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Nr: NJRE001585371


LArbG Hamburg 3. Kammer, Urteil vom 11.Juni 2024 , Az: 3 SLa 2/24

Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Ausschlussfrist

Leitsatz

1. Nimmt eine im Arbeitsvertrag formularmäßig vereinbarte Ausschlussfrist nur Ansprüche aus, die auf einer Haftung wegen vorsätzlichen Handelns beruhen, und können damit entgegen § 309 Nr. 7 a) BGB Schäden aus der Verletzung des Lebens des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, verfallen, ist dieser Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) BGB unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht so gewichtig, dass er zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führt. Gleiches gilt für den Verstoß gegen § 309 Nr. 7 b) BGB, soweit eine Haftung für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, nicht aus dem Anwendungsbereich der vereinbarten Ausschlussfrist ausgenommen ist.

2. Eine formularmäßig vereinbarte Ausschlussfrist ist nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Ansprüche auf branchenspezifische Mindestlöhne nicht ausdrücklich ausnimmt, sofern zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kollektivnormen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirkten oder branchenspezifische Mindestlöhne vereinbart waren.

3. Dass Ansprüche nach der DS-GVO nicht ausdrücklich vom Verfall ausgenommen sind, führt nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten vertraglichen Ausschlussfristenregelung, wenn der Fristlauf nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt (bejaht für Fristbeginn mit "Fälligkeit").

Orientierungssatz

(Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 152/24)


Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg 01.11.2023 17 Ca 275/22
nachgehend BAG 01.01.+1000000000 9 AZR 152/24

Langtext

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 01. November 2023, Az. 17 Ca 275/22, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung wie folgt geändert wird:

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren gegen ein Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg noch über Urlaubsabgeltungsansprüche, die die Klägerin geltend gemacht, in diesem Zusammenhang insbesondere um die Wirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist.

Die Klägerin war seit dem 1. April 2017 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages der Parteien vom 23. Januar 2017 bei der Beklagten tätig. Ihr monatliches Bruttoentgelt betrug 3.850,- EUR. Die Klägerin befand sich bis zum 12. August 2022 in einer dreijährigen Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete jedenfalls mit Ablauf des 31. Oktober 2022.

Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es u.a.:

§ 5 Urlaub

(1) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin richtet sich grundsätzlich nach dem Bundesurlaubsgesetz. Die Arbeitnehmerin erhält z. Zt. insgesamt einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen (gesetzlicher Mindesturlaub plus acht Tage vertraglichen Zusatzurlaub), bezogen auf eine 5-Tage-Arbeitswoche, ansonsten anteilig.

(3) Der Urlaubsanspruch verfällt am Ende des Urlaubsjahres. Wird der Urlaub aufgrund dringender betrieblicher oder in der Person der Arbeitnehmerin liegender Gründe in das Folgejahr übertragen, so verfällt er, wenn er nicht bis zum 31.03. genommen worden ist. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub verfällt ausnahmsweise nicht, wenn und soweit gesetzliche Regelungen dem entgegenstehen.

(4) Der vertragliche Zusatzurlaub mindert sich um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Entgelt bzw. Entgeltfortzahlung hat.

§13 Ausschlussfristen

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich oder in Textform (§ 126 BGB) geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich erhoben wird.

(3) Diese Ausschlussklausel gilt nicht für Ansprüche, die auf eine Haftung wegen vorsätzlichen Handelns beruhen. Des Weiteren gilt diese Ausschlussklausel nicht für Ansprüche auf Vergütung der Arbeitsleistung In Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns.

Die Parteien stritten zunächst über die Rechtmäßigkeit von mehreren Kündigungen. Mit Klageerweiterung vom 26. April 2023 begehrte die Klägerin erstmals die Zahlung von Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 2020, 2021 und - unter Berücksichtigung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls erst in der zweiten Jahreshälfte - für 2022 verlangen. Es ergebe sich pro Jahr ein Abgeltungsanspruch für jeweils 28 Tage in der geltend gemachten Höhe.

