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Nr: NJRE001581263


AG Bremen , Urteil vom 17.Mai 2024 , Az: 17 C 332/22

BGB § 320 , BGB § 535 , BGB § 536 ,


Fundstellen

WuM 2024, 382-383 (ST)

Verfahrensgang

nachgehend LG Bremen 01.01.+1000000000 2 S 84/24

Langtext

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, den folgenden Mangel zu beseitigen: Durchgehende Belästigung bei geöffneten Fenstern der Wohnung des Klägers in der xxx in Bremen in sämtliche Räumen dieser Wohnung durch Zigarettenrauch, herrührend aus der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses xxx in Bremen, ausgehend von dem dortigen Bewohner xxx.

Es wird festgestellt, dass der Kläger bis zur Beendigung der täglichen Belästigungen durch übermäßigen Zigarettenrauch durch die Beklagte berechtigt ist, die derzeit vereinbarte Bruttomiete in Höhe von 749,00 € um monatlich 20 %, mithin 149,80 €, zu mindern sowie in Höhe der übrigen Miete von seinem Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Mietzahlungen gemäß § 320 BGB für einen Zeitraum von neun Monaten Gebrauch zu machen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 5/6 und der Kläger zu 1/6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 5.392,80 € festgesetzt.


Tatbestand

Der Kläger begehrt Mängelbeseitigung wegen Zigarettenrauchs in seiner Wohnung.

Die Parteien verbindet seit dem 01.04.2020 ein Mietverhältnis über die Wohnung xxx Bremen, der Kläger ist Mieter, die Beklagte Vermieterin (Mietvertrag Anlage K1, Bl. 5 ff. d. A.). Im Spätsommer 2021 zog Herr xxx gemeinsam mit seiner Mutter in die Erdgeschosswohnung des Hauses. Herr xxx ist Raucher. Der Kläger beklagt seither Zigarettenqualm und Zigarettengeruch in seiner Wohnung, wobei Vorhandensein und Intensität streitig ist, und wandte sich zunächst an Herrn xxx selbst und dann an das Beschwerdemanagement der Beklagten. Der Versuch, mit Herrn xxx eine einvernehmliche Regelung zu finden, war nicht erfolgreich. Am 10.05.2022 wurden die Fenster der Wohnung des Klägers durch einen von der Beklagten beauftragten Tischler abgedichtet, seither dringt jedenfalls bei geschlossenem Fenster kein Zigarettengeruch mehr in die Wohnung des Klägers ein.

Der Kläger behauptet, Herr xxx rauche nahezu rund um die Uhr in seiner Wohnung mit der Folge, dass der Zigarettenrauch sowohl durch das Treppenhaus als auch durch die Fenster an der Vorder- und Rückseite des Gebäudes in die Wohnung des Klägers hineinziehe. Er leide seit Jahrzehnten ganzjährig unter einer starken Pollen-, Tierhaar und Hausstauballergie mit temporären Atemschwierigkeiten und müsse ein Asthmaspray verwenden. Auf den in seine Wohnung ziehenden Zigarettenqualm reagiere er mit Nies- und Hustenreiz, Atembeschwerden, Halsreizungen und Kopfschmerzen sowie Unwohlsein. Auch die übrigen Hausmitbewohner in der ersten und zweiten Etage würden durch den in ihre Wohnung ziehenden Rauch belästigt. Wegen der im Einzelnen vorgetragenen Belästigungen durch Zigarettenrauch wird auf die Klageschrift vom 21.12.2021 (Bl. 2 ff. d. A.), den Schriftsatz vom 29.06.2022 (Bl. 52 ff. d. A.) und den Schriftsatz vom 26.05.2023 (Bl. 131 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, folgende Mängel zu beseitigen:

Durchgehende Belästigung bei geöffneten Fenstern seiner Wohnung in der xxx in Bremen in sämtliche Räumen dieser Wohnung durch Zigarettenrauch, herrührend aus der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses xxx in Bremen, ausgehend von dem dortigen Bewohner Herrn xxx.

