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Nr: NJRE001588595


FG München 12. Senat, Urteil vom 10.April 2024 , Az: 12 K 861/19

EStG § 7 Abs 4 , AO § 42 ,

Orientierungssatz

1. Wurde eine Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen.

2. Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint.

3. Eine Abweichung zwischen der vertraglich vereinbarten AfA-Bemessungsgrundlage und der von einem Sachverständigengutachten ermittelten AfA-Bemessungsgrundlage von weniger als 10% ist unbeachtlich.


Langtext

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2017 vom 15. März 2024 wird die Einkommensteuer auf 24.954 € herabgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.


Tatbestand

I.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Streitjahr erwarben die Kläger aufgrund des notariellen Bauträgervertrages vom […] Mai 2017 eine […] in der [… K-Straße 51], belegene Eigentumswohnung zu Miteigentum in gleichen Anteilen. Im Vertrag war ein Kaufpreis von [495.000 €] vereinbart. Im Vertrag war weiter vereinbart, dass von dem Kaufpreis ein Betrag in Höhe von [188.000 €] auf Grund und Boden und ein Betrag in Höhe von [307.000 €] auf das Gebäude entfällt. Besitzübergang sowie Übergang von Nutzen und Lasten sollte bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgen; dies war am […] Juni 2017 der Fall (ESt-Akte Bl 43) (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bauträgervertrag verwiesen). Die Anschaffungskosten für die Eigentumswohnung betrugen insgesamt [517.000 €] (ESt-Akte Bl 43).

Die Eigentumswohnung wurde ab dem […] Oktober 2017 vermietet.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2017 erklärten die Kläger für die Eigentumswohnung einen Werbungskostenüberschuss von [5.800 €], den sie hälftig auf sich verteilten. Einnahmen in Höhe von 4.800 € wurden Werbungskosten in Höhe von [10.600 €] […] gegenübergestellt. Bei den Werbungskosten wurde eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 4.027 € erklärt (ESt-Akte Bl 22), die sich aus einer AfA für das Gebäude in Höhe von 3.738 € und einer AfA für die Einbauküche in Höhe von 289 € zusammensetzte. Dabei gingen die Kläger davon aus, dass von den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung [517.000 €] ein prozentualer Anteil von 61,96%, also von [320.333 €], auf den Gebäudeteil entfalle. Bei einem AfA-Satz von 2% ermittelten sie so eine jährlich Gebäude-AfA in Höhe von 6.407 €. Für sieben Monate errechneten die Kläger daraus eine Gebäude-AfA von 3.738 € (ESt-Akte Bl 45). Außerdem errechneten sie für die am 20. August 2017 angeschaffte Einbauküche mit Anschaffungskosten von […] bei einer Nutzungsdauer von acht Jahren eine zeitanteilige AfA für fünf Monate von 289 €.

Im Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 7. September 2018 folgte der Beklagte, das Finanzamt, den Angaben der Kläger hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur zum Teil und berücksichtigte nur einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 4.718 €, der hälftig auf die Kläger verteilt wurde. Das Finanzamt ging von einer Bemessungsgrundlage für die AfA von […] aus und berücksichtigte eine jährliche Abschreibung mit 2% von 4.588 € für 2017, die es zeitanteilig für sieben Monate, also mit 2.677 €, gewährte.

Den dagegen gerichteten Einspruch begründeten die Kläger damit, dass die Bemessungsgrundlage für die AfA im notariellen Vertrag festgelegt sei und dort der Gebäudeanteil betragsmäßig fixiert sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Kaufpreisaufteilung aus dem notariellen Vertrag der AfA-Berechnung zugrunde zu legen.