Die Klägerin hat beantragt,

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eventuelle Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin seien nach Maßgabe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Das gelte selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31. Oktober 2022 sein Ende gefunden hätte, selbst dann hätte die Klägerin ihre Ansprüche auf Urlaubsabgeltung spätestens am 31. Januar 2023 geltend machen müssen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit am 1. November 2024 verkündetem Schlussurteil die Zahlungsanträge abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt, etwaig entstandene Ansprüche der Klägerin auf Urlaubsabgeltung seien erloschen, weil sie sie nicht fristgemäß nach Maßgabe der in § 13 des Arbeitsvertrages geregelten Ausschlussfristen geltend gemacht habe. Wenn man mit der Klägerin davon ausginge, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe mit Ablauf des 31. Oktober 2022 sein Ende gefunden, habe die Klägerin ihre Ansprüche auf Urlaubsabgeltung spätestens am 31. Januar 2023 gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Eine Geltendmachung sei aber erstmals mit dem klageerweiternden Schriftsatz vom 26. April 2023 erfolgt. Ansprüche auf Urlaubsabgeltung seien von der Ausschlussfrist in § 13 des Arbeitsvertrages auch umfasst. Die Ausschlussfristen aus § 13 des Arbeitsvertrages seien rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden und hielten insbesondere einer Inhaltskontrolle stand. Die Klausel nehme Ansprüche auf Mindestlohn von dem vorgesehenen Verfall aus, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 3 Satz 1 MiLoG. Es sei unschädlich, wenn in einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 b) BGB nicht beachtet werde.

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 15. Dezember 2023 zugestellt worden ist, hat sie mit Schriftsatz vom 12. Januar 2024, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt. Auf rechtzeitigen Antrag der Klägerin wurde für sie die Frist zur (ergänzenden) Begründung der Berufung bis zum 15. März 2024 verlängert. Mit Schriftsätzen vom 15. Februar 2024 und vom 15. März 2024, jeweils taggleich Landesarbeitsgericht eingegangen, hat die Klägerin die eingelegte Berufung begründet.

Die Klägerin hält das Urteil des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen für unzutreffend. § 13 des Arbeitsvertrages halte der vorzunehmenden AGB-Kontrolle nicht stand. Zwar enthalte § 13 Abs. 3 ArbV eine Rückausnahme gewisser Ansprüche, auf die nicht verzichtet werden könne. Die Rückausnahme in § 13 Abs. 3 ArbV sei aber nicht ausreichend, folglich greife die Grundregelung in § 13 Abs. 1 ArbV Arbeitsvertrag zu weit. Von der Klausel würden (scheinbar) auch solche Ansprüche erfasst, auf die sie sich tatsächlich nicht erstrecken könne. Die Klausel erweise sich insoweit als intransparent, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Ansprüche wegen einer Haftung wegen grob fahrlässigen Handelns, also auf grobe Fahrlässigkeit gestützte vertragliche oder gesetzliche Schadensersatzansprüche, seien nicht ausgenommen. Insoweit verstoße § 13 Abs. 1 ArbV gegen § 309 Nr. 7a, Nr. 7b BGB. Die Rückausnahme von Ansprüchen betreffend den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn sei unzureichend. Nicht umfasst seien Ansprüche nach den §§ 9, 13 AentG auf branchenspezifische Mindestlöhne. Eine solche Ausnahme sei nicht nur für Arbeitsverhältnisse, deren Entgeltniveau in der „Nähe“ zum Mindestlohn liege, erforderlich, sondern für alle Arbeitsverhältnisse. Zudem seien auch zwingende Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen und Tarifvertrag, die nach § 4 Abs. 4 TVG und § 70 Abs. 4 BetrVG besonderen Schutz genössen, nicht ausgenommen. Umfasst seien schließlich auch Auskunftsansprüche des Arbeitnehmers nach der Datenschutz-Grundverordnung (z.B. Art. 12 DS-GVO, Art. 15 DS-GVO) und Schadensersatzansprüche (z.B. nach Art. 82 DS-GVO). Es sei der Beklagten verwehrt, bereits im Vorwege eines Datenverstoßes die Durchsetzung von Rechten aus der DS-GVO zu erschweren - und sei es auch nur, dass nationale Verjährungsvorschriften substantiell abgekürzt würden. Im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung sei der Arbeitnehmer im besonderen Maße schutzbedürftig und es fielen im großen Umfang personenbezogen Daten an, die es zu schützen gelte. Wolle man in dem Bereich der Haftung für grob schuldhafte Datenverstöße „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB berücksichtigen und selbst bei grob schuldhaften Verstößen eine Verkürzung von gesetzlichen Verjährungsfristen zulassen, so läge darin zugleich ein Verstoß gegen den europäischen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts erforderten es nicht, dass ein Arbeitgeber (= Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO) bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten seiner Arbeitnehmer besser gestellt werde als ein Verantwortlicher (nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO) in anderen Lebensbereichen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg zum Az. 17 Ca 275/22, verkündet am 31. Juli 2023 abzuändern und

