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Anmerkung zu:BayObLG München 3. Strafsenat, Beschluss vom 01.07.2024 - 203 VAs 236/24
Autor:Dr. Ricarda Christine Schelzke, RA'in und FA'in für Strafrecht
Erscheinungsdatum:16.09.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 SanktDG, § 12 SanktDG, § 13 SanktDG, § 25 GVGEG, § 162 StPO, § 23 GVGEG, § 26 GVGEG, § 24 GVGEG, Art 2 GG, Art 1 GG, § 28 StPO, § 406e StPO, § 480 StPO, § 481 StPO, § 26 AWG, § 7 SanktDG, § 474 StPO, EUV 269/2014
Fundstelle:jurisPR-StrafR 18/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Schelzke, jurisPR-StrafR 18/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Akteneinsichtsrecht der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung in Strafakten wegen außenwirtschaftsrechtlicher Verstöße



Leitsätze

1. Die auf § 474 Abs. 2 und 3 StPO gestützte Bewilligung der Akteneinsicht in die Ermittlungsakten durch die Staatsanwaltschaft für die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung stellt einen für den Beschuldigten nach § 23 EGGVG anfechtbaren Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet der Strafrechtspflege dar.
2. Eine Verletzung des Beschuldigten in eigenen Rechten ist möglich (§ 24 Abs. 1 EGGVG), wenn die Staatsanwaltschaft einem Dritten Auskünfte aus einem Strafverfahren gewährt.
3. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung Einsicht in die Ermittlungsakten zu bewilligen, ist an § 7 Abs. 1 Sanktionsdurchsetzungsgesetz i.V.m. § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 StPO zu messen. Die Vorschrift von § 474 Abs. 3 StPO ist nach ihrem Wortlaut auch anwendbar, wenn eine spezielle gesetzliche Vorschrift (hier § 7 Abs. 1 SanktDG) lediglich eine Auskunft bestimmt.
4. Die Entscheidung, ob ausnahmsweise Akteneinsicht statt lediglich Auskunft gewährt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der ersuchten Stelle. Anerkannter Zweck der Vorschrift des § 474 Abs. 3 StPO ist eine Entlastung der Justiz. Von Auswertungen der Ermittlungserkenntnisse auf eine mögliche Relevanz für die Aufgaben anderer öffentlicher Stellen sollen die Ermittlungsbehörden und die Gerichte freigehalten werden. Der Aspekt, dass die ersuchte Stelle nicht verlässlich zu prüfen vermag, welchen Informationen aus den Ermittlungsakten eine Bedeutung für die von der ersuchenden Behörde zeitnah anzustellenden Ermittlungen zukommen könnte, darf bei der Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden.



A.
Problemstellung
Infolge der Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland – u.a. der Verordnung (EU) Nr. 269/2014, nach deren Artikel 2 Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter, in Anhang I dieser Verordnung gelisteter, Personen eingefroren werden – wurde in Deutschland die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung errichtet, deren Aufgaben und Befugnisse in dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SanktDG) geregelt sind. Diese Zentralstelle hat insbesondere die Aufgabe, präventiv-polizeilich Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von sanktionierten Personen zu ermitteln und sicherzustellen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 12, 13 SanktDG).
Gemäß § 7 Abs. 1 SanktDG dürfen Gerichte und Staatsanwaltschaften der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung, soweit dies zur Erfüllung deren Aufgaben erforderlich ist, personenbezogene Daten in außenwirtschaftsrechtlichen Strafverfahren übermitteln. Neben diesem Auskunftsrecht sieht das SanktDG kein Recht auf Einsicht in derartige Strafakten vor.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat nun entschieden, dass eine Akteneinsicht in außenwirtschaftsrechtlichen Strafverfahren grundsätzlich auf § 7 Abs. 1 SanktDG i.V.m. § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1, Abs. 3 StPO gestützt werden dürfe. Dass das Gericht eine umfassende Akteneinsicht dabei schon dann für zulässig hält, wenn die Staatsanwaltschaft behauptet, dass eine eigenständige Recherche nach Ermittlungsansätzen i.S.d. SanktDG zu aufwendig sei und/oder die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung dargelegt hat, dass sie zu ihrer Aufgabenerfüllung eine umfassende Akteneinsicht benötige, begründet das Risiko, dass der Zentralstelle regelmäßig Akteneinsicht gewährt wird und die gesetzliche Vorgabe, dass vorrangig nur Auskunft aus der Akte erteilt werden darf, in der Praxis keine Berücksichtigung mehr finden wird.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Staatsanwaltschaft München II führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen angeblichen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz, wobei die Entscheidung den konkret erhobenen Vorwurf nicht ausführt.
Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung hat bei dieser Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Dies hat sie damit begründet, dass sie ein Verfahren gegen den Beschuldigten zur Ermittlung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen führe. Da der Beschuldigte in Anhang I der VO (EU) 269/2014 genannt sei, unterlägen sämtliche seiner Vermögenswerte einem Verfügungsverbot.
Die Staatsanwaltschaft hat der Zentralstelle nach Anhörung der Verteidigung des Beschuldigten vollumfänglich Akteneinsicht gewährt, da sie nicht abschließend beurteilen könne, welche Akteninhalte die Zentralstelle für die Sanktionsdurchsetzung benötige und die Sichtung und Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutete.
Der 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichtes hat auf den Antrag des Beschuldigten gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG beschlossen, dass diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht zu beanstanden war. Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung könne ihren Antrag auf Akteneinsicht zwar nicht auf § 481 StPO stützen, wonach Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Daten aus Strafverfahren verwenden dürfen, weil der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen sie Informationen aus den Straftaten erhalten könne, abschließend in § 7 Abs. 1 SanktDG geregelt habe.
Die Akteneinsicht könne aber auf § 7 Abs. 1 SanktDG i.V.m. § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1, Abs. 3 StPO gestützt werden. Gemäß § 474 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 StPO dürfen Auskünfte aus Akten an eine öffentliche Stelle erteilt werden, soweit dieser aufgrund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen. Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung sei eine öffentliche Stelle und § 7 Abs. 1 SanktDG eine Vorschrift im Sinne dieser strafprozessualen Vorgabe. Der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung habe auch Akteneinsicht gemäß § 474 Abs. 3 StPO gewährt werden dürfen, wonach unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Akteneinsicht gewährt werden kann, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder die Akteneinsicht begehrende Stelle unter Angabe von Gründen erklärt, dass die Erteilung einer Auskunft zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht ausreichen würde. § 474 Abs. 3 StPO sei „nach seinem Wortlaut“ anwendbar, obwohl § 7 Abs. 1 SanktDG lediglich eine Auskunftserteilung vorsehe. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, umfänglich Akteneinsicht anstelle einer Auskunft zu gewähren, weise keinen Ermessensfehler auf. So habe die Staatsanwaltschaft zum einen nachvollziehbar begründet, dass eine eigene Recherche nach Ermittlungsansätzen i.S.d. SanktDG zu aufwendig sei. Zum anderen habe auch die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung nachvollziehbar dargelegt, dass die Erfüllung ihrer Aufgabe eine vollständige Sichtung der Strafakte erfordere und eine nur stufenweise Auskunftserteilung stets die Gefahr von Vereitelungsmaßnahmen des Betroffenen bürge.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG war statthaft, weil die Strafprozessordnung keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die staatsanwaltschaftliche Entscheidung, einer öffentlichen Stelle Auskunft zu erteilen oder gar Akteneinsicht zu gewähren, regelt. Soll die Auskunft bzw. Akteneinsicht hingegen einem Privaten erteilt werden, ist statthafter Rechtsbefehl der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO (Verletzter) oder gemäß § 480 Abs. 3 Satz 1 StPO (andere Privatpersonen).
Zuständig für den Rechtsbehelf gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG ist das Oberlandesgerichts (§ 25 Abs. 1 EGGVG) bzw. in Bayern das Oberste Landesgericht (§ 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG), obwohl über die Frage, ob Privaten Auskunft aus der Akte oder gar Akteneinsicht gewährt werden darf, (lediglich) das nach § 162 StPO zuständige Gericht entscheidet.
