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Nr: NJRE001583986


LG Hamburg 15. Zivilkammer, Urteil vom 9.August 2024 , Az: 315 O 9/24

UWG § 5 Abs 1


Langtext

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweils verantwortlichen Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im Internet mit der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)“ zu werben, wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet

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2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 280,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2024 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. (Beschluss:) Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.


Tatbestand

Der Kläger macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch und die Zahlung von Abmahnkosten gegen die Beklagte geltend.

Der Kläger ist in der Liste der qualifizierten Verbraucherschutzverbände im Sinne des § 4 UKlaG eingetragen. Nach seiner Satzung bezweckt er unter anderem, die Verbraucherberatung und -aufklärung in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern. Die Beklagte ist eines der führenden Kreuzfahrtunternehmen im deutschsprachigen Raum mit Sitz in H.. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen der T. AG und des US-Kreuzfahrtunternehmens R. C1 C. Ltd.

Die Beklagte stellte, abgerufen durch den Kläger am 28. November 2023, auf ihrer Internetseite www. m..com unter dem Reiter Nachhaltigkeit/ Nachhaltigkeits-strategie die Angabe „Klimaziele [...] 2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ in folgender Weise dar:

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Wegen des Claims „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 01.12.2023 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 08.12.2023 sowie zur Zahlung der Abmahnkosten auf (Anlage K2). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 20.12.2023 ab (Anlage K3).

Zwar wurde die Darstellung auf der Internetseite der Beklagten inzwischen insoweit geändert, als im Maßnahmenkatalog unter dem Jahr 2050 nunmehr „Bio-/E-LNG“ statt „LNG“ steht (Anlage K4). Wegen der ursprünglichen Darstellung hat der Kläger dennoch am 11.01.2024 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, bei der Bewerbung mit einem zukünftigen Ziel sei jedenfalls zu fordern, dass genügend Angaben dazu gemacht werden, wie das beworbene Ziel realistischerweise erreicht werden könne. Diesem Erfordernis sei die Beklagte mit ihrem Maßnahmenkatalog jedoch nicht nachgekommen. Deshalb sei eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise bereits darin zu sehen, dass die Beklagte die Verwendung von „LNG“ ab 2050 anstelle von „E-LNG“ als Maßnahme aufgelistet habe. Mit fossilem LNG lasse sich kein dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb erreichen. Wenn vor der Änderung der Graphik mit „LNG“ hingegen nur aus erneuerbaren Energien gewonnenes „LNG“ gemeint gewesen wäre, sei dies für den Verbraucher nicht erkennbar gewesen. Der Kläger ist zudem der Auffassung, die Beklagte mache keine ausreichenden Angaben bezüglich der auch im Jahr 2050 noch erforderlichen Kompensationen. Insbesondere weil die angesprochenen Verkehrskreise die Formulierung „dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“ eher dahin verstehen würden, dass die Beklagte beabsichtige, ab dem Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr auszustoßen, müsse die Beklagte eindeutig angeben, dass sie im Jahr 2050 auch weiterhin Kompensationsmaßnahmen ergreifen werde. Die angegriffene Verlautbarung habe zudem Einfluss auf die Geschäftsentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise. Mit der angegriffenen Aussage sei die Botschaft verbunden: „Alles ist gut, bucht ruhig eine Kreuzfahrt, wir werden das Problem schon bald für euch gelöst haben“. Solche Werbebotschaften würden sich bereits auf das jetzige Verbraucherverhalten auswirken, da das Gefühl, sein Geld und seine Urlaubstage einem verantwortungsbewussten Unternehmen anzuvertrauen, sich positiv auf die Verbraucherentscheidung auswirke.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweils verantwortlichen Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im Internet mit der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)“ zu werben, wenn dies wie folgt und in der Anlage K1 dokumentiert geschieht:

