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Nr: NJRE001579049


OLG Dresden 5. Zivilsenat, Urteil vom 8.Mai 2024 , Az: 5 U 1856/23

BGB § 133 , BGB § 157 , BGB § 535 , BGB § 539 , BGB § 552 ,

Leitsatz

1. An die konkludente Vereinbarung einer Betriebspflicht in einem Mietvertrag sind wegen des erheblichen Eingriffes in die Rechtsposition des Mieters strenge Anforderungen zu stellen, welche erfordern, dass ein tatsächliches Verhalten der Mietvertragsparteien vorliegen muss, das einen zweifelsfreien Schluss auf einen auf die Begründung einer Betriebspflicht gerichteten Rechtsbindungswillen zulässt.

Die Vereinbarung einer Umsatzmiete genügt für die Annahme der konkludenten Vereinbarung einer Betriebspflicht nicht.

2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Vermieter im Falle der Vereinbarung einer Umsatzmiete vom Mieter die Zahlung fiktiver Umsatzmiete verlangen kann, wenn der Mieter keinen Umsatz erzielt hat, ist durch Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB zu bestimmen.


Fundstellen

ZAP 2024, 707 (L)
NJ 2024, 349-353 (LT)

Verfahrensgang

vorgehend LG Leipzig 02.11.2023 5 O 1800/22

Langtext

Tenor

I. Auf die nach Teilrücknahme verbliebene Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 02.11.2023 (05 O 1800/22) in den Ziffern 1., 3. und 4. sowie in Bezug auf die Kostenentscheidung und den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgeändert und die weitergehende Klage abgewiesen sowie die Widerklage als derzeit unbegründet abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt vorab die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Borna entstandenen Kosten. Von den Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen im Übrigen tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Die Klägerin, eine Stadt, nahm die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen im Objekt Ausstellungspavillon Bergbaugeschichte auf dem Grundstück L...... Straße 000 in Z......, gelegen am Kap Z...... am Südufer des Z...... Sees, sowie auf Zahlung fiktiver Umsatzmiete für den Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021 in Anspruch. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist davon aufgrund der teilweisen Rücknahme der Berufung durch die Beklagte nur noch der Zahlungsantrag. Die Beklagte begehrt mit der Widerklage von der Klägerin die Zahlung des Gebrauchswertes für die von ihr in die Gewerberäume eingebrachten Gegenstände.

In Z...... wurde bis in das Jahr 1999 Kohle im Tagebaubetrieb abgebaut. Anstelle einer dort ursprünglich befindlichen Abraumförderbrücke wurde auf dem streitgegenständlichen Grundstück in der Nähe der Abbruchkante ein Pavillon errichtet, in welchem an die Bergbaugeschichte Z...... erinnert werden sollte. Im Zusammenhang mit der aktiven Flutung des Bergbauloches zur Herstellung des Z...... Sees schloss die Klägerin am 02.02.2007 einen Mietvertrag (Anlage K 9) mit der Z...... See Gastronomie Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: Altmieterin) über Räume im Ausstellungspavillon zum Betrieb einer gastronomischen Einrichtung sowie eines Kiosks. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierte vor Ort noch keine weitere Bebauung.

Das Mietverhältnis war zunächst vom 01.04.2006 bis zum 30.04.2011 befristet und gewährte der Mieterin eine Verlängerungsoption für fünfmal jeweils weiteren 5 Jahren (§ 12 des Mietvertrages). In § 9 des Mietvertrages wurde eine monatliche Nettokaltmiete von 300,00 EUR zuzüglich 2 % vom Nettoumsatz für die Räume sowie von 51,00 EUR für drei Garagen und eine Betriebskostenpauschale von 484,10 EUR vereinbart, welche jeweils spätestens bis zum 10. Werktag des folgenden Monats auf das angegebene Konto der Klägerin bei der Sparkasse Leipzig zu zahlen war (§ 10 des Mietvertrages). § 5 des Mietvertrages (Bauliche Änderungen durch den Mieter) enthält folgende Regelung:

„1. Bauliche Änderungen durch den Mieter, insbesondere Um- und Einbauten, Installationen, die Vergitterung der Fenster und die Herstellung und Veränderung von Feuerstätten, dürfen nur mit Einwilligung des Vermieters vorgenommen werden. Wird diese erteilt, so ist der Mieter für die Einholung der bauaufsichtsamtlichen Genehmigung verantwortlich und hat alle Kosten zu tragen.

2. Einrichtungen, mit denen der Mieter die Mieträume versehen hat, kann er wegnehmen. Der Mieter kann aber verlangen, dass diese bei Beendigung des Mietverhältnisses vom Vermieter übernommen werden. Der Vermieter wird in diesem Fall den Gebrauchswert (nach gutachterlicher Feststellung) an den Mieter zahlen. Mieter und Vermieter haben sich so rechtzeitig zu erklären, dass Vereinbarungen hierüber noch vor der Räumung getroffen werden können. Übernimmt der Vermieter solche Einrichtungen, egal aus welchem Grund (also auch in dem Fall, wenn es der Mieter nicht verlangt), nicht, wird er selbst bis zum Vertragsablauf (nach Beräumung durch den Mieter) den früheren Zustand wiederherstellen.

