Nr: NJRE001579833
ArbG Mainz 8. Kammer, Urteil vom 8.April 2024 , Az: 8 Ca 1474/23
Auskunfts- und Entschädigungsansprüche - DSGVO
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Entschädigungsansprüche auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO.
Der Kläger bewarb sich im September 2023 auf eine Stelle bei der Beklagten und schrieb, nachdem er eine Absage erhalten hatte, per E-Mail am 11.10.2023 u. a. folgendes:
Da mich natürlich interessiert, was die ausschlaggebenden Gründe für diese Absage waren, bitte ich Sie höflichst, mir die Ablehnungsgründe mitzuteilen und mir eine umfassende Auskunft sowie eine vollständige Datenkopie auf Grundlage von Art. 15 DSGVO zu erteilen.
Die Beklagte antwortete hierauf per Mail am 18.10.2023:
In dem Bewerbungsverfahren für die Stelle als Sachbearbeiter im Forderungsmanagement haben wir uns für einen anderen Bewerber/eine andere Bewerberin entschieden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen dazu keine weiteren Auskünfte geben können.
Beigefügt erhalten Sie unseren Datenschutzhinweis und bitten, die dort genannten Informationen zu beachten. Bitte richten Sie Ihre weitergehende Anfrage daher an die dort genannte E-Mail-Adresse.
In dem beigefügten "Datenschutzhinweis" wurde u. a. ausgeführt, dass personenbezogene Daten bei der Bewerbung den zuständigen L. Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, maximal bis nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens gespeichert werden und danach unverzüglich gelöscht. Für die Geltendmachung von Rechten nach der DSGVO könne man sich per E-Mail an D@l.com wenden.
Nach Klageerhebung erhielt der Kläger ein nicht datiertes Auskunftsschreiben.
Der Kläger hat daraufhin den ursprünglichen Antrag zu 2), ihm Auskunft über sämtliche Empfänger, an die die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers übermittelt hat, zu erteilen, für erledigt erklärt.
Er ist der Auffassung, auch der Ablehnungsgrund sei ein personenbezogenes Datum i. S. v. § 15 DSGVO.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Grund, weshalb auf die Bewerbung des Klägers vom 28.09.2023 per E-Mail vom 11.10.2023 durch die Beklagte eine Absage erteilt wurde.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine originalgetreue Kopie sämtlicher personenbezogenen Daten, die die Beklagte zur Person des Klägers verarbeitet, herauszugeben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger unschwer durch eine Anfrage bei der seitens der Beklagten eigens hierfür eingerichteten E-Mail-Adresse seine Auskünfte hätte erlangen können.
Der Grund der Ablehnung sei allerdings kein personenbezogenes Datum. Deswegen bestehe auch kein Schadensersatzanspruch.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf den begehrten Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 i. V. m. 15 DSGVO.
Der Kläger hatte ein Recht auf Erteilung der in Art. 15 Abs. 1 Ziff. a) bis h) genannten Informationen, welcher zunächst nicht erfüllt wurde. Die Nennung einer E-Mail-Adresse, über welche man die fraglichen Auskünfte erhalten könne, ersetzt nicht die Erteilung derselben.
Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet ein Verstoß gegen die Verordnung einen Schadensersatzanspruch im Falle eines materiellen oder immateriellen Schadens, wobei die maßgebende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes den Schadensbegriff derart weit auslegt, dass er auch im vorliegenden Falle zu bejahen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 09.03.2024 unter 3.2 und 3.3 verwiesen.
Der dem Kläger entstandene "Schaden" ist zwar schwindend gering, gleichwohl hält die Kammer die begehrten 5.000,00 € für einen angemessenen Betrag, weil Verfahren der vorliegenden Art auch eine präventive Funktion haben sollen. Datenschutzrechtliche Bestimmungen werden nicht ernst genommen, wenn ein Verstoß gegen sie keine empfindlichen Folgen zeitigt. Es kommt also weniger darauf an, wie sehr der Kläger "gelitten" hat, als vielmehr darauf, bei welchem Betrag ein entsprechender Leidensdruck bei der Beklagten entsteht. Diese Erwägungen ergeben sich auch aus Art. 83 für die Verhängung von Geldbußen, der an mehreren Stellen auf den Jahresumsatz eines Unternehmens abstellt.
