Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.
Der 1977 geborene Kläger war seit dem 01.08.2006 bei der Beklagten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.300,- EUR als Fachangestellter für Bäderbetriebe (Schwimmmeister) beschäftigt.
Der Kläger arbeitete seit dem 01.08.2006 in der Schwimmhalle der Beklagten. Am 19.11.2021 kam es während der Spätschicht zu Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und seinem Kollegen J.. S…. Die Vorgesetzte des Klägers, Frau J… G…, wollte diesen Konflikt in einem Personalgespräch am 25.11.2021 klären. Herr J… S… beendete das Gespräch vorzeitig, indem er das Zimmer verließ. Frau G… versuchte am gleichen Tag noch einmal das Gespräch zu führen. Dies lehnte Herr J… S… jedoch ab. Der Kläger machte daraufhin Frau J… G… den Vorwurf, ihren Pflichten als Vorgesetzte nicht nachgekommen zu sein, da der Konflikt nach wie vor nicht geklärt worden sei. Ab dem 26.11.2021 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er befindet sich in ärztlicher und psychologischer Behandlung.
Am 22.11.2022 kam es dann zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn J… S…. In diesem wurde der Gesprächsinhalt vom Kläger ohne Wissen des Herrn J… S… aufgezeichnet. Den Gesprächsinhalt verbreitete der Kläger u.a. an den Vater von Frau J… G….
Ab dem 24.11.2022 wollte der Kläger ein Vier-Augen-Gespräch mit Frau G… führen. Diese lehnte es ab und bot stattdessen ein Sechs-Augen-Gespräch gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten, Herrn B…, an. Dies lehnte der Kläger ab. Am 27.11.2022 forderte der Kläger Frau G… zum Vier-Augen-Gespräch per WhatsApp auf. Frau G… lehnte dies wiederum ab und verwies auf die Möglichkeit eines Sechs-Augen-Gesprächs. In der Folgezeit forderte der Kläger Frau G… immer wieder zu einem Vier-Augengespräch auf, welches sie weiter unter dem Verweis auf das Sechs-Augen-Gespräch ablehnte. Der Kläger war des Weiteren bei dem stellvertretenden Personalratsvorsitzenden Herrn E… zu Hause. Der Inhalt dieses Gesprächs ist lediglich dem Personalrat bekannt. Am 28.11.2022 kontaktierte der Kläger Herrn W… (Vater von Frau G….). Er schickte ihm sämtliche Chatverläufe von sich und Frau G…. Er teilte Herrn W… mit, dass Frau G… sich „auf dünnen Eis bewege“. Er drohte, dass etwas passieren würde. Dabei schickte er u.a. Äußerungen wie eine Uhr mit „5 vor 12“. Nach dem 28.11.2022 erfolgten regelmäßige Drohungen mit der Uhr „5 vor 12“. Die Drohungen wurden auch mit der Familie von Frau G… in Verbindung gebracht: „Warum machst du das?? Du hast Familie“.
Am 01.12.2022 teilte Frau G… dem Kläger mit, dass sie keinen weiteren privaten Kontakt wünsche. Sie fühle sich bedrängt und würde ihn daher wegen Belästigung anzeigen. Sie forderte ihn auf, die Bedrohung ihrer Familie zu unterlassen.
Der Kläger verlangte in der Folgezeit die Herausgabe der Dienstpläne durch Herrn S… ab. Frau G… untersagte am 13.12.2022 die Weitergabe von Dienstplänen, da der Kläger noch krankgeschrieben sei. Er solle auch die Mitarbeiter der Schwimmhalle in Ruhe lassen. Er könne jedoch jederzeit seine privaten Sachen aus dem Spind holen.
Am 15.12.2022 blockierte Frau G… den Kläger auf ihrem Mobiltelefon.
Nach dem 15.12.2022 forderte der Kläger die Mitarbeiter Frau A… und Herrn S… auf, die Dienstpläne herauszugeben. Frau G… bat die Mitarbeiter der Schwimmhalle, keine Informationen an den Kläger zu geben, da er nicht arbeitsfähig sei und kein Antrag auf Wiedereingliederung gestellt worden sei.
Am 17.12.2022 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Frau G… und Herrn S… wegen § 240 StGB. Am 28.12.2022 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Frau G… wegen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Am 29.12.2022 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Frau G… wegen Vorteilsnahme und wegen Körperverletzung. Am 06.01.2023 stellte der Kläger eine weitere Strafanzeige gegen Frau G… und Herrn S… wegen übler Nachrede. Zudem stellte er am 09.01.2023 Strafanzeige gegen Herrn Oberbürgermeister … wegen Vorteilsnahme i.V.m. Beihilfe und Nötigung, gegen Frau G… wegen Nötigung sowie gegen Herr S…, Frau A… und Frau L… wegen Beihilfe.
