SG Freiburg (Breisgau) 7. Kammer, Beschluss vom
14.August 2024 , Az: S 7 SO 2989/23 ER
Langtext
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig weitere Assistenzleistungen zur sozialen Teilhabe nach § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX im Umfang von 3 Std. an 228 Tagen/Jahr (Arbeitstage Montag – Freitag) sowie von 9 Std. an 108 Tagen/Jahr (Wochenenden, Feiertage, FuB-Schließtage abzüglich der Aufenthalte bei der Mutter) für den Zeitraum August 2024 – März 2025, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu gewähren. Dem Antragsgegner ist überlassen, in Absprache mit dem Beigeladenen zu bestimmen, ob die weiteren Assistenzleistungen durch die Einrichtung oder durch einen externen Leistungserbringer erbracht werden.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach zu drei Vierteln.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Gewährung weiterer Eingliederungshilfeleistungen - - Leistungen zur sozialen Teilhabe, Assistenzleistungen nach § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) - im Rahmen seines Aufenthalts in Besonderen Wohnformen mit binnendifferenziertem Bereich.
Der Antragsteller ist a ... 2001 geboren. Bei ihm liegen aufgrund eines Gendefekts eine angeborene geistige sowie körperliche Behinderung vor. In geistiger Hinsicht äußert sich diese durch eine Intelligenzminderung sowie eine eingeschränkte Fähigkeit zur Konzentration und Aufmerksamkeit. Die Mutter des Antragstellers vergleicht seinen geistigen Entwicklungsstand mit dem eines Kleinkindes. Der Antragsteller hat ein Sprachverständnis und ist selbst sprachfähig. Lesen und Schreiben kann der Antragsteller allerdings nicht. Ein Mengenverständnis ist nicht vorhanden, die Grundrechenarten beherrscht er ebenfalls nicht. Der Antragsteller hat nur eine eingeschränkte zeitliche und örtliche Orientierung. Ein Gefahrenbewusstsein ist nicht vorhanden. In körperlicher Hinsicht besteht eine Gehbehinderung in der Form, dass der Antragsteller für kürzere Strecken gehfähig ist, für längere Strecken z. B. im Freien aber einen Rollstuhl benötigt. Die Blasen- und Darmkontrolle ist nicht vorhanden, so dass der Antragsteller dauerhaft auf das Tragen von Windeln angewiesen ist. U. a. aufgrund der Inkontinenz, aber auch aufgrund von Allergien, leidet der Antragsteller an chronischen Hauterkrankungen. Die Feinmotorik ist ebenfalls eingeschränkt. Die Hand-Auge-Koordination ist nicht zuverlässig ausgebildet, so dass der Antragsteller Hilfe u. A. bei der Nahrungsaufnahme und der Körperpflege benötigt. Des Weiteren besteht bei dem Antragsteller ein so genanntes erethisches Verhalten (ruheloser Bewegungsdrang). Auch epileptische Anfälle sind in der Vergangenheit aufgetreten.
Der Antragsteller ist daher im Alltag auf Betreuungs- und Pflegeleistungen angewiesen. Die Pflegeversicherung hat ihn in den Pflegegrad 5 eingestuft. Er ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G, aG, H, B und RF anerkannt.
Die Eltern des Antragstellers sind geschieden. Die Mutter des Antragstellers wohnt in .... Sie ist zur gesetzlichen Betreuerin des Antragstellers bestellt. Der Vater des Antragstellers beteiligt sich nur im Rahmen von vereinzelten Wochenendkontakten an der Betreuung seines Sohnes.
Bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022 besuchte der Antragsteller das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) ..., seit dem Jahr 2009 als Internatsschüler mit Heimfahrten zu den Eltern am Wochenende. Zum 2.3.2022 wurde der Antragsteller in das Haus ... in H. (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald), eine Einrichtung des ... und in die dortige Wohn- und Pflegegruppe ... eine Besondere Wohnform mit binnendifferenziertem Bereich, aufgenommen. Er besuchte zunächst weiterhin bis zum Schuljahresende die ... Schule, nunmehr als Tagesschüler.
Für den Antragsteller wurde am 24.4.2022 ein Wohn- und Betreuungsvertrag mit dem Träger der Einrichtung abgeschlossen. Darin heißt es u. a.:
§ 1 Vertragsgrundlagen
(1) Die Einrichtung erbringt Leistungen der Betreuung, Eingliederungshilfe und ggf. Pflege nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) – und § 43 a – Elftes Buch (SGB XI) – bei binnendifferenzierten Gruppen in Verbindung mit § 43 Abs. 2 des Pflegeversicherungsgesetzes (SBG XI), des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) und des Heimgesetzes für Baden-Württemberg. Diese gesetzlichen Vorgaben sowie der Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII für voll- und teilstationäre Einrichtungen in Baden-Württemberg sind Grundlage des Vertrags.
(2) Die Einrichtung hat mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe nach dem 10. Kapitel SGB XII Vereinbarungen über
• Inhalt, Umfang und Qualität der von der Einrichtung zu erbringenden Leistung (Leistungsvereinbarung),
• die für die einzelnen Leistungsbereiche zu zahlende Vergütung (Vergütungsvereinbarung) und
• die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung (Prüfungsvereinbarung) abgeschlossen.
§ 2 Vertragsgegenstand
Im Rahmen dieses Vertrages werden folgende Leistungstypen im Sinne des Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für stationäre Einrichtungen und Dienste des Landes Baden-Württemberg in der Fassung vom 20.09.2006 angeboten und vom Bewohner wie folgt gewählt:
I.2.1 stationäre Hilfe für erwachsene Menschen mit einer geistig und/oder mehrfachen Behinderung. [Die Hilfebedarfsgruppe wurde nicht ausgefüllt.]
§ 8 Betreuung und Maßnahmen
(1) Die Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse der Betreuung sollen mit dem Bewohner geplant werden.
(2) Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse orientieren sich an den Wünschen des Bewohners, seinen individuellen Ressourcen, seinem individuellen Hilfebedarf, dem Maß des Notwendigen und der für den Bewohner ermittelten Hilfebedarfsgruppe. Leistungsumfang und Leistungserbringung richten sich darüber hinaus nach dem mit dem Bewohner vereinbarten individuellen Hilfeplan. Die Hilfestellung reicht dabei von der Motivation und Anleitung über die Assistenz bis zur stellvertretenden Ausführung.
(3) Die von der Einrichtung angebotenen Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen sich auf folgende Bereiche:
3.1 Individuelle Basisversorgung, insbesondere Hilfe bei der Gestaltung, Organisation und Verselbständigung im Hinblick auf die Nahrungsaufnahme, die Körperpflege, die Körperhygiene sowie das Erscheinungsbild.
3.2 Alltägliche Lebensführung, insbesondere Förderung von lebenspraktischen Verrichtungen, Entwicklung des eigenen Lebensstils, Begleitung und Beratung in persönlichen Angelegenheiten, Hilfe bei der Verwendung des Eigengeldes.
3.3 Hilfe bei der Gestaltung sozialer Beziehungen, insbesondere Förderung des Zusammenlebens mit anderen Bewohnerinnen, Nachbarn, Freunden und Angehörigen, Begleitung von Freundschaften und Partnerschaften, Beratung und Anleitung bei der Suche nach der eigenen Rolle in einer Gruppe oder Gemeinschaft.
3.4 Durchführung der Grundpflege soweit erforderlich.
3.5 Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben, insbesondere Hilfen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, Angebote zu Freizeitgestaltung und Hobby, Hilfen zur Bildung, Arbeit und Erschließung anderer außerhäuslicher Lebensbereiche.
3.6 Kommunikation und Orientierung, insbesondere Förderung der Fähigkeit, sich mitzuteilen, verstanden zu werden und andere zu verstehen, Unterstützung beim Umgang mit Hilfsmitteln (z.B. Gehwagen), Unterstützung bei der Orientierung in vertrauter und fremder Umgebung.
