Unwirksamkeit einer Eheschließung per Videotelefonie vor einem Trauungsorgan in den USA bei Abgabe der Eheschließungserklärungen durch die Verlobten in DeutschlandLeitsatz Geben Verlobte die Eheschließungserklärungen in Deutschland ab, handelt es sich um eine Eheschließung im Inland und kann die Ehe daher nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Eine Eheschließung durch von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Trauungsorgan im Ausland (hier: Behörde in Utah/USA) abgegebene Erklärungen ist unwirksam (Abgrenzung zu Senatsbeschl. v. 29.09.2021 - XII ZB 309/21 - FamRZ 2022, 93). - A.
Problemstellung Der BGH musste die bisher umstrittene Frage klären, ob der Ort der Eheschließung im Falle einer konstitutiven Registrierung der Ehe durch eine ausländische Behörde am Sitz dieser Behörde liegt, so dass sich die Wirksamkeit der Ehe nach Art. 11 EGBGB richten würde, oder am Ort, von dem die Eheschließenden ihre Erklärung abgegeben haben, so dass für die Wirksamkeit der Ehe bei Abgabe der Erklärungen im Inland die Anforderungen der Formwirksamkeit nach dem Art. 13 Abs. 4 EGBGB maßgeblich sind (i.E. die Anm. zum Besprechungsurteil Wellenhofer, JuS 2025, 178; Anm. der DNotl-Redaktion 2025, 11 sowie Anm. Mayer, FamRZ 2025, 99; Engels, ITRB 2025, 35).
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Antragsteller sind nigerianische Staatsangehörige und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie schlossen im Mai 2021 per Videotelefonie die Ehe vor einer Behörde in Utah (Vereinigte Staaten von Amerika). Während der Eheschließung befanden sich beide Antragsteller in Deutschland und gaben ihre Erklärungen im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab. Sie erhielten anschließend eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Nachdem die Eheschließung auf ihre Vorsprache von der zuständigen Meldebehörde nicht als wirksam angesehen wurde, haben die Antragsteller die beabsichtigte Eheschließung beim zuständigen Standesamt angemeldet. Das Standesamt hat eine Zweifelsvorlage beim Amtsgericht eingereicht mit der Frage, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung entgegenstehe. Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller die Ehe in Utah geschlossen haben. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 4) (Standesamtsaufsicht) zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Aufsichtsbehörde hatte keinen Erfolg. Der XII. Zivilsenat des BGH hat die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Die per Videotelefonie von Deutschland aus erfolgte Eheschließung der Antragsteller vor einer Stelle in Utah ist im Inland unwirksam. Die umstrittene Frage, ob es sich in der gegebenen Fallkonstellation um eine Eheschließung im Inland handelt, hat der XII. Zivilsenat des BGH dahin gehend entschieden, dass der Ort der Eheschließung danach zu bestimmen ist, wo die Eheschließenden ihre Erklärung abgegeben haben. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 4 EGBGB ist lex specialis zu Art. 11 EGBGB und ihrer Rechtsnatur nach eine einseitige Kollisionsnorm, die als besondere Bestimmung zur Form der Eheschließung im Inland nach deutschem Recht auszulegen ist. Im Ausgangspunkt findet die Eheschließung dort statt, wo die für ihre Wirksamkeit erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen werden. Für die Eheschließung ist nach dem maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis materiell-rechtlich der Konsens der Eheschließenden tragend, so dass auf die Abgabe der Eheschließungserklärungen abzustellen ist. Es genügt, dass eine Erklärung in Deutschland abgegeben wurde, weil damit ein wesentlicher Teil der Eheschließung im Inland verwirklicht wurde. Dem steht ein abweichender Ort des Zugangs der Eheschließungserklärungen oder der ausländische Sitz des Trauungsorgans, an das die Erklärungen übermittelt werden, nicht entgegen. Die Mitwirkung des Standesbeamten (vgl. § 1310 BGB) und die Notwendigkeit höchstpersönlicher Erklärungen (vgl. § 1311 BGB) stellen Elemente der Form dar, die für den Ort der Eheschließung nicht ausschlaggebend sind. Die Anwendbarkeit von Formvorschriften ergibt sich nach der gesetzlichen Konzeption erst aus dem vorrangig zu bestimmenden Ort der Eheschließung. Nicht entscheidend ist, ob die Registrierung der Ehe nach dem jeweiligen Auslandsrecht „konstitutive“ Wirkungen hat. Dass auch eine „konstitutive“ Registrierung die Eheschließungserklärungen nicht zu ersetzen vermag, wird dadurch bestätigt, dass eine im Ausland etwa ohne entsprechenden Konsens der Verlobten vorgenommene Eheschließung bei Inlandsbezug mit dem ordre public nach Art. 6 Satz 2 EGBGB i.V.m. Art. 6 Satz 1 EGBGB unvereinbar wäre. Im Unterschied zur Handschuhehe werden bei der Online-Eheschließung die Erklärungen von den Eheschließenden persönlich an deren jeweiligem Aufenthaltsort abgegeben und nicht durch Vertreter am Ort der Trauungsperson oder registrierenden Behörde. Das entspricht nicht zuletzt auch der Art. 11 EGBGB zugrunde liegenden Systematik, wie insbesondere aus Art. 11 Abs. 3 EGBGB deutlich wird. Werden die materiell-rechtlichen Erklärungen bei einer Online-Ehe jedoch in Deutschland abgegeben, so handelt es sich um eine Eheschließung im Inland, für welche Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB zwingend die Beachtung der Inlandsform vorgibt. Die Missachtung der von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vorgeschriebenen Inlandsform hat zur Folge, dass die Ehe nicht geschlossen ist, so dass die Online-Eheschließung im vorliegenden Fall unwirksam ist und daher der angemeldeten Eheschließung nicht entgegensteht.