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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 280,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei aufgrund mangelnder Bestimmtheit bereits unzulässig. Der Kern der angegriffenen Verletzungshandlung und der Umfang des begehrten Verbots seien nicht erkennbar, weshalb die Rechtsverteidigung der Beklagten erschwert sei. Der Kläger stelle mit dem ersten Teil des Antrags und dem darin enthaltenen Zitat allein auf die Mitteilung „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)“ ab. Die allgemeine Bezugnahme auf den in der Klageschrift wiedergegebenen „Fahrplan“ und die Anlage K1 lasse nicht erkennen, was Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sei. Sei man der Auffassung, dass die Maßnahmen für das Ziel nicht ausreichen würden, handele es sich dabei jedenfalls nicht um ein Vorenthalten im Sinne des § 5a UWG. Sei man hingegen der Auffassung, dass die Maßnahmen nicht realistisch seien, müsse dies in den ersten Teil des Verbotstenors oder in mehrere Anträge aufgenommen werden. Die Beklagte ist zudem der Auffassung, es sei für den Verbraucher erkennbar gewesen, dass nicht „LNG“, sondern „Bio-E/LNG“ gemeint gewesen sei. Von fossilem LNG sei nicht ausdrücklich die Rede gewesen. Außerdem werde der Aussagegehalt durch die vorhergehende Spalte zu den mittelfristigen Maßnahmen 2030 bestimmt: „Ausbau der Beschaffung von alternativen Kraftstoffen z.B. grünes Methanol/LNG)“ sowie „Nachrüstung/Umbau von existierenden Schiffen für die Nutzung von E-Fuels“. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Grafik nicht dahingehend missverstehen, dass die Beklagte 20 Jahre später einen Rückschritt mache und zu fossilem LNG zurückkehren wolle. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei einer Gesamtbetrachtung der Roadmap weiterhin davon ausgingen, dass auch im Jahr 2050 noch Kompensationsmaßnahmen erforderlich seien. Der Verbraucher verstehe unter der Kombination „Dekarbonisierter […] (Net-Zero)“ nicht eine gänzliche Emissionsvermeidung. Die Grafik sei in ihrer Gesamtheit als Visualisierung der Roadmap zu verstehen, wobei die verschiedenen Maßnahmen erkennbar nur einzelne, teilweise aufeinander aufbauende Elemente eines auch so bezeichneten Maßnahmenkataloges seien. Im Hinblick auf die Bedeutung der streitigen Roadmap ist die Beklagte der Ansicht, es sei zu berücksichtigen, dass diese nicht Bestandteil eines Buchungsprozesses einer Kreuzfahrt sei. Die Mitteilung spiele im gesamten Auftreten der Beklagten eine untergeordnete Rolle. Es handele sich um eine ergänzende Darstellung für die Zukunft, während die Beklagte ihre heutigen Dienstleistungen in erster Linie im Hinblick auf den Erholungs- und Urlaubswert vermarkte. Die Angabe über das Fernziel habe aus Sicht des Verbrauchers allenfalls eine geringe Bedeutung für die Bewerbung der Dienstleistung oder des Unternehmens der Beklagten, vordergründig seien das Reiseziel der Kreuzfahrt, der Preis, die Ausstattung der Kabinen etc.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlage sowie auf das Terminsprotokoll vom 12.06.2024 Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag nach Maßgabe des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Ein Antrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH, Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 13/14 –, BGHZ 205, 195-219, Rn. 26, zitiert nach juris - Tagesschau-App). Es muss feststehen, welches Verhalten der Beklagten aus welchen Gründen verboten werden soll (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2023, Az.: 38 O 92/22 Rn. 10, zitiert nach juris - CO2-kompensiertes Heizöl). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung erfolgt oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Wettbewerbsverstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH, Urteil vom 11. Februar 2021 – I ZR 126/19 –, Rn. 17, zitiert nach juris - Dr.Z). Die Beanstandung der Verletzungshandlung unter mehreren Gesichtspunkten steht der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 –, BGHZ 194, 314-339, Rn. 18, zitiert nach juris - Biomineralwasser). Unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Verbotsnorm wie insbesondere des Irreführungsverbots nach §§ 3, 5 UWG stellen nicht jeweils selbstständige Klagegründe dar (BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 –, BGHZ 194, 314-339, Rn. 2, zitiert nach juris - Biomineralwasser). Der Kläger hat seinen Antrag auf eine konkrete Verletzungshandlung bezogen und schriftsätzlich erläutert, welche Angaben er in der angegriffenen Darstellung vermisst oder für irreführend hält.

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 1 UWG, die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 14 Abs. 2 UWG, da die Beklagte ihren Geschäftssitz in Hamburg hat.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1. DemalsqualifiziertenVerbraucherverbandnach§8bAbs.2Nr.2UWGaktivlegitimierten Kläger steht gegen die Beklagte jedenfalls aus §§ 8 Abs.1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs.1, 5 Abs. 1 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da die Beklagte mit der streitgegenständlichen Werbung unter Bezugnahme auf das Maßnahmenbündel eine irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen hat, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Es kann daher offenbleiben, ob die Beklage nach § 5a UWG auch Informationspflichten verletzt hat.

