LG Bonn 19. Zivilkammer, Urteil vom
29.April 2024 , Az: 19 O 179/23
Langtext
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche von verlorenen Einsätzen bei Online Glückspielen, welche der Kläger im Zeitraum vom 28.02.2014 bis 12.09.2022 bei ... betrieb.
Die Beklagte veranstaltete mit einer Lizenz ihres Heimatlandes von Ihrem Firmensitz in S. J., Malta, im streitgegenständlichen Zeitraum auf der von ihr betriebenen Homepace Online-Casinospiele, Online-Poker und Sportwetten; über eine Glücksspiellizens der in Deutschland zuständigen Behörde nach § 4 GlüStV verfügte die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum dagegen nicht.
Der Kläger unterhielt bei ... seit 2014 ein Spielerkonto auf das er regelmäßig Einzahlungen tätigte und Poker bei ... spielte. Im Laufe der Spieltätigkeit erfolgten Einzahlungen durch den Kläger und Auszahlungen seitens ...; die konkrete Höhe ist zwischen den Parteien streitig.
Mit anwaltlichem Schreiben wandte sich der Kläger am 17.07.2023 an die Beklagte und forderte die Erstattung seiner Spielverluste aus unerlaubtem Glücksspiel. Der Beklagten wurde hierin eine Frist bis zum 31.07.2023 gesetzt.
Der Kläger trat etwaige Ansprüche auf Rückzahlung der erbrachten Zahlungen an einen Dritten ab.
Der Kläger behauptet, ihm sei im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze nicht bekannt gewesen, dass dies gesetzlich nicht erlaubt war. Vielmehr habe ihm die Selbstdarstellung der Beklagten suggeriert, dass es sich um ein legales Angebot gehandelt habe.
Schriftsätzlich behauptet er, ausschließlich von seiner Heimatadresse in Deutschland aus gespielt zu haben, während er – in der mündlichen Verhandlung angehört – behauptete, auch im Urlaub, außerhalb von Deutschland gespielt zu haben.
Die Einzahlungen seien stets in US-Dollar getätigt worden und sein Verlust aus den Spielen bei PokerStars belaufe sich auf einen Betrag von insgesamt 12.836,20 EUR; eingezahlt habe er 18.781,20 EUR und er habe eine Auszahlung von 5.945,00 EUR erhalten.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.999,78 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2023 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von Euro 1.054,10 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2023 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, weil der Kläger seine Aktivlegitimation nicht nachgewiesen und die streitgegenständliche Forderung abgetreten habe. Mit Nichtwissen werde vorsorglich zudem bestritten, dass die Abtretung nur zur Sicherheit erfolgt sei.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe auf der Internetseite ... keine Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch genommen und ebenso wenig auf dieser Internetseite Verluste bei der Beklagten erlitten. Die Internetseite ... sei zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten betrieben worden, weil sie auf der Internetseite ... keine Online-Glücksspiele betrieben habe.
Des Weiteren habe eine Holdinggesellschaft der Beklagten, die ...
habe im Übrigen am 22. März 2023 für die Internetseiten ... und ... eine Erlaubnis der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder für Online-Poker und für virtuelle Automatenspiele erhalten und sei folglich auf deren Whitelist vertreten.
Die von dem Kläger angegebene Verlusthöhe sei zudem ebenso unzutreffend wie die behaupteten Einzahlungen und Auszahlungen. Dies beruhe insbesondere auf dem Umstand, dass die Spielerkonten gleichzeitig in EUR und USD geführt würden, sodass auch bei der Verlustrechnung des Klägers zwischen den unterschiedlichen Währungen hätte unterschieden werden müssen.
Soweit der Kläger an Online-Poker gegen andere Spieler und an Online-Sportwetten teilgenommen habe, seien diese im streitgegenständlichen Zeitraum in Deutschland überdies legal gewesen seien.
Mit Nichtwissen wird bestritten, dass der Kläger nicht auch im Ausland an den Spielen teilgenommen habe. Insbesondere habe der Kläger sich auch von einer IP-Adresse aus Hong Kong eingeloggt. Infolgedessen seien auch nach Ansicht der Beklagten nicht ausreichend substantiiert die Verluste vorgetragen, weil nicht ersichtlich sei, ob die Verluste ausschließlich auf eine Spielteilnahme in Deutschland zurückzuführen seien.
Soweit der Kläger an Online-Poker teilgenommen habe, sei schließlich zu berücksichtigen, dass der Spielvertrag selber nur zwischen den Spielern zustande gekommen und die Beklagte als Spielbank nur eine Gebühr für die Vermittlung der jeweiligen Spieler erhalte. Im Übrigen verwalte die Spielbank nur die Spielguthaben auf separaten Fremdgeldkonten, bis das Spielergebnis feststehe und die Spieleinsätze an den jeweiligen Gewinner ausgezahlt würde; die Voraussetzungen einer bereicherungsrechtlichen Situation seien infolgedessen nach Ansicht der Beklagten nicht gegeben.
