenden Konkretisierung des Vertragsinhalts und einem geänderten normativen Umfeld um den Arbeitsvertrag (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) ab (ausführlich zu Problematik und Erscheinungsformen Berkowsky, NZA 1999, 293). Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin das Fortsetzungsangebot, das ihr die Arbeitgeberin zusammen mit der betriebsbedingten Änderungskündigung ihres Arbeitsverhältnisses gemacht hatte, unter Vorbehalt angenommen und Klage auf Feststellung erhoben, dass die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Arbeitsgericht wie Landesarbeitsgericht haben die (Berufungs-)Klage ab- bzw. zurückgewiesen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Gegenstand der Entscheidung ist die soziale Rechtfertigung der von der beklagten Arbeitgeberin gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 27.06.2022 erklärten ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung. Die Klägerin war seit dem Spätjahr 2014 als Sanitätshausfachverkäuferin in der X-Filiale am Standort des Unternehmens in B-Stadt beschäftigt (etwas verwirrend wechselt im Tatbestand die Bezeichnung der Filiale von X zu Y, vielleicht, weil sich die Filiale X in der Y.straße befand. Gemeint ist nach dem Zusammenhang die Filiale der Beklagten in B-Stadt; wir bleiben im Folgenden bei X). Nach einem am 15.03.2022 von den beiden alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführern der Beklagten gefassten Beschluss sollten die am Standort B-Stadt bestehenden drei Arbeitsverhältnisse, darunter das der Klägerin, „mittels Änderungskündigung am Sitz der Gesellschaft in C-Stadt fortgesetzt werden“. Dem Beschluss entsprechend hatte die Beklagte der Klägerin im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses in der Filiale am Unternehmenssitz in C-Stadt angeboten. Wie im Tatbestand des § 2 Satz 1 KSchG als Möglichkeit vorgesehen, nahm die Klägerin das Angebot unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht i.S.d. § 1 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Sätze 1 und 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Am selben Tag erhob sie Kündigungsschutzklage. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sie die soziale Rechtfertigung der Kündigung unter zwei Gesichtspunkten bestritten. Nach ihrer Auffassung fehlt es an betriebsbedingten Gründen für die Schließung der Filiale X. Darüber hinaus sei die Änderung der Arbeitsbedingungen für sie wegen des Unterschiedes in den Anfahrtswegen unverhältnismäßig. Hätte die Beklagte ihr eine Weiterbeschäftigung statt in C-Stadt in der näher gelegenen Filiale L. angeboten, hätte sie von ihrem Wohnort aus mit dem Auto knapp 8 Kilometer bzw. 7 Minuten weniger Anfahrtsweg und -zeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln sogar 28 Minuten weniger. Die Beklagte begründet ihren Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage damit, dass die Änderungskündigung, die sie der Klägerin wie auch den beiden weiteren Arbeitnehmerinnen am Standort X erklärt habe, auf der Grundlage der unternehmerischen Entscheidung der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer zur Schließung des Standortes gerechtfertigt sei. Anlass seien der permanente Personalmangel an diesem Standort und der daraus folgende Rückgang von Umsatz und Gewinn auf ein untragbares Maß gewesen. Von ihren beiden weiteren Standorten verfüge die Filiale in L. über eine ausreichende Personaldecke. Das Fortsetzungsangebot habe sich daher auf den geringfügig weiter entfernten Standort C-Stadt beschränkt. Die Voraussetzungen einer Sozialauswahl hätten nicht vorgelegen. In der Begründung seines die Klage abweisenden Urteils vom 08.02.2023 ist das ArbG Ludwigshafen auf der Grundlage von zwei von ihm so genannten Indizien (der Nennung der Beklagten im Arbeitsvertrag unter ihrer Anschrift in B-Stadt, dem ausschließlichen Einsatz der Klägerin in X) davon ausgegangen, dass die Parteien die Filiale X als Arbeitsort vereinbart hätten. Daher habe die Beklagte der Klägerin ihre Tätigkeit in C-Stadt nicht kraft Direktionsrechts zuweisen können und damit habe auch keine „überflüssige“ Änderungskündigung vorgelegen. Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung habe in der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zur Schließung des Standortes X gelegen. Mit deren Vollzug bestünden in dieser Filiale keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr. Ein milderes Mittel als die angebotene Fortsetzung der Beschäftigung in C-Stadt habe es nicht gegeben, insbesondere nicht in L. Gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit der in ihrem Fall unterlassenen Sozialauswahl begründet. Da alle drei in Betracht kommenden Filialstandorte nach Auffassung des Arbeitsgerichts einen einheitlichen Betrieb bildeten, hätte die Beklagte die vergleichbaren Arbeitnehmer aus allen drei Filialen in eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einbeziehen müssen. Dabei hätte geprüft werden müssen, ob die Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen, die Fortsetzung ihrer Tätigkeit in C-Stadt, anderen Arbeitnehmern nicht eher zumutbar sei. Denn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit habe der Arbeitgeber bei einer Änderungskündigung dem Arbeitnehmer stets die ihn am wenigsten beeinträchtigende Änderung anzubieten. In ihrem Falle sei das die Weiterbeschäftigung am für sie näher gelegenen Standort L. In ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung bestreitet die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzung einer Sozialauswahl. Sie läge nur bei Konkurrenz mehrerer von der unternehmerischen Entscheidung betroffener Arbeitnehmer um dieselbe freie Stelle vor. Hieran fehle es jedoch, weil allen drei in der X-Filiale beschäftigten Arbeitnehmerinnen eine Weiterbeschäftigung auf den allein in C-Stadt freien Arbeitsplätzen angeboten worden sei. Die Arbeitnehmer in L. und in C-Stadt hingegen seien von der unternehmerischen Entscheidung überhaupt nicht betroffen. Geschlossen worden sei allein die Filiale in B-Stadt, und allein den hier tätigen drei Arbeitnehmerinnen sei im Wege einer Änderungskündigung die Fortsetzung ihrer Tätigkeit in C-Stadt angeboten worden. Das LArbG Mainz hat sein Urteil, mit dem es die Berufung kostenpflichtig zurückweist, unter zwei Blickwinkeln begründet. Unter dem ersten begründet es seine insoweit von der ersten Instanz abweichende Auffassung, wonach die Weiterbeschäftigung der Klägerin am Standort C-Stadt keine „Änderungen der Arbeitsbedingungen“ i.S.d. §§ 2 Satz 1, 4 Satz 2 KSchG darstellt, sondern eine durch Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO ermöglichte Veränderung des Arbeitseinsatzes ist. Der Arbeitsort der Klägerin sei vertraglich nicht festgelegt und das Weisungsrecht ihrer Arbeitgeberin im Hinblick auf den Ort der Arbeitsleistung daher nicht eingeschränkt. Ob ein bestimmter Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und ein Versetzungsvorbehalt besteht, ist nach der von der Kammer zitierten bundes- und landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung durch Auslegung des Inhalts der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Eine Festlegung auf die bisherige Filiale X in B-Stadt kann die Berufungskammer weder dem ausdrücklichen Gehalt des Arbeitsvertrages der Parteien noch den vom Arbeitsgericht herangezogenen und von ihm so bezeichneten Indizien entnehmen. Die Begründung für dieses Ergebnis ist nachvollziehbar. Auch aus dem dauerhaften Einsatz der Klägerin in der Filiale X lässt sich eine Konkretisierung des Arbeitsortes auf diese Filiale aus Sicht des Landesarbeitsgerichts nicht begründen. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des BAG nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum habe jedoch, für sich genommen, keinen Erklärungswert. Sie schaffe daher regelmäßig auch keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen will (BAG, Urt. v. 17.08.2011 - 10 AZR 202/10 Rn. 19). In ständiger Rechtsprechung des BAG ist das vor allem aus dem Recht der Verwirkung bekannte doppelte Erfordernis anerkannt, wonach für eine Konkretisierung der Arbeitspflichten nicht schon der bloße Zeitablauf genügt, sondern besondere Umstände hinzutreten müssen, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG, Urt. v. 18.10.2012 - 6 AZR 86/11 Rn. 25 m.w.N.). Zumindest das sog. Umstandsmoment kann das LArbG Mainz im vorliegenden Berufungsverfahren nicht erkennen. Damit bleibt