Eine Werbung ist nach § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 – I ZR 203/20 –, Rn. 18, zitiert nach juris - Webshop Awards). Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH, a.a.O.). Maßgebend ist das Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – I ZR 157/10 –, Rn. 19, juris - Branchenbuch Berg). Für die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen irreführend ist, gelten - wie für gesundheitsbezogene Werbung - strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen (ständige Rspr., zuletzt: BGH, Urteil vom 27.06.2024, Az.: I ZR 98/23, Rn. 24, zitiert nach juris - klimaneutral). Nicht selten bestehen Unklarheiten über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe, weshalb im Bereich der umweltbezogenen Werbung eine Irreführungsgefahr besonders groß ist. Daher gibt es in der Regel ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. Fehlen entsprechende aufklärende Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware (oder Dienstleistung) hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (BGH, a.a.O., Rn. 25 f.). Gleiches gilt, wenn die aufklärenden Hinweise nicht der Wahrheit entsprechen.

Diesen Anforderungen wird die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Verwendungskontextes der angegriffenen Aussage nicht gerecht, da sie dem Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise, das sich aus der Verwendung eines mehrdeutigen klimabezogenen Begriffs ergibt (hierzu unter a)), nicht gerecht wird (hierzu unter b)).

a) Bei dem Passus„ 2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“handelt es sich um eine umweltbezogene Werbeaussage, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein gesteigertes Interesse und Aufklärungsbedürfnis über ihre Bedeutung und ihren Inhalt hervorruft, da sie keiner einheitlichen Interpretationsmöglichkeit für die angesprochenen Verkehrskreise zugänglich und damit mehrdeutig ist. Es ist nämlich zunächst zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Regel nur einen geringen sachlichen Wissensstand über die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen in diesem Bereich haben (BGH, Urteil vom 14.12.1995, Az.: I ZR 213/93, Rn. 33, zitiert nach juris - Umweltfreundliches Bauen). Ausgehend davon und ob des Umstands, dass die Begriffe „Dekarbonisiert“ und „Net-zero“ in der Breite (noch) nicht allgegenwärtig sind, lässt sich die angegriffene Aussage sowohl als vollständige Vermeidung von CO2- Emissionen und zum anderen im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz unter Zuhilfenahme von Kompensationsmaßnahmen verstehen. Beide möglichen Bedeutungen stehen mit dem Wortsinn des Begriffs im Einklang. Denn das Präfix „de“ in „dekarbonisierter“ kann sowohl anzeigen, dass ein früheres Verhalten vollständig geändert wurde, als auch den Prozess hin zu einer vollständigen Änderung beschreiben. Die Silbe „iert“ suggeriert bereits das Ergebnis eines Prozesses, wohingegen die Wortendung „ierender“ den Prozess beschreiben würde.

b) Dem aus ebenjener Unsicherheit erwachsenem Aufklärungsbedürfnis wird die Beklagte mit ihrem in der Roadmap dargestellten Maßnahmenbündel aus zweierlei Gründen nicht gerecht.

aa) Einerseits trägt die Bezugnahme der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net zero)“aufdieMaßnahme„NutzungvonLNGfürDual-Use-Schiffe“nichtzur Aufklärung der Verkehrskreise bei, weil sie den irrtümlichen Eindruck erweckt, die Beklagte plane, im Jahr 2050 einen dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb trotz der weiteren Verwendung von fossilem LNG zu erreichen. Soweit die Beklagte einwendet, für den Verbraucher sei erkennbar, dass damit E-LNG gemeint sei, dringt sie damit nicht durch. EinHinweisaufdieNutzungvonauserneuerbarerEnergiegewonnenesLNGfehlt.Ohne den Zusatz „E“ oder „Bio“ kann der Verbraucher nicht davon ausgehen, dass aus erneuerbarerEnergiegewonnenesLNGgemeintseinsoll.UnterdemSpiegelstrich „Nutzung von LNG für Dual-Fuel-Schiffe“ sind unter anderem „E-Fuels“ genannt, bei LNG fehlt jedoch der „E“-Zusatz. Auch aus der Angabe „z.B. grünes Methanol/LNG“ unter 2030 schließt der Verbraucher nicht, dass für das Jahr 2050 „grünes LNG“ gemeint ist, da der Zusatz „grünes“ dort gerade nicht aufgeführt ist. Vielmehr verstärkt das Vorhandensein der Zusätze „Bio“ oder „E“ an anderer Stelle im Maßnahmenkatalog den Eindruck, dass diese Zusätze bei LNG bewusst fehlen, da es sich um fossiles LNG handele.