3. Der Mieter haftet für alle Schäden, die durch die von ihm vorgenommenen Baumaßnahmen entstehen.“

Mit dreiseitiger Vereinbarung vom 20.04.2011 zwischen der Klägerin, der Altmieterin und der Beklagten trat die Beklagte zum 20.04.2011, 19:00 Uhr als Mieterin an die Stelle der Altmieterin, während Letztere aus dem Mietverhältnis ausschied. Die Beklagte übernahm dabei das von der Altmieterin angeschaffte Inventar und ihre Einbauten.

Bis zum Oktober 2019 erwirtschaftete die Beklagte in den angemieteten Gewerberäumen Nettoumsatz und zahlte davon 2 % an die Klägerin. Wegen der Zusammensetzung der Zahlungen wird auf die Anlage K 14 Bezug genommen. Ab dem November 2019 erzielte die Beklagte in den angemieteten Geschäftsräumen keinen Umsatz mehr, wobei die Gründe dafür zwischen den Parteien strittig sind, und zahlte keine Umsatzmiete an die Klägerin. Am 28.10.2020 übte die Beklagte eine Verlängerungsoption für das Mietverhältnis bis zum 30.04.2026 aus.

Mit Schreiben vom 19.11.2021 (Anlage K 16) forderte die Klägerin die Beklagte auf, für den Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021 rückständige, fiktiv berechnete Umsatzmiete in Höhe von insgesamt 23.455,36 EUR an die Klägerin zu bezahlen. Dabei bezog sich die Klägerin auf eine in den Jahren 2012 bis 2016 durchschnittlich von der Beklagten gezahlte Umsatzmiete von monatlich 600,00 EUR und zog von dem sich daraus ergebenden Betrag die von der Beklagten tatsächlich im Zeitraum von Januar 2018 bis zum Oktober 2019 gezahlte Umsatzmiete ab. Wegen der Zusammensetzung des Differenzbetrages von 23.455,36 EUR im Einzelnen wird auf die als Anlage K 15 vorgelegte Aufstellung Bezug genommen.

Die Beklagte zahlte die vertraglich vereinbarte Miete für die Monate März und April 2022 nicht bis zum 13.05.2022, dem 10. Werktag des Monats Mai 2022. Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 16.05.2022 (Anlage K 20) die Abmahnung der Beklagten wegen Zahlungsverzuges und setzte eine Frist zur Nachzahlung bis zum 19.05.2022. Mit Schreiben vom 20.05.2022 (Anlage K 19) erklärte die Klägerin die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses der Parteien über die streitgegenständlichen Gewerberäume und Freiflächen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte schulde ihr aus der Vereinbarung im Mietvertrag über die Umsatzmiete die Zahlung des Anteils an dem Umsatz, welcher bei ordnungsgemäßem Betrieb der angemieteten Gewerberäume erzielbar gewesen wäre. Im Zeitraum von 2012 bis 2016 habe die Beklagte durchschnittlich einen monatlichen Umsatzanteil von 600,00 EUR an die Klägerin gezahlt. Dementsprechend sei anzunehmen, dass die Beklagte auch im Zeitraum von 2018 bis 2021 einen Umsatz habe erzielen können, der sie zur Zahlung einer monatlichen Umsatzmiete von 600,00 EUR verpflichtet hätte. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer monatlichen, fiktiven Umsatzmiete von 600,00 EUR für den Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021. Auf der Grundlage der von der Beklagten tatsächlich im Zeitraum von Januar 2018 bis Oktober 2019 gezahlten Umsatzmiete ergebe sich als Differenz der mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Rückstand von 23.455,36 EUR. Es habe keinen der Klägerin zurechenbaren Grund dafür gegeben, dass die Beklagte im Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021 einen niedrigeren bzw. keinen Umsatz erzielt habe. Die Ausstellung der Klägerin zur Bergbaugeschichte sei geöffnet gewesen, wenn die angemieteten Gewerberäume von der Beklagten gastronomisch betrieben worden seien.

Die Klägerin habe Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjektes durch die Beklagte, weil sie das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis mit der außerordentlichen Kündigung vom 20.05.2022 wirksam beendet habe. Die Abmahnung vom 16.05.2022 sei am selben Tage um 9:08 Uhr in den Hausbriefkasten der Beklagten eingeworfen worden und die Kündigung vom 20.05.2022 am selben Tag um 9:09 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt sei eine Nachzahlung der rückständigen Miete für die Monate März und April 2022 auf das Konto der Klägerin nicht erfolgt.

Die Widerklage der Beklagten sei unzulässig und unbegründet. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Übernahme und Bezahlung des in den Mieträumen befindlichen Inventars. Die Regelung in § 5 des Mietvertrages beziehe sich bereits nur auf bauliche Änderungen, Um- und Einbauten sowie Installationen, nicht aber auf sonst von der Beklagten in die gemieteten Räume eingebrachte Gegenstände. Zudem stelle § 5 Ziffer 2 Satz 4 des Mietvertrages dem Vermieter frei, die Einrichtungen nicht zu übernehmen und den früheren Zustand wiederherzustellen. Ein Entschädigungsanspruch des Mieters bestehe in diesen Fällen nicht, dieser müsse aber auch nicht von sich aus den früheren Zustand der Räume wiederherstellen. Zu den einzelnen Gegenständen und ihrem Gebrauchswert habe die Beklagte im Übrigen bereits nicht substantiiert vorgetragen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie schulde die Zahlung einer Umsatzmiete nur dann, wenn sie Umsatz erzielt habe. Die Zahlung einer fiktiven Umsatzmiete an die Klägerin schulde sie nicht. Sie habe zudem den gastronomischen Betrieb nicht mutwillig eingestellt. Es sei zu einem erheblichen Rückgang der Nachfrage für die gastronomischen Leistungen gekommen, zu welchem auch die Schließung der Ausstellung durch die Klägerin beigetragen habe. Ab dem Jahre 2020 hätten zudem die pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnungen dem Betrieb der Gastronomie entgegengestanden. Zudem sei der von der Klägerin angesetzte fiktive Umsatz überhöht.