3.7 Emotionale und psychische Entwicklung, insbesondere Hilfe zur Bewältigung von Problemen im Umgang mit sich selbst, von Ängsten und anderen seelischen Auswirkungen einer Behinderung, Hilfe zur Entwicklung der persönlichen seelischen Stärken und Fähigkeiten.
3.8 Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung, insbesondere Beratung und Anleitung zu gesundheitsförderlicher Lebensweise, zum Erkennen von Krankheitszeichen und zum Umgang damit, Assistenz bei der Organisation, der Vorbereitung, der Durchführung und der Dokumentation von Arztbesuchen, Kooperation mit Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern.
3.9 Die Einrichtung unterstützt den Bewohner bei Bedarf bei der Vermittlung erforderlicher therapeutischer Hilfen.
(4) Die Hilfestellung reicht von der Motivation und Anleitung über die Assistenz bis hin zur stellvertretenden Ausführung.
(5) Die Einrichtung bietet ihre Hilfe nach anerkannten fachlichen Standards und Methoden an. Diese unterliegen einer ständigen Überprüfung und Weiterentwicklung. Die Einrichtung arbeitet mit den Angehörigen, rechtlichen Betreuern und mit anderen Diensten und Einrichtungen zusammen (z. B. mit Ärzten, Werkstätten für Menschen mit Behinderung.)
(6) Die Ziele und Maßnahmen der Betreuung bzw. Hilfestellung sollen mit dem Bewohner geplant werden und richten sich ggf. nach dem individuellen Hilfeplan und dem Gesamtplan nach § 58 SGB XII.
Die Ziele und Maßnahmen orientieren sich insbesondere
- an den individuellen Ressourcen des Bewohners,
- seinem individuellen Hilfebedarf,
- dem Maß des Notwendigen und Angemessenen,
- dem für den Bewohner ermittelten Leistungstyp des Rahmenvertrages des Landes Baden-Württemberg in der Fassung vom 20.09.2006 in der festgelegten Hilfebedarfsgruppe.
Durch Bescheid vom 21.3.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe an Bildung inklusive der Unterkunft im Haus ... des Mehrbedarfs für das Merkzeichen G, eines Barbetrags sowie des Mittagessens in der Schule. Mit weiterem Bescheid vom 21.3.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Eingliederungshilfe in Form der Leistungen für soziale Teilhabe (Assistenzleistungen nach § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX) in der Besonderen Wohnform (binnendifferenzierter Bereich) entsprechend dem Leistungstyp I.2.1. – I. 2.3. und I.6 (stationäre Hilfe für geistig und/oder mehrfachbehinderte Erwachsene bzw. körperbehinderte, sinnesbehinderte und/oder mehrfachbehinderte Erwachsene bzw. seelisch behinderte Erwachsene einschließlich Trainingswohnen mit unterschiedlichem Hilfebedarf in den Bereichen individuelle Basisversorgung, Haushaltsführung, individuelle und soziale Lebensgestaltung, Freizeitgestaltung, Kommunikation, psychische Hilfen und medizinische Hilfen) aus dem Rahmenvertrag zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg für stationäre und teilstationäre Einrichtungen und Dienste. Der Antragsteller wurde zunächst vorläufig in die Vergütungsgruppe 1 eingeordnet.
Aufgrund eines Ausbruchs von Covid-19 in der Einrichtung, während dessen etliche Bewohner und Bewohnerinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erkrankten, hielt sich der Antragsteller im März/April 2022 für einen längeren Zeitraum ausschließlich im Haushalt seiner Mutter und Betreuerin in Bad K. auf. Für diese Zeit beantragte die Mutter des Antragstellers anteiliges Pflegegeld, was der Antragsgegner durch Bescheid vom 12.4.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2023 unter Verweis auf die vollständig durch die Besondere Wohnform abgedeckte Pflege und Betreuung des Antragstellers, die eine darüber hinausgehende Betreuung und Pflege durch Angehörige nicht erforderlich mache, ablehnte. In dieser Sache ist das Klageverfahren S 7 SO 1968/23 anhängig.
Bereits im Mai 2022 beantragte die Mutter des Antragstellers für diesen erstmals auch eine zusätzliche Alltagsbegleitung. Wochenends und an den Feiertagen sowie während der Ferien biete die Einrichtung keine hinreichende Tagesstruktur an, so dass der Antragsteller weitgehend sich selbst überlassen sei. Dies führe aufgrund der fehlenden Aufsicht und Anregung zu problematischen Verhaltensweisen wie der Zerstörung von Gegenständen und zu Rückschritten in seiner körperlichen Fitness und geistigen Entwicklung. Am 27.7.2022 wurde ein Formantrag auf entsprechende weitere Leistungen gestellt.
Am 9.6.2022 wurde ein Gesamtplan nach § 121 SGB IX für den Antragsteller erstellt. Unter den Teilhabezielen (Nr. 4) wurde dabei u. a. festgehalten, dass der Antragsteller mit Unterstützung des Hauses ..., des Förder- und Betreuungsbereichs (FuB-Bereich) der Werkstatt, in dem er künftig tätig sein werde, und mit Unterstützung seiner Mutter eine soziale Integration in die Wohngruppe erreichen und einzelne Aufgaben im Bereich hauswirtschaftlicher Versorgung (Tisch decken und abdecken, Ordnung im Zimmer) sowie im Bereich der Körperpflege erlernen sollte. Dies sollte durch Leistungen zur Sozialen Teilhabe in der Besonderen Wohnform, Leistungen zur Sozialen Teilhabe im FuB-Bereich und den Fahrdienst zwischen beiden Einrichtungen erreicht werden. Eine genaue Differenzierung nach Zuständigkeiten, insbesondere eine Verteilung von Aufgaben zwischen dem Haus ... und der Mutter des Antragstellers, sowie eine zeitliche Einordnung, wann und in welchem Umfang welche Leistungen erbracht würden, war im Gesamtplan nicht enthalten.
Ab dem 1.8.2022, nach Ende der Schulzeit, war der Antragsteller zur Aufnahme in den neu zu errichtenden Förder- und Betreuungsbereich (FuB-Bereich) der ... -werkstätte S. G. in H., einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ebenfalls in Trägerschaft des ..., vorgesehen. Da dieser jedoch noch nicht eröffnet war, kam der Antragsteller vorübergehend im FuB-Bereich in dem dem Haus ... nahe gelegenen Haus ..., dessen Träger ebenfalls de .... ist, unter. Seit dem 1.2.2023 ist der Antragsteller im FuB-Bereich der ... -werkstätte ... in ... beschäftigt. Seine Aufenthaltszeiten dort sind offiziell von 8:00 – 16:00 Uhr (montags bis donnerstags) bzw. bis 15:00 Uhr (freitags). Tatsächlich kehrt der Antragsteller – nach Angaben seiner Mutter - allerdings schon um 15:30 Uhr (montags bis donnerstags) bzw. 14:30 (freitags) in das Haus ... zurück, weil der Transport der Beschäftigten in mehreren aufeinander folgenden Busfahrten stattfindet und der Antragsteller der zeitlich ersten Busfahrt zugeordnet ist.
Der Einrichtungsträger teilt die Struktur der Einrichtung wie folgt mit (Schriftsatz des Beigeladenen vom 5.7.2024):
Der Personalschlüssel von Gruppe ... liegt aktuell (Juni 2024) bei -0,15 VK. Das Team ist interdisziplinär und setzt sich aus Mitarbeiter/-innen mit folgenden Qualifikationen zusammen:
• Pflegefachkraft (Altenpfleger/-in, Gesundheits- und Krankenpfleger/-in)
Die Wohngruppe erstreckt sich über 2 Etagen. Im Erdgeschoss, wo auch Herr ... ebt, sind 18 der insgesamt 28 Klienten untergebracht. Im Obergeschoss wohnen 10 der insgesamt 28 Klienten.