Am 10.01.2023 wurde dem Kläger ein Hausverbot bezüglich der Schwimmhalle schriftlich erteilt und dem Kläger übermittelt. Am gleichen Tag stellte der Kläger Strafanzeige gegen Frau G… wegen falscher Verdächtigung.
Am 16.01.2023 schickte der Kläger dem Sachgebietsleiter Schulen und Sport, Herrn B…, u.a. eine Übersicht über die aktuell von ihm erstatteten Anzeigen. Am gleichen Tag suchte der Kläger zunächst den Hauptamtsleiter, Herrn G… auf, dann die Sachgebietsleiterin Personal, Frau S… und anschließend Herrn B…, um im Wesentlichen mitzuteilen, dass ein Paket mit seinen Gegenständen aus dem Spind der Schwimmhalle noch nicht angekommen sei.
Am 31.01.2023 war der Kläger im Stadtrat der Beklagten. Er hatte dem Stadtrat H…. im Vorfeld Informationen zum 30. Geburtstag und der Amtseinführung von Frau G… in die Schwimmhalle übermittelt. Der Kläger sprach Herrn H… an, da seiner Meinung nach mit der am 30.03.2021 stattgefundene Amtseinführung und dem Geburtstagsbrunch gegen die geltenden Coronaregeln verstoßen worden sei. Bei der Amtseinführung war Herr Oberbürgermeister … zugegen und überreichte einen Blumenstrauß. Herr H… befragte Herrn … in der Stadtratssitzung am 31.01.2023 aufgrund der Informationen des Klägers bzgl. einer vermeintlichen „Coronaparty“ und wies auf die angebliche Doppelmoral zwischen den landesrechtlichen Vorgaben sowie den Aussagen von Herrn K… bzw. der CDU und den Handlungen von Herrn K… in der Stadtratssitzung hin. In den folgenden Tagen hatte Herr H… auf seinen Facebook-Profil ein Video eingestellt, dass die angebliche Doppelmoral von Herrn Oberbürgermeister K… aufzeigen sollte.
Bereits am 29.01.2023 hatte der Kläger per E-Mail den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) angeschrieben, dass gegen Herrn S… verschiedene Strafanträge liefen. Wörtlich schrieb er: „Schützen Sie die Kinder bzw. Jugendlichen und den Ruf des ASB Erzgebirge!“ Der Mail waren auch die Strafanzeigen gegen Frau G… und Herrn S… beigefügt. Darüber wurde die Beklagte am 03.02.2023 informiert. Am gleichen Tag schrieb der Kläger Herrn B… an, dass gegen mehrere Schwimmhallenmitarbeiter Strafanträge gestellt worden seien. Er sehe darin eine Gefahr für die Kinder und Jugendlichen. Er führte auch an, dass er nicht denke, dass dies die Eltern tolerieren würden.
Am 03.02.2023 schrieb der Kläger an das Amt für Bildung und Soziales der Beklagten per E-Mail, dass gegen den Erzieher Herr E… (Stellvertretender Personalrat) und Herrn Bürgermeister … … Anzeigen laufen wegen Beihilfe zum Diebstahl, Verletzung des Briefgeheimnisses und Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz. In der Anlage zu dieser E-Mail hat der Kläger aufgedruckt auf eine von ihm gestellte Strafanzeige folgendes geschrieben: „Es kann doch nicht sein, dass gegen einen Erzieher drei Strafanträge laufen. Bitte klären Sie das umgehend zum Schutze der Kinder!“
Mit Schreiben vom 08.02.2023 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung und hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30.09.2023 an und gab als wichtige Gründe für den Ausspruch der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung u.a. die E-Mail des Klägers vom 29.01.2023 an den ASB-Kreisverband, die E-Mail vom 03.02.2023 an das Sozialamt der Beklagten, die Weitergabe dienstlich erlangter Kenntnisse an den Stadtrat H…, die Strafanzeigen an OB … und andere, das Einwirken und Bedrängen von Frau G… im November 2022, die Nichtakzeptanz des Hausverbotes sowie der Zweifel an der Einsetzbarkeit des Klägers in Extremsituationen an (Bl. 91 ff. d. Akte 1. Instanz). Das Schreiben ging dem Personalrat am 09.02.2023 zu (Bl. 95 d.A. 1. Instanz). Am 10.02.2023 beriet dieser zu den Kündigungsabsichten und teilte am 10.02.2023, 11:26 Uhr der Beklagten mit, zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung keine Bedenken und zur hilfsweise vorgesehenen ordentlichen Kündigung keine Einwendungen zu erheben.
