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Nr: NJRE001590403


OVG Münster 13. Senat, Urteil vom 24.September 2024 , Az: 13 A 1535/21

GG Art 5 Abs 1 S 1 , VwGO § 43 Abs 1 ,

Sperrung eines Accounts auf der Facebook-Seite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt

Orientierungssatz

1. Zur Rechtswidrigkeit der Sperrung eines Facebook-Accounts auf einer sogenannten Facebook-Unternehmensseite.

2. Für die Sperrung von Nutzern auf dem von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt unterhaltenen Internetauftritt auf dem sozialen Netzwerk Facebook, die bewirkt, dass der Nutzer die Facebook-Seite zwar weiterhin besuchen und auf die dort bereitgestellten Inhalte zugreifen, er diese aber nicht mehr kommentieren kann, bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung zum Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).

3. Hier zur Unverhältnismäßigkeit der Sperrung des klägerischen Facebook-Accounts auf einer Seite des sozialen Netzwerks. Sämtliche für die hier vorgenommene Sperrung in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen erlauben dem Beklagten einen Eingriff wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nur unter dem Vorbehalt seiner Verhältnismäßigkeit (hier: abgelehnt).


Verfahrensgang

vorgehend VG Köln 08.06.2021 6 K 717/18

Langtext

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. Juni 2021 geändert.

Es wird festgestellt, dass die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers mit dem Profil „https://www.facebook.com/E..D..00“ auf der Facebook-Seite des Beklagten „https://www.facebook.com/W.“ rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Sperrung seines Facebook-Accounts auf der Facebook-Seite des Beklagten.

Der Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Deutschlandradio-Staatsvertrags [DLR-StV]). Er unterhält einen Internetauftritt auf dem sozialen Netzwerk Facebook unter der Adresse „https://www.facebook.com/W.“. Dort veröffentlicht er Beiträge, die einen aktuellen Bezug zu seinem Radioprogramm aufweisen. Die Beiträge sind frei zugänglich und können von angemeldeten Facebook-Nutzern kommentiert werden.

Ende August 2017 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Facebook-Seite einen Beitrag unter dem Titel „Mehr antisemitische[n] Übergriffe in Großbritannien“. Der Teaser lautete: „Großbritannien galt bislang als sicherer Ort für Juden in Europa. Doch inzwischen registrieren jüdische Einrichtungen mehr antisemitische Übergriffe.“ Der Kläger kommentierte dies folgendermaßen:

„Bitte weitergehen, hat nix mit nix zu tun.“

Am 9. Oktober 2017 stellte der Beklagte einen Beitrag mit der Überschrift „Vor 50 Jahren wurde Che Guevara erschossen – Tod in den Anden“ auf seiner Facebook-Seite ein. Der Vorspann begann wie folgt: „Er ist eine Ikone des 20. Jahrhunderts: Der gebürtige Argentinier Ernesto ‚Che‘ Guevara wollte Arzt werden, widmete sein Leben jedoch dem militanten Kampf gegen die Unterdrückung. Sein Wunsch aber, die Revolution über Kuba hinaus auszudehnen, schlug fehl. Heute vor 50 Jahren wurde er in Bolivien ers…“. Hierzu postete der Kläger folgenden Kommentar:

„Kommt dann als nächstes ein nettes Jugendbild mit Zitat von Adolf Eichmann?“

Am 11. Oktober 2017 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Facebook-Seite unter dem Titel „Demo gegen Rassismus auf der Frankfurter Buchmesse“ ein Video-Interview mit Frau  H. O. vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit folgendem Begleittext: „Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat rechte Verlage wie den X.-Verlag bewusst nicht von der Frankfurter Buchmesse ausgeschlossen – warum der Verein dennoch vor dem Stand des Verlags demonstriert, erklärt eine der Geschäftsführerinnen.“ Diesen Beitrag kommentierte der Kläger, nachdem der Beklagte zuvor den Kommentar eines anderen Nutzers als „unangemessene Polemik“ bezeichnet hatte, wie folgt:

„Deutschlandfunk: Unangemessen ist allein Ihre hier offen dargestellte Einseitigkeit. Sie werden mit Zwangsgebühren finanziert mit der naiven Auflage, de[r] öffentliche Rundfunk [w]äre irgendwie politisch ausgeglichen und neutral.