Die Kündigung vom 20.05.2022 habe nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses der Parteien geführt. Es hätten bereits die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 12 Nr. 6 des Mietvertrages nicht vorgelegen, weil die im Schreiben vom 16.05.2022 gesetzte Nachzahlungsfrist unangemessen kurz gewesen und die Nachzahlung am 19.05.2022 auf das Konto der Klägerin erfolgt sei.

Für den Fall der Beendigung des Mietverhältnisses und der Verpflichtung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Gewerberäume habe die Beklagte den Anspruch auf Zahlung des Gebrauchswertes für die von ihr in den Mietbereich eingebrachte komplette Gaststätteneinrichtung aus § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages, den sie auf 85.000,00 EUR beziffere und mit der Widerklage geltend mache. Zur Zusammensetzung dieses Betrages nimmt die Beklagte Bezug auf die als Anlagenkonvolut B 4 vorgelegte Inventaraufstellung nebst Fotoanlage.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts vom 02.11.2023 Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zum Zugang der Abmahnung vom 16.05.2022 und der Kündigung vom 20.05.2022 sowie dem Zahlungseingang auf dem Konto der Klägerin durch die uneidliche Vernehmung der Zeuginnen K...... S...... und A...... E....... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.03.2023 Bezug genommen. Ferner hat das Landgericht Beweis erhoben zu den Umständen des Vertragsschlusses und des Inhalts von § 5 des Mietvertrages durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen L...... A...... und D......S....... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.09.2023 Bezug genommen.

Mit dem Urteil vom 02.11.2023 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 23.455,36 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die streitgegenständlichen Gewerberäume im Pavillon sowie die Freiflächen auf dem Grundstück L...... Straße 000 in Z...... zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die von der Beklagten erhobene Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten obliege aus dem Mietvertrag zwar keine Betriebspflicht, die Klägerin habe aus der Regelung in § 9 des Mietvertrages aber einen Anspruch auf Zahlung derjenigen Umsatzmiete, die geschuldet gewesen wäre, wenn die Beklagte das Mietobjekt im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021 durchgehend vertragszweckgemäß zum Betrieb einer gastronomischen Einrichtung genutzt hätte. Eine Schätzung des Landgerichtes gemäß § 287 ZPO ergebe, dass in diesem Falle, dem Vortrag der Klägerin folgend, aufgrund des erzielbaren Umsatzes eine Umsatzmiete von monatlich 600,00 EUR hätte bezahlt werden müssen. Den Differenzbetrag zur tatsächlichen Zahlung von Umsatzmiete bis zum Oktober 2019 von Seiten der Beklagten in Höhe von 23.455,36 EUR könne die Klägerin von der Beklagten verlangen.

Der Klägerin stehe auch der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gewerberäume und Freiflächen zu, weil das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 20.05.2022 beendet worden sei. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe zur Überzeugung des Landgerichtes ergeben, dass die Abmahnung vom 16.05.2022 und die Kündigung vom 20.05.2022 jeweils am selben Tage in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen worden seien und die Nachzahlung der rückständigen Miete von Seiten der Beklagten weder am 19.05.2022 noch am 20.05.2022 vor dem Einwurf in den Briefkasten gegen 9:00 Uhr auf dem Konto der Klägerin bei der Sparkasse L...... eingegangen sei.

Die Widerklage sei unbegründet, denn die Klägerin sei aus § 5 des Mietvertrages nicht zur Vergütung von Gegenständen der Beklagten verpflichtet, welche diese zur Herstellung eines funktionsfähigen Gastronomiebetriebes in die Räumlichkeiten eingebracht habe. Vielmehr erfasse die Regelung in § 5 des Mietvertrages lediglich bauliche Änderungen durch den Mieter. Im Übrigen stehe die Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 4 des Mietvertrages der Annahme entgegen, dass die Klägerin als Vermieterin verpflichtet sei, auf Verlangen der Beklagten als Mieterin das eingebrachte Inventar zu übernehmen und einen Gebrauchswert zu entrichten. Ein davon abweichendes, übereinstimmendes Verständnis der Mietvertragsparteien bei Abschluss des Vertrages am 02.02.2007 sei im Ergebnis der mit der Vernehmung der Zeugen L...... A...... und D...... S...... durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen gewesen.

Gegen das ihr am 02.11.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.11.2023 zunächst in vollem Umfang Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 31.01.2024 begründet. Die gegen den Räumungsausspruch in Ziffer 2 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Berufung hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 zurückgenommen.

