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Anmerkung zu:BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 13.09.2023 - VIII ZR 109/22
Autor:Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Weiterer aufsichtsführender RiAG a.D.
Erscheinungsdatum:09.11.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 553 BGB, § 280 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 22/2023 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Börstinghaus, jurisPR-MietR 22/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Untervermietung einer Einzimmerwohnung kann zulässig sein



Leitsätze

1. Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte i.S.d. Vorschrift des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt (Bestätigung von BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 Rn. 25, 30 - NJW 2014, 2717).
2. Danach kann ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Gestattung der Gebrauchsüberlassung an Dritte grundsätzlich auch bei einer Einzimmerwohnung gegeben sein.



A.
Problemstellung
Dem Mieter ist nach allgemeinem Mietrecht ohne Erlaubnis des Vermieters eine Untervermietung grundsätzlich nicht gestattet. Eine ohne Erlaubnis erfolgte Untervermietung stellt eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit dar. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis. Eine Ausnahme gilt allerdings für die Wohnraummiete, wenn der Mieter einen Teil der Wohnung einem Dritten überlassen will. Jedoch hat auch der Wohnraummieter keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Überlassung der gesamten Mietsache an einen Dritten zum selbstständigen Gebrauch. Mit der Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Fallkonstellationen musste sich der BGH in der vorliegenden Entscheidung befassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist seit Sommer 2000 Mieter einer in Berlin gelegenen Einzimmerwohnung. Im März 2021 bat er wegen eines beruflichen Auslandsaufenthalts um die Gestattung der Untervermietung vom 15.06.2021 bis zum 30.11.2022 an eine namentlich benannte Person. Die Vermieterin lehnte dies ab. Im Mai 2021 erhob der Mieter Klage auf Erteilung einer Erlaubnis der Untervermietung „eines Teils der Wohnung“ an den bezeichneten Untermieter. Er behauptete, er sei freischaffender Künstler und werde im genannten Zeitraum ein von einer Bibliothek in Moskau unterstütztes, von ihm näher beschriebenes Projekt durchführen. Für die Dauer seiner Abwesenheit wolle er einen Teil der Wohnung für monatlich 241 Euro an die benannte Person untervermieten, jedoch persönliche Gegenstände weiter in der Wohnung lagern. Wie angekündigt, hielt der Kläger sich in dem vorgenannten Zeitraum im Ausland auf. Seine in der (untervermieteten) Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände lagerte er dort in einem Schrank und einer Kommode sowie in einem am Ende des Flurs gelegenen, durch einen Vorhang abgetrennten, nur von ihm zu nutzenden Bereich von der Größe eines Quadratmeters. Ferner blieb er im Besitz eines Wohnungsschlüssels.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landgericht verurteilte die Beklagten, die in zweiter Instanz die außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund der ohne ihre Erlaubnis erfolgten Untervermietung erklärt hatten, antragsgemäß als Gesamtschuldner, die Untervermietung „eines Teils der Wohnung“ an die von dem Kläger benannte Person zu gestatten (LG Berlin, Urt. v. 07.04.2022 - 67 S 7/22 - Bieber, jurisPR-MietR 16/2022 Anm. 1).
Die hiergegen eingelegte zugelassene Revision hatte keinen Erfolg, da dem Mieter ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gemäß § 553 Abs. 1 BGB zustand.
Gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB könne der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entstehe. Dies gelte nach Satz 2 nur dann nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliege, der Wohnraum übermäßig belegt werde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden könne.
1. Das berechtigte Interesse
Ein berechtigtes Interesse des Mieters i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ist schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Hierbei ist als berechtigt jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Das berechtigte Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte setzt dabei nicht voraus, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibt.
Daher war vorliegend der Wunsch des Mieters, der unter Beibehaltung seiner Wohnung eine (befristete) berufliche Tätigkeit im Ausland aufgenommen hat, nach einer Verringerung der von ihm zu tragenden Mietaufwendungen ohne Weiteres als berechtigtes Interesse an der Untervermietung eines Teils der Wohnung anzuerkennen. Denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Norm erkennbar unter anderem die Absicht verfolgt, dem Mieter eine Kostenentlastung durch eine Untervermietung zu ermöglichen.
2. Erfordernis des (Mit-)Gewahrsams des Mieters an den Räumlichkeiten
Dem Anspruch des Klägers auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung nach § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB steht es nicht entgegen, dass es sich um eine Einzimmerwohnung handelt. Entscheidend ist, dass der Mieter weiter Mitbesitz an der Wohnung hat. Das war hier der Fall. Er hielt einen Wohnungsschlüssel zurück und lagerte seine in der Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände dort in einem Schrank und in einer Kommode sowie in einem am Ende des Flurs gelegenen, mit einem Vorhang abgetrennten und nur von ihm zu nutzenden Bereich von der Größe eines Quadratmeters. Es ist nicht erforderlich, dass der zurückbehaltene Teil des Wohnraums (auch) zu Übernachtungszwecken genutzt werden kann. Dies ist keine zwingend notwendige Voraussetzung, sondern – neben der Lagerung von Gegenständen – lediglich eine von mehreren Nutzungsmöglichkeiten.
§ 553 Abs. 1 BGB stellt weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums noch qualitative Anforderungen bezüglich dessen weiterer Nutzung durch den Mieter auf. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Überlassung eines Teils des Wohnraums hat sich letztlich allein daran auszurichten, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Mieter, der ein nachträglich entstandenes berechtigtes Interesse an einer Untervermietung geltend macht, eine Untervermietungserlaubnis nur dann verwehren will, wenn er den gesamten Wohnraum an einen Dritten weitergeben möchte; denn in einem solchen Fall geht es dem Mieter nicht darum, sich den Wohnraum zu erhalten. Dabei ist in Anbetracht des mieterschützenden Zwecks des § 553 Abs. 1 BGB, dem Mieter den Wohnraum zu erhalten, ein großzügiger Maßstab anzulegen. Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten i.S.d. § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ist daher regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13).
3. Anwendung der Grundsätze auf Einzimmerwohnungen
Ein Anspruch des Mieters auf die Erteilung einer Untervermietungserlaubnis kann nach diesen Grundsätzen auch bei einer Einzimmerwohnung grundsätzlich gegeben sein. Dieser Auslegung steht der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Die Vorschrift des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB macht den Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er einem Dritten nur einen Teil des Wohnraums überlässt. Wie ausgeführt, stellt die Bestimmung weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums – wie etwa eine bestimmte Zimmeranzahl oder anteilige Wohnfläche – noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf.
Auch eine historische Auslegung schließt die Anwendung des § 553 BGB auf Einzimmerwohnungen nicht aus. Sie sollte nie nur für Mehrzimmerwohnungen gelten. Bereits die Vorgängervorschrift wurde in das Mietrecht eingeführt, um einen billigen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters zu schaffen. Dem Mieter, der die gemietete Wohnung einem Dritten zum Gebrauch überlassen will, stand früher lediglich die Möglichkeit einer Kündigung des Mietverhältnisses zu, sofern der Vermieter die erforderliche Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung verweigerte. Dieses Kündigungsrecht sollte bei Vorliegen eines nach dem Mietvertragsabschluss entstandenen berechtigten Interesses des Mieters, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zu überlassen, durch einen gesetzlichen Anspruch auf Gestattung der Untervermietung ergänzt werden. Ausgeschlossen bleiben sollte nur die Möglichkeit den ganzen Mietraum zu überlassen. Eine Differenzierung zwischen Ein- und Mehrzimmerwohnungen ist nie gewollt gewesen.
Maßgeblich gegen den Ausschluss von Einzimmerwohnungen aus dem Anwendungsbereich der Bestimmung des § 553 Abs. 1 BGB spricht ihr mieterschützender Zweck, dem Mieter den Wohnraum möglichst zu erhalten. Würde man verlangen, dass der Mieter mindestens ein räumlich abgetrenntes Zimmer zurückbehält, liefe der Schutzzweck der Vorschrift für Mieter einer Einzimmerwohnung gänzlich leer. Sachgerechte Gründe dafür, solche Mieter insoweit als weniger schutzwürdig anzusehen als Mieter einer Mehrzimmerwohnung, erschließen sich indes nicht, denn auch dem Mieter einer Einzimmerwohnung kann es, namentlich bei befristeter Abwesenheit, darum gehen, sich den Wohnraum zu erhalten.
Für die Anwendung des § 553 Abs. 1 BGB auch auf Einzimmerwohnungen spricht des Weiteren der in der heutigen Gesellschaft an Bedeutung zunehmende Aspekt der Mobilität und Flexibilität. Dies haben bereits die Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsreformgesetz hervorgehoben. Diesem Gesichtspunkt ist gerade auch bei Einzimmerwohnungen Bedeutung zuzumessen.