Der Einspruch war nur teilweise erfolgreich. Mit Einspruchsentscheidung vom 22. März 2019 wurde die Einkommensteuer 2017 teilweise herabgesetzt und im Übrigen der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt war nun der Auffassung, dass ein Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.177 € zu berücksichtigen sei, der hälftig auf die Kläger zu verteilen sei. Das Finanzamt legte nun eine AfA-Bemessungsgrundlage von […] (52% von [517.000 €]) zugrunde und berücksichtigte von der jährlichen linearen Abschreibung von 2% mit 5.376,01 € einen zeitanteiligen Betrag für sieben Monate in Höhe von 3.136 €. Dabei ging das Finanzamt davon aus, dass es sich um eine qualifizierte Schätzung nach dem Sachwertverfahren handeln würde. Das Finanzamt hatte die Aufteilung des Kaufpreises nach der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Aufteilung des Grundstückskaufpreises berechnet und nahm an, dass Kaufpreisanteile von 57,16% auf den Grund und Boden und von 42,84% auf das das Gebäude entfallen würden (ESt-Akte Bl 76). Außerdem sei eine regionale Anpassung der Kaufpreisanteile vorzunehmen; letztlich sei von den Anschaffungskosten ein Anteil von 52% auf das Gebäude zuzuteilen (ESt-Akte Bl 77).

Dagegen richtet sich die Klage der Kläger. Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung nach der vertraglichen Kaufpreisaufteilung zu richten habe.

Soweit die Kläger zusätzlich die Berücksichtigung von Rentenversicherungsbeiträgen (FG-Akte Bl 25) im Rahmen des Minijobverhältnisses der Klägerin begehren und die berücksichtigten Aufwendungen für die Altersvorsorge […] erhöht haben wollen, hatte der Beklagte dem Begehren der Kläger bereits kurz nach Klageerhebung zugestimmt (FG-Akte Bl 40).

Mit Beschluss vom 2. Juni 2020 hatte die Berichterstatterin das Ruhen des Verfahrens angeordnet, bis der BFH über die Revision in dem Verfahren unter dem Az. IX R 26/19 entschieden hat. Mit Beschluss vom 12. April 2021 wurde das Verfahren wieder aufgenommen.

Mit Bescheid vom 4. August 2020 hat das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung für 2017 aus nicht streitigen Gründen geändert.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Anteile für Grund und Boden und Gebäude im notariellen Vertrag zutreffend ausgewiesen sind. Deshalb sei nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 21. Juli 2020 IX R 26/19, BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372) die vertragliche Kaufpreisaufteilung zugrunde zu legen. Die Vereinbarung sei nicht zum Schein getroffen worden, sie würde keinen Gestaltungsmissbrauch darstellen und sie würde auch nicht die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlen. Soweit der Beklagte behauptet, dass der im Vertrag festgesetzte Bodenanteil krass von den tatsächlichen Wertverhältnissen abweiche, träfe das nicht zu.

Mit Beschluss vom 17. März 2023 hat der Senat die Beweisaufnahme durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen. Mit dem Gutachten vom […] hat der Sachverständige einen Verkehrswert für die Eigentumswohnung zum Wertermittlungsstichtag [… 2017] von 513.000 € für marktgerecht erachtet und einen prozentualen Bodenwertanteil von 40,7% (209.000 €) und einen prozentualen Wertanteil der baulichen Anlagen von 59,3% (304.000 €) ermittelt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen). Sowohl die Kläger als auch das Finanzamt haben keine Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben.

Die Kläger sind der Auffassung, dass das Gutachten belege, dass die Kaufpreisaufteilung im Vertrag angemessen sei. Die Abweichung des Gebäudewerts nach dem Gutachten (304.000 €) von dem Gebäudewert nach dem Bauträgervertrag [307.000 €] betrage nur 0,8893%. Demgemäß seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wie in der Steuererklärung angegeben, mit einem Werbungskostenüberschuss von 5.779 € zu berücksichtigen. Die jährliche AfA von 2% für das Gebäude in Höhe von 6.407 € sei im Streitjahr zeitanteilig für sieben Monate mit 3.738 € zu berücksichtigen.

Das Finanzamt hat mit Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 15. März 2024 die Einkommensteuerfestsetzung herabgesetzt und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 5.618 € berücksichtigt. Die Änderung hat das Finanzamt unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten begründet und ausgeführt, dass von den Anschaffungskosten von [517.000 €] ein Gebäudeanteil von 59,3% mit [306.600 €] berücksichtigt worden sei. Dies führe zu einer jährlichen AfA mit 2% von 6.132 €, die zeitanteilig für sieben Monate mit 3.577 € angesetzt sei. Außerdem hat das Finanzamt die Sonderausgaben um 39 € für weitere anzugsfähige Vorsorgeaufwendungen erhöht.

Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2017 vom 15. März 2024 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 161 € zu vermindern und die Einkommensteuer entsprechend festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist der Auffassung, dass die Ermittlung der Wertverhältnisse in dem Sachverständigengutachten zutreffend sei und die Kaufpreisaufteilung nach dem Sachverständigengutachten erfolgen solle. Die im notariellen Vertrag vereinbarte Kaufpreisaufteilung sei nicht zugrunde zu legen. Denn ausgehend von dem vertraglich vereinbarten Bodenwert in Höhe von [188.000 €] ergebe sich unter Berücksichtigung der Grundstücksfläche und des Miteigentumsanteils ein Bodenwert von 1.450 €/qm. Dieser Bodenwert sei um ca. 10% niedriger als der Bodenwert aus dem Gutachten. In dem Gutachten sei außerdem bereits bei der Bestimmung des Verkehrswertes ein pauschaler Abschlag von 20% vom Ausgangswert (dem Bodenrichtwert) wegen unwirtschaftlicher Bebauung vorgenommen worden.

Mit Beschluss vom 1. März 2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung {FGO}).

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.


Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

1. Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres {EStG}). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessung der AfA. Ihre Ermittlung obliegt dem Finanzgericht (FG) als Tatsacheninstanz. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits (BFH-Urteile vom 16. September 2015 IX R 12/14, BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397; vom 21. Juli 2020 IX R 26/19, BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372; vom 20. September 2022 IX R 12/21, BFHE 278, 169, BStBl II 2024, 61).

a) Wurde eine Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372 m.w.N.). Wenngleich dem Käufer im Hinblick auf seine AfA-Berechtigung typischerweise an einem höheren Anschaffungswert des Gebäudes gelegen ist und die entsprechende Aufteilungsvereinbarung – zu Gunsten des Verkäufers – ggf. Einfluss auf eine für ihn positive sonstige Vertragsgestaltung haben kann, rechtfertigt dies grundsätzlich noch keine abweichende Verteilung.

Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt worden oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 Abgabenordnung (AO) seien gegeben (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372 m.w.N.). Auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zugrunde zu legenden Vereinbarung können die Parteien jedoch angesichts der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht die Höhe der Steuer des Käufers – konkret seiner AfA – gestalten. Deshalb hat das FG im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage im Einzelfall zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372 m.w.N.). Es darf sich nicht darauf beschränken, die vertragliche Aufteilung steuerrechtlich nachzuvollziehen, sondern hat das Ergebnis durch weitere Umstände, insbesondere die objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte zu verifizieren (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 270, 133, BStBl II 2021, 372 m.w.N.). Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH-Urteile in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz. 23; in BStBl II 2021, 372, Rz. 27).

Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung einen gewissen Bewertungsspielraum. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze der finanzgerichtlichen Sachverhaltsfeststellung und Sachverhaltswürdigung. Dabei kommt eine Bindung an etwaige Schätzungen des FA nicht in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rn. 24).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die im notariellen Vertrag vom […] Mai 2017 vereinbarte Kaufpreisaufteilung der Besteuerung zugrunde zu legen. Nach Auffassung des Gerichts bestehen keine nennenswerten Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden und auf Gebäude.

aa) Anhaltspunkte dafür, dass der Kaufpreis nur zum Schein bestimmt worden ist oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S.v. § 42 AO gegeben sind, bietet der Streitfall nach Auffassung des Gerichts nicht.

bb) Gegen das Sachverständigengutachten werden von den Beteiligten zu Recht keine Einwendungen erhoben. Der Verkehrswert der Eigentumswohnung zum […] Mai 2017 wird im Gutachten nach dem Vergleichswertverfahren vorgenommen und die Wahl des Wertermittlungsverfahren wird nach Auffassung des Gerichts auch gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021 (ImmoWertV) zutreffend begründet (Seite 29/48). Der Sachverständige hat für die Eigentumswohnung einen Verkehrswertanteil des Bodenwertes in Höhe von 209.000 € (Seite 35/48) und einen Verkehrswert der Eigentumswohnung von 513.000 € (Seite 39/48) ermittelt. Nach Maßgabe des Sachverständigengutachtens ist der Kaufpreis im Verhältnis von 40,7% und 59,3% auf die Anteile von Grund und Boden sowie Gebäude aufzuteilen (Seite 40/48).

