A. Systematik der Vergütungsregulierung
Die Vergütungssysteme der Finanzbranche sind umfassend reguliert; mit der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung (WpIVergV) wird ein weiteres Regelwerk hinzukommen. Im Einzelnen:
I. Bisherige Rechtslage
Bis zum Inkrafttreten des Wertpapierinstitutsgesetzes (WpIG) am 26.06.2021 war die Vergütungsregulierung im Wesentlichen dreigeteilt:
1. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute
Die Vergütungssysteme der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG bzw. § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG waren in erster Linie im Kreditwesengesetz (KWG)1 und in der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) geregelt;2 hinzu kommen für Wertpapierdienstleistungen die Vergütungsregeln nach MiFID II.3
2. Kapitalverwaltungsgesellschaften
Für lizensierte Kapitalverwaltungsgesellschaften ergibt sich die Vergütungsregulierung aus § 37 Abs. 1 f. Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) i.V.m. Anhang II Richtlinie 2011/61/EU bzw. den Art. 14a Abs. 2 und 14b Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Richtlinie 2009/65/EG.4 Soweit lizensierte Kapitalverwaltungsgesellschaften Wertpapierdienstleistungen erbringen, gelten die Vergütungsregeln nach MiFID II auch für sie.5
3. Versicherungsunternehmen
Für Versicherungsunternehmen ergeben sich die grundlegenden Anforderungen an die Vergütungssysteme aus § 25 Abs. 1 bis Abs. 5 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).6 Detaillierte Vergütungsregeln sind in Art. 275 Delegierte VO (EU) 2015/35 niedergelegt; für kleine Versicherungsunternehmen i.S.v. § 211 VAG, auf die Art. 275 Delegierte VO (EU) 2015/35 nicht anwendbar ist, gilt die Versicherungs-Vergütungsverordnung (VersVergV; siehe § 1 Abs. 2 Satz 1 VersVergV).
II. Neue Regelungen für Wertpapierinstitute
Seit dem 26.06.2021 gilt für Wertpapierinstitute grundsätzlich das WpIG. Wertpapierinstitute sind gemäß § 2 Abs. 1 WpIG Unternehmen, die ausschließlich7 Wertpapierdienstleistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 WpIG (z.B. Finanzkommissionsgeschäft, Anlagevermittlung und Anlageberatung) in bestimmtem Umfang erbringen. Bisher unterlagen diese Unternehmen als Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute dem KWG und dementsprechend der Vergütungsregulierung nach KWG und InstitutsVergV; mit Inkrafttreten des WpIG wurden die meisten Wertpapierinstitute8 aus dem Anwendungsbereich des KWG (und damit auch der InstitutsVergV) herausgenommen und stattdessen dem WpIG unterstellt.
Das WpIG enthält in § 46 Abs. 1 f. eine rudimentäre eigenständige Vergütungsregulierung, die aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 46 Abs. 3 WpIG durch die WpIVergV konkretisiert werden wird. Mit ihrer Konsultation 07/2022 hat die BaFin den aktuellen Entwurf der WpIVergV (WpIVergV-E) vorgelegt.9
B. Anwendungsbereich
I. Institute
Nach dem WpIG sind drei Kategorien von Wertpapierinstituten zu unterscheiden:
1. Mittlere Wertpapierinstitute
Mittlere Wertpapierinstitute sind nach dem WpIG der systematische Grundfall, während für Kleine10 und Große Wertpapierinstitute Ausnahmeregelungen gelten. Mittlere Wertpapierinstitute sind daher alle Wertpapierinstitute, die nicht die Voraussetzungen der Ausnahmen für Kleine oder Große Wertpapierinstitute erfüllen (§ 2 Abs. 17 WpIG).11
Europarechtlich ergeben sich die Anforderungen an die Vergütungssysteme von Mittleren Wertpapierinstituten zum einen aus den Art. 30 ff. Richtlinie (EU) 2019/2034 (Wertpapierfirmen-Richtlinie; IFD).12 Diese Vorgaben werden durch § 46 WpIG in Verbindung mit der (noch zu erlassenden) WpIVergV umgesetzt werden. Zusätzlich unterliegen Mittlere Wertpapierinstitute den Vergütungsregeln nach MiFID II.13
2. Große Wertpapierinstitute
Große Wertpapierinstitute sind Wertpapierinstitute, für die (ausnahmsweise) die VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR)14 gilt (§ 2 Abs. 18 WpIG); Voraussetzung dafür ist u.a., dass sie das Emissionsgeschäft, den Eigenhandel und/oder das Eigengeschäft betreiben (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b CRR). Diese Wertpapierinstitute werden nicht als Wertpapierinstitute nach § 15 Abs. 1, Abs. 3 oder Abs. 4 WpIG zugelassen, sondern bedürfen einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 2 KWG); sie gelten gemäß § 1 Abs. 3d Satz 1 Halbsatz 2 KWG als Kreditinstitute.