Auch ein Zivilprozess der vorliegenden Art dient der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung, ganz wie es Rudolf von Jhering bereits 1872 in seiner Schrift "Der Kampf ums Recht" formulierte: "Wer sein Recht behauptet, verteidigt innerhalb des engen Raumes desselben das Recht. Das Interesse und die Folgen dieser seiner Handlungsweise gehen daher über seine Person weit hinaus. Das allgemeine Interesse, welches sich an sie knüpft, ist nicht bloß das Ideale, dass die Autorität und Majestät des Gesetztes sich behaupte, sondern es ist das sehr reale, höchst praktische, welches jedem fühlbar wird, und das jeder begreift, der für ersteres auch nicht das geringste Verständnis besitzt, nämlich dies, dass die feste Ordnung des Verkehrslebens an der jeder zu seinem Teil interessiert ist, gesichert und aufrechterhalten werde." (Ausgabe Vittorio Klostermann, 7. Auflage 1989, Seite 26 f.).
2. Im Übrigen war die Klage dagegen abzuweisen: Für das Begehren des Klägers nach Auskunft darüber, weshalb auf seine Bewerbung eine Absage erteilt wurde, findet sich keine Anspruchsgrundlage; insbesondere auch nicht in Art. 15 DSGVO. Denn die Motive, welcher der diesbezüglichen Entscheidung der Beklagten zugrunde lagen, stellen keine personenbezogenen Daten dar.
Art. 4 Nr. 1 DSGVO definiert personenbezogene Daten zwar sehr weit als alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, der Grund, weshalb sich ein Arbeitgeber für Bewerber A anstatt Bewerber B entscheidet, bezieht sich jedoch nicht auf die betroffenen Bewerber, sondern auf ihn als Entscheider, der seine Entscheidung möglicherweise völlig irrational (Bauchgefühl) getroffen hat. Doch selbst wenn die Auswahlentscheidung nach einigermaßen objektiven Kriterien erfolgen würde, wenn beispielsweise ein Bewerber wegen besonderer Sprachkenntnisse genommen würde, wären diese Sprachkenntnisse zwar ein personenbezogenes Datum des Bewerbers, nicht aber die Entscheidung des einstellenden Arbeitgebers, gerade diesen Bewerber wegen dieser Sprachkenntnisse genommen zu haben.
3. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass die Beklagte ihm eine "originalgetreue Kopie sämtlicher personenbezogener Daten" herausgibt. Denn ungeachtet der im Kammertermin diskutierten Frage, was eine originalgetreue Kopie sein solle (Ausdruck, USB-Stick, Festplatte?) ist dieser Anspruch nach Auffassung der Kammer durch das zwischenzeitlich erteilte Auskunftsschreiben der Beklagten (Anlage B1) erfüllt. Denn dort ist ausgeführt, dass zur Person des Klägers die von ihm übermittelten Bewerbungsunterlagen gespeichert seien. Wenn die Beklagte jedoch nicht mehr gespeichert hat als das, was der Kläger ihr selbst übermittelte, der Kläger mit anderen Worten im Besitz der Originale ist, steht dem Begehren nach Erteilung einer Kopie i. S. v. Art. 15 Abs. 3 DSGVO der Einwand des Rechtsmissbrauchs ( § 242 BGB ) entgegen.
4. Der einseitig für erledigt erklärte Antrag auf Auskunftserteilung über sämtliche Empfänger, an die die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers übermittelt hat, war schon bei Klageerhebung nicht mehr gegeben. Denn Art. 15 Abs. 1 Satz c verpflichtet den Verantwortlichen zwar zur Mitteilung der "Empfänger oder Kategorien von Empfängern gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden". Mit der Variante ("oder") Kategorien von Empfängern ist der Anspruch jedoch erfüllbar. Die Beklagte hat jedoch bereits in dem "Datenschutzhinweis" (Anlage zur E-Mail vom 18.10.2023) erklärt, dass im Falle einer Bewerbung personenbezogene Daten "den zuständigen L.-Mitarbeitern zugänglich gemacht" werden. Damit war das Auskunftsrecht des Klägers insoweit bereits vor Klageerhebung erfüllt.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG ,92 Abs. 1 ZPO , 61 Abs. 1 ArbGG.