Die Beklagte trägt vor, das Landgericht habe die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von fiktiver Umsatzmiete für den Zeitraum von 2018 bis 2021 in Höhe von 23.455,36 EUR verurteilt. Das Ausbleiben nennenswerter Umsätze bereits seit dem Jahre 2018 und zur Gänze seit dem November 2019 sei nicht auf das unternehmerische Handeln der Beklagten zurückzuführen und liege auch nicht allein in ihrer Risikosphäre. Vielmehr sei die Gastwirtschaft im Pavillon nur dann lebensfähig, wenn sie Ausstellungsbesucher als Kunden habe, was ab der Schließung der Ausstellung Ende des Jahres 2018 nicht mehr der Fall gewesen sei. Hinzu seien die pandemiebedingten Schließungsanordnungen gekommen. Staatliche Hilfen für laufende Miet- und Betriebskosten umfassten jedenfalls nicht fiktive Umsatzmieten. Vom Landgericht aber seien diese Umstände im Rahmen der Entscheidung vom 02.11.2023 nicht berücksichtigt worden. Zudem sei der Höhe nach ein monatlicher Umsatz von 30.000,00 EUR, welcher zu einer Umsatzmiete von 600,00 EUR im Monat geführt hätte, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erzielbar gewesen. Die Durchschnittswerte des erzielten Umsatzes aus den Vorjahren könnten nicht ohne weiteres auf den streitgegenständlichen Zeitraum übertragen werden. Einen Erfahrungssatz dahin, dass die Nettoumsätze in einem Gastronomiebetrieb konstant bleiben, wenn der Gastronom das Unternehmen weiterbetreibe, existiere nicht. Für die vom Landgericht durchgeführte Schadensschätzung nach § 287 ZPO fehle deshalb die Schätzungsgrundlage. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass die pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnungen und Einschränkungen des Geschäftsbetriebes nicht berücksichtigt worden seien. Im Übrigen seien etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin verwirkt.

Die Widerklage sei entgegen der Auffassung des Landgerichtes begründet. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages. Die Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 4 des Mietvertrages stehe dem nicht entgegen, sondern sei eine Ergänzung.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 02.11.2023 zum dortigen Aktenzeichen: 05 O 1800/22 wird insgesamt aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

2. Hilfsweise für den Fall der Zurückweisung oder Rücknahme der Berufung gegen den Ausspruch zu Ziffer 2. des Urteilstenors der angefochtenen Entscheidung wird beantragt, die Klägerin und Hilfswiderbeklagte unter Aufhebung der Ziffer 4. des Urteilstenors der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 85.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB seit Rechtskraft eines Räumungstitels zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichtes unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 02.11.2023 und vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 ließ die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Räumungstitel gemäß §§ 885, 885a ZPO (“Berliner Räumung“) durchführen.

II.

Die nach teilweiser Rücknahme verbliebene Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 23.455,36 EUR nebst Zinsen richtet, weil der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung fiktiver Umsatzmiete nicht zusteht (dazu 1.).

Im Übrigen hat die Berufung nur teilweise Erfolg, nämlich dahin, dass die Widerklage nicht endgültig, sondern als derzeit unbegründet abzuweisen ist (dazu 2.).

1. Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung fiktiver Umsatzmiete in Höhe von 23.455,36 EUR für den Zeitraum Januar 2018 bis Dezember 2021 auf § 9 Nr. 1 Satz 1 des Mietvertrages, in dem es heißt, die Nettokaltmiete betrage 300,00 EUR zuzüglich 2 % vom Nettoumsatz. Den monatlichen Mietbetrag von 300,00 EUR hat die Beklagte unstrittig für den geltend gemachten Zeitraum gezahlt. Gegenstand der Zahlungsklage ist die Differenz zwischen dem von der Beklagten auf den angegebenen Umsatz im Zeitraum von Januar 2018 bis Oktober 2019 gezahlten Umsatzanteil und einem fiktiven Umsatzanteil von 600,00 EUR pro Monat auf der Grundlage eines tatsächlich von der Beklagten im Zeitraum von 2012 bis 2016 erzielten Nettoumsatzes von (durchschnittlich) 30.000,00 EUR pro Monat.

Dagegen ist nicht Gegenstand der Klage im vorliegenden Verfahren ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung einer Betriebspflicht. Eine Betriebspflicht wurde von den Parteien des Mietvertrages vom 02.02.2007 nicht vereinbart, denn der Mietvertrag enthält weder eine solche ausdrückliche Vereinbarung noch könnte ihm die konkludente Bestimmung einer Betriebspflicht entnommen werden. Wegen des erheblichen Eingriffes in die Rechtsposition des Mieters sind an eine derartige konkludente Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen, welche erfordern, dass ein tatsächliches Verhalten der Mietvertragsparteien vorliegen muss, das einen zweifelsfreien Schluss auf einen auf die Begründung einer Betriebspflicht gerichteten Rechtsbindungswillen zulässt (vgl. Günter WuM 2012, 587, 590; Stobbe/Tachezy NZM 2002, 557, 558; Leonhard in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 3. Aufl., Anhang 1 zu § 535 BGB Rn. 53; in diesem Sinne auch Senatsurteil vom 24.07.2007, 5 U 489/07, NZM 2008, 131, 132). Solches lässt sich für den Mietvertrag vom 02.02.2007 nicht feststellen. Die Vereinbarung einer Umsatzmiete genügt für die Annahme der konkludenten Vereinbarung einer Betriebspflicht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.1979, VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351, 2352; Gomille NZM 2018, 809, 811; Günter, a.a.O.; Leonhard, a.a.O.).