Mit Schreiben vom 10.02.2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, vorsorglich ordentlich zum 30.09.2023.
Dagegen hat der Kläger am 17.02.2023 Klage zum Arbeitsgericht Chemnitz erhoben.
Am 13.03.2023 erhielt die Beklagte davon Kenntnis, dass der Kläger die Mitarbeiterin J.R., die sich in Elternzeit befand, besucht und Nachrichten in ihrem Briefkasten oder an ihrem Auto hinterlassen habe. Weiterhin hatte er zwei große Plakate an den Gartenzaun des Nachbarn gehängt, um Frau R. seine Liebe zu bekunden, obwohl diese nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle. Am 09.12.2022, 09:40 Uhr stand der Kläger vor der Haustür von Frau R. Diese wollte gerade mit ihren zwei Kindern das Haus verlassen und war vom unerwarteten Besuch überrascht. Der Kläger fuhr in seinem Auto neben Frau R. und ihren Kindern her und redete auf sie ein. Der Kläger wusste zudem, dass Frau R. bald umziehen wollte. Er drohte ihr, dass er auch ihre neue Adresse rausfinden würde.
Am 19.02.2023 hatte Frau R. eine Nachricht in ihrem Briefkasten. Der Kläger wäre vom 21.02. - 10.03.2023 zur Kur in Leipzig und sie solle sich mit ihm in Leipzig treffen. Er fügte eine Buchungsbestätigung für ein Hotel mit Doppelzimmer bei. Als Absender gab der Kläger die Schwimmhalle A… an. Am 25.02.2023 fand Frau R. auf ihrer Windschutzscheibe Bilder von sich und dem Kläger. Dort gestand der Kläger wieder seine Gefühle für Frau R. Sein größter Fehler sei es gewesen, die Beziehung zu beenden. Daraufhin erstattete Frau R. an 08.03.2023 gegen den Kläger Strafanzeige. Am 14.03.2023 nahm der Kläger Kontakt zu Frau H…, Sachbearbeiterin im Sachgebiet Schulen und Sport, auf und versuchte, sie als Zeugin für gerichtliche Verfahren zu gewinnen. Auf Mails des Klägers reagierte Frau H… nicht. Als der Kläger am 16.03.2023 Frau H… im Treppenhaus der Stadtverwaltung traf, forderte er sie nochmals auf, Aussagen gegenüber seinem Anwalt zu bestätigen.
Mit Schreiben vom 23.03.2023 hörte die Beklagte den Personalrat zu einer weiteren beabsichtigten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung an (Bl. 220 ff. d. Akte 1. Instanz).
Mit Schreiben vom 24.03.2023 kündigte die Beklagte nochmals fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 30.09.2023 (Bl. 51 d. Akte 1. Instanz).
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe keinerlei Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung. Die Kündigungserklärungsfrist sei nicht eingehalten. Die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats werde zunächst mit Nichtwissen bestritten. Bei der Kündigung vom 10.02.2023 sei die Frist von drei Arbeitstagen nicht abgewartet worden. Der Auslöser für das Verhalten und die Erkrankung des Klägers sei nicht mitgeteilt worden. Ausgangspunkt für das Verhalten des Klägers sei die Spätschicht am 19.11.2021 und ein Personalgespräch am 25.11.2021 zur Klärung der gestörten Arbeitsatmosphäre mit dem Arbeitskollegen S…, in dem dieser den Kläger angeschrien und verbal angegriffen habe. Die Betriebsleiterin Frau G… habe hier nicht eingegriffen. Der Sachverhalt sei nie geklärt worden, weshalb von einer Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten auszugehen sei. Der Kläger gehe von Mobbing aus, das beim Kläger eine schizoaffektive Störung ausgelöst habe, wodurch die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt worden sei. Der Mobbingfall sei nie nach der bei der Beklagten erlassenen Dienstvereinbarung "abgearbeitet" worden. Die Öffnung des Spinds ohne die Anwesenheit des Klägers habe er als weiteren "Nadelstich" gegen seine Person empfunden. In der Summe sei das Verhalten des Klägers nicht mit einem "gesunden Menschenverstand" zu erklären. Er habe sich von seinen Aktionen lediglich Hilfe versprochen. Die fehlende Einsichtsfähigkeit könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Der Kläger habe keinen Überblick über die Anzahl seiner Anzeigen. Auch bei der zweiten Kündigung liste die Beklagte wieder Ereignisse auf, die außerhalb der Zweiwochenfrist lägen.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 10.02.2023 beendet worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10.02.2023 zum 30.09.2023 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus fortbesteht;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die vorsorglich ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 24.03.2023 beendet worden ist;