Dementsprechend unterliegen Große Wertpapierinstitute gemäß § 4 WpIG größtenteils der Regulierung nach KWG. Das gilt auch für die Vergütungssysteme Großer Wertpapierinstitute, die den Anforderungen nach KWG und InstitutsVergV genügen müssen (§ 4 Satz 1 WpIG);15 § 46 WpIG (und damit auch die künftige WpIVergV) gelten für sie nicht (§ 4 Satz 2 WpIG).
3. Kleine Wertpapierinstitute
Kleine Wertpapierinstitute sind solche, die die Voraussetzungen nach Art. 12 Abs. 1 VO (EU) 2019/2033 (IFR)16 erfüllen: Zum Beispiel dürfen Kleine Wertpapierinstitute weder Eigenhandel noch Eigengeschäft betreiben (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. e IFR); bei Finanzportfolioverwaltung oder laufender Anlageberatung ist das verwaltete Kundenvermögen auf weniger als 1,2 Mrd. Euro begrenzt (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a IFR);17 die Summe der bilanziellen und außerbilanziellen Vermögenswerte des Wertpapierinstituts muss 100 Mio. Euro unterschreiten (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. h IFR); und die jährlichen Bruttogesamteinkünfte des Wertpapierinstituts aus Wertpapierdienstleistungen und Eigengeschäften müssen weniger als 30 Mio. Euro betragen (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. i IFR). Die vorgenannten (und die übrigen in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 IFR genannten) Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 IFR).
Kleine Wertpapierinstitute sind nicht nur von der Vergütungsregulierung nach KWG und InstitutsVergV befreit, sondern auch von § 46 WpIG (und der künftigen WpIVergV) ausgenommen (§ 38 Abs. 1 WpIG). Trotzdem ist die aufsichtsrechtliche Freiheit für die Vergütungssysteme Kleiner Wertpapierinstitute nicht grenzenlos: Nach wie vor anwendbar sind nämlich die Vergütungsregeln nach MiFID II.18
II. Mitarbeiter
1. Mitarbeiterbegriff
Die Definitionen der Mitarbeiter nach § 2 Abs. 7 Satz 1 InstitutsVergV und nach § 3 Abs. 8 WpIVergV-E sind grundsätzlich gleich: Erfasst werden Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 ArbGG sowie sonstige natürliche Personen, deren sich das Kredit-, Finanzdienstleistungs- oder Wertpapierinstitut beim Betreiben von Bankgeschäften oder der Erbringung von Finanzdienstleistungen bzw. beim Betreiben von Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Nebengeschäften bedient (§ 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InstitutsVergV, § 3 Abs. 8 Nr. 1 WpIVergV-E). Ebenfalls als Mitarbeiter gelten die Mitarbeiter von gruppenangehörigen Auslagerungsunternehmen, die unmittelbar an Dienstleistungen für das Kredit-, Finanzdienstleistungs- oder Wertpapierinstitut beteiligt sind, um Bankgeschäfte zu betreiben oder Finanzdienstleistungen zu erbringen bzw. Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und Nebengeschäfte zu erbringen (§ 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 InstitutsVergV, § 3 Abs. 8 Nr. 2 WpIVergV-E); damit soll eine Umgehung der Vergütungsregulierung durch Auslagerung auf nicht regulierte Unternehmen vermieden werden.
