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Nr: NJRE001584704


KG Berlin 10. Zivilsenat, Urteil vom 13.Mai 2024 , Az: 10 U 84/22

BGB § 823 Abs 1 , BGB § 1004 Abs 1 S 2 , GG Art 1 Abs 1 , GG Art 2 Abs 1 ,

Leitsatz

Zu Lasten einer Prominenten ist bei der Abwägung, ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtswidrig ist, in Rechnung zu stellen, wenn sie sich seit Jahren und in freier Entscheidung der Medienöffentlichkeit aussetzt, wahrgenommen werden will und ihr Leben in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren absichtlich kommerzialisiert.


Fundstellen

GRURPrax 2024, 547 (L,K)

Verfahrensgang

vorgehend LG Berlin 21.06.2022 27 O 183/20
nachgehend BGH 01.01.+1000000000 VI ZR 196/24

Langtext

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Juni 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin II, 27 O 183/20, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des zu jeweils vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

A.

Die Kläger sind bekannte Sänger, die Klägerin außerdem eine der bekanntesten „Influencerinnen“ in Deutschland. Die Klägerin veröffentlicht auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ unter der Adresse „XXX“ regelmäßig Inhalte zu ihrem Berufs-, aber manchmal auch zu ihrem Privatleben. Sie hat dort mehrere Millionen „Follower“. Die Kläger haben zu Beginn ihrer musikalischen Karriere jeweils einen Song-Contest gewonnen. Ferner haben sie über mehrere Jahre hinweg gemeinsam an dem TV-Format „XXX“ teilgenommen und dort ihr enges Verhältnis öffentlich zur Schau gestellt. Die Kläger haben außerdem gemeinsam an dem TV-Format „XXX“ teilgenommen und sich auch dort durch ihre Äußerungen („XXX“) und ihre enge Beziehung ins öffentliche Gespräch gebracht. Weiter haben sie sich wechselseitig mit Gastauftritten bei ihren Tourneen unterstützt. Auch haben sie gemeinsam im ersten und zweiten Teil des Films „###“ ein ##-Liebespaar synchronisiert, in dem Zusammenhang ein Liebes-Duett veröffentlicht und als die prominenten deutschen Gesichter dieses Filmprojekt gemeinsam promotet. Darüber hinaus haben die Kläger in den letzten Jahren gemeinsam an mehreren TV-Formaten mitgewirkt, unter anderem „XXX“ und weiteren Formaten von XXX und XXX, bei „XXX“ sowie bei „XXX“.

Die Klägerin lud über mehrere Jahre hinweg auf ihrem Instagram-Kanal private Bilder hoch, die sie mit ihrem damaligen Freund XXX zeigen. Anfang des Jahres 2019 gab sie auf dem Instagram-Kanal außerdem die Trennung von diesem bekannt. Diese Veröffentlichung fand ein äußerst breites Presseecho. Am XXX veröffentlichte die Klägerin auf ihrem Instagram-Kanal unter der Rubrik „REELS“ ein Video zur Bewerbung des Albums „XXX“ und der Single „XXX“. Auch dieses Video wurde umfassend von der Presse rezipiert und bis zum April 2024 insgesamt 413.937 mal abgerufen. Die Klägerin äußert dort unter anderem: „XXX Für die weiteren Inhalte des Videos wird auf die Anlage K 24 Bezug genommen.

Silvester 2019 / 2020 verbrachten die Kläger gemeinsam einen Winterurlaub am Tegernsee. Die Klägerin veröffentlichte auf ihrem Instagram-Account vier Bilder dieses Urlaubes, auf denen sie, nicht aber der Kläger zu sehen ist.

Am 15. Januar 2020 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitschrift „XXX“ unter der Überschrift „XXX“ einen Artikel, in dem über eine Liebesbeziehung der Kläger berichtet wird. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Vor dieser Berichterstattung hatten bereits viele andere Medien über die neue Beziehung der Kläger berichtet, unter anderem die XXX (auch online), die XXX, der XXX und die XXX.