Die Wohngruppe ist durchgängig in einem 3-Schicht-Betrieb besetzt, einer Früh-, einer Spät- und einer Nachtschicht. Im Obergeschoss werden in der Regel 2 Mitarbeiter pro Schicht geplant, im Erdgeschoss in der Regel mit 3 Mitarbeitern pro Schicht. Dies hängt mit der unterschiedlichen Anzahl der Klienten zusammen. Die Nachtschicht dagegen ist stets von 1 Mitarbeiter besetzt.
Die Arbeitszeiten der Frühschicht sind von 6.00 bis 14.00 Uhr, die der Spätschicht sind von 13.30 bis 20.45 Uhr, die der Nachtschicht sind von 20.30 bis 6.30 Uhr.
Von Montag bis Freitag besuchen die Klienten von 8.00 bis 16.00 Uhr den sogenannten zweiten Lebensbereich [Werkstatt, FuB-Bereich oder Seniorentagesgruppe].
Nach dem Wochenstrukturplan der Einrichtung gibt es montags bis mittwochs zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr ein jeweiliges Betreuungsangebot in der Kleingruppe (zweimal) bzw. einzeln (einmal), z.B. Musik, Geschichten lesen, Spiel, Spaziergang. Daran schließt sich gegen 18:00 Uhr das Abendessen sowie daran die Abendpflege an. Donnerstags und freitags sind keine besonderen Angebote am Nachmittag für den Antragsteller vorgesehen, ebenso wenig am Wochenende, da die Einrichtung davon ausgeht, dass der Antragsteller jeden Freitagnachmittag von seiner Mutter abgeholt und erst am Montagmorgen wieder gebracht wird. Nach dem Vortrag für den Antragsteller findet auch die Nachmittagsbetreuung von Montag bis Mittwoch faktisch nicht oder nur sehr eingeschränkt statt, weil nicht genug Personal vorhanden sei. Die Wochenendbesuche des Antragstellers an jedem Wochenende entsprächen auch nicht dem Wunsch der Familie, sondern seien eine vor allem die Mutter des Antragstellers sehr belastende Notlösung, da am Wochenende überhaupt keine Assistenzleistungen in der Einrichtung erbracht würden.
Durch Bescheid vom 2.9.2022 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ab dem 1.8.2022 für die Bestreitung seines Lebensunterhalts.
Durch Bescheid vom 27.9.2022 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von zusätzlichen Assistenzleistungen außerhalb der Beschäftigungszeiten im FuB-Bereich ab. Entsprechend der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen dem Antragsgegner und dem Einrichtungsträger seien sämtliche notwendige Assistenzleistungen durch die bisherige Leistungsbewilligung bereits abgedeckt. Ausweislich der bisher geltenden Übergangsvereinbarung zur bestehenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung seien keine darüber hinausgehenden individuellen Leistungen möglich. Ein neuer Landesrahmenvertrag, der dies erlauben könnte, sei noch nicht abgeschlossen.
Gegen diese Entscheidung wurde für den Antragsteller am 11.10.2022 Widerspruch eingelegt. Die bisherige Wohnform und die in diesem Kontext erbrachten Leistungen seien nicht bedarfsdeckend. Der Personalschlüssel der Einrichtung sei zu gering, um den Bedürfnissen des Antragstellers Rechnung zu tragen. Es sei nur eine Alltagsbegleiterin für insgesamt 18 Bewohnerinnen und Bewohner vorhanden, die auch nicht täglich im Einsatz sei. Mangels Aufsicht und Ansprache wisse der Antragsteller nichts mit sich und seiner Freizeit nachmittags und abends nach Ende der FuB-Beschäftigung, wochenends sowie während der Schließzeiten des FuB-Bereichs anzufangen. Er baue daher körperlich sowie geistig ab und zeige problematische Verhaltensweisen wie die Zerstörung von Gegenständen. Es bestehe eine ständige latente Selbstgefährdung. Dem Antragsteller sei daher entweder eine zusätzliche qualifizierte Alltagsassistenz zu gewähren, oder es sei ihm ein Platz in einer anderen, geeigneteren Einrichtung zuzuweisen. Dem Widerspruch wurden ärztliche Berichte angefügt, so ein Attest des behandelnden Orthopäden ... vom 18.11.2022, der einen Bewegungsmangel und daraus resultierenden körperlichen Abbau des Antragstellers bescheinigt; ein Bericht der Neuropädiatrischen Ambulanz der Kinder- und Jugend-Universitätsklinik F. vom 23.11.2022, der dem Antragsteller ebenfalls Bewegungsmangel und daraus resultierenden körperlichen Abbau sowie problematische Verhaltensweisen („negativer Aktionismus“) bescheinigt; sowie ein Bericht der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kinder- und Jugendalter der Universitätsklinik F. vom 27.12.2022, der ebenfalls problematische, insbesondere destruktive Verhaltensweisen aufgrund mangelnder Betreuung und Ansprache in der Einrichtung attestiert.
Durch Änderungsbescheide vom 6.12.2022 und 11.1.2023 stufte der Antragsgegner den Antragsteller im Rahmen der Eingliederungshilfe zur sozialen Teilhabe rückwirkend zum 1.8.2022 in die Vergütungsgruppe 4 ein.
Am 5.4.2023 beantragte die Mutter und Betreuerin des Antragstellers beim Antragsgegner die Kostenübernahme für die Installation einer Teleskoprampe an ihrem PKW, um das Verladen des Rollstuhls des Antragstellers zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Aufgrund der unzureichenden Betreuung des Antragstellers in der Einrichtung übernehme die Mutter regelmäßig die Fahrten mit ihrem Sohn zu Arztterminen, zur wöchentlichen ärztlich verordneten Wassergymnastik in der Therme Bad K. und zur Logopädie in F.. Des Weiteren nehme die Mutter des Antragstellers diesen aufgrund mangelnder Betreuungsangebote in der Einrichtung regelmäßig wochenends zu sich. Auch diese Fahrten erfolgten mit dem PKW. Die Mutter des Antragstellers sei aufgrund ihres Lebensalters und körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage, den Rollstuhl ohne technische Hilfe ein- und auszuladen. Durch Bescheid vom 1.6.2023 lehnte der Beklagte diesen Antrag ebenfalls ab. Gegen diese Entscheidung wurde für den Antragsteller am 28.6.2023 Widerspruch eingelegt, den der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 28.9.2023 zurückwies. Für die Fahrten zu Arztterminen und weiteren Therapien gebe es einen Fahrdienst. Wochenendheimfahrten seien im üblichen Umfang von 12 pro Jahr ebenfalls bereits bewilligt worden. In dieser Sache ist das Klageverfahren S 10 SO 2779/23 beim Sozialgericht Freiburg anhängig.
Durch Widerspruchsbescheid vom 16.6.2023 wies der Antragsgegner auch den Widerspruch vom 11.10.2022 gegen den Bescheid vom 27.9.2022 (Ablehnung der Gewährung weiterer Assistenzleistungen) als unbegründet zurück. Die Rechtsgrundlage für die Gewährung solcher Assistenzleistungen sei § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX. Der Antragsgegner habe mit dem Träger der Einrichtung, dem ..., eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII (jetzt § 123 SGB IX) zur Erfüllung solcher Ansprüche abgeschlossen. Diese beruhe auf dem Baden-Württembergischen Landesrahmenvertrag zwischen den Leistungsträgern und den Einrichtungsträgern und dem darin definierten Leistungstyp I.2.1., der auch die Förderung und Betreuung der Betroffenen außerhalb der Beschäftigung in einem FuB-Bereich enthalte. Diese Definition gelte auch nach der Umsetzung des neuen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ab dem 1.1.2022 aufgrund einer Übergangsvereinbarung weiter. Demnach sei der Bedarf des Antragstellers bereits durch die Leistungsbewilligungen vom 6.12.2022 und 11.1.2023 vollumfänglich gedeckt. Soweit die aktuell vom Antragsteller bewohnte Einrichtung für diesen nicht ideal sei, so sei dies der Kombination aus dem allgemeinen Mangel an derartigen Wohnheimplätzen und der vom Antragsteller und von seiner Mutter und Betreuerin gewünschten Wohnortnähe der Einrichtung, welche viele und regelmäßige Kontakte zwischen dem Antragsteller und seiner Mutter ermögliche, geschuldet.