- C.
Kontext der Entscheidung Mit dieser Entscheidung hat der XII. Zivilsenat des BGH eine grundlegende Streitfrage des internationalen Familienrechts geklärt: Danach kommt es zur Bestimmung des maßgeblichen Orts allein auf den Ort der Abgabe der Eheschließungserklärungen der Ehewilligen an (so schon Wall, StAZ 2022, 33, 37; Mayer, IPRax 2022, 593, 596). Von Deutschland aus ist eine Online-Eheschließung nicht möglich, eine Eheschließung im Inland kann nur in der vom deutschen Recht bestimmten Form erfolgen, gemäß § 1310 BGB vor dem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Nupturienten. Die Entscheidung grenzt der BGH ab von der Entscheidung zur Anerkennung einer Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung (Ls; Rn. 15 des Besprechungsurteils m.w.N.; BGH, Beschl. v. 29.09.2021 - XII ZB 309/21 - FamRZ 2022, 93 Rn. 12, m. Anm. Staudinger/Beiderwieden, jurisPR-IWR 1/2022 Anm. 3; Stürner in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, Art. 13 EGBGB Rn. 79; Finger, FamRB 2022, 46; Anm. Mankowski, NZFam 2021, 1052; Anm. Krömer, FamRZ 2022, 93). Die Entscheidung betrifft eine Eheschließung mit einer Vertretung in der Erklärung: Eine Eheschließung durch einen Vertreter ist nur eine reine Formfrage, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren und wäre nach dem für Deutsche geltenden Heimatrecht unzulässig (BGH, Beschl. v. 29.09.2021 - XII ZB 309/21 Rn. 12). Die Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung verstößt nicht gegen den deutschen ordre public (BGH, Beschl. v. 29.09.2021 - XII ZB 309/21 Rn. 18). Für die Form der Auslandseheschließung ist alternativ das Geschäftsrecht maßgeblich oder das Ortsrecht (Stürner in: Erman, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 76 bis 78 m.w.N.; Mäsch in: BeckOK BGB, 72. Ed. Stand: 01.11.2024, Art 11 VO (EG) 593/20028 Rn. 25).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Für echte Auslandseheschließungen ist die ausländische Ortsform maßgeblich. Wenn die Eheschließungserklärung eines oder beider Verlobten durch einen Vertreter mit gebundener Marschroute oder Boten abgegeben wird, ist Eheschließungsort gemäß Art. 11 Abs. 3 EGBGB der Ort, an dem der Vertreter die Erklärung gegenüber dem Partner oder der Trauungsperson abgibt, so dass, wenn dieser Ort in einem Staat liegt, der die Handschuhehe in seinem Recht vorsieht, auch Deutsche auf diesem Wege die Ehe eingehen können (Stürner in: Erman, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 79 m.w.N.). Ob die Vollmachtsurkunde im Inland unterzeichnet wurde, ist nach der Rechtsprechung ohne Belang, wenn der Bevollmächtigte davon in einem Staat Gebrauch macht, der die Handschuhehe kennt (Stürner in: Erman, BGB, Art. 13 EGBGB Rn. 79). Die Folge dieser Rechtsprechung zu Art. 13 Abs. 4 EGBGB ist das Risiko hinkender Rechtsverhältnisse (Loscheder in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2024, Art. 14 EGBGB Rn. 27; Mörsdorf in: BeckOK BGB, 72. Ed. Stand: 01.11.2024, Art. 14 EGBGB Rn. 74: Die Ehe kann in einem Staat wirksam sein, in einem anderen Staat unwirksam).
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