Die Beklagte ist zudem der Ansicht, es handele sich um keinen einheitlichen Vertrag, sondern um einzelne Spielverträge. Hinzukomme, dass GlüStV a.F. auf die vom Kläger gespielten Pokervarianten nicht anwendbar sei, weil es sich bei diesen Pokervarianten um Geschicklichkeitsspiele und keine Glücksspiele handele.
Die Beklagte bestreitet letztlich mit Nichtwissen, dass der Kläger während der Spielteilnahme an einer pathologischen Spielsucht litt und erhebt hilfsweise die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Landgerichts vom zur Akte gereichten Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 29.04.2024 (vgl. Bl.235 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bereits unzulässig.
I.
Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger nach eigenem Vorbringen ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht, hinsichtlich dessen ihm die Prozessführungsbefugnis fehlt.
Die Prozessführungsbefugnis ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen, also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis), oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis) (vgl. LSG Chemnitz, Urteil vom 09.04.2015, L 3 AS 1009/14, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.05.2013 – I ZR 28/12; juris). Die Prozessführungsbefugnis ist eine von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2013 – B 3 KR 27/12 R; BGH, Urteil vom 16.05. 2013).
Die Aktivlegitimation fällt in der Regel mit der Prozessführungsbefugnis zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden, nämlich in Folge einer Ermächtigung kraft Gesetzes (gesetzliche Prozessstandschaft) oder durch Einverständniserklärung des materiell Berechtigten (gewillkürte Prozessstandschaft) (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012, a. a. O.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 54 Rdnr. 11; R. Wagner, a. a. O., Rdnr. 26; vgl. auch BSG, Urteil vom 1. Juli 1959 – 4 RJ 45/58 – BSGE 10, 131 (133) = JURIS-Dokument Rdnr. 17).
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen fehlt dem Kläger die Prozessführungsbefugnis, weil ihm ein solches Recht zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs nicht zusteht. In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger unstreitig, dass er die der Klage zugrundeliegenden Ansprüche vor Klageerhebung an einen Dritten abgetreten hat. Ob dies seine Prozessbevollmächtigen oder ein außenstehender Prozessfinanzierer sei, konnte der Kläger zwar nicht mit Gewissheit sagen, es steht jedoch fest, dass er nicht mehr Inhaber der streitgegenständlichen Forderung ist, weil die Abtretung von dem Kläger ausdrücklich bestätigt wurde.
Die Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Da offensichtlich kein Fall einer gesetzlichen Prozessstandschaft gegeben ist, ist es erforderlich, dass der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung nach § 185 BGB im eigenen Namen ermächtigt worden ist, er sich auf diese Ermächtigung beruft und darlegt, wessen Recht er geltend macht und er zudem ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessstandschaft hat, was allerdings nur dann zu bejahen ist, wenn die Beklagtenseite durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2017 – VI ZR 125/16, juris, Rn. 8; Althammer in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, Vorbemerkungen zu §§ 50-58 ZPO, Rn. 16 ff., jeweils m. w. N.).
Vorliegend ist bereits eine wirksame Ermächtigung durch den Zessionar, welcher zudem nicht namentlich benannt wurde, weder zu irgendeinem Zeitpunkt behauptet, noch schlüssig dargelegt worden. Der Kläger hat keine Einzelheiten und konkrete Modalitäten bezüglich der erfolgten Abtretung schriftsätzlich oder auch in der mündlichen Verhandlung offengelegt. Es ist weder bekannt, zu welchem Zeitpunkt die Abtretung erfolgte, noch an wen und unter welchen Bedingungen. Der Kläger trug ausschließlich vor, dass eine solche erfolgt sei und behauptet zudem keine Ermächtigung zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen durch den – namentlich nicht benannten – Zessionar.
Im Übrigen konnte die Beklagte diese Umstände ausnahmslos mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten, weil diese weder eine eigene Handlung der Beklagten noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Nachdem die Beklagte bereits mit Schriftsätzen vom 19.04.2024 (vgl. dort S. 4, Bl. 440 f. d.A.) ausdrücklich die Aktivlegitimation im Hinblick auf eine möglicherweise erfolgte Abtretung an einen Prozessfinanzierer in Frage gestellt hatte, war ein Übersehen dieses Gesichtspunktes durch den Kläger jedenfalls nicht im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO erkennbar, dies umso mehr, als die Frage auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.04.2024 erörtert worden ist (vgl. S. 2 Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2024, Bl.470 d.A.). Ein ergänzender Vortrag oder der Antrag auf Schriftsatznachlass ist nicht erfolgt
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.