Kontext der Entscheidung
Gemäß § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen, soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert. Nach § 58 Abs. 8 Satz 1 AufenthG dürften Durchsuchungen nach § 58 Abs. 6 AufenthG nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Gemäß § 58 Abs. 10 AufenthG bleiben weiter gehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt des § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG betreffen, unberührt.
Für die Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung nach § 58 Abs. 6 AufenthG ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
In Ermangelung einer aufdrängenden Spezialzuweisung folgt die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine auf die Anordnung einer auf § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG gestützten Durchsuchung gerichtete Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird, öffentlich-rechtlicher Natur sind. § 58 Abs. 6 AufenthG ermächtigt die Ausländerbehörde zur Vornahme einer gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme der Eingriffsverwaltung, nämlich zur Durchsuchung einer Wohnung mit dem Ziel des Aufgreifens eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers zum Zwecke der Durchsetzung der Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung. Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da es insoweit an einer doppelten Verfassungsunmittelbarkeit fehlt. Es liegt auch keine abdrängende Sonderzuweisung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit vor. Insbesondere folgt eine solche nicht aus einem Bundesgesetz i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO. In Bezug auf eine Wohnungsdurchsuchung nicht einschlägig ist § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, dem zufolge sich das Verfahren bei Freiheitsentziehungen nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet. Eine Zuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit nimmt auch § 58 Abs. 10 AufenthG nicht vor. Die Norm verfehlt bereits das Ausdrücklichkeitserfordernis des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halsatz 2 VwGO, welches Zweifel darüber, welches Gericht anzurufen ist, im Interesse der Rechtsschutzsuchenden ausschließen soll. § 58 Abs. 10 AufenthG stellt klar, dass durch § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG bundeseinheitlich ein Mindestmaß für Betretensrechte bei Abschiebungen vorgegeben wird, bestehende Regelungen der Länder, die weiter gehende Befugnisse geben, indes fortgelten, ohne dass hierzu ein Rechtsakt der Länder notwendig wäre (BVerwG, Beschl. v. 19.10.2022 - 1 B 65/22 Rn. 8; BGH, Beschl. v. 12.07.2022 - 3 ZB 6/21 Rn. 14 ff.).
Die Streitigkeit ist auch nicht gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch Landesrecht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Nach dieser Bestimmung können öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit um eine solche des Landesrechts handelt. Eine auf die Anordnung einer Durchsuchung i.S.d. § 58 Abs. 6 AufenthG zielende Streitigkeit ist keine Streitigkeit nach Landesrecht, sondern eine solche, die auf eine bundesgesetzliche Rechtsgrundlage gestützte Maßnahme gerichtet ist. Dies gilt selbst dann, wenn die beteiligte Behörde die Maßnahme ausdrücklich auf landes(polizei- oder -ordnungs)rechtliche Ermächtigungsgrundlagen stützt, die keine weiter gehenden Regelungen beinhalten. Der Bundesgesetzgeber hat die Durchsuchung zum Zweck der Abschiebung und ihre Voraussetzungen in § 58 Abs. 6 AufenthG verankert. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG widerstreitet dem nicht. Zwar regeln danach die Länder, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG ermächtigt indes nicht auch zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens und insbesondere der Rechtswegzuständigkeit.
§ 58 Abs. 10 AufenthG kommt auch nicht die Bedeutung einer neben § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO tretenden, gleichrangigen eigenständigen Zuständigkeitsregelung zu, die den Ländern gleichsam in der Funktion einer Öffnungsklausel ermöglichte, landesrechtliche Rechtswegregelungen für Wohnungsdurchsuchungen auf die Durchsuchung nach § 58 Abs. 6 bis 9 AufenthG zu erstrecken. Für die Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung mit dem Ziel des Aufgreifens eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers zum Zwecke der Durchsetzung der Ausreisepflicht im Wege der Abschiebung ist, auch wenn die Durchsuchung auf landespolizei- oder -ordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlangen gestützt wird, die mit den § 58 Abs. 6 bis 9 AufenthG inhaltlich deckungsgleich sind oder hinter diesen bundesrechtlichen Regelungen zurückbleiben, nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet. § 58 Abs. 10 AufenthG vermittelt den Ländern keine umfassende Kompetenz zur Regelung der Rechtswegzuweisung, sondern lässt lediglich weiter gehende landesrechtliche Regelungen unberührt. Landesrechtliche Vorschriften materieller und verfahrensrechtlicher Art sowie auf diese bezogene Rechtswegzuweisungen gelangen folglich nur dann zur Anwendung, wenn sie über die in § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG geregelten Befugnisse und sonstigen Vorgaben hinausgehen. Eine abdrängende Sonderzuweisung i.S.d. § 56a Abs. 9 Satz 1 AufenthG, dem zufolge für richterliche Anordnungen nach § 56a Abs. 1 AufenthG das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die zuständige Stelle i.S.d. § 56a Abs. 3 AufenthG ihren Sitz hat, hat der Bundesgesetzgeber in § 58 AufenthG nicht vorgesehen. Ziel des § 58 Abs. 10 AufenthG ist es allein klarzustellen, dass durch § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG bundeseinheitlich ein Mindestmaß für Betretensrechte bei Abschiebungen vorgegeben wird, bestehende Regelungen der Länder, die weiter gehende Befugnisse geben, hingegen fortgelten sollen, ohne dass hierzu ein Rechtsakt der Länder notwendig wäre. Das Fortgelten soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers indes auf über § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG hinausgehende landesrechtliche Regelungen beschränken. Sachverhalte, die von § 58 Abs. 5 bis 9 AufenthG erfasst sind, sind demgegenüber bundesrechtlich geregelt und damit auch einer landesrechtlichen Rechtswegzuweisung entzogen (BVerwG, Beschl. v. 19.10.2022 - 1 B 65/22 Rn. 10 ff.; BGH, Beschl. v. 12.07.2022 - 3 ZB 6/21 Rn. 20 ff.).