Allerdings gelten Handelsvertreter i.S.v. § 84 Abs. 1 HGB gemäß § 2 Abs. 7 Satz 3 InstitutsVergV nicht als Mitarbeiter des Instituts; diese Ausnahme fehlt in der aktuellen Fassung von § 3 Abs. 8 WpIVergV-E.19 Das ist praktisch bedeutsam, weil dadurch Vertriebsunternehmen Mittlerer Wertpapierinstitute als deren Mitarbeiter gelten und damit der Vergütungsregulierung unterliegen könnten,20 während dieselben Vertriebsunternehmen bei einer Tätigkeit für ein Großes Wertpapierinstitut nach § 2 Abs. 7 Satz 3 InstitutsVergV vom Mitarbeiterbegriff und damit auch von der Vergütungsregulierung ausgenommen wären. Diese Ungereimtheit sollte in der Endfassung der WpIVergV beseitigt werden.
2. Mitarbeiterkategorien
Für die Zwecke der Vergütungsregulierung ist zwischen „einfachen“ Mitarbeitern und Risikoträgern zu unterscheiden, wobei diese Differenzierung je nach anwendbarem Aufsichtsregime (KWG/InstitutsVergV oder WpIG/WpIVergV-E) unterschiedliche Bedeutung hat:
a) Große Wertpapierinstitute
Die allgemeinen Anforderungen nach den §§ 3 ff. InstitutsVergV gelten für alle Mitarbeiter Großer Wertpapierinstitute. Das betrifft nicht nur organisatorische Vorgaben (wie z.B. die Verantwortlichkeiten für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme nach § 3 InstitutsVergV), sondern auch konkrete Vorschriften für die Gewährung variabler Vergütungen (z.B. die Regeln zu garantierten variablen Vergütungen nach § 5 Abs. 5 InstitutsVergV, zu Abfindungen nach § 5 Abs. 6 InstitutsVergV21 und zu Halteprämien nach § 5 Abs. 7 InstitutsVergV).
Soweit die Mitarbeiter eines Großen Wertpapierinstituts als Risikoträger qualifizieren und das Große Wertpapierinstitut ein bedeutendes Institut i.S.v. § 1 Abs. 3c KWG ist, gelten für die variable Vergütung dieser Mitarbeiter die besonderen Anforderungen nach den §§ 18 Abs. 3 ff., 19 f. InstitutsVergV (u.a. Risiko-Adjustierung bei der Ermittlung der variablen Vergütung, Gewährung eines Teils der variablen Vergütung in Instrumenten, Zurückbehaltung eines Teils der variablen Vergütung und ggf. Rückforderung bereits ausgezahlter variabler Vergütungen (claw back)); sofern das Große Wertpapierinstitut zwar kein bedeutendes Institut i.S.v. § 1 Abs. 3c KWG ist, aber bestimmte andere (Größen-)Kriterien gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV erfüllt, gelten die besonderen Anforderungen an die variable Vergütung der Risikoträger in leicht abgeschwächter Form (vgl. die §§ 1 Abs. 3 Satz 2 und 18 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV).
b) Mittlere Wertpapierinstitute
Bei Mittleren Wertpapierinstituten gelten alle Anforderungen nach den §§ 5 ff. WpIVergV-E nur für Risikoträger;22 an die Vergütungssysteme von Mitarbeitern i.S.v. § 3 Abs. 8 WpIVergV-E, die keine Risikoträger i.S.v. § 3 Abs. 2 WpIVergV-E sind, werden keine Anforderungen gestellt.23
Bei Mittleren Wertpapierinstituten, die bestimmte (Größen-)Kriterien nach § 44 Abs. 3 Satz 2 WpIG erfüllen, gelten gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 WpIVergV-E24 für die Risikoträger solcher Mittleren Wertpapierinstitute die weiter gehenden Anforderungen an die variable Vergütung nach § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 bis Abs. 5 WpIVergV-E; diese entsprechen systematisch den zusätzlichen Anforderungen an die variable Vergütung von Risikoträgern bedeutender Großer Wertpapierinstitute.25
3. Bestimmung der Risikoträger
Risikoträger sind Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts (§ 1 Abs. 21 Satz 1 KWG, § 3 Abs. 2 WpIG) bzw. auf die vom Institut verwalteten Vermögenswerte (§ 3 Abs. 2 WpIG) auswirkt.
