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Nr: NJRE001590356


LG Augsburg 12. Zivilkammer, Urteil vom 27.März 2024 , Az: 123 O 3062/23


Langtext

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung bei Online-Glücksspielen erlittener Verluste.

Der Kläger nahm im Zeitraum vom 08.12.2013 bis zum 07.04.2019 jedenfalls über die deutschsprachige Internetplattform www.p..de bzw. www.p..eu/de unter dem Benutzernamen ... E-Mail-Adresse ... an Online-Pokerspielen teil. Jedenfalls im Zeitraum vom 13.01.2015 bis zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt im Juni 2015 befand sich der Kläger durchgängig in Neuseeland und nahm von dort aus das Angebot der Beklagten in Anspruch.

Die Beklagte verfügte in Deutschland zu keiner Zeit über eine Glücksspiellizenz.

Mit Anwaltsschreiben vom 09.08.2023 (Anlage K2) wurde die Beklagte außergerichtlich zur Rückzahlung aufgefordert.

Der Kläger hat einen Prozesskostenfinanzierungsvertrag geschlossen.

Der Kläger behauptet, von der fehlenden Konzession der Beklagten und der Illegalität ihres Angebots während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums keine Kenntnis gehabt zu haben. Vor allem aufgrund des deutschsprachigen Internetauftritts, des Hinweises der Beklagten auf ihre maltesische Lizenz und der Möglichkeit, von seinem Wohnort aus sich auf der Website anmelden und ein Spielerkonto errichten zu können, habe es keine Anhaltspunkte für eine Illegalität ergeben.

Der Kläger trägt vor, Einzahlungen in Höhe von 24.818,83 EUR hätten Auszahlungen in Höhe von 8.265,49 EUR gegenüber gestanden (Anlage K1).

Weiter führt der Kläger aus, der Prozesskostenfinanzierungsvertrag enthalte keine Abtretung der klägerischen Ansprüche. Vielmehr bleibe der Kläger Herr des Verfahrens.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klagepartei 16.553,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.08.2023 zu zahlen.

2. an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.398,25 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe über die Nutzung von Neuseeland aus hinaus jedenfalls auch aus Österreich sowie aus Schleswig-Holstein gespielt (Anlage B9), wobei die Spielteilnahmen aus Schleswig-Holstein das Angebot der R. Germany Ltd. betroffen hätten, die im streitgegenständlichen Zeitraum über eine Lizenz für Schleswig-Holstein verfügt hätte.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers und dessen Prozessführungsbefugnis. Insbesondere bestreitet sie die klägerische Behauptung, es wären keine Forderungen abgetreten worden, mit Nichtwissen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Bereicherungsanspruch scheitere schon daran, dass zwischen den Parteien allenfalls bezüglich eines sog. „Rakes“ (ca. 5% der Klagesumme) eine Leistungsbeziehung in Betracht komme. Hinsichtlich der verbleibenden Beträge bestehe allein zwischen den jeweiligen Spielern eine Leistungsbeziehung. Auch die Aufladung des Spielkontos stelle keine bewusste, zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der Beklagten dar, sondern habe allein dazu gedient, das Spielkonto aufzuladen; diese Beträge könnten auch jederzeit zurückverlangt werden. Im Übrigen habe die Beklagte durch die Einzahlung der Gelder auch nichts erlangt, denn die Gelder müssten nach maltesischem Recht vom Vermögen der Beklagten getrennt verwaltet werden; die Spieler behielten auch das Eigentum hieran. Sie habe folglich schon nichts erlangt. Zudem seien die Spielverträge nicht nichtig i.S.d. § 134 BGB. Außerdem handele es sich bei Online-Poker, insb. bei der Variante Texas Hold’em, nicht um ein Glücks- sondern ein Geschicklichkeitsspiel.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 13.03.2024.


Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet ist.

1.

Es bestehen bereits Zweifel an der Prozessführungsbefugnis des Klägers; diese wurde von der Beklagten in zulässiger Weise bereits mit Schriftsatz vom 05.03.2024, der Klagepartei gem. § 195 ZPO am selben Tag, mithin rechtzeitig vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, direkt zugestellt, mit Blick auf den Prozesskostenfinanzierungsvertrag bestritten. Die Klagepartei beschränkte sich dennoch darauf im Termin vorzutragen, es wären keine Forderungen an den Prozesskostenfinanzierer abgetreten worden, was beklagtenseits sodann – ebenfalls in zulässiger Weise – mit Nichtwissen bestritten wurde. Der Vertrag konnte klägerseits nicht – auch nicht in geschwärzter Form – vorgelegt werden. Der Terminsvertreter der Klagepartei verfügte lediglich über einen in seinen Sitzungsbericht unter dem Briefkopf der Hauptbevollmächtigten hineinkopierten Text, der aus dem Vertrag stammen soll, aus welchem sich ergab, dass „der Kläger“ keine Ansprüche an den Prozesskostenfinanzierer abtritt und er „Herr des Verfahrens“ bleibt. Ein solcher Auszug ist aber nicht ausreichend, dem Gericht die erforderliche Überzeugung zu verschaffen, dass der Kläger noch Inhaber der geltend gemachten Forderung ist. Hinsichtlich der Prozessvoraussetzungen gilt zwar das Freibeweisverfahren, dennoch ist die volle Überzeugung des Gerichts herbeizuführen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 44. Auflage 2023, vor § 284 Rn. 6). Es ist dem Gericht aus einer Vielzahl von Parallelverfahren bekannt, dass derartige Vertragsgestaltungen ungewöhnlich sind. Zudem ist es dem Gericht auf dieser Grundlage schlicht unmöglich nachzuvollziehen und zu überprüfen, woher dieser Auszug stammt, in welchem Zusammenhang er steht, ob ein solcher Vertrag tatsächlich zwischen dem hiesigen Kläger und dem Prozesskostenfinanzierer geschlossen wurde usw.

2.

Der Klage bleibt aber auch deshalb der Erfolg versagt, weil der Kläger unabhängig von den weiteren Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen seiner Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Umfangs seiner Teilnahme am Glücksspielangebot der Beklagten im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags 2012 nicht nachgekommen ist (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss v. 19.02.2024 – 24 U 4050/23 e, beklagtenseits vorgelegt als Anlage B17).

Nach der informatorischen Anhörung des Klägers im Termin der mündlichen Verhandlung steht nun ungeachtet möglicher weiterer Spielteilnahmen aus Österreich und Schleswig-Holstein fest, dass er – entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen auch auf entsprechenden Einwand der Beklagten – jedenfalls im Zeitraum vom 13.01.2015 bis zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Juni 2015 durchgängig in Neuseeland aufhältig war und von dort aus das Angebot der Beklagten in Anspruch genommen hat, was sich auch aus der klägerseits vorgelegten Transaktionsübersicht (Anlage K1) zweifelsfrei ergibt. Der Umfang der Beteiligung des Klägers an Online-Glücksspielen im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags 2012 ist mithin zum einen wegen der fehlenden zeitlichen Eingrenzbarkeit des Aufenthalts in Neuseeland, aber auch weil es nicht auf den Zeitpunkt der Einzahlung, sondern auf denjenigen der Teilnahme am Online-Glücksspiel ankommt (OLG München a.a.O.), der klägerseits auch auf entsprechende schriftsätzliche Rüge der beklagten Partei nicht dargelegt wurde, nicht feststellbar.

3.

Da dem Kläger der Hauptanspruch nicht zusteht, besteht auch keine Grundlage für die geltend gemachten Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.