es bei dem arbeitsvertragsimmanenten Recht des Arbeitgebers, den Arbeitsort im Wege der Weisung festzulegen. Einer Änderungskündigung bedarf es nicht; sie ist aus Sicht des Landesarbeitsgerichts, im Unterschied zur Bewertung der Vorinstanz, überflüssig. Da Ergebnis hat Folgen für den Streitgegenstand. Zum einen liegt keine rechtswirksame Änderungskündigung vor. Das zu Ändernde war durch die Weisung der Arbeitgeberin bereits vollzogen. Die auf Änderungsschutz gerichtete Klage war als unbegründet abzuweisen. Zum anderen war das, was rechtlich zur Geltung kam, das Weisungsrecht des Arbeitgebers, ebenfalls nicht Streitgegenstand. Damit war die Rechtmäßigkeit der „mit der Änderungskündigung regelmäßig konkludent erklärten Weisung“ (LArbG Mainz, Urt. v. 16.03.2021 - 8 Sa 125/20 Rn. 95) nicht am Maßstab des § 106 GewO zu prüfen. „Lediglich der Vollständigkeit halber- weist die 8. Kammer des LArbG Mainz anschließend in einem zweiten Teil der Begründung mit etwa gleichem Textumfang darauf hin, dass die Klägerin auch für den Fall einer nicht überflüssigen Änderungskündigung mit Klage und Berufung keinen Erfolg hätte. Mit ihrem Hinweis der Vollständigkeit halber führt die Kammer eine „Selbst wenn“-Prüfung durch. Damit will sie allem Anschein nach ihr Ergebnis unter der Annahme einer nicht überflüssigen Änderungskündigung absichern und die nicht einfache Abgrenzung zum Weisungsrecht des Arbeitgebers verdeutlichen. Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung und damit auch für die Aufhebung des Vorbehalts bei der Annahme geänderter Arbeitsbedingungen ist das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG. Die Erfordernisse müssen so beschaffen sein, dass sie einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Das LArbG Mainz sieht die Voraussetzungen dringender betrieblicher Erfordernisse, wie erwähnt, mit der getroffenen und umgesetzten, weder offenbar unvernünftigen noch willkürlichen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zur Schließung der Filiale X als erfüllt an. Mit dem Vollzug dieser Entscheidung ist der Bedarf an Beschäftigung der Klägerin in dieser Filiale dauerhaft entfallen. Das mit der Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung der Tätigkeit der Klägerin in der Filiale in C-Stadt hat den Grund, dass es nur dort – und nicht in der weiteren Filiale in L. – Bedarf an Beschäftigung gab. Eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG musste die Arbeitgeberin nach der Begründung der Berufungskammer nicht durchführen, weil die Voraussetzungen nicht vorlagen. Notwendig wird eine Sozialauswahl auch bei einer Änderungskündigung, wenn infolge der unternehmerischen Entscheidung mehr Arbeitsplätze wegfallen als an anderer Stelle im Betrieb freie Arbeitsplätze für eine Weiterbeschäftigung zur Verfügung stehen. Da die Arbeitgeberin allen drei in der nunmehr geschlossenen Filiale in B-Stadt tätigen Arbeitnehmerinnen, darunter der Klägerin, eine Weiterbeschäftigung in der Filiale in C-Stadt anbot, entstand keine Situation, in der zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl günstigerer Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren und deshalb eine personelle Auswahl zu treffen ist (BAG, Urt. v. 12.08.2010 - 2 AZR 945/08 Rn. 41; BAG, Urt. v. 23.02.2012 - 2 AZR 45/11 Rn. 12). Daher musste die Beklagte auch nicht prüfen, ob sie die der Klägerin angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie eher zumutbar gewesen wäre (BAG, Urt. v. 12.08.2010 - 2 AZR 945/08 Rn. 46, mit Verweis auf weitere Entscheidungen des Zweiten und des Siebten Senats des BAG). Das Urteil ist mit seiner Prüfung unter den beiden Blickwinkeln und folgerichtigen Erwägungen nachvollziehbar begründet. Auch im Ergebnis kann das Ergebnis der Berufungskammer im vorliegenden Streitfall überzeugen. Aus Sicht der Parteien in dieser und in vergleichbaren Fallkonstellationen bleibt jedoch der Mangel an Anknüpfungspunkten für eine rechtssichere Handhabung der Änderung von Arbeitsbedingungen durch Direktionsrecht oder Änderungskündigung unbefriedigend.
- C.