Die Klägerin macht zudem auch nicht den Ausgleich desjenigen Schadens geltend, der ihr daraus entstanden wäre, dass die Beklagte gegen eine vertragliche Betriebspflicht verstoßen habe. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 bestätigt.

Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin von der Beklagten aufgrund der Regelung zur Umsatzmiete in § 9 Nr. 1 Satz 1 des Mietvertrages vom 02.02.2007 die Zahlung (fiktiver) Umsatzmiete verlangen kann, wenn die Beklagte keinen Nettoumsatz erzielt hat, ist durch Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.1979, a.a.O.). Die Auslegung des Mietvertrages vom 02.02.2007 gemäß §§ 133, 157 BGB durch den Senat ergibt, dass Umsatzmiete im Sinne eines Anteiles von 2 % vom Nettoumsatz von der Beklagten nur dann geschuldet ist, wenn die Beklagte einen Nettoumsatz erzielt hat.

Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013, XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519; Senatsurteil vom 16.06.2021, 5 U 9/21, BeckRS 2021, 42203 Rn. 38). Der übereinstimmende Parteiwille geht dabei aber dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor (vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.2014, XII ZR 124/12, BeckRS 2014, 10546). Die Auslegung des Vertrages soll nach § 157 BGB so erfolgen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Wesentlich ist dabei die Vermeidung von Widersprüchen innerhalb des Vertragswerkes und die Ermöglichung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Vertragsparteien (vgl. Senatsurteil vom 16.06.2021, a.a.O., Rn. 60). Nach diesen Grundsätzen ist eine Umsatzmiete aus dem Vertrag vom 02.02.2007 nur dann geschuldet, wenn die Beklagte durch den Betrieb der gastronomischen Einrichtung in den Mieträumen tatsächlich einen Nettoumsatz erzielt.

Zunächst spricht der Wortlaut der Regelung in § 9 Nr. 1 Satz 1 des Mietvertrages vom 02.02.2007 gegen die Annahme der Vereinbarung einer fiktiven Umsatzmiete. Darin vereinbaren die Parteien die Zahlung eines festen Mietbetrages von 300,00 EUR und zusätzlich eines Anteiles von 2 % vom Nettoumsatz, also von einem tatsächlich erzielten Umsatz. Für die Vereinbarung einer Zahlungspflicht von Seiten der Beklagten auch in dem Falle, in dem die Beklagte keinen Umsatz erzielt, gibt es im Wortlaut der Regelung keinen Anhaltspunkt.

Weiterhin ist weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrages vom 02.02.2007 die Vereinbarung einer Zahlungspflicht des Mieters im Falle der Annahme eines fiktiven Umsatzes wollten.

Nun hat der BGH in dem Urteil vom 04.04.1979 (a.a.O.) ausgeführt, im Falle der Vereinbarung einer Umsatzmiete sei „grundsätzlich“ der Betrag als geschuldet anzusehen, der als Miete in Betracht komme, wenn der Mieter die Räume weiterhin zu dem im Vertrag vorgesehenen Zweck genutzt hätte. Diesen Ausführungen liegt offenbar die Annahme zugrunde, dass die Parteien des konkreten Mietvertrages die in die vertragliche Vereinbarung eingeflossene gemeinschaftliche Überzeugung hatten, dass das Mietobjekt - trotz fehlender Betriebspflicht - regelmäßig vom Mieter für den vertraglich vereinbarten Zweck genutzt und dabei ein hinreichend konkretisierter Umsatz erzielt werde.

In dem der Entscheidung des BGH vom 04.04.1979 (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt waren diese Voraussetzungen erfüllt. Es ging um einen befristeten Mietvertrag für Räume zum Betrieb einer Apotheke, in welchem eine Umsatzmiete vereinbart war. Nachdem die Ehefrau des Mieters auf dem Nachbargrundstück eine Apotheke eröffnet hatte, stellte der Mieter den Betrieb der Apotheke in den gemieteten Räumen ein und kündigte - unwirksam - den befristeten Mietvertrag. Im Urteil vom 04.04.1979 (a.a.O.) führte der BGH aus, dass der befristete Mietvertrag fortbestehe und der Mieter, auch wenn keine Betriebspflicht vereinbart sei, zur Zahlung einer Miete verpflichtet sei, welche durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln sei. Dabei sei im Falle der Vereinbarung einer Umsatzmiete grundsätzlich der Betrag als geschuldet anzusehen, der als Miete in Betracht komme, wenn der Mieter die Räume weiterhin zu dem im Vertrag vorgesehenen Zweck genutzt hätte. Eine Beschränkung des Vermieters auf die vereinbarte Mindestmiete sei nicht angezeigt, weil diese regelmäßig nur dazu diene, den Vermieter dagegen zu sichern, dass die Miete unter den Betrag absinke, der benötigt werde, um die Kosten der Mieträume zu decken.