4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 24.03.2023 zum 30.09.2023 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wendet ein, nachdem die Beklagte am 03.02.2023 Kenntnis davon erhalten hätte, das der Kläger bereits am 29.01.2023 den Arbeiter-Samariter-Bund per E-Mail u.a. mit dem Satz "Schützen Sie die Kinder beziehungsweise Jugendlichen und den Ruf des ASB Erzgebirge!" angeschrieben habe und die Strafanzeigen beigefügt worden seien, hätten Frau G… und Herr S… weitere Gespräche mit dem Kläger abgelehnt. Für die Beklagte sei klar gewesen, dass es keine Lösung des Konflikts mit dem Kläger bzw. den anderen Mitarbeitern der Schwimmhalle geben könne. Mit der Mail habe der Kläger bewusst den Ruf der Schwimmhalle, der Beklagten und den Mitarbeitern S…, G… und E… zu zerstören versucht. Auch habe der Kläger dienstlich erlangte Kenntnisse an Dritte weitergegeben, indem er dem Stadtrat H… Informationen zum 30. Geburtstag und zur Amtseinführung von Frau G… mitgeteilt und diese als Corona-Party dargestellt habe. Damit habe er gegen die Dienstordnung der Beklagten verstoßen. Angesichts der vom Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung erstatteten 20 Strafanzeigen sei auch die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgegangen. Denn der Kläger habe ab November 2022 den Betriebsfrieden und die Betriebsabläufe erheblich gestört. Versuche, den Konflikt zu entschärfen, seien erfolglos geblieben. Auch eine Weiterbeschäftigung an anderer Stelle sei nicht möglich und zumutbar. Für die Beklagte sei nicht abschätzbar, ob vom Kläger weitere Gefahren ausgingen. Die Kündigung vom 24.03.2023 sei wegen der Belästigung von Frau R. und deren Weigerung, künftig mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, erforderlich. Auch habe er die Mitarbeiterin H… bedrängt und unter Druck gesetzt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.07.2023 die Klage abgewiesen. Bereits die außerordentliche Kündigung vom 10.02.2023 habe das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst, da die Voraussetzungen nach § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung vorlägen und der bestehende Personalrat ordnungsgemäß nach § 73 Abs. 6 SächsPersVG angehört worden sei. Die Störung des Betriebsfriedens und die Rufschädigung von Mitarbeitern seien an sich wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung. Entsprechendes gelte, wenn ein Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstelle, insbesondere dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllten. Dies sei bei den versandten E-Mails an den Arbeiter-Samariter-Bund Kreisverband Erzgebirge e.V. und dem Amt für Bildung und Soziales der Fall. Die ohne Grund erhobenen Strafanzeigen seien geeignet, die angezeigten Mitarbeiter in Misskredit zu bringen und zu beunruhigen. Sie schädigen auch den Ruf der Beklagten an sich und führten zu einer Störung des Betriebsfriedens. Der Kläger habe für sein Handeln auch keine maßgeblichen Rechtfertigungsgründe. Er behaupte nicht einmal, dass aus seiner Sicht die Strafanzeigen gerechtfertigt wären, sondern begründe sie mit einem Hilferuf. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Das Fehlverhalten des Klägers sei derart schwerwiegend, dass es ohne Abmahnung geeignet sei, die streitgegenständliche Kündigung zu rechtfertigen. Auch wäre eine Abmahnung nicht geeignet, eine Verhaltensänderung beim Kläger zu bewirken. Denn der Kläger behaupte selbst, sein Verhalten nicht steuern zu können. Die Beklagte habe auch die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten. Die Beklagte habe von den Vorfällen am 02.02.2023 Kenntnis erhalten.