Schön, dass Sie hier belegen, wie dringend die Abschaffung des Rotfunks ist.“

Unter dem 4. November 2017 veröffentlichte der Beklagte einen Beitrag mit dem Titel „AfD und Identitäre unter einem Dach“ sowie folgendem Teaser: „Identitäre, das sind die neuen Rechten, manche sagen ‚Keimzelle einer rechten RAF‘. In Halle an der Saale haben Identitäre im Frühjahr ein Hausprojekt gegründet, vor Kurzem eröffnete auch ein AfD-Abgeordneter hier sein Büro. Jetzt machen Anwohner gegen das Projekt mobil. Sie fühlen sich eingeschüchtert und bedroht.“ Der Kläger postete hierzu folgenden Kommentar:

„Der zwangsfinanzierte Staatsfunk einmal mehr als linksradikales Hetzinstrument. Die komplett gewaltfreie IB dämonisieren, aber den linksextremen Terror gegen dieses Haus komplett verschweigen – solche verlogenen ‚Berichte‘ kennt man ja noch aus dem Staat[s]fernsehen der DDR.

GEZ jetzt abschaffen!“

Daraufhin sperrte der Beklagte am 4. November 2017 den Facebook-Account des Klägers mit dem Profil „https://www.facebook.com/E..D..00“ auf seiner Facebook-Seite. Die für Dritte nicht erkennbare Sperrung bewirkte, dass der Kläger mit diesem Profil Beiträge des Beklagten auf dessen Seite und andere dortige Nutzer-Kommentare nicht mehr kommentieren konnte. Die auf der Seite durch den Beklagten eingestellten Inhalte waren für ihn jedoch weiterhin – wie für jeden anderen Internet-Nutzer – frei zugänglich. In einem separaten Schritt löschte der Beklagte zudem die oben angeführten Kommentare des Klägers.

In der Folge wandte sich der Kläger mit E-Mails vom 22. November 2017 und 17. Dezember 2017 an den Beklagten und forderte diesen auf, seinen Account wieder freizuschalten. Der Beklagte informierte den Kläger mit E-Mail vom 18. Dezember 2017, dass die Sperrung wegen des Verstoßes gegen seine „Kommentar-Regeln“ erfolgt sei. Unter Aufforderung, zukünftig diese Regeln zu beachten, sagte er dem Kläger die Entsperrung zu. Zugleich teilte er ihm mit, dass eine Entsperrung bislang technisch nicht möglich gewesen sei. Dies könne daran liegen, dass der Kläger seinerseits ihn gesperrt habe. Mit weiterer E-Mail vom 10. Januar 2018 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass er entgegen der Ankündigung immer noch gesperrt sei.

Der Kläger hat am 25. Januar 2018 Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zur Entsperrung seines Facebook-Accounts zu verurteilen. Nach zwischenzeitlich am 20. April 2018 erfolgter Entsperrung seines Accounts hat der Kläger seine Klage auf ein Feststellungsbegehren umgestellt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:

Die Klageänderung sei wegen Sachdienlichkeit nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Feststellungsklage sei zulässig, insbesondere habe er ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses ergebe sich aus der Schwere des Grundrechtseingriffs sowie einer Wiederholungsgefahr. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Er habe einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gehabt. Der als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsverpflichtete Beklagte habe mit der Sperrung seines Facebook-Accounts in nicht gerechtfertigter Weise in seine Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG eingegriffen. Es existiere kein allgemeines Gesetz im Sinne des qualifizierten Gesetzesvorbehalts des Art. 5 Abs. 2 GG, auf das sich der Beklagte berufen könne. Hierzu zählten weder die „Kommentar-Regeln“ des Beklagten noch die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags und des Deutschlandradio-Staatsvertrags. Bei der Kommentarfunktion handele es sich um eine (virtuelle) öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinn. Der Beklagte habe mit der Sperrung sein „virtuelles Hausrecht“ rechtswidrig ausgeübt. Dem Beklagten obliege es nicht, darüber zu befinden, welche Meinungen „gemäßigt“ seien oder nicht; der Beklagte müsse bei einer öffentlichen, für jeden Facebook-Nutzer zugänglichen Unternehmensseite sämtliche Meinungen zulassen, sofern sie sich im Rahmen der geltenden (Straf-)Gesetze hielten. Insoweit sei ein Verstoß nicht erkennbar. Er habe einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentierungsfunktion aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung gehabt. Die Sperrung sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte zur Entsperrung seines Accounts bei Facebook mit dem Profil (https://www.facebook.com/E..D..00) auf der Unternehmensseite des Beklagten bei Facebook (https://www.facebook.com/W.) verpflichtet war.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zunächst im Wesentlichen geltend gemacht: Die Feststellungsklage sei unzulässig. Es bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und ihm. Es sei keine Norm ersichtlich, aus der sich der Kläger als Normadressat und er als Normanwender oder umgekehrt als Zuordnungssubjekte gegenüberstünden. Zudem fehle es an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Die in der Vergangenheit liegende Sperrung entfalte in der Gegenwart keine Wirkung mehr. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil es sich bei der Sperrung um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe. Deswegen würde einer gerichtlichen Entscheidung auch keine Bindungswirkung zukommen und könne sie dem Kläger nicht als Orientierung für sein künftiges Verhalten dienen. Unabhängig davon sei die Klage unbegründet. Es sei keine Anspruchsgrundlage für eine Entsperrung des Facebook-Accounts des Klägers erkennbar. Er, der Beklagte, sei als Träger der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG selbst grundrechtsberechtigt und nicht grundrechtsverpflichtet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbindung seiner Meinung in das Rundfunkprogramm bzw. auf freien Zugang zu den auf der Facebook-Seite bereitgestellten Diskussionsforen. Die Sperrung sei von der Rundfunkfreiheit und deren Konkretisierung in den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags und des Deutschlandradio-Staatsvertrags, die auch allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG seien, gedeckt. Danach sei er zur Wahrung der Sachlichkeit auf seiner Facebook-Seite verpflichtet. Bei Angeboten zum Meinungsaustausch habe er im Wege der redaktionellen Begleitung auf ein konstruktives Debattenklima zu achten. Hierzu habe er für jeden Nutzer einsehbare „Kommentar-Regeln“ aufgestellt. Verstößen begegne er durch die Löschung von Kommentaren oder durch den Ausschluss einzelner Forennutzer. Der Kläger habe mit seinen Kommentaren vom 11. Oktober 2017 und 4. November 2017 das Mindestmaß an gegenseitiger Achtung nicht eingehalten. Der darin erhobene Vorwurf parteilicher und einseitiger Berichterstattung zugunsten politisch linksgerichteter Standpunkte und unwahrer Berichterstattung sowie die Gleichsetzung mit dem Staatsfernsehen der DDR als Propagandainstrument der SED-geführten Regierung überschritten die Grenzen der Meinungsfreiheit und müssten von ihm nicht hingenommen werden. Die beiden Kommentare setzten sich auch nicht mit dem Inhalt des jeweiligen Beitrags auseinander. Die Äußerungen hätten zudem den Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB verwirklicht. Vor diesem Hintergrund sei die Sperrung erforderlich und auch verhältnismäßig gewesen. Sie betreffe allein Kommentierungen auf seiner Facebook-Seite. Er könne Forenbeiträge auch auf der Grundlage seines „virtuellen Hausrechts“ unterbinden.

Mit Schriftsatz vom 15. März 2021 hat der Beklagte ergänzt: Der Kläger habe bereits zuvor die programmbezogene Kommunikation auf seiner Facebook-Seite gestört. Bei dem Kommentar von Ende August 2017 sei kein Themenbezug erkennbar gewesen. Auch der den Beitrag über Che Guevara betreffende Kommentar des Klägers aus Oktober 2017 habe eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem zur Diskussion gestellten Beitrag nicht erkennen lassen. Der Kommentar sei vielmehr allein darauf angelegt gewesen, ihm eine tendenziöse Berichterstattung vorzuwerfen. Auch diese beiden Kommentare seien maßgeblich für die Sperrung gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 8. Juni 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die als Feststellungsklage zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gerichtet auf Entsperrung seines Facebook-Accounts auf dessen Facebook-Unternehmensseite gehabt. Die zeitweilige Sperrung des Accounts erweise sich als rechtmäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers sowie seinen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zur Kommentarfunktion. Rechtsgrundlage für den Eingriff sei das dem einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegenden Beklagten zustehende „virtuelle Hausrecht“, das durch die einer Benutzungsordnung vergleichbare Netiquette konkretisiert werde. Entscheide sich die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, dürfe sie wegen des Charakters der Facebook-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen ihrer Bindung (auch) an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr müsse ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und dürfe nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen. Das Handeln der Rundfunkanstalt könne nur hierauf überprüft werden, da eine weitergehende gerichtliche Überprüfung einen Eingriff in deren aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GG hergeleitete Programmfreiheit darstellte. Gemessen daran sei die zeitweilige Sperrung des Klägers nicht zu beanstanden. Die Sperrungsentscheidung des Beklagten basiere auf einem sachlichen Grund. Denn mit seinen Kommentaren habe der Kläger wiederholt den Nutzungszweck der im Rahmen einer öffentlichen Aufgabe betriebenen Kommentierungsfunktion gestört. Die Kommentare hätten gegen die Netiquette des Beklagten i. V. m. den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags, konkret gegen das Sachlichkeits- sowie das Themenbezugsgebot verstoßen. Die zeitweilige Sperrung des Klägers sei verhältnismäßig. Angesichts der wiederholten Verstöße wäre eine isolierte Löschung der Kommentare nicht ebenso effektiv gewesen, den verfolgten Zweck zu erreichen. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Kläger einer Verwarnung und Aufforderung, die „Kommentar-Regeln“ zu beachten, entsprochen hätte. Da die Sperrung nur zeitweilig erfolgt sei, sei der Kläger nicht dauerhaft in seiner Meinungsfreiheit beschränkt worden.