Bei einem Antrag gemäß § 23 EGGVG muss nicht nur eine Monatsfrist beachtet (§ 26 Abs. 1 EGGVG), sondern es muss auch die mögliche Verletzung in eigenen Rechten des Beschuldigten geltend gemacht werden (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Letzteres dürfte aber aufgrund des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) regelmäßig unproblematisch sein.
Das Oberlandesgericht bzw. das Bayerische Oberste Landesgericht prüft bei einem solchen Antrag Ermessensentscheidungen der Staatsanwaltschaft – wie § 474 Abs. 3 StPO („kann“) – ausschließlich auf etwaige Ermessensfehler (§ 28 Abs. 3 StPO). Bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO oder gemäß § 480 Abs. 3 Satz 1 StPO darf das nach § 162 StPO zuständige Gericht hingegen eine eigene Ermessensentscheidung treffen.
Die Frage, ob die unterschiedlichen Adressaten der Auskunftserteilung bzw. Akteneinsicht es rechtfertigen, derartig unterschiedliche Rechtsbehelfe vorzusehen, verdient die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers, soll hier aber nicht weiter vertieft werden.
II. Näher überprüft werden soll aber die Argumentation des 3. Strafsenats, dass § 7 Abs. 1 SanktDG zwar gegenüber § 481 StPO (Verwendung personenbezogener Daten für polizeiliche Zwecke) eine abschließende Sonderregelung sei, nicht aber gegenüber § 474 Abs. 3 StPO (Akteneinsicht an öffentliche Stellen). Gegenüber § 481 StPO sei nach Auffassung des Senats die Regelung abschließend, da § 7 Abs. 1 SanktDG eine Beschränkung auf außenwirtschaftsstrafrechtliche Verfahren vorsehe und damit strengere Voraussetzungen als § 481 StPO habe.
Dass § 474 Abs. 3 StPO trotz § 7 Abs. 1 SanktDG abwendbar sei, wird allein damit begründet, dass der Wortlaut des § 474 Abs. 3 StPO dies ermögliche. Dieses Argument allein kann aber nicht überzeugen, weil die Frage, ob eine Norm gegenüber einer anderen eine abschließende Sonderregelung ist, sich nur dann stellen kann, wenn der Wortlaut beider Normen deren Anwendung überhaupt ermöglicht.
Der Wortlaut von § 474 Abs. 3 StPO deckt nicht nur die Auffassung des 3. Strafsenats des Bayerischen Obersten Landesgericht. Es lässt sich vielmehr mindestens genauso gut vertreten, dass § 474 Abs. 3 StPO nur Anwendung finden darf, wenn auch die außerstrafprozessuale Norm, die den Empfang von Daten ermöglicht, eine Akteneinsicht erlaubt.
Aus der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 SanktDG ergibt sich lediglich, dass diese Norm an § 26 AWG angelehnt sei (BR-Drs. 541/22, S. 63). Rechtsprechung dazu, ob bei § 26 AWG anstelle einer Auskunft allein unter den Voraussetzungen des § 474 Abs. 3 StPO Akteneinsicht gewährt werden darf, ist jedoch nicht ersichtlich. Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 474 Abs. 3 StPO ergibt sich nicht, ob die Frage einer etwaigen Akteneinsicht sich allein nach § 474 Abs. 3 StPO bestimmt oder aber auch die außerstrafprozessuale Norm vorsehen muss, dass sie ggf. die gesamte Strafakte erhalten darf (vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 26).
III. Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung bedarf der Datenaustausch zwischen Behörden aufgrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestellung zwei Ermächtigungsgrundlagen i.S.d. sog. „Doppeltürenmodells“ – also einer Norm, die die Übersendung der Daten durch die eine Behörde erlaubt, und einer Norm, die den Empfang der Daten durch die andere Behörde gestattet. Die beiden Befugnisse dürfen aber in einer Norm zusammengefasst sein, wenn dabei die Anforderungen der Normenklarheit beachtet werden (BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05 Rn. 123 - BVerfGE 130, 151 „Bestandsdatenabruf I“; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 27.05.2020 - 1 BvR 1873/13 Rn. 17 ff. - BVerfGE 155, 119 „Bestandsdatenabruf II“). Dem Gebot der Normenklarheit kommt beim Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine besondere Funktion zu; Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der gesetzlichen Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05 Rn. 123 - BVerfGE 130, 151 „Bestandsdatenabruf I“; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 Rn. 93 ff. - BVerfGE 118, 168 „Kontenabfrage“; BayObLG, Beschl. v. 06.08.2020 - 1 VA 33/20 Rn. 37).
Verfassungsgerichtlich ungeklärt ist bisher, ob § 474 Abs. 3 StPO sowohl die Ermächtigungsgrundlage für die Übersendung der Akte durch die Staatsanwaltschaft als auch für den Empfang der Akte durch eine öffentliche Stelle – wie die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung – sein darf, wenn die außerstrafprozessuale Norm – wie § 7 Abs. 1 SanktDG – gerade keine Akteneinsicht ermöglicht. Führt man sich vor Augen, dass die Voraussetzungen des § 474 Abs. 3 StPO in der Praxis überaus leicht bejaht werden können, sind Zweifel, ob die Grenzen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dabei tatsächlich hinreichend präzise festgelegt wären und dem Gebot der Normklarheit entsprochen würde, durchaus begründet.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Wird einer Person ein strafrechtlich relevanter Verstoß gegen die Russland-Sanktionen vorgeworfen, so ist es – jedenfalls wenn die Person in Anhang I der VO (EU) 269/2014 benannt ist – nicht unwahrscheinlich, dass er auch in das Visier von verwaltungsrechtlichen Ermittlungen der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung gerät und diese Interesse an den staatsanwaltschaftlichen Erkenntnissen hat.
Es besteht dann das Risiko, dass Staatsanwaltschaften Anträgen der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung auf Akteneinsicht in außerwirtschaftsstrafrechtliche Verfahren regelmäßig und ohne große Prüfung nachkommen werden. So lässt sich in den üblicherweise aufwendigen Strafverfahren zum einen leicht darlegen, dass eine eigene Recherche nach Ermittlungsansätzen i.S.d. SanktDG für die Staatsanwaltschaft zu aufwendig sei. Zum anderen wird auch die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung ohne größere Probleme darlegen können, dass sie die gesamte Akte auf Ermittlungsansätze hin prüfen müsse und eine bloße Auskunft die Gefahr bürge, dass Verteilungsmaßnahmen unternommen würden. Die gesetzliche Vorgabe, dass vorrangig nur Auskunft aus der Akte erteilt werden darf, wird so in der Praxis ins Gegenteil verkehrt (vgl. zum gesetzlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis: BayObLG, Beschl. v. 20.12.2021 - 203 VAs 389/21 Rn. 34).
Dem muss sich die Verteidigung in der Regel entgegenstellen, da nicht nur fraglich ist, ob § 474 Abs. 3 StPO nach verfassungsrechtlichen Vorgaben überhaupt die hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Akteneinsicht an die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung sein darf, sondern das gesetzlich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältniss des § 474 Abs. 2, 3 StPO so ins Gegenteil verkehrt wird. Dass grundsätzlich nur Auskunft erteilt werden darf, ist kein Ausdruck unnötiger Bürokratie, sondern gesetzlich vorgesehen, weil das Recht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung weitestmöglich zu schützen ist. Das müssen Staatsanwaltschaften bei der Auslegung des § 474 StPO beachten (vgl. zur Pflicht grundrechtsschonender Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 08.04.2009 - 2 BvR 945/08 Rn. 20 - BVerfGK 15, 323; BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 Rn. 268 - BVerfGE 109, 279), mag dies auch mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden sein (vgl. auch Singelnstein in: MünchKomm StPO, 1. Auflage 2019, § 474 StPO Rn. 26; Wittig in: BeckOK StPO, 52. Edition Stand: 01.07.2024, § 474 StPO Rn. 19).



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