bb) Das Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise wird auch deshalb nicht befriedigt, weil Kompensationsmaßnahmen als wesentlicher Baustein zur Erreichung eines „dekarbonisierten“ Kreuzfahrtbetriebs ab dem Jahr 2050 gerade keine Erwähnung finden. Anders als die Beklagte meint, kommt sie allein mit dem Zusatz „netzero“ dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis nicht nach. Der Begriff „net-zero“ ist nicht derart bekannt, dass der überwiegende Anteil der angesprochenen Verkehrskreise diesen als Hinweis darauf versteht, dass weitere Kompensationsmaßnahmen erforderlich sind. Auch der Hinweis unter der Roadmap: „Klimaneutralität ist ein Begriff, der eine Aktivität/einen Prozess/ein Produkt beschreibt, bei denen keine oder nur so viel Treibhausgase produziert werden, wie a) dadurch aus der Atmosphäre gezogen oder b) dadurch kompensiert werden. Dieser Ansatz wird auch als „Net-zero“ (Net-to-Null) bezeichnet“ trägt nicht zu einer entsprechenden Aufklärung bei. Im Gegenteil, danach wäre ein „Net-zero“-Kreuzahrtbetrieb nicht nur unter Berücksichtigung etwaiger Kompensationsmaßnahmen zu erreichen, sondern auch, wenn keine Treibhausgase mehremittiertwerden.DerdadurchmöglicherweiseentstehendeEindruck,dassein „dekarbonisierter“ Kreuzfahrtbetrieb im Jahr 2050 ohne Kompensationsmaßnahmen auskommen wird, wird noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte ab dem Jahr 2025 zunächst „freiwillige CO2- Kompensationen“ durchführen will, ab dem Jahr 2030 dann eine Reduzierung der CO2- Kompensationen plant und ab dem Jahr 2050 Kompensationsmaßnahmen gar keine Erwähnung finden.

b) Die Angabe „Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-Zero)“ ist auch dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Maßgeblich ist, ob die Angabe über Eigenschaften der angebotenen Waren oder Leistungen, über den Anlass des Angebots und generell über die geschäftlichen Verhältnisse geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 5 Rn. 1.171). Angaben zu umweltbezogenen Unternehmenszielen und ihrer Umsetzung können die Marktentschließung der angesprochenen Verkehrskreise in wettbewerblich relevanter Weise beeinflussen. Der Klimaschutz ist ein zunehmend wichtiges Thema (OLG Frankfurt, Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22 –, Rn. 59, zitiert nach juris - Klimaneutral; OLG Frankfurt, Urteil vom 10. November 2022 – 6 U 104/22 –, Rn. 59, zitiert nach juris -Klimaneutral; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30. Juni 2022 – 6 U 46/21 –, Rn. 24, zitiert nach juris -klimaneutral, Klimaneutrale Müllbeutel II). Dies gilt nicht nur für die Bewerbung mit gegenwärtigen Eigenschaften des Produktes oder der Dienstleistung. Auch Ziele eines Unternehmens können Auswirkungen auf die gegenwärtige Verbraucherentscheidung haben. Der Umstand, dass die Roadmap nicht direkt im Buchungsprozess bei der Beklagten erscheint, ändert diese Beurteilung nicht. Ein wesentlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise hat in Zeiten des menschengemachten Klimawandels und in dem Wissen, dass es sich bei Kreuzfahrten um energieintensives Reisen handelt, ein gesteigertes Interesse an umweltbezogenen Maßnahmen der Beklagten. Dieser Teil der Verkehrskreise ist dazu geneigt, sich vor der Buchung über die von der Beklagten getroffenen und geplanten klimabezogenen Maßnahmen auf der Webseite der Beklagten zu informieren und seine Geschäftsentscheidung von den (angekündigten) Maßnahmen abhängig zu machen.

2. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Kostenpauschale in Höhe von 280,78 EUR gemäß §§ 683, 670 BGB zu. Die Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten ergibt sich bei einem Verbraucherverband daraus, dass bei diesem von Haus aus ein gewisses Maß an Expertise vorhanden sein muss, Verstöße gegen Verbraucherschutzbestimmungen zu erkennen (vgl. Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/ Feddersen, 42. Auflage 2024, § 13 UWG, Rn. 129). Hierfür steht dem Verein ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten zu, soweit die Parameter, anhand derer eine Kostenpauschale berechnet wird, offengelegt und nachvollziehbar sind (vgl. (Köhler/ Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 13 Rn. 132; Ohly/ Sosnitza/Sosnitza, 8. Aufl. 2023, UWG § 13 Rn. 29). Diese Pauschale beträgt derzeit für die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) 350,00 EUR zzgl. 7 % MwSt., für die Höhe bei anderen Verbänden kommt es auf die Lage des Einzelfalls an (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 13 Rn. 132). Der Kläger hat die Höhe der Abmahnkosten schlüssig dargetan (Anlage K4). Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

3. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, wobei für den Zinsbeginn analog § 187 Abs. 1 BGB wegen der Zustellung am 08.02.2024 auf den 09.02.2024 abzustellen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.



Schlagworte

Kompensationsmaßnahme
Kreuzfahrtbetrieb