In dieser Sache wurde für den Antragsteller am 17.7.2023 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Az. S 7 SO 1914/23). Im Rahmen des Klagevortrags wurde der Assistenzbedarf des Klägers zeitlich auf 4h/Tag an Werktagen mit Beschäftigung im FuB-Bereich sowie 9h/Tag an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen sowie während der Schließtage des FuB-Bereichs z. B. in der Weihnachtszeit beziffert. Eine Entscheidung in der Hauptsache ist noch nicht ergangen.
Am 15.11.2023 wurde für den Antragsteller der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel, vorläufig weitere Assistenzleistungen für den Antragsteller zu erhalten. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache S 7 SO 1914/23 sei dem Antragsteller nicht zuzumuten. Aufgrund der fehlenden Ansprache und Betreuung am späten Nachmittag und Abend, wochenends, an Feiertagen sowie während Schließzeiten des FuB-Bereichs habe der Antragsteller bereits erheblich körperlich und geistig abgebaut. Der Antragsteller habe andere Bedürfnisse als die Mehrheit der anderen Mitglieder seiner Wohngruppe. Diese seien überwiegend ältere Menschen mit sehr hohem Pflegebedarf, deren Mobilität stark eingeschränkt sei. Die Alltagsbetreuung orientiere sich daher an deren Bedürfnissen. Der Antragsteller dagegen habe behinderungsbedingt eine innere Unruhe und einen daraus resultierenden erhöhten Bewegungsdrang, so dass er insbesondere von körperlichen Aktivitäten sowie von Unternehmungen außerhalb des Hauses profitiere, die aber nicht angeboten würden. Das gleiche gelte für typische altersgerechte Freizeitbedürfnisse des Antragstellers wie den Besuch von Festen und attraktiven Örtlichkeiten (Weihnachtsmarkt, Fasnachtsveranstaltungen, Eisessen etc.), die mit der Altersstruktur und der eingeschränkten Mobilität der Mitbewohner ebenfalls häufig nicht kompatibel seien. Der Antragsteller habe auch behinderungsbedingt ein erhöhtes Kommunikationsbedürfnis. Viele seiner Mitbewohner seien aber behinderungsbedingt gar nicht in der Lage, durch Sprache zu kommunizieren, so dass der Antragsteller für die Befriedigung seines Bedürfnisses nach Ansprache auf das Personal angewiesen sei, welches aber nicht in ausreichendem Maß vorhanden sei bzw. dem Antragsteller aufgrund der gleichzeitig zu leistenden Betreuung der 17 weiteren Mitbewohner nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehe. Es sei daher aufgrund der daraus resultierenden Unterforderung bereits teilweise zu einer Regression des Antragstellers in nicht-sprachliche Lautäußerungen gekommen, so wie er sie von seinen Mitbewohnern kenne, welche aber nicht seinem tatsächlichen Entwicklungsniveau entsprächen. Aufgrund der fehlenden Aufsicht und Anregung sei der Antragsteller weitgehend darauf zurückgeworfen, sich am späten Nachmittag und am Abend alleine in seinem Zimmer aufzuhalten, zumal bereits vor 20 Uhr die Abendpflege und anschließende Nachtruhe beginne, was dem Biorhythmus des dreiundzwanzigjährigen Antragstellers nicht entspreche. Der Antragsteller habe daher problematische Verhaltensweisen entwickelt, in denen sich sein Bewegungsdrang und die Frustration über die fehlende Ansprache „entlade“. So habe der Antragsteller Inventar des Zimmers (Rollladen) sowie eigene Gegenstände (CDs, DVDs, Bilderbücher) beschädigt und zerstört sowie sein Zimmer, sich selbst und seine Eigentum vielfach beschmutzt. Teilweise sei es zu eigengefährdendem Verhalten gekommen (Schnitte an scharfkantigen Bruchstücken). Auch die Physiotherapeuten des Antragstellers, die diesen in der Einrichtung behandelten, schilderten eine geistige Retardierung sowie einen Abbau der körperlichen Fitness des Antragstellers (Übergewicht sowie Zunehmen orthopädischer Probleme). Sie könnten bestätigen, dass eine Alltagsbegleitung in der Einrichtung faktisch nicht stattfinde.
Seit April 2023 sei die Alltagsbegleitung in der Einrichtung krankheitsbedingt komplett ausgefallen. Eine ehrenamtliche Helferin, ..., stehe lediglich für eine Stunde pro Woche zur Verfügung. Erst seit Februar 2024 seien wieder 1,2 Stellen für die Alltagsbegleitung besetzt, die sich zwei Personen teilen würden. Die Alltagsbegleitung stehe von Montag bis Donnerstag oder Freitag zur Verfügung, derzeit wegen krankheitsbedingter beruflicher Wiedereingliederung einer der Beschäftigten sogar noch mit reduzierter Stundenzahl. Am Wochenende sei gar keine Alltagsbegleitung vor Ort. Aktuell übernehme die Mutter und Betreuerin des Antragstellers faktisch einen Großteil der Aufsicht und Betreuung des Antragstellers außerhalb der FuB-Bereich-Zeiten, insbesondere jedes Wochenende ab freitagnachmittags bis montagmorgens. Dies binde die Mutter des Antragstellers zeitlich und belaste sie physisch und psychisch in nicht mehr zumutbarem Ausmaß. Die Mutter des Antragstellers sei aufgrund ihres Lebensalters und gesundheitlicher Einschränkungen auf Dauer nicht in der Lage, diesen Einsatz zu leisten. Der Wunsch nach einer wohnortnahen Unterbringung ihres Sohnes sowie nach regelmäßigen Kontakten zu ihm bestehe. Allerdings gehe die Frequenz und die Dauer der aktuellen Kontakte weit über das hinaus, was die Mutter zu leisten bereit und auf Dauer gesundheitlich in der Lage sei. Sie springe lediglich ein, um einen weiteren körperlichen und geistigen Abbau des Antragstellers zu verhindern.
In rechtlicher Hinsicht bedeute dies, dass der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller aktuell seinem Sicherstellungsauftrag aus § 95 SGB IX nicht nachkomme. Die mit dem Einrichtungsträger geschlossene Leistungsvereinbarung benenne entgegen § 125 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX den Umfang der geschuldeten Leistungen auch gar nicht. Sie sei außerdem nur bis zum 31.12.2023 gültig. Im Ergebnis liege daher keine gültige Leistungsvereinbarung im Sinne der §§ 123, 125 SGB IX vor. Es könne daher auf dieser Grundlage keine Sachleistung rechtmäßig bewilligt werden. In dieser Situation des vertragslosen Zustands sei dem Antragsteller stattdessen eine Geldleistung zu gewähren, aus der dieser dann den Bedarf selbst decken könne (vgl. SG Freiburg, Beschluss vom 26.10.2022, Az. S 9 SO 2169/22 ER). Auch sei für den Antragsteller ein neuer Gesamtplan zu erstellen, der Umfang und Dauer der Leistungen spezifiziere (§ 121 Abs. 4 Nr. 3 SGB IX). Dies sei bisher ebenfalls noch nicht geschehen. Der Gesamtplan vom 9.6.2022 enthalte solche genauen Angaben nicht. Dementsprechend enthalte auch der mit der Einrichtung abgeschlossene Betreuungsvertrag des Antragstellers solche Angaben nicht. Aus diesem Grund scheide es aus, dass der Antragsteller direkt gegen den Träger der Einrichtung wegen mangelhafter Erfüllung des Betreuungsvertrags vorgehe. Die Versäumnisse seien auf Seiten des Antragsgegners zu suchen.