Die Kläger haben die Beklagte auf Unterlassung von Teilen der Wortberichterstattung und eines sie zeigenden Fotos – soweit dies der Illustration von Behauptungen über eine Liebesbeziehung zwischen den Klägern dient – sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Nachdem die Kläger im Herbst geheiratet haben, haben sie einen Teil der Äußerungen, die die Beklagte unterlassen soll, einseitig für erledigt erklärt.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte nach einer Abwägung der betroffenen Grundrechte teilweise zur Unterlassung der Wortberichterstattung verurteilt, den auf Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klageantrag abgewiesen und im Übrigen die Erledigung der Hauptsache festgestellt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 1. Juli 2022 zugestellte Urteil am 7. Juli 2022 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der entsprechenden Frist bis zum 4. Oktober 2022 mit einem beim Kammergericht am 30. September 2022 eingegangen Schriftsatz begründet. Sie rügt, die Entscheidung des Landgerichts beruhe auf einer Rechtsverletzung. Sie ist der Ansicht, es habe Anfang 2020 nach einer Abwägung ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse gegeben, über den Beginn der Beziehung der Kläger zu berichten. Bei den Klägern handele es sich um „Ausnahmekünstler“. Sie seien nicht nur um zwei überaus prominente Personen der Öffentlichkeit, sondern die derzeit wohl bekanntesten und erfolgreichsten Gesichter des „###“ (das ist unstreitig). Ihre überragende Bekanntheit basiere nicht allein auf ihren musikalischen Erfolgen, sondern auch und insbesondere auf ihrer (gemeinsamen) Mitwirkung an zahlreichen erfolgreichen TV-Formaten. Im Rahmen dieser gemeinsamen Projekte hätten die Kläger in den letzten Jahren immer wieder zusammen vor der Kamera gestanden und in diesem Zusammenhang ihr enges Verhältnis öffentlich präsentiert und thematisiert. Die Klägerin habe außerdem das öffentliche Interesse an ihrem Beziehungsleben vor der Berichterstattung aktiv geschürt und nur wenige Monate vor Bekanntwerden ihrer Beziehung mit dem Kläger ihren Wunsch nach einer neuen Liebe im Rahmen einer PR-Veröffentlichung selbst thematisiert. Für die Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das am 21. Juni 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin II, 27 O 183/20, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger haben gegen das am 1. Juli 2022 zugestellte Urteil am 7. Juli 2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der entsprechenden Frist bis zum 4. Oktober 2022 mit einem beim Kammergericht an diesem Tag eingegangen Schriftsatz begründet. Das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, bei den Abmahnungen der Presseorgane im Januar 2020 handele es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG.

Die Kläger beantragen,

das am 21. Juni 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin II, 27 O 183/20, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihnen 1.186,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, soweit es hier nicht anders dargestellt ist.

B.

Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Berufung der Kläger ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Den Klägern stehen die von ihnen geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu (I. und II.). Sie können von der Beklagten daher auch keine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen (III.).

I. Den Klägern steht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der angegriffenen Textberichterstattung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.

1. Die angegriffenen Äußerungen greifen zwar jeweils in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger ein.

2. Die Beeinträchtigung erweist sich aber nicht als rechtswidrig. Die Beurteilung des Landgerichts, im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes der Kläger und der Pressefreiheit der Beklagten gebühre den schützenswerten Interessen der Beklagten der Vorrang, trifft nicht zu. Es ist somit auch nicht festzustellen, dass sich die Hauptsache insoweit teilweise erledigt hat.

a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (siehe nur BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, Randnummer 25). Aus diesem Grunde sind das durch Artikel 2 Absatz 1, Artikel Absatz 1 GG, Artikel 8 Absatz 1 EMRK gewährleistete Interesse der Kläger am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mit dem in Artikel 5 Absatz 1 GG, Artikel 10 Absatz 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Betrifft die Berichterstattung wie hier die Privatsphäre, ist bei dieser Abwägung von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt (siehe nur BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, Randnummer 26). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit der Informationsanspruch des Publikums erfüllt und so zur Bildung einer öffentlichen Meinung beigetragen wird oder ob lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt wird. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist wiederum von erheblicher Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Eine in der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson kann einen besonderen Schutz ihres Privatlebens beanspruchen, nicht aber eine Person des öffentlichen Lebens. Außerdem muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen der Berichterstattung über Tatsachen, die einen Beitrag zu einer Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten kann, die zum Beispiel Politiker bei Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte betrifft, und der Berichterstattung über Einzelheiten des Privatlebens einer Person, die keine solchen Aufgaben hat (siehe nur BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, Randnummer 26). Die Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht durch eine Wortberichterstattung ist als gering zu werten, wenn es sich um die Behauptung zutreffender Tatsachen handelt, die entweder belanglos sind oder sich allenfalls oberflächlich mit der Person des Betroffenen beschäftigen, ohne einen tieferen Einblick in seine persönlichen Lebensumstände zu vermitteln und ohne herabsetzend oder gar ehrverletzend zu sein.