Kontext der Entscheidung Das durch das Urteil der 8. Kammer des LArbG Mainz aufgezeigte praktische Problem liegt darin, dass die Feststellung einer Änderungskündigung als überflüssig häufig erst im Nachhinein getroffen werden kann. Im Vorhinein wird in der betrieblichen Praxis, beispielsweise bei Veränderung des Arbeitsortes, auf beiden Seiten des Arbeitsvertragsverhältnisses häufig Unsicherheit bestehen. Sie hat ihre Ursache in der beschriebenen Abgrenzung der Änderungskündigung von den diese durch eo-ipso-Wirkung überflüssig machenden arbeitsrechtlichen Gestaltungsmitteln, im vorliegenden Fall dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin. In der Folge können sich „sichere Wege“ auf beiden Seiten des Arbeitsvertrags in die Quere kommen. So wird man als Arbeitgeber beispielsweise nach Manske/Briegel (in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2022, § 2 KSchG Rn. 18) „gut beraten sein, in Zweifelsfragen vorsichtshalber doch lieber zum Mittel der Änderungskündigung zu greifen und so die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen abzusichern“. Dasselbe empfiehlt Schiefer (in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 5. Aufl. 2023, Rn. 4190). Auf der anderen Seite werde dem Arbeitnehmer „immer zu raten sein, gegen die Änderungskündigung vorzugehen, denn die Frage, ob es sich um eine überflüssige Änderungskündigung handelt, wird sich ohne Anrufung des ArbG nicht rechtssicher klären lassen.“ (Manske/Briegel in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, § 2 KSchG Rn. 19). Hinzu kommt bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung die Fiktion der Rechtswirksamkeit nach § 7 KSchG. Auch aus Sicht eines Arbeitgebers wird die Bestimmung der Reichweite des Weisungsrechts, vor allem bei nicht alltäglichen Entscheidungen bezüglich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, häufig nicht mit Genauigkeit und Gewissheit bekannt sein. Ein in diesem Sinne sicherer Weg kann dann auf zwei Spuren verlaufen, der Anweisung zur Arbeitsaufnahme an anderem Ort und der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen, beispielsweise in einer anderen Filiale, fortzusetzen. Damit wird das vertragsimmanente Mittel des Weisungsrechts verknüpft mit dem schärferen Schwert der Änderungskündigung. Das mag sich wegen der Gefährdung des Bestands des Arbeitsverhältnisses im Nachhinein als unverhältnismäßig herausstellen, aber wer weiß das schon mit Gewissheit im Vorhinein? Auch aufseiten der Arbeitnehmer gibt es zwei Spuren. Die eine wird von § 2 KSchG vorgezeichnet: Das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot kann unter Vorbehalt angenommen werden. Die bedingte Annahme nimmt nach der Rechtsprechung des BAG der eigentlich nicht erforderlichen Änderungskündigung zwar den Rechtsmakel der Unverhältnismäßigkeit (vgl. BAG, Urt. v. 06.09.2007 - 2 AZR 368/06 - NZA-RR 2008, 291, 292 Rn. 19). Das ändert aber nichts daran, dass die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gilt und der nach § 2 KSchG erklärte Vorbehalt erlischt, wenn die Unwirksamkeit nicht fristgerecht geltend gemacht wird. Daher wird der sichere Weg, Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unterstellt, innerhalb von drei Wochen zum Arbeitsgericht führen. Am Ende dieses Weges kann, auch das zeigt der vorliegende Fall, doppelte Enttäuschung stehen. Die Änderungskündigung erweist sich, da das Weisungsrecht gewirkt hat, nach der Rechtsprechung als überflüssig und damit als streitgegenstandslos. Die Frage, ob die Weisung der Arbeitgeberin zur Fortsetzung der Tätigkeit an anderem Ort im Rahmen des billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 und 3 BGB bleibt, ist, wenn der Ermessensgebrauch nicht gerügt wird, ebenfalls nicht Streitgegenstand. Im Ergebnis erhält die Klägerin die Abweisung ihrer Klage bzw. die Zurückweisung ihrer Berufung und eine gerichtliche Kostennote. Einen möglichen Ausweg aus der prozessual unbefriedigenden Lage hat der Zweite Senat des BAG (Urt. v. 17.12.2015 - 2 AZR 304/15 - BAGE 154, 20) für den Fall aufgezeigt, dass die Änderungskündigung vom Arbeitgeber „vorsorglich“ erklärt worden ist. In dem Vorsorglichen ist eine Bedingungsstruktur angelegt, die das Gericht prozessual entfaltet hat. Im Wege der Auslegung hat der Zweite Senat des BAG in dem genannten Urteil den Änderungsschutzantrag der Klägerin, der ebenfalls in einem Versetzungsfall