C.
Kontext der Entscheidung
Der BGH hat mit dieser Entscheidung konsequent seine bereits seit 2005 bestehende Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Untermieterlaubnis fortgesetzt. Schon damals hat er entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass der Mieter in der unterzuvermietenden Wohnung noch seinen Lebensmittelpunkt hat (BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 4/05). Fortgesetzt hatte er diese Rechtsprechung im 2014, als er entschied, dass ein mehrjähriger (berufsbedingter) Auslandsaufenthalt des Mieters ein berechtigtes Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten begründen kann (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 mit Anm. Eisenschmid, jurisPR-MietR 15/2014 Anm. 4). Bereits damals hatte er im Leitsatz formuliert, dass von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums i.S.d. § 553 Abs. 1 BGB regelmäßig bereits dann auszugehen ist, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis bedeutet die Ablehnung einer Untermieterlaubnis durch den Vermieter immer ein hohes finanzielles Risiko. Besteht nämlich ein Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung, stellt die Verweigerung eine Pflichtverletzung dar, die den Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig für den erlittenen Mietausfallschaden macht (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 mit Anm. Eisenschmid, jurisPR-MietR 15/2014 Anm. 4). Einen unverschuldeten Rechtsirrtum hat der BGH für diese Fälle grundsätzlich ausgeschlossen. Das Verschulden des Vermieters wird vermutet. Allein eine unter Umständen nicht bis in die letzten Verästelungen geklärte Rechtslage entlastet den Vermieter nicht. Musste der Vermieter mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten. Dies gilt insbesondere bei einer unklaren Rechtslage. In einem solchen Fall handelt ein Schuldner regelmäßig bereits dann fahrlässig, wenn er sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht auf den Gläubiger übertragen. Entscheidet er sich bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die Genehmigung nicht zu erteilen, geht er das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er später zur Erteilung der Genehmigung verurteilt wird.



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