Schließlich sei auch die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß nach § 73 Abs. 6 SächsPersVG erfolgt. Auch habe die Beklagte nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist des Personalrats von drei Arbeitstagen gekündigt. Denn nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten habe der Personalrat am 10.02.2023 zu den Kündigungsabsichten beraten und am gleichen Tag, 11:26 Uhr zur fristlosen Kündigung keine Bedenken vorgetragen und zur hilfsweise ordentlichen Kündigung keine Einwendungen erhoben. Habe sich der Personalrat abschließend zu einer Kündigungsabsicht geäußert, sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Frist von drei Arbeitstagen abzuwarten.
Gegen das ihm am 04.08.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.08.2023 Berufung zum Sächsischen Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 04.10.2023 begründet. Die Vorfälle am 19.11.2021 und die beiden Personalgespräche am 25.11.2024 bewerte der Kläger als Mobbing. Diese seien mit großer Wahrscheinlichkeit die krankheitsauslösende Ursache. Der Kläger habe sich nach dem 25.11.2021 in stationärer und ambulanter psychologischer Behandlung befunden. Die Behandlungen seien zwischenzeitlich abgeschlossen, er sei medikamentös eingestellt. Ab dem 26.05.2023 sei er wieder arbeitsfähig. Der Kläger leide seit November 2021 an einer schizoaffektiven Störung, mit Symptomen der Schizophrenie und auch der bipolaren Störung. Es werde weiterhin bestritten, dass die Personalratsanhörung zur außerordentlichen Kündigung vom 10.02.2023 ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Beklagte habe die Vorgaben der Dienstvereinbarung gegen Mobbing und Diskriminierung missachtet, da der „scheinbar“ unlösbare Konflikt zwischen dem Kläger und dem Zeugen S… seitens der Beklagten nicht im Rahmen der Fürsorgepflicht aufgearbeitet worden sei. Dem Kläger könne ein schuldhaftes Verhalten gerade nicht zur Last gelegt werden, da aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen psychischen Erkrankung eine deutlich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Kläger vorgelegen habe. Der Kläger habe demnach weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln können. Der Beklagte hätte entsprechend seiner Fürsorgepflicht dem Kläger Hilfe anbieten müssen, um durch die Lösung des „Urkonflikts“ aus dem Jahre 2021 die Sache zu befrieden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des am 14. Juli 2023 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichtes Chemnitz -10 Ca 216/23 - die Unwirksamkeit der außerordentlich, fristlosen Kündigung, hilfsweise der ordentlichen Kündigung, vom 10.02.2023 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Soweit sich die Berufungsbegründung maßgeblich auf eine psychische Erkrankung des Klägers stütze und insoweit gerügt werde, dass dieser Umstand von dem Erstgericht nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, verkenne der Kläger, dass bereits die außerordentliche Kündigung vom 10.02.2023 gem. § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet habe. Auf etwaige personenbedingte Gründe komme es daher überhaupt nicht an. Von einer psychischen Erkrankung des Klägers habe die Beklagte zudem erst im Personalgespräch vom 01.02.2023 Kenntnis erlangt. Zu Recht habe das Arbeitsgericht als wichtigen Grund die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Kläger, nämlich die Rufschädigung von Mitarbeitern sowie bewusste unwahre Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen in strafbewehrter Weise, angenommen. Insbesondere die vom Kläger versendete E-Mail vom 29.01.2023 an den Arbeiter-Samariter-Bund Kreisverband Erzgebirge e.V. mit der Mitteilung, dass gegen einen Jugendtrainer (Herrn S…) mehrere Anzeigen liefen sowie das Schreiben des Klägers am 03.02.2023 an das Amt für Bildung und Soziales mit der Mitteilung, dass der Kläger gegen den stellvertretenden Personalratsvorsitzenden Herrn E… wegen Beihilfe zum Diebstahl, Verletzung des Briefgeheimnisses und Verstoß nach dem BDSG Strafanzeige erstattet habe, stellten derartige Handlungen dar, die einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB bildeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften aus 1. und 2. Instanz verwiesen.
A.
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 lit. c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 ZPO. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Der Kläger hat dies ausreichend aufgezeigt.
B.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Die Berufungskammer folgt der überzeugend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer umfassenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Ergänzend wird folgendes ausgeführt:
Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 10.02.2023 ist gem. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Denn der Kläger hat mit den am 29.01.2023 und 03.02.2023 versandten E-Mails an Dritte behauptet, die Beklagte beschäftige Mitarbeiter, gegen die eine Vielzahl von Strafanzeigen gestellt worden seien, obwohl der Kläger diese Strafanzeigen selbst ohne rechtliche Grundlage gestellt hat. Des Weiteren hat der Kläger am 31.01.2023 betriebliche Interna zu einer Mitarbeiterin an den Stadtrat H… weitergeleitet. Dieses kündigungsrelevante Verhalten des Klägers hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zumindest im Sinne eines wichtigen und geeigneten Kündigungsgrundes belastet, aufgrund dessen es der Beklagten unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile nicht mehr zumutbar war, den Kläger über den 10.02.2023 hinaus weiter zu beschäftigen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Der Personalrat wurde ordnungsgemäß zu den kündigungsrelevanten Sachverhalten angehört. Auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 24.03.2023 kommt es daher nicht mehr an.