b) Die unter anderem nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Abwägung führt im Fall zu einem Überwiegen der Interessen der Beklagten. Hier gilt unter anderem Folgendes:

aa) Bei den Spekulationen über eine Beziehung handelt es sich nicht nur um eine Belanglosigkeit, die sie lediglich oberflächlich betrifft. Die Spekulationen sind mit einem tieferen Einblick in ihre persönlichen Lebensumstände verbunden. Außerdem ist zu Gunsten der Kläger in Rechnung zu stellen, dass es bei den Äußerungen auch darum geht, die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten der Kläger zu befriedigen (siehe auch BGH, Urteil vom 2. Mai 2017 – VI ZR 262/16, juris Randnummer 30). Ein Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung kann dem der Unterhaltung dienenden Artikel allerdings nicht von vornherein abgesprochen werden, zumal es insoweit auf das Niveau der Berichterstattung nicht ankommt. Die Berichterstattung befasst sich aber weniger mit der Erörterung eines etwaigen meinungsbildenden Aspekts der Nachricht, vielmehr „enthüllt“ und „verrät“ sie private Angelegenheiten der Kläger und zielt damit vorrangig auf das Bedürfnis der Leser ab, Tatsachen aus dem Privatleben der Kläger zu erfahren, die bislang verborgen geblieben sind. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass die Beziehung der Kläger ernsthaft und sachbezogen erörtert werden würde.

bb) Für die Rechte der Beklagten spricht hingegen, dass die Äußerungen der Beklagten die Kläger nicht an „Pranger“ stellen oder sie stigmatisieren. Die Äußerungen sind weder herabsetzend noch ehrverletzend.

cc) Die Mitteilung, dass und mit wem man neuerdings liiert sein könnte, stellt außerdem keinen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre dar (siehe nur BGH, Urteil vom 2. August 2022 – VI ZR 26/21, juris Randnummer 23; BGH, Urteil vom 2. Mai 2017 – VI ZR 262/16, juris Randnummer 31). Die Berichterstattung hat wegen der besonders hohen Prominenz der Kläger als „public figures/personnes publiques“, ihrer gemeinsamen beruflichen Tätigkeit über fast eine Dekade, unter anderem bei „XXX“ und „XXX“, ihren Gastauftritten in Konzerten, ihrer gemeinsamen Tätigkeit als Synchronsprecher beim Film „###“, ihrem vergleichbaren Start ins Rampenlicht bei einem „Song-Contest“ demgegenüber ein hohes öffentliches Interesse. Als jeweils prominente Person können die Kläger gegenüber der Allgemeinheit, insbesondere ihren Anhängern, jeweils eine Leitbild- und Kontrastfunktion erfüllen. Das besondere Interesse an den Personen der Kläger zeigen auch die Berichterstattungen vor dem 15. Januar 2020 (XXX vom XXX, XXX vom XXX, XXX vom XXX). Der Umstand, dass eine – wahre – Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt, ist außerdem – wie hier – geeignet, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (BVerfG, Beschluss vom 9. März 2010 – 1 BvR 1891/05, NJW-RR 2010, 1195 Randnummer 33; BGH, Urteil vom 30.4.2019 – VI ZR 360/18, Randnummer 29).

dd) Zu Lasten vor allem der Klägerin ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass sie sich seit Jahren und in freier Entscheidung der Medienöffentlichkeit aussetzt (zu diesem Aspekt BGH, Urteil vom 2. August 2022 – VI ZR 26/21, Randnummer 19 – Sex-Bloggerin – und BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 − VI ZR 230/08, Randnummer 21 – Party-Prinzessin), wahrgenommen werden will und ihr Leben in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren absichtlich kommerzialisiert. Wiederholte Äußerungen eines Prominenten zu Liebesbeziehungen und seinem Liebesleben allgemein können indessen zu einem entsprechenden besonderen Informationsinteresse der Allgemeinheit führen, das im Rahmen der Abwägung zum Nachteil des von der Berichterstattung Betroffenen zu berücksichtigen ist (BGH Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, juris Randnummer 36). Im Fall ist von einem solchen Verhalten auszugehen.