cc) Werden diese im Sachverständigengutachten ermittelten Werte mit dem vereinbarten Kaufpreis und der vereinbarten Kaufpreisaufteilung verglichen, können nach Auffassung des Gerichts keine nennenswerten Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Da nach dem Gutachten ein Verkehrswert i.S. des § 194 Baugesetzbuch (BauGB) der Eigentumswohnung zum […] Mai 2017 in Höhe von 513.000 € ermittelt wurde, steht für das Gericht fest, dass die Kläger mit dem Verkäufer einen adäquaten Kaufpreis mit [495.000 €] vereinbart haben. Denn das Ergebnis eines Verkehrswertgutachtens weicht häufig von den tatsächlich realisierten Kaufpreisen ab (Adam/Rixner in Rixner/Biedermann/Charlier, Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO {SPK BauGB}, 4. Aufl. 2022, § 194 BauGB Rz. 2) und regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass eine Abweichung zwischen den Ergebnissen verschiedener Gutachten unter gleichen Annahmen bzw. eines korrekt ermittelten Verkehrswertes vom tatsächlich erzielten Kaufpreis von ca. +/- 10 % bei allen Objektarten nicht ungewöhnlich sein muss (Adam/Rixner in Rixner/Biedermann/Charlier, SPK BauGB, 4. Aufl. 2022, § 194 BauGB Rz. 3).

dd) Die Einwendung des Finanzamts, dass die vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht anzuerkennen sei, ist nach Auffassung des Gerichts unzutreffend. Ausweislich des notariellen Vertrages ist der Eigentumswohnung ein Miteigentumsanteil von […] an der Grundstücksfläche von […] zuzuordnen […]. Davon ausgehend gelangt das Gutachten bei einem Bodenwert von 1.609 €/qm zu einem Betrag von 209.000 € […]. Bei einem vertraglich vereinbarten Bodenwertanteil von [188.000 €] gelangt man bei diesen Grundlagen zwar – wie vom Finanzamt errechnet – zu einem vertraglich vereinbarten Bodenwert von [1.450 €/qm]. Demgemäß beträgt die Abweichung – wie vom Finanzamt errechnet – vom gutachterlich ermittelten Bodenwert pro Quadratmeter 9,88% […]. Da im Streitfall diese Abweichung des vertraglich vereinbarten Preises pro Quadratmeter Boden von dem im Gutachten abgeleiteten Bodenwert pro Quadratmeter weniger als 10% beträgt, ist das Gericht der Auffassung, dass schon aus diesem Grund diese Abweichung zu vernachlässigen ist. Im Übrigen sind im Streitfall die relevanten Vergleichsgrößen der Kaufpreisanteil für das Gebäude aufgrund des Vertrages und der aufgrund des Gutachtens. Die realen Wertverhältnisse werden hier nicht in grundsätzlicher Weise verfehlt und erscheinen nicht wirtschaftlich unhaltbar.

ee) Für den Vergleich, ob sich die Wertverhältnisse in der vertraglichen Vereinbarung angemessen wiederspiegeln, darf im Übrigen nicht auf den Ausgangswert mit dem Bodenrichtwert zum 31. Dezember 2016 mit […] (Gutachten Seite 30/48) abgestellt werden, denn entscheidend sind die konkreten Verhältnisse des Streitfalles. Insbesondere kann der vertraglichen Abrede bei bebauten Grundstücken nicht schon deshalb die Anerkennung versagt werden, weil der dem Grund und Boden zugewiesene Kaufpreisanteil von den Bodenrichtwerten abweicht (Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2024, § 255 HGB Rz. 39). Denn es handelt sich lediglich um ein Indiz dafür, dass die vertragliche Aufteilung ggf. nicht die realen Werte wiedergibt. Ein solches Indiz kann durch andere Indizien entkräftet werden (BFH-Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rn. 22). Deshalb wurde im Gutachten auch zutreffend bei der Bodenwertableitung gemäß § 40 Abs. 2 ImmoWertV auf einen indirekten Preisvergleich zurückgegriffen; außerdem wurden gemäß § 6 Abs. 2 ImmoWertV die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und die besonderen objektspezifischen Merkmale (wie die unwirtschaftliche Bestandsbebauung) berücksichtigt.

ff) Werden die Wertverhältnis für die Anteile von Grund und Boden sowie von Gebäude aus dem Sachverständigengutachten auf den im Vertrag vom […] Mai 2017 vereinbarten Kaufpreis angewendet, ergeben sich Kaufpreisanteile von 201.465 € […] für Grund und Boden und von 293.535 € […] für das Gebäude. Diese gutachterlich bestimmten Kaufpreisanteile sind mit den vertraglich vereinbarten Kaufpreisanteilen (und nicht mit den Anschaffungskosten) zu vergleichen. Denn der Verkehrswert nach § 194 BauGB ist gleichbedeutend mit dem Begriff des gemeinen Werts nach § 9 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) (BFH-Urteil vom 16. Mai 2018 II R 37/14, BFHE 261, 364, BStBl II 2018, 692, Rn. 13; Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht – BewG/ErbStG/GrStG {BewR}, § 9 BewG Rz. 2 [Aug. 2023]; Adam/Rixner in Rixner/Biedermann/Charlier, SPK BauGB, 4. Aufl. 2022, § 194 BauGB Rz. 10) und im gemeinen Wert sind die Nebenkosten des Käufers zum Erwerb und zur Nutzbarmachung des Wirtschaftsgutes wie z.B. Transport-, Aufstellungs-, Vertrags-, Notar-, oder Grundbuchkosten nicht enthalten (Knittel in Stenger/ Loose, BewR, § 9 BewG Rz. 2 [Aug. 2023]).

gg) Der im Vertrag vom […] Mai 2017 vereinbarte Kaufpreisanteil für das Gebäude von [307.000 €] ist zwar für die Kläger höher und bezogen auf die AfA-Bemessungsgrundlage auch günstiger. Die Abweichung zwischen dem für das Gebäude vereinbarten Kaufpreisanteil und dem Anteil nach dem Gutachten beträgt aber nur […] 2,67% des vereinbarten Kaufpreises. Die Überlegung der Kläger, dass die Abweichung des vertraglich festgelegten Kaufpreisanteil für das Gebäude von den tatsächlichen Wertverhältnissen nur 0,89% (also weniger als 1%) betrage, hält das Gericht für unzutreffend. Die Kläger setzen nämlich den vertraglich festgelegten Anteil […] und den im Gutachten bestimmten Anteil am Verkehrswert […] in Beziehung […]. Auf diese Relation kann aber nicht abgestellt werden, denn der Betrag von [307.000 €] ist der Anteil am Kaufpreis […] und der Betrag von 304.000 € ist der Anteil am Verkehrswert von 513.000 €. Wird die richtige Relation gewählt und der vertraglich festgelegte Anteil am Kaufpreis von [307.000 €] in Beziehung zu dem nach dem Gutachten bestimmten Anteil am Kaufpreis 293.535 € gesetzt, beträgt diese Abweichung 4,49% […].

hh) Nach Auffassung des Gerichts ist die Abweichung zwischen der vertraglich vereinbarten AfA-Bemessungsgrundlage und der nach dem Gutachten ermittelten AfA-Bemessungsgrundlage unbeachtlich. Eine Grenze der Angemessenheit für eine vertragliche Kaufpreisaufteilung wird zwar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und in der Literatur nicht exakt formuliert (vgl. Spiegelberger in Spiegelberger/Schallmoser/Wachter/Wälzholz, Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 4. Aufl. 2022, Kapitel 1.A.VII.8., Rn. 1_320 m.w.N.). Nach Auffassung des Gerichts ist aber eine Abweichung zwischen der vertraglich vereinbarten AfA-Bemessungsgrundlage und der nach dem Gutachten ermittelten AfA-Bemessungsgrundlage von weniger als 10% unbeachtlich. Dies schließt das Gericht schon aus dem Umstand, dass regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass eine Abweichung zwischen den Ergebnissen verschiedener Gutachten unter gleichen Annahmen bzw. eines korrekt ermittelten Verkehrswertes vom tatsächlich erzielten Kaufpreis von ca. +/- 10% bei allen Objektarten nicht ungewöhnlich sein muss (Adam/Rixner in Rixner/Biedermann/Charlier, SPK BauGB, 4. Aufl. 2022, § 194 BauGB Rz. 3). Diese Abweichung wird mit der „natürlichen“ Marktspanne begründet, die dazu führt, dass selbst im Rahmen von Kaufpreisverhandlungen unterschiedliche Preise für ähnliche Immobilien erzielt werden. So ist eine empirisch belegbare Markt-Schwankungsbreite bei Eigentumswohnungen von ca. 10% feststellbar (Adam/Rixner in Rixner/Biedermann/Charlier, SPK BauGB, 4. Aufl. 2022, § 194 BauGB Rz. 3). Deshalb kann einer vertraglich vereinbarten Kaufpreisaufteilung nicht die Angemessenheit abgesprochen werden, wenn die Abweichung der vertraglich vereinbarten Kaufpreisaufteilung von der gutachterlichen Wertermittlung weniger als 10% beträgt.

ii) Im Übrigen beträgt die Abweichung im Streitfall sogar weniger als 5% (nämlich 4,49%; vgl. oben Tz. II: 1.b.gg). Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass die Abweichung der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises von den tatsächlichen Wertverhältnissen im Streitfall auf jeden Fall angemessen ist, selbst wenn ein strengerer Maßstab mit einer Bagatellgrenze von 5% angelegt werden sollte. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) werden Bagatellgrenzen in Spruchverfahren (nach dem Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren {SpruchG} vom 12. Juni 2003, BGBl I 2003, 838) diskutiert. So ist die Argumentationsfigur der Bagatellgrenze in aktien- und umwandlungsrechtlichen Spruchverfahren bei der Überprüfung der Angemessenheit von Abfindungs- und Ausgleichsansprüchen seit Längerem fest etabliert (Fleischer, DB 2023, 1844-1851 m.w.N.). Denn der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass keine Bewertungsmethode den Wert einer Unternehmensbeteiligung exakt berechnen kann (z.B. BGH-Beschluss vom 21. Februar 2023 II ZB 12/21, BGHZ 236, 180 = ZIP 2023, 795, Rz. 17, Rz. 27). Geringfügige Abweichungen von bis zu 5% werden in der zivilrechtlichen Rechtsprechung als angemessen beurteilt und zwingen zu keiner gerichtlichen Korrektur des zuvor festgelegten Ausgleichs (Fleischer, DB 2023, 1844, 1847) und auch Abweichungen von über 5% werden gelegentlich noch für tolerabel erachtet (Fleischer, DB 2023, 1844, 1847 m.w.N.; Ruiz de Vargas in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl. 2020, Anhang zu § 305 AktG Rz. 18 ff.).

c) Auf dieser Grundlage der vertraglich vereinbarten AfA-Bemessungsgrundlage ergibt sich im Streitfall für das Streitjahr 2017 eine Gebäude-AfA in Höhe von 3.738 €. […]

Daraus resultiert eine AfA-Bemessungsgrundlage […] und eine jährliche lineare AfA von 2% gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Höhe von 6.407 €. Bei der zeitanteilig gewährten AfA (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG) für sieben Monate in 2017 ergibt sich ein Betrag von 3.738 €.

2. Nach Maßgabe dieses Urteils ergibt sich damit, wenn für das Streitjahr eine Gebäude-AfA in Höhe von 3.738 € zugrunde gelegt wird, ein Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Kläger in Höhe von 5.779 €. Das zu versteuernde Einkommen vermindert sich aufgrund dieses Urteils somit um 161 € (5.779 – 5.618 = 161). Dies führt zu einer festgesetzten Einkommensteuer für 2017 in Höhe von 24.954 €, die sich wie folgt errechnet: […].

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.