2. festzustellen, dass der Kläger bis zur Beendigung der täglichen Belästigungen durch übermäßigen Zigarettenrauch durch die Beklagte berechtigt ist, die derzeit vereinbarte Bruttomiete in Höhe von 749,00 € um monatlich 30 %, mithin 224,70 €, zu mindern sowie in Höhe der übrigen Miete von seinem Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Mietzahlungen gemäß § 320 BGB für einen Zeitraum von neun Monaten Gebrauch zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den klägerischen Vortrag und ist der Ansicht, jedenfalls könne sie den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rauchfreiheit nicht durchsetzen. Die vom Kläger geltend gemachte Minderungsquote sei zudem überhöht.

Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxx, xxx und xxx. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 15.07.2022 (Bl. 60 f. A.) und vom 26.05.2023 (Bl. 137 ff. d. a.) sowie vom 05.04.2024 (Bl. 176 f. d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der Belästigung durch Zigarettenrauch in seiner Wohnung aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB.

Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Dieser Anspruch betrifft nicht nur den baulichen Zustand der Mietsache, sondern erstreckt sich auch auf andere Aspekte des vertragsgemäßen Gebrauchs wie das Abstellen von Immissionen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 535 Rn. 765 m. w. N.).

Die Wohnung weist derzeit wegen Emissionen in Form von Zigarettenrauch einen Mangel auf, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch herabsetzt.

Es steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in die Wohnung des Klägers bei geöffneten Fenstern in sämtliche Räume Zigarettenrauch, herrührend aus der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses xxx in Bremen, ausgehend von dem dortigen Bewohner Herrn xxx, eindringt und die Wohnqualität der klägerischen Wohnung hierdurch erheblich beeinträchtigt ist.

So bekundete die Zeugin xx, die ebenfalls eine oberhalb der Wohnung von Herrn xxx liegende Wohnung bewohnt, man könne den Rauch eigentlich immer riechen, auch im Hausflur. Man könne nicht lüften, weil auf Dauer das Fenster unten bei der Familie xxx gekippt sei, vor allem im Sommer; dann sei auch häufig die Balkontür offen. Sie habe, um ungestört lüften zu können, schon ihren Schlafrhythmus umgestellt, um nachts lüften zu können, wenn bei der Familie xxx die Fenster geschlossen seien, und sei auch mal mit Zigarettengeschmack aufgewacht.

Die Zeugin xxx, die sich als frühere Lebensgefährtin des Klägers regelmäßig in seiner Wohnung aufhielt, bekundete, man habe den Rauch auch bei geschlossenen Fenstern in der Wohnung gerochen, wenn man wieder zurückgekommen sei. Man habe auch teilweise so einen Geschmack im Mund gehabt. Wenn man gelüftet habe, habe man es sofort gerochen, da die Fenster unten bei der Familie xxx meistens auf Kipp gewesen seien, man habe dann die Fenster sofort wieder schließen müssen. Der Heuschnupfen und die Kopfschmerzen des Klägers seien in der Zeit, wo er dem Zigarettenrauch ausgesetzt war, auch schlimmer geworden, und sie habe Kleidungsstücke, die länger in seiner Wohnung lagen, wegen des muffigen Rauchgeruchs waschen müssen.

Die Aussagen der Zeuginnen sind glaubhaft. Beide schilderten den Rauchgeruch und seine praktischen Auswirkungen überaus anschaulich, detailliert und lebendig. Die Aussagen sind sowohl in sich als auch im Bezug aufeinander schlüssig und kohärent. Es war trotz der eigenen Betroffenheit auch kein besonderer Belastungseifer erkennbar.

Die Aussagen lassen sich schließlich auch mit der Aussage der von der Beklagten benannten Zeugin xxx in Einklang bringen und werden sogar von dieser zusätzlich gestützt.

Die Zeugin xxx, Mutter von xxx, bestätigte nämlich, dass ihr Sohn Raucher sei, überall in der Wohnung und im Sommer auch auf dem Balkon rauche und etwa eine bis anderthalb Schachteln am Tag rauche, die erste Zigarette morgens nach dem Aufstehen. Auch bestätigte sie, dass sie kontinuierlich lüften würden und im Sommer die Balkontür offenstehen hätten. Dass sie zugleich bekundete, in ihrer eigenen Wohnung würde es nicht nach Rauch riechen, steht der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden anderen Zeuginnen nicht entgegen, da sich dies zum einen nur auf ihre eigene Wohnung bezieht und zum anderen offensichtlich unterschiedlicher Wahrnehmung geschuldet ist, da in ihrer Wohnung nach ihrer eigenen Beschreibung ständig und viel geraucht wird; diese unterschiedliche Wahrnehmung kann ggf. bedingt sein durch das langjährige enge Zusammenleben mit ihrem Sohn als starkem Raucher.