Zum konkreten Bedarf des Antragstellers wird wie folgt vorgetragen:
Nachdem sich der Antragsteller am Wochenende in der Regel bei seiner Mutter aufgehalten habe und in deren Begleitung am Montagmorgen eine Logopädiestunde in der Stadt F. absolviert habe, besuche er ab Montagvormittag den FuB-Bereich der WfbM. Der Antragsteller kehre dann montags bis donnerstags jeweils um 15:30 Uhr in die Einrichtung zurück, freitags bereits um 14:30 Uhr. Nach ca. einer halben Stunde für die Pflege und das „Ankommen“ sei der Antragsteller montags – donnerstags ab ca. 16:00 Uhr und freitags ab ca. 15:00 Uhr in der Regel faktisch unbetreut. Freitagnachmittags nehme er an ärztlich verordneter Wassergymnastik in der Therme Bad K. teil, wo ihn seine Mutter hinbringe. Ein- bis zweimal wöchentlich erhalte der Antragsteller in der Einrichtung nachmittags Physiotherapie. Die ehrenamtliche Helferin sei ebenfalls eine Stunde pro Woche nachmittags im Einsatz. Abends finde das Abendessen um ca. 17:30 Uhr/18:00 Uhr statt, danach beginne bereits ab 20:00 Uhr die Abendpflege und die Übergabe an die Nachtwache. Am Wochenende, an Feiertagen und während der Schließzeiten des FuB-Bereichs z. B. um Weihnachten und Neujahr herum finde außer der Pflege und den Mahlzeiten faktisch gar keine Alltagsbetreuung des Antragstellers statt. Daraus ergebe sich ein Bedarf an 4 Stunden/Tag weiterer Assistenzleistungen an Werktagen mit FuB-Beschäftigung (365 Tage/Jahr, abzgl. 104 Sa/So, 10 Feiertage, 23 Schließtage = 228 Tage/Jahr mit einem Bedarf an 4 Std. Teilhabe = 912 Std./Jahr) sowie ein Bedarf an 9 Stunden/Tag weitere Assistenzleistungen an Wochenenden, Feiertagen und den Schließtagen des FuB-Bereichs (104 Sa./So. + 10 Feiertage + 23 Schließtage = 137 Tage/Jahr = 1.233 Std./Jahr). In Summe sei also von 2.145 Std. derzeit ungedeckten Teilhabebedarfs/Jahr auszugehen und daraus resultierend von Kosten (bei 50,00 € pro Stunde für eine qualifizierte Alltagsassistenz) von 107.250 Euro/Jahr, also 8.937,50 Euro/Monat.
Mittelfristig sei die vom Antragsteller derzeit bewohnte Einrichtung für ihn nicht die richtige. Der Antragsteller stehe weiterhin auf Wartelisten weiterer Einrichtungen in der Region. Es seien aber insgesamt zu wenig Wohnheimplätze für junge Erwachsene mit Behinderung vorhanden.
Für den Antragsteller wird beantragt,
im Hauptantrag, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller Assistenzleistungen nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX zur sozialen Teilhabe im Umfang von vier Stunden pro Werktag, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen und in den Schließzeiten des Förder- und Betreuungsbereichs im Umfang von 9 Stunden pro Tag vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu bewilligen und durch einen Assistenzdienst sicherzustellen;
hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Geldleistung in Höhe von 8.937,50 Euro/Monat zum Zweck von Assistenzleistungen nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX zur sozialen Teilhabe im Umfang von vier Stunden pro Werktag, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen und in den Schließzeiten des Förder- und Betreuungsbereichs im Umfang von 9 Stunden pro Tag vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Der Landesrahmenvertrag beschreibe im Leistungstyp I.2.1. – I.2.3. und I.6 und den zugehörigen Vorschriften die an den Antragsteller zu erbringenden Leistungen hinreichend. Dieser Vertrag gelte auch im Jahr 2024 noch weiter aufgrund einer so genannten Brückenvereinbarung bzw. Umstellungsvereinbarung vom 19.12.2023 zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den freien Wohlfahrtsverbänden. Es bestehe daher gerade kein vertragsloser Zustand. Die Vorschriften des § 125 SGB IX zum notwendigen Inhalt einer Leistungsvereinbarung vermittelten keine subjektiven Rechte. Allenfalls könne hier eine Störung im Erfüllungsverhältnis zwischen Antragsteller und Leistungserbringer gegeben sein, die der Antragsteller gegenüber dem Träger der Einrichtung geltend machen müsse. Mögliche Mängel des vom Antragsgegner erstellten Gesamtplans schlügen ebenfalls nicht unmittelbar auf den Wohn- und Betreuungsvertrag durch. Der Antragsgegner vergüte jedenfalls dem Leistungserbringer die vollumfängliche Alltagsbegleitung des Antragstellers bereits. Ausschlaggebend sei die reguläre Personalausstattung in der Einrichtung, nicht der faktische Zustand z. B. aufgrund von Krankheitsausfällen, da diese nur vorübergehend seien. Auch die ehrenamtlich erbrachten sowie von der Mutter freiwillig geleisteten Anteile an der Betreuung seien mit einzubeziehen, ebenso Termine für Arztbesuche, Logopädie und Physiotherapie. Im Übrigen sei eine genaue zeitliche Festlegung der Betreuungszeiten des Antragstellers nicht praktikabel, da spontane Abweichungen so nicht erfasst werden könnten.
Am 13.2.2024 wurde für den Antragsteller ein Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 6.12.2022 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt, mit dem Ziel, angesichts des aus Sicht des Antragstellers vertragslosen Zustands anstatt der bisherigen unzureichenden Sachleistung eine bedarfsdeckende Geldleistung zu erhalten. Über diesen Überprüfungsantrag hat der Antragsgegner im Hinblick auf das hier anhängige Eilverfahren noch nicht entschieden.
Das Gericht hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 22.5.2024 die Beteiligten angehört.
Durch Beschluss vom 21.6.2024 hat das Gericht den Einrichtungsträger, den ... nach §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Eilverfahrens und des Hauptsacheverfahrens Az. S 7 SO 1914/23 sowie auf die den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakten des Antragsgegners (Stand 24.10.2023), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Der Antragsteller hat Anspruch auf weitere Assistenzleistungen im Rahmen der Besonderen Wohnform nach § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX, allerdings nicht in dem für ihn geltend gemachten zeitlichen Umfang, sondern in geringerem Umfang.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen unter anderem zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn kein Fall des Abs. 1 vorliegt und eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Grund der Eilbedürftigkeit und der Anspruch sind glaubhaft zu machen (S. 4 der Vorschrift i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung - ZPO).
Der Antragsteller hat hier nach summarischer Prüfung hinsichtlich des Hauptantrags – Gewährung von weiteren Sachleistungen - einen entsprechenden Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, lediglich quantitativ in geringerem Umfang als beantragt.
Die Behinderungen des Antragstellers führen – zwischen den Beteiligten unstreitig – dazu, dass der Antragsteller der anspruchsberechtigten Personengruppe der Eingliederungshilfe nach § 99, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX zuzuordnen ist. Ebenso unstreitig sind ihm während seines Aufenthalts im Haus ...- neben den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zur Sicherung des Lebensunterhalts und neben der Hilfe zur Pflege – dem Grunde nach Assistenzleistungen nach § 78 Abs. 1, Abs. 2, § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX für seine soziale Teilhabe zu gewähren. Vom Antragsteller hier geltend gemacht wird also nicht eine zusätzliche Leistung, sondern lediglich ein quantitativ höherer Bedarf wegen des vom Durchschnitt der Bewohnerschaft deutlich nach oben abweichenden Betreuungsaufwands.