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen.

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen.

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 4.975,38 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Arbeitsvertragliche Ausschlussfristenklauseln seien zwar nach § 309 Nr. 7 BGB zu überprüfende Vertragsbestimmungen. Sie seien nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BAG jedoch nicht unwirksam, wenn sie die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche nicht (vollständig) aus ihrem Anwendungsbereich ausnähmen. Einer solchen Unwirksamkeit stünden die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 Hs. 1. BGB entgegen. Es sei für die Wirksamkeit der Ausschlussfristenregelung daher unschädlich, wenn in § 13 Abs. 3 S. 1 ArbV nur solche Ansprüche ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Ausschlussfrist ausgenommen seien, die auf einer Haftung wegen Vorsatzes beruhten. Soweit die Ausschlussfristenregelung in Abs. 3 alle „Ansprüche auf Vergütung der Arbeitsleistung in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohns'' von ihrem Anwendungsbereich ausnehme, erfasse diese Ausnahme auch branchenspezifische Mindestlohnansprüche, obgleich sie nicht ausdrücklich benannt seien. Das ergebe die der Inhaltskontrolle vorgehende gebotene Auslegung der Ausschlussfristenregelung. Der durchschnittliche Arbeitnehmer dürfe - und werde - redlicherweise annehmen, dass sämtliche (unverzichtbare) Mindestlohnansprüche nicht von der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung erfasst sein sollten, unabhängig vom jeweiligen Entstehungsgrund. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirkten auch keine Kollektivnormen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ein. Sie, die Beklagte, sei daher nicht aus Gründen der Transparenz gehalten gewesen, die Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf eine - tatsächlich nicht vorliegende - unmittelbare und zwingende Wirkung von Kollektivnormen einschränkend zu formulieren. Jedenfalls aber sei eine Ausschlussfristenregelung, welche die von § 77 Abs. 4 S. 4 BetrVG und § 4 Abs. 4 S. 3 TVG geschützten betriebsverfassungsrechtlichen und tariflichen Ansprüche umfasse und deshalb zu weit gefasst sei, auch nicht allein wegen dieses Verstoßes unwirksam. Ansprüche aus der DS-GVO könnten grundsätzlich einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegen. Diese Ansprüche würden nicht bereits dadurch übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht, dass sie einer nach nationalem Recht angemessenen Ausschlussfristenregelung unterlägen.

Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. Juli 2023, Az. 17 Ca 275/22, ist zulässig, aber unbegründet. Im Hinblick auf das Obsiegen der Klägerin mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts (Az. 3 Sa 47/23) war allerdings die Kostenentscheidung wie geschehen abzuändern.