Der vom Kläger behauptete Mangel, nämlich das Eindringen von Zigarettenrauch in dem von ihm substantiiert dargelegten Umfang, steht nach alledem zur Überzeugung des Gerichts fest.

Dem Gegenbeweisangebot der Beklagten, der Einholung eines Sachverständigengutachtens, war nicht nachzugehen. Denn bei den hier streitigen Tatsachen handelt es sich um von jedermann wahrnehmbare Umstände, nicht um Schlussfolgerungen aus solchen Wahrnehmungen, die nur ein Fachmann für ein bestimmtes Gebiet gutachterlich treffen könnte; insbesondere geht es hier nicht um die Überschreitung bestimmter festgelegter Grenzwerte.

Gerichtet ist der Anspruch auf Mängelbeseitigung inhaltlich grundsätzlich nicht auf eine ganz konkrete Maßnahme, da dem Vermieter bei der Mängelbeseitigung ein Ausführungsspielraum zusteht (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 535 Rn. 770). Zu nennen ist unter konkreter Beschreibung der Gebrauchsstörung nur das Maßnahmeziel. Dies ist hier mit dem zuletzt formulierten Antrag und in dieser Form hinreichend konkret erfolgt (vgl. etwa OLG Dresden, Urt. v. 10.2.2009 – 5 U 1336/08, BeckRS 2009, 11130, beck-online).

Es war zudem festzustellen, dass die Miete für die vom Kläger angemietete Wohnung gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB um 20 % gemindert ist.

Gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Mieter, wenn bezüglich der Mietsache ein Mangel entsteht, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert, nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten.

Der in die Wohnung des Klägers eindringende Zigarettenrauch stellt einen solchen Mietmangel dar, s. o. Er rechtfertigt eine Minderung in Höhe von 20 %.

Welche Herabsetzung der Miete angemessen ist, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, in erster Linie nach der Schwere des Mangels, dem Grad und der Dauer der Tauglichkeitsminderung, dem Absinken auf den Mindeststandard bzw. dessen Unterschreiten und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (BeckOK BGB/Wiederhold, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 536 Rn. 127 m. w. N.).

Vorliegend ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass durch das Rauchen des Herrn xxx in seiner Wohnung über den ganzen Tagesverlauf hinweg und das konstante Lüften von dort die klägerische Wohnung dauerhaft den Emissionen ausgesetzt ist und der Rauch immer eindringt, sobald ein Fenster – oder auch die Haustür zum Hausflur hin – geöffnet wird; auch ist der Balkon der Wohnung ständigem Zigarettenrauch ausgesetzt. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass Zigarettenrauch von Nichtrauchern nicht nur als unangenehm empfunden wird, sondern auch gesundheitsschädigend oder zumindest –gefährdend ist und der Kläger als Allergiker in besonderem Maße betroffen ist. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass das Leben in Mehrparteienhäusern und in Großstädten das allgemeine Lebensrisiko mit sich bringt, dauerhaft als belastend empfundenen Gerüchen ausgesetzt zu sein. Insoweit ist unter Berücksichtigung aller genannten Umstände eine Minderungsquote von 20 % als angemessen zu erachten.

Es war schließlich auch das Bestehen des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts aus § 320 BGB festzustellen. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Unbeschadet seiner Minderungsbefugnis hat ein Mieter, wie hier auch geltend gemacht, zusätzlich einen Erfüllungsanspruch auf Beseitigung eines Mangels aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Bis dieser Anspruch erfüllt ist, kann der Mieter – zeitlich begrenzt – die Mietzahlung zurückhalten, um den Vermieter zur Erfüllung seiner Vertragspflichten anzuhalten (BeckOK BGB/Wiederhold, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 536 Rn. 136).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung wurde der Jahresbetrag der Minderung zzgl. eines 10%-Aufschlags zugrunde gelegt.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gem. § 41 Abs. 5 GKG aus dem Jahresbetrag des vom Kläger geltend gemachten Minderungsbetrages, der für beide Klageanträge anzusetzen ist; gem. § 39 Abs. 1 GKG waren die Werte zu addieren.