Nach summarischer Prüfung besteht ein solch höherer Bedarf im Fall des Antragstellers. Die bisher erbrachten Leistungen sind notwendig und geeignet, aber quantitativ nicht ausreichend, um seine soziale Teilhabe sicherzustellen. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass er bereits entsprechende Leistungen entsprechend der bewilligten Leistungstypen durch den Einrichtungsträger erbringt und diesem vergütet; in der Sache sind diese Leistungen aber nicht bedarfsdeckend.
Grundlage für den entsprechenden weitergehenden Anspruch ist nicht der Gesamtplan nach § 121 SGB IX selbst, da dieser als Verwaltungsinternum keine Außenwirkung entwickelt. Ins Leere geht daher die für den Antragsteller vorgebrachte Argumentation, er habe einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Anpassung des Gesamtplans, so dass dieser seinen konkreten Bedarf in korrekter Höhe abbilde. Justiziabel ist lediglich, ob der Gesamtplan verfahrensfehlerfrei erstellt wurde (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 121 SGB IX Nr. 20ff., Stand: 01.10.2023). Der Gesamtplan vermittelt daher nicht unmittelbar Leistungsansprüche, limitiert sie aber gleichzeitig auch nicht, da es sich stets nur um eine Prognose des Bedarfs handelt, die sich im weiteren zeitlichen Verlauf bewahrheiten kann oder auch nicht. Hier dürfte der Gesamtplan derart unkonkret gewesen sein, dass ihm gar keine Erkenntnisse zum konkreten Umfang des Hilfebedarfs des Antragstellers zu entnehmen sind.
Der weitergehende Anspruch ergibt sich auch nicht unmittelbar aus der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen dem Antragsgegner und dem Einrichtungsträger, der – so wird für den Antragsteller vorgetragen – aufgrund des Ablaufs seiner Geltungsdauer nur noch indirekt durch Übergangsregelungen zur Anwendung kommt, an deren Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit Zweifel bestehen können (so SG Freiburg, Beschluss vom 26.10.2022, Az. S 9 SO 2168/22 ER - juris). Ob die diversen Übergangsregelungen, die die Zeit bis zur Aushandlung einer neuen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung überbrücken und damit Leistungslücken für die betroffenen Leistungsbezieher verhindern sollen, rechtmäßig oder rechtswirksam sind oder nicht, kann hier dahinstehen. Durch die Bezugnahme auf den Rahmenvertrag und seine Leistungstypen im Bewilligungsbescheid vom 21.3.2022 bzw. Änderungsbescheid vom 6.12.2022 hat der Antragsgegner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, welche Leistungen er bewilligen wollte. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob diese Leistungen bedarfsdeckend sind. Das Gericht verneint dies nach summarischer Prüfung.
Das Gericht verkennt nicht, dass im Rahmen einer Wohneinrichtung für mehrere behinderte Menschen selten die perfekte Verwirklichung der individuellen Bedürfnisse eines jeden einzelnen Bewohners erreicht werden kann. Eine gewisse Gruppenbildung ist für die praktische Umsetzung unvermeidlich. Damit Hand in Hand geht ebenfalls unvermeidlich die Notwendigkeit einer gewissen Anpassung des Einzelnen an die Gruppensituation und an die Bedürfnisse der Mehrheit, auch wenn dadurch die eigenen Bedürfnisse des Einzelnen nicht immer vollständig zum Zuge kommen können. Dies ist auch vom Antragsteller zu erwarten. Allerdings geht die vom Antragsteller derzeit faktisch geforderte Anpassung an den Tagesrhythmus und an das Angebot an Alltagsbetreuung in der Einrichtung weit über das hinaus, was von einem individuellen Bewohner an Zugeständnissen erwartet werden kann, da er aufgrund dieser – seit dem Jahr 2022 quasi erzwungenen - Anpassung – ärztlich attestiert – Schaden an seiner körperlichen und geistigen Gesundheit nimmt.
Dass dies der Fall ist, entnimmt das Gericht den vorgelegten Berichten der behandelnden Ärzte sowie Physiotherapeuten. Insbesondere ergibt sich dies aus den bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Berichten (Bl. 1048ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners), nämlich aus dem Attest des behandelnden Orthopäden <anonim><image2 page="020" align="" index="2" l="1989" t="1988" r="2209" b="2058"/></anonim> – vom 18.11.2022, der einen Bewegungsmangel und daraus resultierenden körperlichen Abbau des Antragstellers bescheinigt; aus dem Bericht der Neuropädiatrischen Ambulanz der Kinder- und Jugend-Universitätsklinik F. vom 23.11.2022, der dem Antragsteller ebenfalls Bewegungsmangel und daraus resultierenden körperlichen Abbau sowie problematische Verhaltensweisen („negativer Aktionismus“) bescheinigt; sowie aus dem Bericht der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kinder- und Jugendalter der Universitätsklinik F. vom 27.12.2022, der ebenfalls problematische, insbesondere destruktive Verhaltensweisen aufgrund mangelnder Betreuung und Ansprache in der Einrichtung attestiert.
Auch die behandelnden Physiotherapeuten ... (bis März 2023) und ... (aktuell) bestätigen in ihren Stellungnahmen vom 5.1.2024 bzw. 18.1.2024 (Bl. 145f. der Gerichtsakte) den Mangel an geistiger und körperlicher Anregung in der derzeitigen Wohnsituation und die damit verbundene Regression.
Dies wird des Weiteren bestätigt durch die von der Mutter im anhängigen Eilverfahren geschilderten Vorfälle sowie durch die Stellungnahme der ehrenamtlichen Helferin ... vom 5.1.2024 (Bl. 144 der Gerichtsakte).
Ob diese negative Entwicklung darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsteller aufgrund seines Lebensalters und seines Behinderungsbildes, insbesondere im Hinblick auf seinen Bewegungsdrang und sein Kommunikationsbedürfnis, generell gar nicht Adressat des Konzeptes der Einrichtung ist, oder ob es letztlich dem Zufall geschuldet ist, dass die Mehrheit der übrigen Bewohner andere Bedürfnisse und (geringere) Erwartungen an ihre Alltags- und Freizeitgestaltung haben als der Antragsteller, kann dabei dahingestellt bleiben. Der aktuelle Zustand kann schon deswegen nicht als bedarfsgerecht bezeichnet werden, weil er nicht nur die Entwicklungspotentiale des Antragstellers nicht ausschöpft, sondern vielmehr zu einem körperlichen und geistigen Abbau geführt hat. Dies ist nicht nur nicht bedarfsgerecht, sondern generell nicht auf Dauer hinzunehmen.
Das Gericht ist auch überzeugt davon, dass es sich bei diesem für den Antragsteller sehr nachteiligen Zustand um einen Dauerzustand und nicht nur um einen vorübergehend zu duldenden Ausnahmezustand handelt. Die anhaltende Bedarfsunterdeckung dürfte durch die für den Antragsteller vorgetragenen Krankheitsausfälle und den arbeitsmarktbedingten Personalmangel in der Einrichtung verschärft worden sein, aber darin nicht ihre Hauptursache finden. Die Hauptursache liegt vielmehr darin, dass der Antragsteller vom Leistungstyp I.2. 1. – I. 2.3. und I.6 nicht hinreichend erfasst wird. Daher kann auch dahinstehen, ob – wie der Antragsgegner ausführt – bei der Beurteilung der ausreichenden Personalausstattung einer Einrichtung vom Soll-Zustand auszugehen ist, oder vom Ist-Zustand (einschließlich Krankheitsausstellen und Vakanzen). Das Gericht geht davon aus, dass selbst bei durchgängig voll besetzten Soll-Stellen der Bedarf des Antragstellers nicht gedeckt worden wäre.