Diese Überlegungen des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 04.04.1979 (a.a.O.) dazu, welche Gesichtspunkte regelmäßig bzw. grundsätzlich bei der Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung zur Umsatzmiete zu beachten sind, können auf die Auslegung des Mietvertrages vom 02.02.2007 durch den Senat im vorliegenden Fall nicht übertragen werden, weil sich der vom Senat auszulegende Mietvertrag vom 02.02.2007 wesentlich von demjenigen Mietvertrag unterscheidet, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.04.1979 (a.a.O.) zugrunde lag. In Bezug auf den Mietvertrag, welchen der Bundesgerichtshof auszulegen hatte, konnte von einer gemeinsamen Erwartung der Mietvertragsparteien dahin, dass der Mieter die Räume auch ohne Vereinbarung einer Betriebspflicht regelmäßig nutzen werde, ausgegangen werden, weil die Räume zum Betrieb einer Apotheke vermietet wurden. Apotheken obliegt nämlich gemäß § 1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dies gilt nicht nur aufgrund der derzeit geltenden Regelung des § 1 Abs. 2 ApoG, sondern war bereits in der Vorgängervorschrift des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 20.08.1960 (BGBl. I., 697) so geregelt. Wenn über die Apotheke die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln abgesichert werden soll, dann besteht die berechtigte Erwartung der Mietvertragsparteien, dass der die Apothekenräume mietende Apotheker die Apotheke regelmäßig jedenfalls zur Erfüllung dieser Aufgabe betreiben wird. Eine solche Pflicht besteht im Sinne der Dienstbereitschaft von Apotheken aus § 23 ApBetrO, welche es auch schon zum Zeitpunkt des Urteils des BGH vom 04.04.1979 (a.a.O.) gab (vgl. § 5 ApBetrO vom 07.08.1968; BGBl. I., 939 f.). Für Apotheken werden zudem regelmäßig Erfahrungswerte dahingehend bestehen, welcher Umsatz an einem bestimmten Standort mit der Apotheke generiert werden kann.

Gänzlich anders liegt es bei dem vom Senat auszulegenden Mietvertrag vom 02.02.2007. Hier besteht aufgrund der besonderen Umstände im Hinblick auf das Mietobjekt und den Vertragsschluss keine Grundlage für eine berechtigte Erwartung der Mietvertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 02.02.2007, dass es zur regelmäßigen Öffnung des Mietobjektes und zur Erzielung hinreichend bestimmbarer Umsätze kommen werde.

In Bezug auf die Gaststätte besteht nicht nur kein öffentlich-rechtlicher Versorgungsauftrag für die Bevölkerung. Entscheidend ist, dass die gastronomisch zu nutzenden Räume in einem Pavillon vermietet wurden, der sich an der Abbruchkante eines gerade erst stillgelegten Tagebaus am Rande von Z...... befand. Der Z...... Tagebau wurde erst im Jahr 1999 stillgelegt, während es zum Bau des Pavillons in den Jahren danach kam. Der für die Klägerin bereits damals tätige Zeuge S...... hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.09.2023 ausgesagt, an der Tagebaukante sei noch nichts vorhanden gewesen, weswegen er vom Bürgermeister der Klägerin beauftragt worden sei, einen Gastronomen zu finden, der in der Lage gewesen sei, einer Vision zu folgen. Vergleichbar schilderte es der Zeuge A...... als Vertreter der Altmieterin, der ausführte, der Z...... See sei seinerzeit noch ein großes Loch gewesen und weit und breit keine größere Bebauung. Es gab also zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, welcher für die Auslegung maßgebend ist, keine Umgebung, in welche sich eine gastronomische Einrichtung hätte einfügen können und in Bezug auf welche eine einigermaßen begründete Erwartung der Parteien hätte bestehen können, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe mit der gastronomischen Einrichtung in absehbarer Zeit Umsatz erzielt werden würde.

Gleichwohl nahmen die Mietvertragsparteien in den Mietvertrag, der über die anfänglich (gut) 5-jährige Laufzeit und Verlängerungsoptionen für den Mieter von 5 x 5 Jahren eine potenzielle Gesamtdauer von 30 Jahren hatte, eine Regelung zur Umsatzmiete auf, die nicht zwischen den Anfangsjahren und der potenziellen Verlängerung des Vertrages durch die dem Mieter gewährten Optionen unterschied. Eine gemeinsame Erwartung der Mietvertragsparteien dahin, es werde für die gesamte Laufzeit von Beginn an ein einigermaßen konkretisierbarer Umsatz von Seiten der Mieterin erzielt werden, der Grundlage einer fiktiven Umsatzmiete sein könnte, lässt sich deshalb nicht feststellen.

Im Ergebnis schuldete die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2021 daher nur den Anteil von 2 % am bis Oktober 2019 tatsächlich erzielten Nettoumsatz, welchen sie bereits an die Klägerin gezahlt hat. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung der Differenz zum fiktiven Umsatz von monatlich 600,00 EUR ist dagegen unbegründet.

Wegen des Nichtbestehens eines Anspruches auf Zahlung fiktiver Umsatzmiete kommt es nicht entscheidend auf die im Verfahren aufgeworfene Frage an, ob die Höhe einer etwa geschuldeten fiktiven Umsatzmiete im Sinne der Klage am Durchschnitt des Nettoumsatzes in den Jahren 2012 bis 2016 orientiert werden könnte.

2. Die von der Beklagten für den eingetretenen Fall der Berufungsrücknahme in Bezug auf den Räumungstitel erhobene Widerklage hat teilweise Erfolg, nämlich insoweit, als die Widerklage als derzeit unbegründet abzuweisen ist.