I.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13 – Rn. 25; 08.05.2014 - 2 AZR 249/13 – Rn. 16).
1.
Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet. Dies können Störungen im Leistungsbereich sein, insbesondere die Verletzung der Arbeitspflicht durch den Arbeitnehmer oder auch die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. Eine außerordentliche Kündigung kann nur auf solche Gründe gestützt werden, die sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da es um den künftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner oder im Unternehmensbereich beeinträchtigt sein (KR Fischermeier/Krumbiegel,13. Aufl., § 626 BGB Rn. 105 ff.).
2.
Neben der Verletzung von vertraglichen Hauptpflichten kann auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten an sich einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige aus dem Gebot der Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsenden Nebenpflichten (BAG, Urteil vom 25.04.2018 - 2 AZR 611/17- Rn. 43).
a.)
Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Die Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (BAG, Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13 – Rn. 26). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben in billiger Weise verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 25.04.2018 -2 AZR 611/17 - Rn. 44).
b.)
Verstößt ein Arbeitnehmer bei oder in Zusammenhang mit seiner Arbeit in rechtswidriger Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten, so verletzt er in schwerwiegender Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme i.S.v. § 241 Abs. 1 BGB und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung darstellen. Eine kündigungsrelevante erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann in der Erstattung einer Strafanzeige gegenüber dem Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Arbeitskollegen liegen, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer in der Strafanzeige wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.10.2007 – 7 Sa 451/07 – Rn. 63; BAG, Urteil vom 04.07.1991 – 2 AZR 80/91 – Rn.20). Eine kündigungsrelevante erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann sich im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige, im Einzelfall auch aus anderen Umständen ergeben (BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 – Rn. 21).
Die Gründe, die den Arbeitnehmer dazu bewogen haben, die Anzeige zu erstatten, verdienen eine besondere Bedeutung (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.10.2007 – 7 Sa 451/07 – Rn. 64). Erfolgt die Erstattung der Anzeige ausschließlich um dem Arbeitgeber zu schädigen bzw. "fertig zu machen", kann - unter Berücksichtigung des der Anzeige zugrundeliegenden Vorwurfs - eine unverhältnismäßige Reaktion vorliegen (BAG, Urteil vom 04.07.1991 - 2 AZR 80/91 – Rn.20; BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 – Rn. 21ff.).
c.)
Unter Heranziehung dieser rechtlichen Vorgaben rechtfertigen die gegenüber dem Personalrat im Rahmen der Anhörung vom 08.02.2023 geschilderten kündigungsrelevanten Vorfälle die Beklagte zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 10.02.2023.
aa.)
Am 29.01.2023 hatte der Kläger per E-Mail den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) angeschrieben und diesem mitgeteilt, dass gegen Herrn S…t verschiedene Strafanzeigen liefen. Wörtlich schrieb er: „Schützen Sie die Kinder bzw. Jugendlichen und den Ruf des ASB Erzgebirge!“ Der Mail waren auch die – vom Kläger selbst erstatteten - Strafanzeigen gegen Frau G… und Herrn S… beigefügt. Am gleichen Tag schrieb der Kläger Herrn B… an, dass gegen mehrere Schwimmhallenmitarbeiter Strafanträge gestellt worden seien. Er sehe darin eine Gefahr für die Kinder und Jugendlichen. Er führte auch an, dass er nicht denke, dass dies die Eltern tolerieren würden.
Die Strafanzeigen gegen Herrn S… stammten alle vom Kläger und hatten – dies räumt auch der Kläger ein – keine rechtliche Grundlage.
bb.)