Die Geschäftsleiter gelten stets als Risikoträger (§ 1 Abs. 21 Satz 2 KWG, § 3 Abs. 2 WpIVergV-E). Bei Großen Wertpapierinstituten gilt dies u.a. auch für Mitarbeiter der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgeordneten Führungsebene (§ 25a Abs. 5b Satz 1 KWG).26 Im Übrigen haben Große und Mittlere Wertpapierinstitute eine Risikoanalyse zur Bestimmung der Risikoträger durchzuführen (§ 25b Abs. 5b Sätze 2 ff. KWG, § 4 WpIVergV-E). Die maßgeblichen Kriterien für die Ermittlung der Risikoträger ergeben sich für Große Wertpapierinstitute aus den Art. 3 ff. Delegierte VO (EU) 2021/923 und für Mittlere Wertpapierinstitute aus den Art. 3 ff. Delegierte VO (EU) 2021/2154.
C. Einzelne Regelungen
I. Bonuscap
Hier geht es um die aufsichtsrechtliche Beschränkung der Höhe der variablen Vergütung (ggf. auf null):
1. Verwaltungsräte/Aufsichtsräte
Die schärfste Bonusregulierung trifft die Mitglieder der Verwaltungs- und Aufsichtsräte von Kredit-, Finanzdienstleistungs- und Wertpapierinstituten:
a) Große Wertpapierinstitute
Gemäß § 25d Abs. 5 Satz 4 KWG dürfen Verwaltungs- und Aufsichtsräte von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten für ihre Tätigkeit im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des Instituts keine variable Vergütung erhalten. Diese Regelung gilt gemäß § 4 Satz 1 WpIG i.V.m. § 25d Abs. 5 Satz 4 KWG für Große Wertpapierinstitute.
b) Mittlere Wertpapierinstitute
Das Bonusverbot nach § 25d Abs. 5 Satz 4 KWG ist in § 21 Abs. 5 Satz 2 WpIG übernommen worden und gilt daher auch für Mittlere Wertpapierinstitute.
c) Kleine Wertpapierinstitute
§ 21 Abs. 5 Satz 2 WpIG ist auch auf Kleine Wertpapierinstitute anwendbar, weil diese Vorschrift von der Privilegierung Kleiner Wertpapierinstitute nach § 38 Abs. 1 WpIG nicht erfasst ist.
2. Kontrolleinheiten
a) Große Wertpapierinstitute
Gemäß § 9 Abs. 2 InstitutsVergV muss bei Mitarbeitern der Kontrolleinheiten (z.B. Compliance-Funktion und Interne Revision)27 der Schwerpunkt auf dem fixen Vergütungsbestandteil liegen. Die BaFin schließt daraus, dass die variable Vergütung jedenfalls weniger als 50% der Gesamtvergütung betragen muss;28 als Richtwert soll ein Drittel der Gesamtvergütung gelten,29 und dieser Richtwert soll nur in besonders gerechtfertigten absoluten Ausnahmefällen überschritten werden dürfen.30
b) Mittlere Wertpapierinstitute
Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b WpIVergV-E darf die Vergütung der Risikoträger der Kontrolleinheiten nicht vorwiegend auf variablen Vergütungsbestandteilen beruhen. Dementsprechend muss die variable Vergütung wiederum weniger als 50% der Gesamtvergütung ausmachen.31 Ein noch niedrigerer Richtwert für die variable Vergütung ist dagegen (bislang) nicht vorgesehen.
Zu beachten ist, dass diese Anforderungen – anders als bei Großen Wertpapierinstituten – nur für die Risikoträger (und nicht für alle Mitarbeiter) der Kontrolleinheiten gelten;32 dazu gehören jedenfalls diejenigen Mitarbeiter, die Managementverantwortung für eine Kontrollaufgabe tragen (Art. 3 Buchst. e Delegierte VO (EU) 2021/2154).