(1) Denn die Klägerin, eine der bekanntesten „Influencerinnen“ in Deutschland, veröffentlicht auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ unter „XXX“ regelmäßig ganz bewusst und gezielt Inhalte zu ihrem Berufs-, aber zum Teil auch zu ihrem Privatleben. Diese Veröffentlichungen zielen gerade darauf, ein Interesse an ihrer Person zu begründen und wachzuhalten. Die Klägerin erzielt durch möglichst viele Besucher unstreitig besonders hohe Werbeeinnahmen und setzt sich dazu ganz bewusst vor allem durch allgemeine Postings einer millionenstarken Medienöffentlichkeit aus. Die Klägerin braucht und will für die Vermarktung ihrer Person eine breite Medienöffentlichkeit. Dabei geht es nicht nur um Mitteilungen über die Klägerin als Künstlerin.

(2) Durch ihre im Kanal eingestellten auch privaten Bilder will es die Klägerin erreichen, dass man sich immer wieder mit ihrer Person befasst. Wie im Fall BGH, Urteil vom 2. August 2022 – VI ZR 26/21, Sex-Bloggerin äußert sie sich dazu auf ihrem Kanal zu ihrem Beziehungsleben – nicht aber wie der Kläger im Fall „Sex-Bloggerin“ abstrakt durch allgemeine Interviews und / oder Bühnenauftritte, sondern zu einer konkreten Beziehung. Denn die Klägerin hat nicht nur private Bilder, beispielsweise mit XXX oder vor der angegriffenen Veröffentlichung aus ihrem Urlaub, auf dem Kanal eingestellt und dadurch ganz bewusst und gezielt Einblicke in ihre Lebensgestaltung ermöglicht, die der Öffentlichkeit ansonsten verschlossen gewesen wären. Ferner hat sie Anfang 2019 gerade auf ihrem Kanal vom Ende der Beziehung mit XXX berichtet.

(3) Weiter hat die Klägerin im Juni 2019 auf ihrem Instagram-Kanal unter der Rubrik „REELS“ bewusst ein Video zur Bewerbung des Albums „XXX“ und der Single „XXX“ eingestellt. Die Klägerin äußert sich dort zu ihrem Beziehungsleben, unter anderem mit den Worten: „XXX“. Insbesondere hierdurch hat die Klägerin aus kommerziellen Gründen gezielt Einblicke in ihr Beziehungsleben ermöglicht, die der Öffentlichkeit ansonsten verschlossen gewesen wären. Die Klägerin hat mit der sehr emotional vorgetragenen Aussage in dem Video das aufgrund ihrer starken Medienpräsenz ohnehin erhebliche öffentliche Interesse an ihrer Person und ihren Lebensumständen nochmals deutlich gesteigert. Belegt wird diese Annahme durch die zeitnahe umfangreiche Berichterstattung in den Medien zu dem von der Klägerin veröffentlichten Video, wobei die Trennung der Klägerin von ihrem früheren Freund und nicht der Inhalt des beworbenen Albums im Zentrum der Presseveröffentlichungen steht (vgl. Anlagenkonvolut B 2). Das Verhalten der Klägerin fällt im Rahmen der Abwägung zu Gunsten des Berichterstattungsinteresses erheblich ins Gewicht (vgl. auch: OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2023 -15 U 61/23- in: AfP 2024, 87f.).

dd) Aber auch der Kläger hat durch seine zahlreichen gemeinsamen Auftritte mit der Klägerin ein besonderes Informationsinteresse jedenfalls an einer Beziehung zur Klägerin geweckt. Er hat über mehrere Jahre hinweg gemeinsam an dem TV-Format „XXX“ teilgenommen und dort bewusst zur Klägerin ein enges Verhältnis öffentlich zur Schau gestellt. Er hat sich und seine jetzige Ehefrau ferner bei dem TV-Format „XXX“ durch die Äußerung „XXX“ ins öffentliche Gespräch gebracht. Weiter hat er die Klägerin mit Gastauftritten bei ihren Tourneen unterstützt. Darüber hinaus hat der Kläger in den letzten Jahren gemeinsam mit der Klägerin an TV-Formaten mitgewirkt, unter anderem „XXX“ und weitere Formate von XXX und XXX, „XXX“ sowie „XXX“.