Der Antragsteller kann daher auch nicht darauf verwiesen werden, dass die aktuelle Unterdeckung seines Bedarfs auf einer Schlechterfüllung des Wohn- und Betreuungsvertrags durch den Beigeladenen beruht. Vielmehr spricht viel dafür, dass die Einrichtung des Beigeladenen ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Antragsgegner als Leistungserbringer erfüllt und die in dem Bewilligungsbescheid vom 21.3.2022 sowie in § 8 des Wohn- und Betreuungsvertrags beschriebenen Leistungen nach den Kriterien des Leistungstyps I.2.1. – I. 2.3. und I.6 tatsächlich im Großen und Ganzen erbringt, so wie sie eben dem Durchschnitt der diesem Leistungstyp zugeordneten Personen erbracht werden. Dies wurde offensichtlich insbesondere in der Vergangenheit durch Krankheitsausfälle teilweise erschwert. Für eine systematische Schlechterfüllung fehlen aber konkrete Anhaltspunkte. Das Gericht geht daher davon aus, dass es im Falle des Antragstellers nicht lediglich an der korrekten Umsetzung der bereits bewilligten Assistenzleistungen fehlt, sondern dass die schematisierte Bewilligung der Assistenzleistungen nach dem Leistungstyp I.2.1. – I. 2.3. und I.6 dem tatsächlichen Bedarf des Antragstellers von vorneherein nicht hinreichend gerecht wird. Die Bestimmung solcher Leistungstypen geht zwar – entsprechend ihrer Natur als Pauschalierung – von Durchschnittswerten aus und schließt "Ausreißer" nach oben wie nach unten damit ein (vgl. BSG, Urteil vom 6.12.2018, Az. B 8 SO 9/18 R – juris). Es ist aber gleichwohl denkbar – und hier nach summarischer Prüfung zu bejahen –, dass in Einzelfällen ein Hilfebedarf selbst den oberen Rand des von der Pauschalierung erfassten Spektrums deutlich überschreitet. Hier ist davon auszugehen, dass der Bedarf des Antragstellers insbesondere aufgrund seines behinderungsbedingt erhöhten Bewegungsdrangs und erhöhten Kommunikationsbedürfnisses in einen Leistungstyp, der nur einen Personalschlüssel von faktisch dauerhaft 1,2 oder weniger Stellen für die Alltagsbegleitung von 18 Einrichtungsbewohnern vorsieht, nicht korrekt eingeordnet ist. Es erscheint für das Gericht offensichtlich, dass damit der Bedarf des Antragstellers nach Ansprache und aktiver Freizeitgestaltung, aber auch nach Beaufsichtigung zur Vermeidung von problematischem Verhalten und Eigengefährdungen, nicht gedeckt werden kann. Die vom Beigeladenen vorgelegten Informationen zur Personalausstattung der Einrichtung (Schriftsatz vom 5.7.2024) sind nicht geeignet, diese Annahme zu entkräften, da sich aus diesen – wie für den Antragsteller zutreffend gerügt wird – nicht ergibt, wie viele Personen mit welchem Stellenumfang wann insbesondere für die Assistenzleistungen – die Pflegeleistungen werden unstreitig bedarfsdeckend erbracht – zur Verfügung stehen.
Die im sozialgerichtlichen Eilverfahren gebotene summarische Prüfung ermöglicht es andererseits aber nicht, abschließend zu prüfen, ob der Antragsteller in einen anderen Leistungstyp des Rahmenvertrags zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg für stationäre und teilstationäre Einrichtungen und Dienste korrekt einzuordnen wäre und ob der Beigeladene entsprechende Vereinbarungen mit dem Antragsgegner abgeschlossen hat, oder gar in der vom Antragsteller bewohnten Einrichtung auch einen anderen, für ihn passenderen Leistungstyp erbringen könnte. Das Gericht geht davon aus, dass dies jeweils nicht unproblematisch der Fall ist. Es ist daher gut möglich, dass in der Tat ein vertragsloser Zustand vorliegt. Dies allerdings nicht im Hinblick auf die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen bzgl. der bereits bewilligten Leistungen, sondern im Hinblick darauf, dass es für den hier bestehenden Bedarf noch gar keine Vereinbarung gibt. Es obliegt dem Beigeladenen und dem Antragsgegner generell, in ihren Vertragsverhandlungen bedarfsgerechte Leistungstypen und dafür leistungsangemessene Vergütungen zu vereinbaren und ggf. bei fehlender Einigung die Schiedsstelle anzurufen (§ 133 SGB IX). Der Leistungserbringer kann in diesem Rahmen vorbringen, dass die nach Leistungstypen und Maßnahmepauschalen strukturierte Vergütung für (stationäre) Einrichtungen nicht die Bedarfe spezifischer Gruppen behinderter Menschen berücksichtige, die vom Leistungsprofil der Einrichtung zwar formal erfasst sind, aber wegen der besonderen Auswirkungen ihrer Behinderung einen gänzlich abweichenden Bedarf haben (BSG, Urteil vom 6.12.2018, Az. B 8 SO 9/18 R – juris). Bis dahin dürfte der hier geltend gemachte Bedarf aber vertraglich ungeregelt sein, insbesondere da – wie der Antragsgegner ausführt – die bestehenden Vereinbarungen keine Abweichungen von den Leistungstypen des Landesrahmenvertrags im Einzelfall vorsehen.
Daraus folgt allerdings nicht, dass der Antragsgegner dem Antragsteller gar keine bedarfsdeckenden Sachleistungen erbringen kann. Nach § 123 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB IX darf der Träger der Eingliederungshilfe, sofern eine der in § 123 Abs. 1, Abs. 2 SGB IX genannten Vereinbarungen nicht abgeschlossen ist, Leistungen durch eine Einrichtung dann nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Der Höhe nach wird der Vergütungsanspruch eines nicht vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers normativ auf die Vergütung beschränkt, die der Eingliederungshilfeträger für vergleichbare Leistungen vereinbarungsgebundener Leistungserbringer am Ort der Hilfeleistung oder in seiner näheren Umgebung zu übernehmen hat (§ 123 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 SGB IX). Hier wäre es, soweit entsprechende Vereinbarungen zwischen Antragsgegner und Beigeladenem fehlen (und auch von vornherein nicht angestrebt werden oder gescheitert sind, vgl. BSG, Urteil vom 6.12.2018, Az. B 8 SO 9/18 R – juris), nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der Umstände des Einzelfalls geboten, dass der Antragsgegner die notwendigen Leistungen einstweilen ohne Vereinbarung erbringt; einstweilen in dem Sinne, dass nach Auffassung des Gerichts der Antragsteller zumindest die Wohngruppe, wenn nicht sogar die Einrichtung, zum baldmöglichen Zeitpunkt gegen einen Platz in einer für den Antragsteller passenderen Einrichtung wechseln sollte. Das Gericht kann dabei den Antragsteller und seine Mutter nur ermutigen, im Interesse einer bedarfsgerechteren Unterbringung des Antragstellers den Suchradius geographisch weiter zu ziehen als bisher. Das Ermessen des Antragsgegners dürfte für die Übergangszeit aber auf Null reduziert sein, so dass er zu verpflichten ist, die Leistungen zu erbringen, und nicht nur im Ermessenswege ermessensfehlerfrei darüber zu entscheiden (SG Freiburg, Beschluss vom 26.10.2022, Az. S 9 SO 2169/22 ER – juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3.6.2013, Az. L 7 SO 1931/13 ER-B – juris zum Recht der Eingliederungshilfe nach §§ 53ff. SGB XII). Hieraus folgt die hier ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners zu vorläufigen Erbringung von weiteren Sachleistungen. Die im Hilfsantrag beantragte Geldleistung kommt dagegen nicht in Betracht. Für diese besteht angesichts der Möglichkeit, auch bei vertragslosem Zustand Sachleistungen zu erbringen, auch keine Notwendigkeit.