erhoben wurde, so verstanden, dass er nicht zur Entscheidung anfallen solle, wenn es nach Auffassung des Gerichts für die von der Beklagten angestrebte Versetzung der Klägerin keiner Vertragsänderung bedurfte (Rn. 15). Zwar hatte die Klägerin ihren Antrag nicht ausdrücklich in dieser Weise bedingt gestellt. Für die zutreffende Einschätzung der Interessenlage war aber nach Auffassung des Senats auch die nur vorsorgliche Erklärung der Änderungskündigung durch die beklagte Arbeitgeberin in den Blick zu nehmen. Das gebiete es, die Änderungsschutzklage als für den Fall nicht erhoben anzusehen, dass die Änderungskündigung gar nicht zum Tragen kommt (Rn. 15). Um seine Sichtweise plausibel zu machen, hat der Zweite Senat des BAG einen Exkurs ins Prozessrecht unternommen. Danach kann zwar die Klageerhebung selbst nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Aber ein einzelner Klageantrag kann z.B. hilfsweise gestellt und dadurch von dem Ergebnis einer Sachentscheidung des Gerichts über einen anderen Anspruch abhängig gemacht werden (Rn. 22). In einer solchen Anordnung der Anträge liegt eine nach § 260 ZPO zulässige Eventualklagehäufung mit auflösend bedingter Rechtshängigkeit des Hilfsanspruchs. Hat beispielsweise die Arbeitgeberin einer Arbeitnehmerin die Fortsetzung der Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort angewiesen und vorsorglich eine Änderungskündigung mit demselben Ziel erklärt, so fällt bei Eintritt der auflösenden Bedingung – das von der Arbeitnehmerin angerufene Gericht gelangt zu der Auffassung, dass für die angestrebte Versetzung keine Vertragsänderung erforderlich war – die Entscheidung über den Änderungsschutzantrag nicht mehr an (vgl. Rn. 26). Damit entfällt dessen Rechtshängigkeit. Die Klägerin kann mit ihrem bedingten Rechtsschutzbegehren nicht mehr zwischen zwei Stühlen landen. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn der Arbeitgeber die Änderungskündigung nicht ausdrücklich als vorsorglich bezeichnet. Dann bleibt die möglicherweise nicht so seltene Möglichkeit, dass sich die Kündigungserklärung durch Auslegung als „vorsorglich“ verstehen lässt. Von Wortlaut und Auslegung der Erklärung(en) abgesehen ist auch zu beachten, dass in der Begründung des Zweiten Senats des BAG im genannten Urteil aus dem Jahr 2015 die Erklärung der Änderungskündigung durch die Arbeitgeberin als vorsorglich keine zwingende Voraussetzung für den bedingten Schutzantrag der Klägerin war, sondern eine stützende Funktion für die Auslegung hatte. So war nach Auffassung des Senats für die zutreffende Einschätzung der Interessenlage „außerdem in den Blick zu nehmen“, dass die Beklagte die Änderungskündigung nur „vorsorglich“ erklärt hatte. Das gebiete es, die Änderungsschutzklage als für den Fall nicht erhoben anzusehen, dass die Änderungskündigung gar nicht zum Tragen kommt (Rn. 15). Danach lassen sich in einem solchen Fall ungeachtet der Kennzeichnung der Änderungskündigung als vorsorglich die Klageanträge im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag stellen. Für ein solches Verständnis spricht nicht zuletzt der das Kündigungsrecht prägende Gedanke der ultima ratio, der auch im Verhältnis zwischen Direktionsrecht und Änderungskündigung zur Anwendung kommt.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Auswirkungen der Problematik und der Entscheidung liegen auf der Hand. Zwar wird wohl nur in einem Bruchteil von Weisungen des Arbeitgebers, die sich auf den Arbeitsort beziehen, das absichernde Vorgehen über eine zusätzliche Änderungskündigung erforderlich sein. Aber in der im Einzelhandel vermutlich nicht seltenen Fallgruppe der Filialschließungen dürfte die Kombination von Weisung und Änderungskündigung in der arbeitsvertraglichen Umsetzung der Schließungsentscheidung ein häufig gewähltes Mittel sein. Der hier zum Ausdruck gebrachte oder durch Auslegung ermittelbare und durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begründbare Vorrang des Weisungsrechts vor der mit einer Beendigungskündigung verbundenen Änderungskündigung legt, wie unter „Kontext der Entscheidung“ ausgeführt, eine entsprechend bedingte Formulierung der Klageanträge nahe.
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