Der Kläger hat am 22. Juni 2021 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend beruft er sich auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der selbst nur mittelbar an Grundrechte gebundene private Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook bei der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung von Netzwerkzugängen bestimmten, hier nicht eingehaltenen verfahrensrechtlichen Anforderungen (u. a. Anhörungserfordernis) unterlägen und ihnen kein „virtuelles Hausrecht“ zustehe. Dies müsse bei dem unmittelbar grundrechtsgebundenen Beklagten erst recht gelten. Zudem verstießen seine Kommentare nicht gegen die Verhaltensregeln des Beklagten i. V. m. den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags, insbesondere nicht gegen das Sachlichkeits- sowie das Themenbezugsgebot. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 - reiche bereits irgendein Themenbezug aus. Im Übrigen könnten an Kommentare insoweit nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, denen der Beklagte bei der Gestaltung der eigenen Inhalte unterliege. Die bloße Kommentierung der Berichterstattung des Beklagten beeinträchtige nicht dessen Rundfunk- und Programmfreiheit, diesem bleibe die Berichterstattung uneingeschränkt möglich. Jedenfalls wäre der Rundfunkfreiheit bereits mit einer Löschung der als beanstandungswürdig bewerteten Inhalte Genüge getan gewesen. Einer zusätzlichen Sperrung habe es nicht bedurft. Er habe weder andere Nutzer beleidigt noch in sonstiger Weise schwerwiegende Rechtsgüter Dritter verletzt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. Juni 2021 abzuändern und festzustellen, dass die Sperrung seines Facebook-Accounts mit dem Profil „https://www.facebook.com/E..D..00“ auf der Facebook-Seite des Beklagten „https://www.facebook.com/W.“ rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen sowie die Begründung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor:

Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Beitragslöschungen und Nutzersperren auf Facebook sei mangels Vergleichbarkeit nicht anwendbar, weil er (anders als Meta als Betreiber von Facebook) den Schutz der Rundfunkfreiheit für sich in Anspruch nehmen könne. Zudem habe die von ihm vorgenommene Sperrung der Kommentier-Funktion ein weitaus geringeres Gewicht als die vollständige Sperrung des Nutzerkontos durch Facebook. Die Erfüllung der ihm staatsvertraglich zugewiesenen Aufgaben berechtige ihn dazu, im Einzelfall auch Kommentare zu entfernen, die sich zwar noch im Rahmen der Meinungsfreiheit hielten, aber keinen Themenbezug zum Ausgangsbeitrag aufwiesen und/oder das konstruktive Debattenklima negativ beeinträchtigten und damit den Zweck der eröffneten Kommentarfunktion störten. Dies sei letztlich das Ergebnis der Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen, der Meinungsfreiheit der Nutzer einerseits und seiner Rundfunkfreiheit andererseits. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 - bestätige seine Argumentationslinie vollumfänglich. Die Sperrung sei auch verhältnismäßig. Eine vorherige Anhörung sei nicht ebenso geeignet gewesen, die Gefahr weiterer Verstöße zu unterbinden. Er habe damit rechnen müssen, dass der Kläger während der Anhörung weitere Verstöße begehe. Die Sperrung sei auch angemessen. Die Vielzahl der Verstöße und der geringe zeitliche Abstand dazwischen hätten zukünftige Verstöße wahrscheinlich gemacht. Zudem habe die Sperre nur vorübergehend und für eine bestimmte Funktion gewirkt.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 2. und 7. September 2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Seine Klage ist zulässig – I. – und begründet – II. –.