Auch die Gewährung von ambulanten Betreuungsleistungen zusätzlich zur Besonderen Wohnform ist denkbar. Die prekäre aktuelle Betreuungssituation des Antragstellers kann – soweit in der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung kein Leistungstyp definiert ist, der dem Bedarf des Antragstellers entspricht - auch als Fall des Systemversagens qualifiziert werden. Dann ist es zulässig, auch bei einer stationären Unterbringung den ungedeckten Bedarf durch ambulante Leistungen zu decken. Dies hat das BSG für Leistungen für den Lebensunterhalt zugelassen, wenn der insoweit bestehende Bedarf nicht vollständig durch die Einrichtung gedeckt wird und dadurch ein Systemversagen vorliegt (BSG, Urteil vom 23.3.2021, Az. B 8 SO 16/19 R - juris). Dies gilt auch bei fachlichen Leistungen und kann nicht nur bei qualitativ abweichendem Bedarf, sondern auch bei quantitativ erheblich abweichendem Bedarf („Systemsprenger“) vorliegen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.5.2023, Az. L 9 SO 424/21 – juris). Der Begriff des Systemversagens ist dabei eng auszulegen. Nicht jeder Personalmangel oder jede fehlende Qualifizierung des Personals ist dafür ausreichend mit der Folge, dass in einer stationären Einrichtung ergänzende ambulante Leistungen in Anspruch genommen werden können. Ein Systemversagen liegt erst dann vor, wenn der bestehende Bedarf von der Einrichtung überhaupt nicht gedeckt werden kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.5.2023, Az. L 9 SO 424/21 – juris). So dürfte es hier aktuell liegen, wenn der Beigeladene für den Antragsteller keinen Leistungstyp bereitstellen kann, der seinem Bedarf gerecht wird.
Letztlich ist es daher dem Antragsgegner überlassen, mit dem Beigeladenen zu klären, ob die weiteren Assistenzleistungen für den Antragsteller von der Einrichtung des Beigeladenen selbst erbracht werden können und ob dies mit oder ohne Vereinbarung zu erfolgen hat, oder ob sie durch externe ambulante Kräfte erbracht werden sollen oder müssen. Zu Recht weist der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 7.6.2024 darauf hin, dass mit den unterschiedlichen denkbaren Modellen verschiedene mehr oder minder schwerwiegende praktische und rechtliche Fragen verbunden sind. Diese kann das Gericht in der hier zu treffenden Entscheidung nicht abschließend beantworten und stellt es daher dem Antragsgegner frei, die praktische Umsetzung gemeinsam mit dem Beigeladenen zu gestalten.
Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Bereits seit Ende 2022 attestieren die behandelnden Ärzte eine körperliche und geistige Regression des Antragstellers sowie – zuvor nicht bekannte bzw. wesentlich seltener aufgetretene – problematische Verhaltensweisen, welche – wie oben dargelegt - nach Auffassung des Gerichts darauf zurückzuführen sind, dass die aktuelle Unterbringung des Antragstellers in der derzeitigen Einrichtung nicht bedarfsgerecht ist. Einfacher umzusetzende und/oder kostengünstigere Selbsthilfemöglichkeiten des Antragstellers sind nicht gegeben. Nach Auskunft der Mutter sucht diese für ihren Sohn nach einer alternativen Einrichtung, konnte aber bisher keinen Platz erhalten. Auch ist der Mutter des Antragstellers nicht länger zuzumuten, die Bedarfsunterdeckung weiterhin durch überobligatorischen Einsatz zu kompensieren. Die Mutters des Antragstellers hat insbesondere im Erörterungstermin am 22.5.2024 glaubhaft vorgetragen, dass dies schon bisher nur durch Vernachlässigung ihrer eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit möglich war. Der Antragsteller kann daher nicht darauf verwiesen werden, sich bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache weiterhin auf weitreichende Unterstützungsleistungen seiner Mutter zu verlassen. Vom Vater des Antragstellers ist – nach dem Vortrag der Mutter des Antragstellers – keine Entlastung zu erwarten. Das Fortdauern der aktuellen Unterbringung und Betreuung des Antragstellers wird damit aller Voraussicht nach zu einem weiteren geistigen und körperlichen Abbau führen. Dies stellt eine unzumutbare Beeinträchtigung seiner Gesundheit dar, die nicht auch nur vorübergehend von ihm verlangt werden kann.
Lediglich hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten weiteren Leistungen teilt das Gericht die für den Antragsteller angestellte Kalkulation des Betreuungsbedarfs nicht. Er ist nach Auffassung des Gerichts zu hoch angesetzt.
Die für den Antragsteller geltend gemachten zusätzlichen Betreuungsstunden von 4 Std./Werktag lassen außer Acht, dass der Antragsteller auch als Internatsschüler der ... Schule in Emmendingen während der Zeiten außerhalb des Unterrichts (entspricht jetzt den Zeiten außerhalb der Arbeit im FuB-Bereich der Werkstatt), der Mahlzeiten und der Pflege keine ständige Eins-zu-eins-Betreuung benötigt hat und sich über gewisse Zeiten durchaus insbesondere mit Musik, Filmen, Bilderbüchern und vergleichbaren Medien selbst beschäftigen kann, ohne dass es ständig zu Selbstgefährdungen kommt. Zu Recht weist der Antragsgegner auch darauf hin, dass eine konstante Ansprache durch eine andere Person zu einer Reizüberflutung und Überforderung führen kann, so dass das bewusste Einüben von Ruhezeiten auch positiv auf den Antragsteller wirken kann. Ebenfalls außer Acht bleiben die Zeiten der Physiotherapie, die zweimal wöchentlich mit je 40 Minuten in der Einrichtung stattfindet, sowie die Besuche der ehrenamtlichen Helferin, die vom Antragsteller als besonders positiv empfunden werden. Für letztere ist jeweils eine Stunde wöchentlich anzusetzen. Im Hinblick auf die Betreuung des Antragstellers an Arbeitstagen von Montag bis Freitag erscheinen daher insgesamt drei Stunden täglicher zusätzlicher Betreuung realistischer. Hinsichtlich der Wochenenden, für die von Antragstellerseite neun Stunden täglicher Betreuung angesetzt werden, sind zwölf Wochenenden pro Jahr für die Familienheimfahrten vorzusehen, die für den Antragsteller beantragt und vom Antragsgegner bewilligt wurden und die der Antragsteller und seine Mutter – nach dem Eindruck des Gerichts insbesondere im Erörterungstermin am 22.5.2024 - auch weiterhin gerne wahrnehmen möchten. Auch ist anzunehmen, dass der Antragsteller und seine Mutter weiterhin eine gewisse Zahl der gesetzlichen Feiertage (z.B. religiöse Feiertage wie Weihnachten) sowie besondere Anlässe (z.B. Fasnachtstage), die nach dem Vortrag der Mutter im Erörterungstermin am 22.5.2024 eine besondere Bedeutung für die Familie haben, miteinander verbringen wollen. Dies reduziert die für den Antragsteller angesetzten insgesamt 104 Samstage und Sonntage pro Jahr mit besonderem Betreuungsbedarf um 24 Tage auf 80 und die der Feiertage von 10 Tagen auf – geschätzt – 5.
Es ergibt sich also ein Bedarf von 3 Std. Assistenzleistungen an 228 Tagen/Jahr (365 Tage/Jahr, abzgl. 104 Sa/So, 10 Feiertage, 23 FuB-Schließtage = 228 Tage/Jahr) sowie ein Bedarf von 9 Std. Assistenzleistungen an 108 Tagen/Jahr (104 Sa./So. + 10 Feiertage + 23 (FuB-Schließtage) – 5 Feiertage mit der Mutter – 12 Wochenenden bei der Mutter = 108 Tage/Jahr)
Daher war dem Eilantrag lediglich in diesem Umfang stattzugeben und er war im Übrigen abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG.