juris



zurück zur Übersichtsliste

Nr: NJRE001590352


LG Itzehoe 10. Zivilkammer, Urteil vom 30.September 2024 , Az: 10 O 4/24


Langtext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.500,00 € festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 GKG, § 3 ZPO.

Für den Antrag zu Ziffer 1) ist der dort geforderte Mindestbetrag von 5.000 € zu veranschlagen.

Für den Antrag zu Ziffer 2) (Unterlassung) ist auf das Interesse der Klagepartei abzustellen, das mit 3.000 € ausreichend bemessen ist.

Für den auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden gerichteten Antrag zu Ziffer 3) ist für die Bemessung des Streitwerts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO von dem an einem entsprechenden Leistungsantrag orientierten wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei an der beantragten Feststellung auszugehen, das sich auf die ab Klageeinreichung mutmaßlich entstehenden weiteren Schäden bezieht und von dem im Hinblick auf den mit dem Antrag erstrebten Feststellungstenor ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 – IV ZR 282/21). Nachdem seit der Einmeldung bis zur Klageerhebung in 2024 bei der Klagepartei materielle Schäden nicht eingetreten sind und sie das Drohen konkreter Schäden nicht dargelegt hat, ist der Wert des Feststellungsantrages auf lediglich € 500,00 festzusetzen (vgl. Beschluss des OLG Schleswig, 5 W 27/23 vom 17.01.2024).


Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Übermittlung von Positivdaten an die Wirtschaftsauskunfteien S. H. AG (im Folgenden: S.) sowie die C. GmbH (im Folgenden: C.).

Die Beklagte bietet Telekommunikationsdienstleistungen an.

Am 22. November 2019 schlossen die Parteien einen Telekommunikationsvertrag mit der Vertragsnummer...

Für weitere Einzelheiten wird auf die Anlage B1A Bezug genommen.

Im Zuge des Vertragsschlusses nahm die Klagepartei das Merkblatt der Beklagten zum Datenschutz zur Kenntnis Für weitere Einzelheiten wird auf das Merkblatt in der Anlage B 1B Bezug genommen.

Nach Abschluss des Mobilfunkvertrages mit der Klagepartei meldete die Beklagte sog. Positivdaten an die S., also Informationen über die Beauftragung und Durchführung des Vertrags. Konkret übermittelte die Beklagte an die S. neben den zur Identifikation der jeweiligen Person erforderlichen Daten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift, das Datum des Vertragsschlusses, die Vertragsnummer und das Datum des Vertragsendes.

Des Weiteren übermittelte die Beklagte an die C. Name, Geburtsdatum, Anschrift, E-Mail-Adresse, die ersten 4 sowie die letzten 2 Stellen einer IBAN sowie die dazu gehörige Bankleitzahl für ein Bankkonto der Klagepartei. Des Weiteren übermittelte sie die Kennung des Telekommunikationsanbieters in Form einer Zahlenfolge. Für weitere Einzelheiten wird auf den Screenshot der Crif-Selbstauskunft der Klagepartei auf Bl. 122 d Akte Bezug genommen.

Am 19.10.2023 veröffentlichte die S. eine Pressemitteilung unter der Überschrift „S. löscht Daten zu Telekommunikationskonten“. Als Zeitpunkt des Beginns der Löschung gab die S. in der Mitteilung den 20.10.2023 an.

In der Pressemitteilung heißt es u.a.:

„Warum sich Telekommunikationsunternehmen und S. zu diesem Schritt entschieden haben und was das konkret für Sie bedeuten kann – hier sind die wichtigsten sieben Fragen und Antworten:

1.Um welche Daten geht es? Es handelt sich um die Information, dass bei einem Telekommunikationsunternehmen ein Vertragskonto, also ein Kundenkonto, besteht, mit dem für das Telekommunikationsunternehmen ein kreditorisches Risiko verbunden ist. Bei Kundenkonten auf Prepaid-Basis liegt kein Zahlungsausfallrisiko vor – folglich wurden sie auch nicht an die S. gemeldet. Informationen zu Zahlungsausfällen werden weiterhin gemeldet und im Rahmen von Bonitätsscores und -auskünften verarbeitet.