Zu Gunsten der Beklagten ergibt sich in Bezug auf den Kläger ferner ein in die Abwägung einzustellendes, berechtigtes und tatsächlich überwiegendes öffentliches Informationsinteresse auch daraus, dass ein solches an der Berichterstattung in Bezug auf die Klägerin besteht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 237/21, Randnummer 30 – Berichterstattung über nicht prominenten Partner). Auch wenn der Kläger von den Äußerungen unmittelbar betroffen ist, ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass es sich um eine Berichterstattung über seine jetzige Ehefrau handelt, der aufgrund ihrer Prominenz eine Leitbild- und Kontrastfunktion zukommt, wobei auch Aspekte aus ihrem Privatleben der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen können.

ee) Da bereits nach den übrigen Abwägungsmomenten das Berichterstattungsinteresse der Beklagten die Rechte der Kläger jeweils überwiegen, lässt der Senat offen, ob im Fall außerdem eine Selbstöffnung / Selbstbegebung der Klägerin zur Beziehung zum Kläger vorliegt, weil sie sich zu XXX geäußert hat.

(1) Läge eine Selbstöffnung / Selbstbegebung vor, könnte sich jedenfalls die Klägerin nicht auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die sie selbst der Öffentlichkeit preisgegeben habe (BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 441/19, Randnummer 37). Die Klägerin hat sich allerdings nicht zur Beziehung zum Kläger geäußert.

(2) Nach dem Bundesgerichtshof gibt eine festzustellende Selbstöffnung / Selbstbegebung aber auch nicht stets thematisch und inhaltlich die exakte Grenze vor, in deren Rahmen sich die hinzunehmende Veröffentlichung bewegen müsse. Diese Grenze sei vielmehr im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung im Einzelfall zu bestimmen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 – VI ZR 284/17, Leitsatz). Was ist diese Güterabwägung einzustellen ist, muss hier nicht geklärt werden.

(3) Jedenfalls aber kann nicht festgestellt werden, dass sich die Klägerin stets um Geheimhaltung ihres Privatlebens im Allgemeinen und Beziehungen im Besonderen bemüht hat.

3. Auf dieser Grundlage hat die Berufung der Beklagten auch Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Landgericht zuerkannten Unterlassungsansprüche richtet. Ergänzend ist auszuführen:

Die Äußerung „XXX“ nimmt detailarm auf Gemeinsamkeiten der Kläger Bezug und bewertet die Beziehung auf dieser Grundlage. Bei der Mitteilung „XXX“ handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung, die auf den öffentlich wahrnehmbaren Social Media Aktivitäten der Kläger basiert. Die Berichterstattung über den „Umgang mit der Öffentlichkeit“ betrifft die Sozialsphäre der Kläger. Der Informationsgehalt der Äußerung „XXX“ ist abstrakt und detailarm und enthält keine Einzelheiten zum „Werden“ der Beziehung. Der genannte Zeitpunkt „im Sommer“ ist unkonkret und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Kläger nicht in erheblicher Weise. Die Äußerung „XXX“ erschöpft sich in einem detailarmen Vergleich zwischen der Beziehung der Kläger einerseits und der Beziehung der Klägerin und ihrem vorherigen Partner XXX. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Äußerungen der Klägerin zu der Trennung und dem Wunsch, noch einmal eine große Liebe zu finden, interessiert sich die Öffentlichkeit in besonderem Maße dafür, inwieweit dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist und welche Eigenschaften des Klägers dazu führen könnten, dass diese aus einer jahrelangen öffentlichen Freundschaft gewachsene Liebe von Dauer sein könnte. Auch insoweit liegt eine zulässige Meinungsäußerung vor.

II. Den Klägern stand auch der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung des Fotos entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 nicht zu, da das Foto die rechtmäßige Wortberichterstattung der Beklagten kontextgerecht illustriert.

III. Nach dem zu I. und II. Ausgeführten haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO. Die Revision ist in Ermangelung der Voraussetzungen hierfür nicht zuzulassen. Die Fragen, welche Punkte bei einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht abzuwägen sind, sind allgemein geklärt.



Schlagworte

Liebesbeziehung