juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 20.06.2023 - II ZB 18/22
Autor:Prof. Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:29.08.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 58 GmbHG, § 20 FGG, § 59 FamFG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 8/2023 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Hippeli, jurisPR-HaGesR 8/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Keine erweiterte Beschwerdeberechtigung eines Gesellschaftsgläubigers



Leitsatz

Die Beschwerdeberechtigung eines Gesellschaftsgläubigers, der nach einer formwechselnden Umwandlung die Löschung der Gesellschaft mit der Begründung angeregt hat, der Formwechsel sei rechtsmissbräuchlich unter Umgehung oder Einschränkung des Gläubigerschutzes vollzogen worden, ergibt sich nicht bereits daraus, dass das Registergericht die Löschung verweigert hat. Ein allgemeines Recht eines Gläubigers, zur Erleichterung der Verwirklichung seines Forderungsrechts bestimmte Eintragungen im Handelsregister herbeizuführen oder zu untersagen, besteht nicht.



A.
Problemstellung
Kann man über das Handelsregister gegen die Umwandlung einer Schuldnerin in eine andere Rechtsform mit der Begründung vorgehen, dass die neue Rechtsform die Durchsetzung einer bestehenden Forderung verschlechtert? Gibt es also eine Schuldnerschutzfunktion des Handelsregisters für Gläubiger? Dem musste sich nun der BGH zuwenden.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Gesellschafter einer GmbH beschlossen deren Umwandlung in eine KG mit einer zunächst in England und später in Irland registrierten Limited als Komplementärin. Diese Umwandlung wurde in das Handelsregister eingetragen. Eine Gläubigerin der KG regte nun beim zuständigen Amtsgericht - Registergericht - eine Löschung der KG von Amts wegen an, da die Umwandlung gegen die §§ 58 ff. GmbHG verstoßen habe und damit nichtig sei.
Vor dem Amtsgericht und dem OLG unterlag die Gläubigerin mit diesem Ansinnen. Auch der BGH gab der Gläubigerin nun nicht Recht und wies deren Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG zurück. Die Rechtsbeschwerde sei zwar zulässig, aber unbegründet.
Das OLG habe die entsprechende Beschwerde zu Recht als unzulässig verworfen, da der Gläubigerin die Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG gefehlt habe. Danach muss der Beschwerdeführer unmittelbar in Rechten beeinträchtigt sein. Jedoch habe die Gläubigerin nicht schlüssig dargelegt, dass sie durch die verweigerte Löschung der KG in einem eigenen Recht beeinträchtigt ist. Jedenfalls reiche die Darlegung von „liquiden Gegenansprüchen aus Gewährleistung einer Wohnungseigentümergemeinschaft u.a. an die Gläubigerin“ insoweit nicht aus.
Selbst wenn derartige Ansprüche bestehen sollten, könne hieraus selbst dann keine Beschwerdeberechtigung erwachsen, wenn die Umwandlung zur Einschränkung des Gläubigerschutzes geführt hätte. Denn tatsächlich gehe es immer noch um die vom Amtsgericht verweigerte Löschung der KG, die ihrerseits die Gläubigerin nicht in eigenen Rechten verletzen kann. Denn es bestehe kein allgemeines Recht eines Gläubigers, seine Forderungen durch Einflussnahme auf Handelsregistereintragungen abzusichern. § 59 Abs. 1 FamFG schütze weder ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse noch etwaige Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung auf die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers.


C.
Kontext der Entscheidung
Ein wirklich interessanter Fall, den es in der Form noch nicht gegeben hat. Der BGH geht dabei auf die Wirkungen eines Rechtsformwechsels im Zuge einer Umwandlung nicht weiter ein, sondern löst diesen Fall allgemein über die Reichweite des § 59 Abs. 1 FamFG („Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist“). § 59 FamFG wurde 2009 geschaffen und löste dabei inhaltlich den entsprechenden § 20 Abs. 1 FGG aus dem Jahr 1900 ab. In der maßgeblichen Gesetzesbegründung zu § 59 FamFG (BT-Drs. 16/6308, S. 204) heißt es:
„Er bestimmt, dass es für die Beschwerdeberechtigung auf die Beeinträchtigung eigener Rechte ankommt. Auf die Beteiligtenstellung in erster Instanz kommt es demgegenüber nicht an.“
Was eine Beeinträchtigung in eigenen Rechten genau meint, findet sich dort allerdings nicht. Der BGH hat sich dem über das Familienrecht genähert und erstmals 2011 entschieden, dass eine Beeinträchtigung eigener Rechte dann vorliegt, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflussung oder Gefährdung des Rechts liegen kann (BGH, Beschl. v. 19.01.2011 - XII ZB 326/10 - NJW 2011, 1739). Schon hiernach musste vorliegend klar sein, dass es gar nicht mehr auf eine etwaige Forderungsverschlechterung als subjektives Vorfeldinteresse ankommen konnte, sondern nur noch auf eine unmittelbare Beschlusswirkung zulasten der Gläubigerin, was faktisch kaum möglich sein kann.
Weiter zugespitzt hatte der BGH zudem schon 2013 entschieden, dass ein bloß rechtliches oder wirtschaftliches Interesse nicht genügt, um eine Beeinträchtigung eigener Rechte geltend machen und damit eine Beschwerdeberechtigung i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG haben zu können (BGH, Beschl. v. 24.04.2013 - IV ZB 42/12 - NJW-RR 2013, 905; dem folgend BGH, Beschl. v. 15.07.2014 - II ZB 18/13 - NZG 2014, 1307 f.; BGH, Beschl. v. 15.04.2015 - XII ZB 534/14 - NJW 2015, 1965; BGH, Urt. v. 10.06.2021 - IX ZR 6/18 - NZI 2021, 826, 828). Auch daran gemessen konnten etwaige Forderungen der Gläubigerin keine Beschwerdeberechtigung i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG mehr auslösen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Auswirkungen für die Praxis sind überschaubar, da nur ein wirklich kurioser Einzelfall unter die bisherige Rechtsprechungslinie subsumiert wurde.



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