3. Welchen Einfluss kann die Löschung auf meinen Score haben?

Zunächst einmal: Unsere Analysen im Vorfeld zur Löschung haben gezeigt, dass sich die Scores im Durchschnitt nur marginal verändern. Bei 53 Prozent der Personen wird der Score nach Löschung niedriger, bei 47 Prozent höher sein (je höher desto besser). Analysiert wurde die Auswirkung auf den Bankenscore, den am häufigsten durch die S. für Kreditentscheidungen zur Verfügung gestellten Score.

...

7. Warum werden Informationen zu Telekommunikationsverträgen eigentlich gelöscht? Hintergrund der Löschung ist der Beschluss der Datenschutzkonferenz der Länder (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Die DSK hat die Übermittlung und Verarbeitung von sogenannten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien diskutiert und wie folgt bewertet: Die Übermittlung und Verarbeitung von Daten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien für das Bonitätsscoring könne nicht auf ein „berechtigtes Interesse“ gestützt werden (gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a der Datenschutzgrundverordnung /DSGVO), hierfür sei eine Einwilligung (nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) erforderlich.

Anlässlich des im Herbst 2021 gefassten Beschlusses der Datenschutzkonferenz wurden keine neuen Vertragsdaten zu Kundenkonten von Telekommunikationsunternehmen mehr an die S. übermittelt und durch diese verarbeitet. Die offene Rechtsfrage, ob die Positivdaten auf Basis des sog. berechtigten Interesses an die S. übermittelt werden dürfen, wird aktuell noch gerichtlich geklärt – wobei die S. nicht die Beklagte ist. Ein abschließendes Urteil liegt derzeit nicht vor. Die Entscheidung zur Löschung der Daten wurde unabhängig davon getroffen.“

Für Einzelheiten wird auf die Pressemitteilung in der Anlage B 2 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.12.2023 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei die Beklagte vorgerichtlich zum Ersatz des entstandenen Schadens und zur Unterlassung auf. Für Einzelheiten wird auf das Schreiben in der Anlage K 1 Bezug genommen.

Die Klagepartei behauptet, in die Einmeldung des Vertragsabschlusses bei der S. sowie der C. nicht eingewilligt zu haben.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Übermittlung ihrer Daten an die S. durch die Beklagte unrechtmäßig gewesen sei und gegen die Bestimmungen der DSGVO, insbesondere Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO, verstoßen habe. Hierdurch sei ihr ein immaterieller Schaden entstanden, den die Beklagte zu ersetzen habe. Ferner habe sie einen Anspruch auf Unterlassung und Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden.

Die Klagepartei meint, ein immaterieller Schaden sei bereits in der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunfteien zu sehen. Hierdurch sei die Klagepartei der Kontrolle über ihre Daten beraubt worden.

Die Klagepartei behauptet, die -ihrer Meinung nach unberechtigte- Weitergabe sensibler Informationen beeinträchtige die wirtschaftlichen Entscheidungen der Klägerseite negativ und schränke ihre finanzielle Handlungsfreiheit ein.

Sie behauptet, sie habe eine - den Alltag begleitende - Angst vor Datenverlust entwickelt. Sie befürchte, dass, nachdem einmal Daten übermittelt worden seien, mehrfach bzw. wiederholt ohne Wissen der Klägerseite Daten weitergegeben würden oder bereits weitergegeben worden seien. Dies führe zu einer großen Unsicherheit bei der Klägerseite. Insbesondere hinsichtlich der nach Ansicht der Klägerseite möglichen negativen Entwicklung des SCHUFA- und Crif-Scores bestehe aufgrund der nicht vorhandenen Transparenz der Berechnungsgrundlage für diesen Score eine Unsicherheit und erhebliche Sorge dahingehend, dass der Erhalt von Krediten und der Abschluss eines Mietvertrags nicht möglich sei.

Die Klagepartei behauptet zudem, sie leide, seit sie ihre Crif-Selbstauskunft erhalten habe, an Schlafstörungen. Des Weiteren habe sie seit diesem Zeitpunkt Umsatzeinbußen bei der Arbeit erlitten. Für Weitere Einzelheiten wird auf die informatorische Anhörung der Klagepartei am 16.09.2024 (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2024) Bezug genommen.

Die Klagepartei beantragt mit Schriftsatz vom 05.09.2024 zuletzt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für den Datenschutzverstoß einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 5.000,00 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 27.12.2023 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Positivdaten der Klägerseite im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, das heißt, personenbezogene Daten der Klägerseite, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen, ohne dessen Einwilligung an Auskunfteien, insbesondere der S. H. AG und der C. GmbH zu übermitteln und/oder auf sonstige Weise Auskunfteien, insbesondere der S. H. AG sowie C. GmbH zugänglich zu machen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch die unbefugte Übermittlung ihrer Positivdaten an die Auskunfteien S. H. AG und C. GmbH entstanden sind und / oder noch entstehen werden.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 27.12.2023 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klagepartei habe ein Merkblatt u.a. zur Übermittlung der Daten an die S. mit dem Hinweis auf ein Widerspruchsrecht gem. Anlage B2 erhalten. Die bei der S. gespeicherten Positivdaten zum streitgegenständlichen Telekommunikationsvertrag seien mittlerweile gelöscht. Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass kein schuldhafter Verstoß vorliege. Die Übermittlung der Daten sei gerechtfertigt zur Wahrung berechtigter Interessen. Die Übermittlung diene der Betrugsprävention, der Überschuldungsprävention sowie die Ermöglichung von präziseren Ausfallrisikoprognosen sowie dem allgemeinen Interesse am Funktionieren der Auskunftei wie S. Die Interessen der Klagepartei gegen die Übermittlung von Positivdaten überwiege nicht. Die Beklagte ist der Auffassung, der Unterlassungsanspruch sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Zudem fehle das Feststellungsinteresse.

Das Gericht hat die Klagepartei informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.09.2024 verwiesen. Die Klage ist der Beklagten am 16.03.2024 zugestellt worden.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Das Landgericht Itzehoe ist sachlich gem. §§ 23 S. 1 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gem. § 17 ZPO zuständig.

Der Unterlassungsanspruch genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO ist hinreichend dargelegt.

Die Klaghäufung ist gem. § 260 ZPO zulässig.

Die Klagänderung ist gem. § 263 ZPO zulässig.

II. Die Klage ist aber unbegründet.

Der Klageantrag zu Ziffer 1 ist unbegründet, da der Klagepartei kein Anspruch auf Ersatz eines (immateriellen) Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 6 Abs. 1, 5 Abs. 1 a) DSGVO zusteht.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Verantwortlicher in diesem Sinne ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden, also auch die Beklagte.

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegen jedoch nicht vor, da es bereits an einem Datenschutzverstoß der Beklagten, jedenfalls aber an einem kausalen ersatzfähigen Schaden bei der Klagepartei fehlt.

Die Beklagte hat mit der Einmeldung des Vertragsabschlusses nicht gegen Art. Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO verstoßen.

Es kann dabei dahinstehen, ob die Klagepartei einer Einmeldung der Positivdaten bei der S. und C. im Vertrag mit der Beklagten zugestimmt hat oder durch das Merkblatt zum Datenschutz aus der Anlage B1 A davon Kenntnis hatte, da die Einmeldung der Positivdaten jedenfalls nach der nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessensabwägung rechtmäßig war.

Nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO ist die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Bei der Prüfung der berechtigten Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Einmeldung von Positivdaten nicht nur eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern durch die Datenübermittlung mittelbar auch Interessen der Verbraucher und somit letztlich auch der Klagepartei selbst gefördert werden. Dies trifft insbesondere zu, soweit die Beklagte die Einmeldung der Daten zum Schutz der Verbraucher vor Identitätsdiebstahl und sonstigen Betrugsstraftaten vornimmt. Ein verständiger Verbraucher hat offenkundig ein erhebliches Interesse daran, dass seine Daten nicht für kriminelle Zwecke missbraucht werden und insbesondere nicht widerrechtlich auf seinen Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden.

Das Gericht der Ansicht, dass zum Schutz dieser Interessen die Einmeldung von Negativdaten, insbesondere Zahlungsausfällen, nicht ausreichend ist. Bei Beschränkung der Einmeldungen auf Negativdaten besteht insbesondere für den Verbraucher die Gefahr, dass Identitätsdiebstahl und Betrug erst entdeckt werden, wenn durch veranlasste des bis dahin noch solventen Verbrauchers und zahlreiche Vertragsabschlüsse ein hoher (finanzieller) Schaden entstanden ist, der nur mit hohem Aufwand und erheblichen Unannehmlichkeiten für die Betroffenen wieder zu beseitigen ist.

Diesen Interessen gegenüber steht – die klägerische Behauptung als wahr unterstellt, es habe keine Einwilligung der Klagepartei in die Einmeldung gegeben - zum einen der Eingriff das Recht der Klagepartei auf informationelle Selbstbestimmung. Zum anderen greift die Einmeldung in das Interesse der Klagepartei an einer freien Entscheidung über neue Vertragsabschlüsse ein. Denn:

Wie sich insbesondere aus der Pressemitteilung der S. vom 19.10.2023 ergibt, haben zwar auch Positivdaten grundsätzlich einen Einfluss auf den SCHUFA-Score, der auch negativ sein kann, da mit dem Abschluss eines jeden Vertrags, der den Verbraucher zu einer finanziellen Leistung verpflichtet, das Risiko des Zahlungsaufalls verbunden ist. Damit dieses Risiko sich jedoch in dem SCHUFA-SCORE auch tatsächlich negativ auswirkt, müssen weitere Umstände hinzukommen, entweder kumulativ oder alternativ:

Der Vertragsabschluss ist erst kürzlich erfolgt. Dem Gericht ist aus Parallelverfahren bekannt, dass jedoch noch „junge“ Geschäftsbeziehung eher einen negativen Einfluss auf den SCHUFA-SCORE hat, da noch keine belastbaren Aussagen zur Erfüllungswahrscheinlichkeit in Bezug auf die Zahlungsverpflichtungen getroffen werden können. Umgekehrt gilt aber auch: längere Vertragsbeziehungen sorgen wiederum dafür, dass der SCHUFA-SCORE steigt.

Negativen Einfluss hat es zudem, wenn mehrere Verträge einer Vertragsart vorhanden sind, ähnlich wie bei Kreditkartenverträgen auch.

Der daraus folgende Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit tritt jedoch in Abwägung mit den oben genannten Interessen, insbesondere der Betrugsprävention zurück, da er nur marginal ist.

Zum einen dürfte durchschnittliche Verbraucher kein Interesse an mehr als maximal zwei Handyverträgen und einem Internetvertrag (WLAN für zuhause) haben.

Zum anderen dürften auch ständige Wechsel des Anbieters infolge von Preisvergünstigungen den SCHUFA-SCORE nur marginal beeinflussen, da es sich hierbei nur um einen vergleichsweise kleinen Bereich der bei der S. eingemeldeten Daten handelt. So fließen viele weitere Daten insbesondere Bankdaten, Zahlungsausfalldaten, Kreditanfragen etc. in den SCHUFA-SCORE mit ein, die ein deutlich aussagekräftigeres Bild über die Zahlungsfähigkeit des Verbrauchers erlauben, als die Daten zu Abschlüssen von Telekommunikationsverträgen. Gleiches dürfte für die C. gelten.

Ein für die Klagepartei weniger belastendes, aber ebenso effektives Mittel zur Erreichung des Zwecks der Betrugsprävention als die Übermittlung der Vertragsdaten an die Auskunfteien ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Selbst wenn man einen Datenschutzverstoß der Beklagtenseite unterstellt, ist der Klagepartei jedenfalls der Nachweis eines kausalen Schadens nicht gelungen.

Die Klagepartei hat einen kausalen materiellen Schaden nicht dargelegt. Daran ändert auch der Vortrag der Klägerseite in ihrer informatorischen Anhörung nichts, wonach ihr im Januar 2024 ein Privatkredit mit Verweis des Kreditanbieters auf den schlechten SCHUFA-SCORE der Klagepartei verwehrt worden sei. Eine Ursächlichkeit der streitgegenständlichen Einmeldung durch die Beklagte ist bereits deshalb ausgeschlossen, da die streitgegenständlichen Positivdaten in diesem Zeitpunkt durch die S. nach ihrer unbestrittenen Pressemitteilung bereits wieder gelöscht worden sein dürften. Da die Klagepartei eine SCHUFA-Selbstauskunft nicht vorgelegt hat, kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass nicht weitere SCHUFA-Einträge den schlechten SCHUFA-SCORE der Klägerseite primär verursacht haben. Eine SCHUFA-Auskunft hat die Klägerseite nicht vorgelegt.

Auch der Nachweis eines kausalen immateriellen Schadens ist der Klägerseite nicht gelungen.

In Anbetracht der Erwägungsgründe 75, 85, 146 und 148 der DSGVO hatte der Verordnungsgeber als immateriellen Schaden insoweit Diskriminierung, Identitätsdiebstahl, Identitätsbetrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden persönlichen Daten oder gesellschaftliche Nachteile ohne den Ausschluss von Bagatellschäden im Blick. Hinsichtlich eines möglichen künftigen Missbrauchs personenbezogener Daten wird ein immaterieller Schaden aber nur dann zu begründen sein, wenn es sich um einen realen und sicheren emotionalen Schaden handelt und nicht nur um ein Ärgernis oder eine Unannehmlichkeit (vgl. EuGH, Schlussanträge vom 27.04.2023 – C-340/21; OLG Düsseldorf GRUR-RS 2023, 4182). Ein etwaiger Verstoß führt – unabhängig der Frage der Erheblichkeit – jedenfalls nicht per se zu einem Schaden (EUGH Urteil vom 04.05.2023, C-300/21). Ein konkreter Schaden ist im jeweiligen Einzelfall festzustellen (LG Bonn, Urteil vom 10.05.2023, Az. 3 O 201/22). Ein tatsächlicher Schaden im Sinne einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Giovanni Pitruzella vom 27.04.2022, C-340/21, Rn. 83) liegt aber im vorliegenden Einzelfall gerade nicht vor.

Der Vortrag, dass sich unmittelbar nach Erhalt der Crif-Mitteilung ein Gefühl des Kontrollverlusts und der großen Sorge, insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Bonität, eingestellt habe, dieses von der Angst geprägt gewesen sei, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei und möglicherweise weiterer unberechtigter Übermittlungen ausgesetzt zu sein, und dies die Klagepartei bis zum heutigen Tag beunruhige, erfolgte offensichtlich ohne hinreichende Tatsachengrundlage.

Nach dem formelhaften schriftsätzlichen Vortrag konnte auch der Vortrag der Klagepartei im Rahmen ihrer informellen Anhörung im Termin das Gericht nicht davon überzeugen, dass ein Schaden i.S.d. Art. 82 DSGVO durch die Einmeldung eingetreten ist. Dass die Einmeldung der Beklagten die Klagepartei davon abhält, Vertragsverhältnisse zu schließen aus Sorge vor etwaigen Konsequenzen, hat die Klagepartei in ihrer persönlichen Anhörung nicht vorgetragen.

Des Weiteren ist nicht glaubhaft, dass die Klagepartei, die das Merkblatt zum Datenschutz aus der Anlage B 1 B unstreitig zur Kenntnis genommen hat, in der die Weitergabe der Daten an Auskunfteien vorgesehen war vier Jahre später, nachdem sie festgestellt hat, dass diese Weitergabe auch tatsächlich erfolgt ist, plötzlich ein Kontrollverlustgefühl erlitten haben will.

Selbst wenn man diesen zeitverzögerten Eintritt des Kontrollverlustgefühls als wahr unterstellt, und weiter unterstellt, die Einmeldung wäre rechtswidrig, wäre die Einmeldung jedenfalls nur mitursächlich für die Entstehung des Kontrollverlustgefühls, das die Klagepartei hier als Schaden geltend macht. Diese Mitursächlichkeit würde jedoch durch ein Mitverschulden der Klägerseite nach § 254 BGB aufgewogen werden, sodass auch dann der Klägerseite kein Schadensersatz zustünde. Denn: Das Gefühl des Kontrollverlusts speist sich bei der Klagepartei – diesen Eindruck gewann das Gericht insbesondere in der mündlichen Verhandlung- hauptsächlich aus der selbstverschuldeten Unwissenheit der Klagepartei.

So konnte die Klagepartei nur rudimentär benennen welche Daten überhaupt an die C. gemeldet worden waren. Dass die Daten auch an die S. gemeldet worden sein könnten, war der Klagepartei bis zu dem Termin der mündlichen Verhandlung offenbar trotz Kenntnisnahme des Merkblatts nicht mehr erinnerlich. Des Weiteren wurde für das Gericht in der mündlichen Verhandlung ebenfalls erkennbar, dass die Klagepartei auch die grundsätzlich Arbeits- und Funktionsweise der Auskunfteien bis dahin nicht kannte. Das behauptete Gefühl des Kontrollverlusts wurde bei der Klagepartei dadurch ausgelöst, dass sie über das Internet von der Einmeldung der Positivdaten erfahren hat und sich dann jedoch nicht darüber informiert hat, was es mit diesen Einmeldungen auf sich hat, wie Auskunfteien funktionieren und welche Auskunftsrechte ihr gegen die Auskunfteien aufgrund der DSGVO zustehen.