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1,2 lit. b), c) ArbGG statthaft und wurde im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Nachdem ihr das Schlussurteil des Arbeitsgerichts vom 1. November 2023 am 15. Dezember 2023 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Januar 2024 eingegangen beim Landesarbeitsgericht Hamburg am selben Tag rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsätzen vom 15. Februar und 15. März 2024, jeweils am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen, hat die Klägerin die Berufung auch rechtzeitig innerhalb der für sie bis zum 15. März 2024 antragsgemäß verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltung ist zulässig, aber unbegründet, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

1. Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass ihr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein offener Urlaubsanspruch zustand, der sich nach § 7 Abs. 4 BUrIG in einen Abgeltungsanspruch gewandelt hat. Hinsichtlich des Umfangs des noch offenen Urlaubsanspruchs stellt sich im Hinblick auf § 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrages zwar die Frage, ob der Klägerin auch der vertragliche Zusatzurlaub von 8 Tagen jährlich für die Zeit ihrer Elternzeit zustand. Dies kann allerdings dahingestellt bleiben.

2. Ein entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin ist zwischenzeitlich erloschen, da sie ihn nicht rechtzeitig innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist nach § 13 ArbV geltend gemacht hat. Die Klageerweiterung vom 26. April 2023, mit der die Klägerin erstmals Urlaubsabgeltung von der Beklagten verlangte, wahrte nicht die Ausschlussfrist aus § 13 Abs. 1 ArbV, die eine Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei verlangt. Die Ausschlussfrist erweist sich als wirksam.

a. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt, auch bezüglich des bei Beendigung noch offenen europarechtlich garantierten bzw. gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs aus § 3 BUrIG, einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist, die alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst (vgl. nur BAG vom 5. Juli 2022, Az. 9 AZR 341/21, Rn. 15 m.w.N.).

b. Die Regelung in § 13 ArbV unterliegt der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Es handelt sich bereits nach der äußeren Gestaltung des Arbeitsvertrages um vorformulierten Vertragsbedingungen, die die Beklagte der Klägerin bei Abschluss eines Vertrags i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB gestellt hat. Dass sie einzeln ausgehandelt worden wären oder die Klägerin auf ihren Inhalt hätte Einfluss nehmen können, ist nicht ersichtlich.

§ 13 Abs. 1 ArbV ist nicht wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB unwirksam. § 13 Abs. 1 ArbV ist im Zusammenhang mit dessen Abs. 3 zu betrachten. Zwar können nach dem Wortlaut der Regelung entgegen § 309 Nr. 7 a) BGB Schäden aus der Verletzung des Lebens des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, verfallen. Denn Abs. 3 nimmt nur Ansprüche aus, die auf einer Haftung wegen vorsätzlichen Handelns beruhen. Dieser Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) BGB ist unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach §310 Abs. 4 Satz 2 BGB allerdings nicht so gewichtig, dass er zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führt (BAG vom 22 Oktober 2019, Az. 9 AZR 532/18; BAG vom 24. Mai 2022, Az. 9 AZR 461/21). Gleiches gilt für den Verstoß gegen § 309 Nr. 7 b) BGB, soweit eine Haftung auch für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, nicht aus dem Anwendungsbereich von § 13 Abs. 1 ArbV ausgenommen ist (BAG vom 28. September 2017, Az. 8 AZR 67/15).

c. § 13 Abs. 1 ArbV ist nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil die Klausel auch tarifliche Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Ansprüche auf branchenspezifische Mindestlöhne erfasst. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirkten keine Kollektivnormen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht behauptet. Im Hinblick darauf war die Beklagte nicht gehalten, Ausschlussfristen im Hinblick auf eine unmittelbare und zwingende Wirkung von Kollektivnormen einschränkend zu formulieren (so auch BAG vom 24. Mai 2022, Az. 9 AZR 461/21).

Gleiches gilt für branchenspezifische Mindestlöhne. So hat das BAG eine umfassende arbeitsvertragliche Verfallklausel, die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Arbeitgeber im Anwendungsbereich dieser Verordnung gestellt worden war, als die Rechtslage irreführend darstellend beanstandet und als insgesamt wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam angesehen (BAG vom 24. August 2016, Az. 5 AZR 703/15). Dass für die Klägerin die Geltung branchenspezifischer Mindestlöhne in Betracht kam, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich.