Am 03.02.2023 schrieb der Kläger an das Amt für Bildung und Soziales der Beklagten per E-Mail, dass gegen den Erzieher Herrn E… (Stellvertretender Personalrat) und Herrn Bürgermeister … M… Anzeigen laufen wegen Beihilfe zum Diebstahl, Verletzung des Briefgeheimnisses und Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetzt. In der Anlage zu dieser E-Mail hat der Kläger aufgedruckt auf eine von ihm gestellte Strafanzeige folgendes geschrieben: „Es kann doch nicht sein, dass gegen einen Erzieher drei Strafanträge laufen. Bitte klären Sie das umgehend zum Schutze der Kinder!“
Auch diese Strafanzeigen hatte der Kläger unstreitig ohne tatsächliche Veranlassung und rechtliche Grundlage gestellt.
cc.)
Am 31.01.2023 informierte der Kläger den Stadtrat H… über Umstände zum 30. Geburtstag und der Amtseinführung von Frau G…. Der Kläger sprach Herrn H… an, da seiner Meinung nach mit der am 30.03.2021 stattgefundene Amtseinführung und dem Geburtstagsbrunch gegen die geltenden Coronaregeln verstoßen worden sei. Bei der Amtseinführung war Herr Oberbürgermeister K… zugegen und überreichte einen Blumenstrauß. Herr H… befragte Herrn K… in der Stadtratssitzung am 31.01.2023 aufgrund der Informationen des Klägers bzgl. einer vermeintlichen „Coronaparty“ und wies auf die angebliche Doppelmoral zwischen den landesrechtlichen Vorgaben sowie den Aussagen von Herrn K… bzw. der CDU und den Handlungen von Herrn K… in der Stadtratssitzung hin. In den folgenden Tagen hatte Herr H… auf seinen Facebook -Profil ein Video eingestellt, dass die angebliche Doppelmoral von Herrn Oberbürgermeister K… aufzeigen sollte.
d.)
Die vorgenannten Handlungen des Klägers stellen – wie auch die gestellten Strafanzeigen gegen den Oberbürgermeister und die fehlende Akzeptanz des Hausverbotes – Verletzungen der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Klägers dar. Derartige grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, muss der Arbeitgeber nicht akzeptieren (BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 240/19 – Rn.77; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17). Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 240/19 – Rn.77).
Die kündigungsrelevanten Handlungen des Klägers waren – trotz der von ihm erhobenen Mobbingvorwürfe - unverhältnismäßig, da es unstreitig an der tatsächlichen und rechtlichen Grundlage für die Anzeigen fehlte, eine Motivation für die in großen Umfang gestellten Strafanzeigen, ausgehend von einem rational handelnden Arbeitnehmer, nicht erkennbar ist und andere Mittel zur Verfügung standen, die arbeitsrechtlichen Meinungsverschiedenheiten mit den Vorgesetzten und Kollegen zu klären. Gleiches gilt für die Vorhaltungen des Klägers an die Vorgesetzten, ihn nicht genügend vor Anfeindungen geschützt zu haben.
Die dem Kläger vorgehaltenen kündigungsrelevanten Sachverhalte stellen somit „an sich“ einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Klägers dar.
3.
Der Beklagte konnte daher – wie das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt hat – im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung – das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist und ohne vorherige Abmahnung mit sofortiger Wirkung beenden.
Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung u.a. die Prüfung zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, also insbesondere eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30; 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (BAG, Urteil vom 27.02.2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 24).
In Hinblick auf die Schwere und Vielzahl der dem Kläger vorgeworfenen Verfehlungen in Form der Strafanzeigen und der öffentlich erhobenen ehrverletzenden Äußerungen gegenüber Dritten durch die beiden E-Mails vom 29.01.2023 und 03.02.2023, war es der Beklagten nicht zumutbar, zunächst eine Abmahnung auszusprechen oder das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung ist so schwerwiegend, dass die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen ist. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Entgegen der Ansicht des Klägers musste die Beklagte dabei auch nicht auf das ihr bis dahin noch nicht bekannte Krankheitsbild des Klägers Rücksicht nehmen. Der Kläger war nach eigenen Angaben vom 25.11.2021 bis 25.05.2023 arbeitsunfähig erkrankt. Unmittelbar nach dem 25.11.2021 befand er sich in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung. Die von der Beklagten herangezogenen kündigungsrelevanten Sachverhalte trugen sich im überwiegenden Umfang (E-Mails vom 29.02.2023 und 03.02.2023) erst Anfang des Jahres 2023 zu, zu einem Zeitpunkt, als die Genesung des Klägers bereits im erheblichen Umfang fortgeschritten war.