3. Allgemeiner Bonuscap
a) Große Wertpapierinstitute
Gemäß § 25a Abs. 5 Satz 2 KWG darf die variable Vergütung der Geschäftsleiter und Mitarbeiter Großer Wertpapierinstitute grundsätzlich nicht höher als die jeweilige Fixvergütung sein. Der Bonuscap kann nach § 25a Abs. 5 Satz 5 KWG durch Beschluss der Anteilseigner des Großen Wertpapierinstituts auf 200% der jeweiligen Fixvergütung erhöht werden.33
b) Mittlere Wertpapierinstitute
aa) Bisherige Rechtslage
Vor Inkrafttreten des WpIG galt der Bonuscap nach § 25a Abs. 5 KWG grundsätzlich auch für die jetzigen Mittleren Wertpapierinstitute, die damals – je nach erbrachter Wertpapierdienstleistung – entweder Kreditinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG oder Finanzdienstleistungsinstitute i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG waren. Allerdings bestanden gemäß § 2 Abs. 8 und Abs. 8b KWG Ausnahmen für Anlageberater, Anlagevermittler, Abschlussvermittler und Finanzportfolioverwalter, sofern diese nicht befugt waren, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen und sofern sie nicht auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handelten; nach § 2 Abs. 8a KWG bestand eine weitere Ausnahme für Institute, deren Haupttätigkeit ausschließlich im Betreiben von Bankgeschäften oder der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit bestimmten Derivaten bestand.
Im Ergebnis galt der Bonuscap somit für einen beträchtlichen Teil der jetzigen Mittleren Wertpapierinstitute, und zwar für all diejenigen, die das Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpIG), das Emissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG, jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpIG), das Platzierungsgeschäft (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Buchst. c KWG, jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 8 WpIG) oder den Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG, jetzt § 2 Abs. 2 Nr. 10 WpIG) in Bezug auf Wertpapiere oder bestimmte Derivate betrieben.
bb) Aktuelle Rechtslage
WpIG und WpIVergV-E sehen keinen Bonuscap vor. Mithin gilt de lege lata für die Risikoträger Mittlerer Wertpapierinstitute kein Bonuscap.
Allerdings müssen Mittlere Wertpapierinstitute gemäß § 8 Abs. 1 WpIVergV-E angemessene Werte für das Verhältnis der variablen und der fixen Vergütung der Risikoträger festlegen; der Anteil der fixen Vergütung muss ausreichend hoch sein, um dem Mittleren Wertpapierinstitut einen ausreichenden Spielraum bezüglich der variablen Vergütung zu geben (§ 8 Abs. 2 WpIVergV-E); und es darf keine signifikante Abhängigkeit der Risikoträger von der variablen Vergütung bestehen (§ 8 Abs. 3 WpIVergV-E). Diese Regelungen begründen Handlungspflichten der Mittleren Wertpapierinstitute und bilden daher keine Rechtsgrundlage für einen seitens der Aufsichtsbehörde vorgegebenen Bonuscap. In diesem Zusammenhang ist jedoch die neuere Verwaltungspraxis der BaFin zu den Anforderungen an die Vergütungssysteme von Kapitalverwaltungsgesellschaften (die ebenso wie die Wertpapierinstitute der Wertpapieraufsicht der BaFin unterstehen) zu berücksichtigen:
Bei Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen ebenfalls Fixvergütung und variable Vergütung in einem angemessenen Verhältnis stehen, und der Anteil der Fixvergütung muss hinreichend hoch sein, um eine flexible Politik bezüglich der variablen Vergütungskomponente zu ermöglichen (§ 37 Abs. 2 KAGB i.V.m. Anhang II Nr. 1 Buchst. j Richtlinie 2011/61/EU bzw. § 37 Abs. 2 KAGB i.V.m. Art. 14b Abs. 1 Buchst. j Richtlinie 2009/65/EG). Im Oktober 2020 verlautbarte die BaFin, dass sie sich für die Beurteilung der Angemessenheit des Verhältnisses von fixer und variabler Vergütung bei Kapitalverwaltungsgesellschaften künftig an der 100%-Grenze nach § 25a Abs. 5 Satz 1 KWG orientieren werde, wobei jedoch die Anteilseigner der Kapitalverwaltungsgesellschaft entsprechend § 25a Abs. 5 Sätze 5 ff. KWG die Obergrenze für die variable Vergütung auf bis zu 200% der Fixvergütung erhöhen könnten.34 Im Mai 2021 konkretisierte die BaFin diese Verwaltungspraxis dahingehend, dass nach ausführlicher Begründung unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Einzelfall auch eine höhere variable Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zur Fixvergütung stehen könne.35 Schließlich verlautbarte die BaFin im Mai 2022, dass eine variable Vergütung bis zu 300% der Fixvergütung keiner gesonderten Begründung bedürfe, und dass im Einzelfall auch eine noch höhere variable Vergütung angemessen sein könne (etwa wegen des besonderen Anforderungsprofils des betreffenden Mitarbeiters).36
Es bleibt zu hoffen, dass diese Verwaltungspraxis nicht auf Mittlere Wertpapierinstitute erstreckt wird, so dass diese entsprechend den Vorgaben in § 8 Abs. 1 bis Abs. 3 WpIVergV-E das angemessene Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung für ihre Risikoträger nach den konkreten Umständen bestimmen können.
II. Zurückbehaltung
1. Große Wertpapierinstitute
Bei bestimmten Großen Wertpapierinstituten37 muss die Auszahlung von mindestens 40% der variablen Vergütung jedes Risikoträgers über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren gestreckt werden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV); abhängig von der Position des jeweiligen Risikoträgers erhöht sich die Untergrenze des Zurückbehaltungszeitraums auf bis zu fünf Jahre und die Untergrenze des zurückzubehaltenden Anteils der variablen Vergütung auf bis zu 60% (§ 20 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV). Bei Geschäftsleitern und der unmittelbar nachgelagerten Führungsebene betragen die jeweiligen Untergrenzen fünf Jahre und 60% (§ 20 Abs. 2 InstitutsVergV). Ferner muss jedes Große Wertpapierinstitut einen Schwellenwert für die jährliche variable Vergütung jedes Risikoträgers in angemessener Höhe (nicht über 500.000 Euro) festlegen, ab dessen Erreichen mindestens 60% der variablen Vergütung zurückzubehalten sind (§ 20 Abs. 3 InstitutsVergV).
2. Mittlere Wertpapierinstitute
Bei bestimmten Mittleren Wertpapierinstituten38 gilt zwar ebenfalls das Zurückbehaltungserfordernis; der Mindestzeitraum beträgt allerdings nur drei Jahre, und die konkretisierenden Anforderungen nach § 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 InstitutsVergV bestehen nicht (§ 9 Abs. 4 WpIVergV-E). Jedoch muss im Fall einer besonders hohen variablen Vergütung der zurückzubehaltende Anteil der variablen Vergütung mindestens 60% betragen (§ 9 Abs. 4 Satz 2 WpIVergV-E).
III. Bagatellgrenze
1. Große Wertpapierinstitute
Die Anforderungen nach § 20 InstitutsVergV bezüglich der Zurückbehaltung eines Teils der variablen Vergütung, der Gewährung eines Teils der variablen Vergütung in Instrumenten und ggf. der Rückforderung einer ausgezahlten variablen Vergütung sind nicht anzuwenden, sofern die variable Vergütung 50.000 Euro nicht übersteigt und nicht mehr als ein Drittel der Gesamtjahresvergütung des Risikoträgers ausmacht (§ 18 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV).
2. Mittlere Wertpapierinstitute
§ 11 Abs. 2 WpIVergV-E sieht eine § 18 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV grundsätzlich entsprechende Bagatellgrenze vor, allerdings unter verschärften Voraussetzungen, weil die variable Vergütung höchstens 50.000 Euro und nicht mehr als ein Viertel der Gesamtjahresvergütung des Risikoträgers betragen darf. Diese Regelung ist allerdings europarechtlich vorgegeben (Art. 32 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie (EU) 2019/2034).
IV. Sonderregeln für Geschäftsleiter
1. Große Wertpapierinstitute
§ 10 InstitutsVergV stellt spezifische Anforderungen an die Vergütungssysteme für die Geschäftsleiter: Die Vergütung jedes Geschäftsleiters muss in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben und Leistungen sowie zur Lage des Instituts stehen und darf die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen (§ 10 Abs. 1 InstitutsVergV); ferner sollen variable Vergütungen eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben,39 und für außerordentliche Entwicklungen soll eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbart werden (§ 10 Abs. 2 InstitutsVergV).40
2. Mittlere Wertpapierinstitute
WpIG und WpIVergV-E enthalten keine § 10 InstitutsVergV entsprechende Regelung,41 so dass diese Anforderungen für Mittlere Wertpapierinstitute grundsätzlich nicht gelten. Eine Ausnahme besteht jedoch für Mittlere Wertpapierinstitute, die als Aktiengesellschaft organisiert sind: Dann ist § 87 AktG anwendbar, und § 87 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AktG enthalten § 10 Abs. 1 und Abs. 2 InstitutsVergV entsprechende Vorgaben.
3. Kleine Wertpapierinstitute
§ 10 InstitutsVergV gilt zwar nicht für Kleine Wertpapierinstitute; sofern Kleine Wertpapierinstitute als Aktiengesellschaft gegründet werden, unterliegen sie jedoch ebenfalls den Anforderungen nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AktG.
V. (Weitere)42 Sonderregeln für Mitarbeiter von Kontrolleinheiten
1. Große Wertpapierinstitute
Die Vergütung der Mitarbeiter von Kontrolleinheiten muss so ausgestaltet sein, dass eine angemessene qualitative und quantitative Personalausstattung der Kontrolleinheiten ermöglicht wird (§ 9 Abs. 1 InstitutsVergV); ferner darf sich die Höhe der variablen Vergütung der Mitarbeiter von Kontrolleinheiten und der von ihnen kontrollierten Organisationseinheiten nicht nach gleichlaufenden Vergütungsparametern richten, wenn die Gefahr eines Interessenkonfliktes besteht (§ 5 Abs. 4 Satz 1 InstitutsVergV).
2. Mittlere Wertpapierinstitute
Die Vergütung der Risikoträger von Kontrolleinheiten muss so ausgestaltet sein, dass eine angemessene qualitative und quantitative Personalausstattung der Kontrolleinheiten ermöglicht wird (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a WpIVergV-E); entsprechend dem allgemeinen Grundsatz43 ist auch diese Anforderung bei Mittleren Wertpapierinstituten auf Risikoträger beschränkt.
Die Höhe der variablen Vergütung der Risikoträger von Kontrolleinheiten einerseits und der Risikoträger der von ihnen kontrollierten Organisationseinheiten andererseits darf sich nicht maßgeblich nach gleichlaufenden Vergütungsparametern richten, wenn die Gefahr eines Interessenkonfliktes besteht (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpIVergV); diese Anforderung ist also nicht nur auf Seiten der Kontrolleinheiten auf Risikoträger beschränkt (was konsequent ist), sondern auch hinsichtlich der als Vergleichsmaßstab dienenden kontrollierten Mitarbeiter: Nach dem Wortlaut dürften sich also theoretisch die Höhe der variablen Vergütung der Risikoträger von Kontrolleinheiten und der einfachen Mitarbeiter der von ihnen kontrollierten Organisationseinheiten maßgeblich nach den gleichen Vergütungsparametern richten, selbst wenn die Gefahr eines Interessenkonflikts bestünde.44
D. Fazit
Die Vergütungsregulierung enthält einige begrüßenswerte Vereinfachungen, insbesondere die Beschränkung aller Anforderungen auf Risikoträger und Vereinfachungen bei den Vorgaben zur Zurückbehaltung eines Teils der variablen Vergütung.
Positiv ist auch der Verzicht auf einen Bonuscap zu bewerten, wobei zu hoffen bleibt, dass dieser Vorteil nicht durch die künftige Verwaltungspraxis der BaFin eingeschränkt wird. Beim Mitarbeiterbegriff sollte die aus der InstitutsVergV bekannte und bewährte Handelsvertreterausnahme ergänzt werden.