d. Dass Ansprüche nach der DS-GVO nicht ausdrücklich vom Verfall ausgenommen sind, führt ebenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten vertraglichen Ausschlussfristenregelung. Die DS-GVO schützt natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Sie sieht Informations- und Auskunftsansprüche des Betroffenen gern. Art. 12 ff. DS-GVO vor und Entschädigungsansprüche nach Art. 82 DS-GVO. Die DS- GVO und deren Erwägungsgründe treffen allerdings selbst keine Aussage zur Disposivität der in der DS-GVO niedergelegten Betroffenenrechte (vgl. Fuhlrott/Garden, NZA 2021, 530, 532). Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten (vgl. nur EuGH vom 19. Juni 2014, Az. C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 C-541/12 Rn. 112; EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09, Rn. 24f. m.w.N.). Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH vom 19. Juni 2014, Az. C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 C-541/12 Rn. 112).

Vertragliche Ausschlussfristen betreffen nicht den Inhalt eines Anspruchs, sondern regeln den Fortbestand eines bereits entstandenen Rechts (BAG vom 9. August 2011, Az. 9 AZR 365/10, Rn. 29). Damit wird die Entstehung der Ansprüche nicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht. Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt. Die Regelung in § 13 ArbV unterscheidet nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben und aus innerstaatlichem Recht resultieren (vgl. EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09 Rn. 26 m.w.N.- Bulicke). Die vertragliche Regelung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Effektivität. Die Festsetzung von angemessenen Ausschlussfristen ist als ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar (st.Rspr. des EuGH, vgl. nur EuGH vom 21. Dezember 2016, Az. C-154/15, C-307/15, C-308/15, Rn. 69 - Gutierrez Naranjo; EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09 m.w.N. - Bulicke; EuGH vom 10. Juli 1997, Az. C-261/95 Rn. 28 - Palmisani m.w.N.). Derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. EuGH vom 24. März 2009, Az. C-445/06 Rn. 48 - Danske Slagterier), soweit der Fristlauf nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt (vgl. EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09, Rn. 41 - Bulicke; BAG vom 7. Juli 2020, Az. 9 AZR 323/19; BAG vom 18. Mai 2017, Az. 8 AZR 74/16, Rn. 36). Die vertragliche Regelung knüpft den Fristbeginn an die Fälligkeit des Anspruchs. Fälligkeit auch im Sinne einzelvertraglicher Ausschlussfristen tritt aber nicht ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein. Es muss dem Gläubiger vielmehr tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen. Ein Anspruch ist deshalb regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn er für den Arbeitnehmer aufgrund der Gesamtumstände erkennbar und durchsetzbar ist (vgl. BAG vom 7. Juni 2018, Az. 8 AZR 96/17, NZA 2019, 44 Rn. 22 m.w.N.; BAG vom 1. März 2006, Az. 5 AZR 511/05, NZA 2006, 783, Rn. 14; LAG Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 2022, Az. 5 Sa 486/21, Rn. 32). Die Ausschlussfrist beginnt daher nicht zu laufen, ohne dass der Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen überhaupt bekannt sind.

e. Die fehlende Rückausnahme, selbst wenn Ansprüche aus der DS-GVO nicht vertraglichen Ausschlussfristen unterworfen werden dürften, führt nicht zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist wegen fehlender Transparenz nach § 307 Abs. 2 BGB. Für die Prüfung der Transparenz einer in einem Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gestellten oder als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist ist allein auf die Rechtslage bei Vertragsschluss abzustellen (vgl. BAG vom 18. September 2018, Az. 9 AZR 162/18, Rn. 42 m.w.N.). Die DS-GVO ist aber erst zum 25. Mai 2018 in Kraft getreten; schon aus diesem Grund konnte und musste die vertragliche Regelung aus Januar 2017 mögliche Ansprüche nicht ausdrücklich ausnehmen.

III.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die unterliegende Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG zu tragen. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens war allerdings das Obsiegen der Klägerin mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts zu berücksichtigen.

Die Revision war zuzulassen, da ein Zulassungsgrund i.S.v. § 72 Abs. 2 ArbGG im Hinblick auf die Wirksamkeit der Ausschlussfrist ohne Ausnahme von Ansprüchen aus der DSGVO vorliegt.



Sachgebiete

Arbeitsrecht