Auch die umfangreichen Einlassungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer lassen nicht darauf schließen, dass eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit des Klägers mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen bei der Beklagten möglich ist. Weiterhin hat er offenkundig mit den Vorgängen um den 19.11.2021 und den späteren Gesprächsversuchen mit Vorgesetzten und Mitarbeitern der Beklagten noch nicht abgeschlossen. Dies zeigen auch die Vorgänge nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 10.02.2023, welche letztlich zu einer weiteren Kündigung vom 24.03.2023 führten.
4.
Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB gewahrt.
a.)
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Vorschrift soll innerhalb begrenzter Zeit für den betroffenen Arbeitnehmer Klarheit darüber schaffen, ob ein Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung genommen wird (BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 17). Andererseits soll aber die zeitliche Begrenzung nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder den Kündigungsberechtigten veranlassen, ohne genügende Vorprüfung voreilig zu kündigen (BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 20).
b.)
Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Tatsachen (BAG, Urteil vom 27.02.2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 29; 25.04.2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 50).
Im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21; 29.07.1993 - 2 AZR 90/93 - Rn. 23).
Sowohl die E-Mail des Klägers vom 29.01.2023 an den Arbeiter-Samariter-Bund, von der die Beklagte am 02.02.2023 Kenntnis erhalten hat, als auch die E-Mail vom 03.02.2023 an das Amt für Bildung und Soziales der Beklagten hinsichtlich der Anzeige des stellvertretenden Personalratsvorsitzenden und die Vorgänge am 30.01.2023 im Stadtrat liegen innerhalb der Zweiwochenfrist. Die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist somit gewahrt.
5.
Schließlich ist auch die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt.
a.)
Nach § 73 Abs. 6 SächsPersVG ist vor fristlosen Entlassungen, Kündigungen während der Probezeit und außerordentlichen Kündigungen der Personalrat anzuhören. Die Dienststellenleitung hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, hat er sie unter Angabe der Gründe der Dienststellenleitung unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Personalrat nicht angehört wurde.
Eine vor Fristablauf ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist nicht unwirksam, wenn zu diesem Zeitpunkt eine abschließende Stellungnahme des Personalrates vorliegt (BAG, Urteil vom 13. 06.1996 – 2 AZR 402/95 – Rn.16; BAG, Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 13).
Der Arbeitgeber muss dem Personalrat diejenigen Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Personalrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet (BAG, Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 736/13 –). Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation führt dagegen für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - juris).
b.)
Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ausgehend, war die Personalratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt. Das Anhörungsschreiben vom 08.02.2023 enthält zunächst die persönlichen Daten des Klägers sowie die Art der beabsichtigten Kündigungen, nämlich außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.09.2023. Die Beklagte hat dem Personalrat ferner die für sie maßgeblichen Kündigungsgründe (ab Ziffer 1.) mitgeteilt. Ferner wurde der Personalrat darüber unterrichtet, dass sich nach Auffassung des Anwalts des Klägers dessen Gesundheitszustand verbessern könne
und sich der Kläger nach eigener Auskunft aktuell in der Behandlung mehrerer Ärzte und Psychologen befinde (Seite 4 des Anhörungsschreibens). Da die Beklagte keine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen hatte, waren weitere Ausführungen zur psychischen Verfassung des Klägers entbehrlich. Der Hinweis auf Seite 4, 4. Absatz des Anhörungsschreibens kann auch nicht so verstanden werden, dass hier krankheitsbedingt gekündigt werden solle. Denn die Beklagte hat zunächst ausgeführt, dass bei einem anderweitigen Einsatz des Klägers Dritte die Behauptungen des Klägers als wahr unterstellen könnten. Auch ein Hinweis auf das aus Sicht des Klägers bestehende Mobbing im November 2021 war nicht erforderlich, da dies gerade kein Rechtfertigungsgrund ist. Der Personalrat war somit in der Lage, sich von den Kündigungsgründen selbst ein Bild zu machen und hat offensichtlich auch keinen weiteren Informationsbedarf gesehen.
c.)
Auch hat die Beklagte nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist des Personalrats von drei Arbeitstagen gekündigt. Denn nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten hat der Personalrat am 10.02.2023 zu den Kündigungsabsichten beraten und am gleichen Tag, 11:26 Uhr zur fristlosen Kündigung keine Bedenken vorgetragen und zur hilfsweise ordentlichen Kündigung keine Einwendungen erhoben. Damit hat sich der Personalrat abschließend zur Kündigungsabsicht geäußert. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Frist von drei Arbeitstagen abzuwarten.
6.
Da bereits die außerordentliche Kündigung vom 10.02.2023 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst hat, kam es auf die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung und die Kündigung vom 24.03.2023 nicht mehr an.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.