Abweichend von der Auffassung des Landgerichtes ergibt die Auslegung der Regelung in § 5 des Mietvertrages vom 02.02.2007 einen sinnvollen, widerspruchsfreien Inhalt, nach welchem ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin aus § 5 Nr. 2 Satz 3 möglich erscheint (dazu a), bisher aber nicht entstanden ist, weil er erst mit dem Übernahmeverlangen der Beklagten als Mieterin nach § 5 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrages vom 02.02.2007 in Bezug auf konkret bezeichnete Einrichtungsgegenstände entsteht, zu der es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 nicht gekommen ist (dazu b).

a) Wie bereits oben unter II.1. ausgeführt, gehört zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2013, a.a.O.; Senatsurteil vom 16.06.2021, a.a.O.). Der übereinstimmende Parteiwille geht dabei dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor (vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.2014, a.a.O.). Die Auslegung des Vertrages soll nach § 157 BGB so erfolgen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Wesentlich ist dabei die Vermeidung von Widersprüchen innerhalb des Vertragswerkes und die Ermöglichung eines gerechten Interessenausgleichs zwischen den Vertragsparteien (vgl. Senatsurteil vom 16.06.2021, a.a.O., Rn. 60).

Nach diesen Grundsätzen lässt sich die Regelung in § 5 des Mietvertrages vom 02.02.2007 anhand des Wortlautes der Vorschriften im Zusammenspiel mit der gesetzlichen Regelung in §§ 539 Abs. 2, 552 Abs. 1, 578 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB, welche ohne das Bestehen einer vertraglichen Regelung gelten würde, sach- und interessengerecht auslegen, ohne dass die vom Landgericht monierte Widersprüchlichkeit eintritt.

Die Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 1 des Mietvertrages vom 02.02.2007 entspricht der gesetzlichen Regelung in § 539 Abs. 2 BGB, bringt also keine Veränderung der nach dem Gesetz ohnehin bestehenden Rechtslage, übernimmt aber die Terminologie des Gesetzes, mit der Folge, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Begriff der Einrichtung im Sinne des Vertrages so zu verstehen ist, wie der Begriff der Einrichtung im Sinne von § 539 Abs. 2 BGB.

§ 5 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrages enthält eine Regelung, die von der Gesetzeslage zugunsten des Mieters abweicht. Der Mieter kann danach verlangen, dass die von ihm in das Mietobjekt eingebrachten Einrichtungen bei Beendigung des Mietverhältnisses vom Vermieter übernommen werden. Nach der gesetzlichen Regelung ist es dagegen im Grundsatz Bestandteil der Räumungspflicht des Mieters aus § 546 Abs. 1 BGB, die von ihm mit der Mietsache verbundenen Einrichtungen zu entfernen (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2006, VIII ZR 152/05, NJW 2006, 2115 Rn. 18; Krüger/Horn in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 3. Aufl., § 546 BGB Rn. 13 m.w.N.). Gemäß § 552 Abs. 1 BGB kann der Vermieter der Entfernung bzw. Wegnahme der Einrichtung widersprechen, während es nach der hier vorliegenden vertraglichen Regelung der Mieter ist, der verlangen kann, dass der Vermieter die Einrichtung übernimmt. Folgerichtig ist die Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages, wonach für die übernommene Einrichtung eine Gegenleistung in Form einer Entschädigung zu erbringen ist. Während nach der gesetzlichen Regelung in § 552 Abs. 1 BGB der Vermieter, wenn er dem Wegnahmerecht des Mieters widersprochen hat, eine „angemessene Entschädigung“ zahlen muss, sieht die vertragliche Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages die Zahlung des „Gebrauchswertes“ (nach gutachterlicher Feststellung) vor. Die Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 4 des Mietvertrages vom 02.02.2007 fügt sich sinnvoll insoweit ein, als sie die Vertragsparteien dazu anhält, die notwendigen Vereinbarungen für die ordnungsgemäße Feststellung des Gebrauchswertes möglichst vor der Räumung zu treffen, sich also etwa von vornherein auf einen Gutachter zu einigen.

Es folgt Satz 5 von § 5 Nr. 2 des Mietvertrages, der entgegen den Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil vom 02.11.2023 nicht zu einem Widerspruch mit der Regelung in § 5 Nr. 2 Satz 2, 3 des Mietvertrages führt. Es heißt in § 5 Nr. 2 Satz 5 des Mietvertrages, dass der Vermieter, welcher die Einrichtungen egal aus welchem Grunde nicht übernimmt, bis zum Vertragsablauf nach Beräumung durch den Mieter den früheren Zustand selbst wiederherstellen wird. Die Regelung ergänzt damit die Vorschrift des § 5 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrages, wonach der Mieter die Übernahme der Einrichtung durch den Vermieter verlangen kann, dadurch, dass der Mieter entgegen der gesetzlichen Regelung in § 546 Abs. 1 BGB nicht zur Entfernung der Einrichtung verpflichtet ist.

Schließlich kollidiert die Regelung in § 5 Nr. 2 des Mietvertrages vom 02.02.2007 nicht mit der Überschrift des § 5 des Mietvertrages, wonach „bauliche Änderungen durch den Mieter“ geregelt werden, weil ihr Anwendungsbereich mit der Anknüpfung an den gesetzlich eingeführten Begriff der Einrichtung (i.S.v. § 539 Abs. 2 BGB) klar abgegrenzt ist.

Im Ergebnis ist die Regelung damit nach Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend zu verstehen, dass der Mieter vom Vermieter die Übernahme der vom Mieter eingebrachten Einrichtungen (i.S.v. § 539 Abs. 2 BGB) verlangen kann und vom Vermieter die Erstattung eines Gebrauchswertes erhält. Der Begriff der Einrichtung ist wie im Falle von § 539 Abs. 2 BGB dahin zu verstehen, dass Einrichtungen (zunächst) bewegliche Sachen sind, welche der Mietsache, einerlei ob notwendig oder nur nützlich, dienen und mit ihr durch Verschraubung o. Ä. fest verbunden sind, ohne dadurch ihre Selbständigkeit zu verlieren, sich also wieder entfernen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.1987, VIII ZR 136/86, NJW 1987, 2861 zur Einrichtung i.S.v. § 547a BGB a.F.; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 04.03.2016, 2 U 182/14, BeckRS 2016, 5002 Rn. 55; Bruns NZM 2016, 873, 874; Leo in Fritz/Geldmacher/Leo, Gewerberaummietrecht, 5. Aufl., § 8 Rn. 80).

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung lässt sich auch durch Auslegung der vertraglichen Vorschrift des § 5 die Höhe des Zahlungsanspruches ermitteln, was also unter dem Gebrauchswert für die Einrichtungen zu verstehen ist. Es ist zwar nicht höchstrichterlich geklärt, wie die angemessene Entschädigung i.S.v. § 552 Abs. 1 BGB zu berechnen ist. Da es in § 552 Abs. 1 BGB um das Interesse des Vermieters am Behalten der vom Mieter eingebrachten Einrichtung geht, liegt es aber nahe, die Entschädigung an dem Wert auszurichten, den die Einrichtung für den Vermieter hat (in diesem Sinne V. Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 552 Rn. 7; Krüger/Horn, a.a.O., § 552 Rn. 9; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 552 BGB Rn. 5; J. Emmerich in beck.online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.04.2024, § 552 BGB Rn. 14).

Vergleichbar ist es beim Begriff der Zahlung des Gebrauchswertes nach § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages, denn mit dem Begriff des Gebrauchswertes wird auf den Vermieter als den die übernommene Einrichtung in der Zukunft Gebrauchenden abgestellt. Maßgeblich ist der vertraglich vereinbarte Mietzweck einer Nutzung als gastronomische Einrichtung sowie eines Kiosks.

Ein davon abweichendes, übereinstimmendes Verständnis der den Vertrag schließenden Parteien kann in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichtes auf Seite 16 bis 18 des Urteils vom 02.11.2023 nicht festgestellt werden. Erhebliche Einwendungen dagegen werden von den Parteien des Rechtsstreites auch nicht vorgebracht.

b) Der von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages vom 02.02.2007 ist aber bisher nicht entstanden.

Für den Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung aus § 552 Abs. 1 BGB ist anerkannt, dass dieser erst dann entsteht, wenn der Mieter die Wegnahme verlangt und der Vermieter diese durch eine Entschädigungsleistung abwenden will (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1987, VIII ZR 286/86, NJW 1988, 705; Urteil vom 05.10.2005, XII ZR 43/02, NZM 2006, 15 Rn. 23 jeweils zu § 547a BGB a.F.; KG, Beschluss vom 13.07.2015, 8 W 45/15, BeckRS 2015, 18485 Rn. 24; Krüger/Horn, a.a.O., § 552 BGB Rn. 11).

Übertragen auf den vorliegenden Fall des Anspruches auf Zahlung des Gebrauchswertes aus § 5 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages vom 02.02.2007 bedeutet dies, dass dieser zu dem Zeitpunkt entsteht, in welchem die Beklagte als Mieterin das Übernahmeverlangen nach § 5 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrages vom 02.02.2007 an die Klägerin als Vermieterin in Bezug auf konkret bezeichnete Einrichtungsgegenstände stellt, die bei Rückgabe des Mietobjektes an die Vermieterin dieser zur Übernahme angeboten werden. Erst mit Rückgabe des Mietobjektes durch den Mieter in Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB kann festgestellt werden, welche Einrichtungsgegenstände im Mietobjekt verblieben sind, kann der Mieter in Bezug auf diese das Übernahmeverlangen erklären und können die Einrichtungsgegenstände dann im Hinblick auf die Höhe des Gebrauchswertes begutachtet werden.

Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 wurde von den Parteien nicht vorgetragen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Parteien teilten dem Senat lediglich mit, dass die Klägerin den im erstinstanzlichen Urteil titulierten Räumungsanspruch zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt zwischen dem 02.11.2023 und dem 24.04.2024 im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt habe. Vortrag zu einem Übernahmeverlangen der Beklagten gemäß § 5 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrages vom 02.02.2007 in Bezug auf konkret bezeichnete Einrichtungsgegenstände, die sich zum Zeitpunkt der Rückgabe des Mietobjektes an die Klägerin im Objekt befanden, wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.04.2024 nicht geleistet. Zur Entstehung des mit der Widerklage geltend gemachten Zahlungsanspruches kam es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deshalb nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht bestehen. Der Senat hat unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen Einzelfall entschieden und dabei im Wesentlichen unter Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze einen Mietvertrag ausgelegt.



Schlagworte

Betriebspflicht
Einrichtung
Gebrauchswert
Umsatzmiete