Das Gericht hält zudem den Vortrag der Klagepartei, sie erleide bei der Arbeit Umsatzeinbußen, weil sie als Außendienstler für die E.ON bei der Aufklärung des Kunden über die Datenschutzbestimmungen in „Schockstarre“ verfalle, für nicht nachvollziehbar.

Die Klagepartei hat nicht nachvollziehbar erklären können, warum sie bei der Arbeit in diese Schockstarre verfällt. Das Gericht hat den Vortrag der Klagepartei in diesem Punkt so verstanden, dass diese Starre immer dann eintritt, wenn die Klagepartei den Kunden der E.ON bei Vertragsschluss die Datenschutzhinweise unterschreiben lässt, weil sie, also die Klagepartei dann immer daran denken muss, dass der Kunde dann denselben behaupteten Kontrollverlust erleiden könne, wie sie selbst. Dieser Vortrag steht jedoch in Widerspruch zu der Behauptung der Klagepartei in Bezug auf den Datenschutz entsprechend geschult worden zu sein, um den jeweiligen Kunden zu den Datenschutzbestimmungen aufklären zu können. Derartige Schulungen als wahr unterstellt, ist unverständlich, warum die Klagepartei sich dann um die einzelnen Kunden sorgt, da die Klagepartei dann in der Lage sein sollte, den Kunden so aufzuklären, dass ein Kontrollverlust später nicht eintritt, sondern dem Kunden die Datenweitergabe an Auskunfteien, sofern eine solche vorgesehen ist, transparent zu erläutern.

Das Gericht hat den Eindruck gewonnen, dass die beschriebene „Schockstarre“ der Klagepartei letztlich ebenfalls darauf zurückzuführen ist, dass die Klagepartei zwar zu der Erkenntnis gelangt ist, dass ihre Daten übermittelt worden sind, sich jedoch nicht damit beschäftigt hat, um welche Daten es sich überhaupt handelt und wie die C. diese verarbeitet hat bzw. inwiefern die Verarbeitung Auswirkungen für die Klagepartei haben kann.

Auch die ohnehin zwischen den Parteien streitigen Schlafstörungen, unter denen die Klagepartei infolge des behaupteten Kontrollverlusts leiden will, sind aus den vorgenannten Gründen nicht ersatzfähig.

Der zulässige Klageantrag zu Ziffer 2 ist jedenfalls unbegründet, da mangels Datenschutzverstoßes auch kein Unterlassungsanspruch gegeben ist.

Der zulässige Klageantrag zu Ziffer 3, gerichtet auf Feststellung, ist ebenfalls unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, dass die streitgegenständliche Übermittlung von Positivdaten an die S. und die C. zu einem Schaden der Klagepartei führen könnte. Denn der Umstand, dass ein einziger Mobilfunkvertrag abgeschlossen wurde ist – wie dem Gericht aus Parallelverfahren bekannt ist, ungeeignet, die Kreditwürdigkeit der Klagepartei herabzusetzen. So verfügten Klagparteien aus Parallelverfahren mit nur einem Eintrag, nämlich einen Mobilfunkvertrag ähnlichen Alters im Jahr 2023 durchgängig über gute bis sehr gute SCHUFA-SCORE-Werte. Der Eintritt eines zukünftigen Schadens ist umso mehr unwahrscheinlich, als dass der EUGH in seiner Entscheidung vom 07.12.2023 (EuGH (Erste Kammer) Urt. v. 7.12.2023 – C-634/21 (OQ/Land Hessen) (NZA 2024, 45, beck-online) klargestellt hat, dass insbesondere Banken jedenfalls die eine Kreditabfrage nicht vollautomatisch und ausschließlich unter Berücksichtigung des Scores von Auskunfteien ablehnen dürfen. Diese Rechtsprechung dürfte auf andere die Bonität abfragenden Unternehmen zu übertragen sein.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptschuld.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 709 S. 1 ZPO.