I. Die als Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) fortgeführte Klage ist zulässig.

1. Der Kläger durfte seine ursprünglich erhobene Leistungsklage nach Erfüllung des auf die Entsperrung seines Accounts auf der Facebook-Seite des Beklagten gerichteten Begehrens auf eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO umstellen. Die vorgenommene Umstellung ist jedenfalls als Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Der Beklagte hat sich im Sinne von § 91 Abs. 2 VwGO auf die – unterstellt – geänderte Klage eingelassen. Unabhängig davon ist die angenommene Klageänderung auch sachdienlich, weil sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt.

2. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Gemäß § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO) und soweit er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Zwischen den Beteiligten waren dadurch, dass der Kläger die von der beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auf ihrer Facebook-Unternehmensseite eröffnete Kommentarfunktion genutzt und der Beklagte daraufhin dessen Account auf der Seite gesperrt hatte, Rechtsbeziehungen in Gestalt eines konkreten, streitigen und aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm beruhenden Benutzungsverhältnisses als Rechtsverhältnis entstanden. Dem Kläger als eifrigem Nutzer der Telemedien des Beklagten kann auch das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung wegen der Gefahr der Wiederholung eines vergleichbaren Vorgehens des Beklagten unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen nicht abgesprochen werden, zumal der Beklagte weiterhin an seiner Rechtsauffassung festhält, die Sperrung sei rechtmäßig gewesen. Schließlich scheitert die Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht an der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger kann schon wegen der bereits erfolgten Entsperrung seines Accounts nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden.

Vgl. zur Löschung eines Kommentars auf einer Facebook-Seite BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 16 f., m. w. N.

II. Die Klage ist begründet. Die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers auf der Facebook-Seite des Beklagten war rechtswidrig. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der Beklagte die vorgenommene Sperrung auf eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Eingriffsermächtigung stützen konnte – 1. –, weil die Sperrung jedenfalls unverhältnismäßig war – 2. –.

1. Es kommt in diesem Verfahren nicht darauf an, ob der Beklagte die vorgenommene Sperrung des Klägers auf seiner Facebook-Seite auf eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Eingriffsermächtigung stützen konnte.

a) Für die Sperrung von Nutzern auf dem von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt wie dem Beklagten unterhaltenen Internetauftritt auf dem sozialen Netzwerk Facebook, die bewirkt, dass der Nutzer die Facebook-Seite zwar weiterhin besuchen und auf die dort bereitgestellten Inhalte zugreifen, er diese aber nicht mehr kommentieren kann, bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung zum Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt der rechtsstaatliche Grundsatz des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe der Verwaltung unabhängig von der Handlungsform als Rechts- oder – wie hier – Realakt eine gesetzliche Ermächtigung. Darüber hinaus unterliegt es keinen Zweifeln, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als rechtsfähige Subjekte der mittelbaren Staatsverwaltung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG gegenüber ihren Nutzern grundrechtsverpflichtet sind.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 31, 34, m. w. N.

Die Sperrung von Nutzern im Sinne eines Ausschlusses von der Kommentarmöglichkeit auf der Facebook-Seite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist als Eingriff in deren Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) zu qualifizieren. Denn sie unterbindet gezielt die sonst lediglich an eine Anmeldung bei dem sozialen Netzwerk geknüpfte Äußerung von Meinungen an einem der Öffentlichkeit allgemein – und auch dem gesperrten Nutzer weiterhin – frei zugänglichen Ort.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 35 f.; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 = juris, Rn. 98 f.

b) Es dürfte offen sein, ob bzw. inwieweit zum für die gerichtliche Überprüfung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Sperrung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 18,

am 4. November 2017 eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende gesetzliche Eingriffsermächtigung vorlag, die der Beklagte nachträglich und sukzessive im Kern damit begründet hat, dass der Kläger zuvor in vier Fällen unsachliche Kommentare bzw. Kommentare ohne Sendungsbezug gepostet habe.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht bezogen auf die – durch das Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags (MStV) vom 14. bis 28. April 2020 (GV. NRW. S. 524) mittlerweile überholte – Rechtslage im 2. Halbjahr 2018 bereits entschieden, dass § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage „Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien“ des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 18. Dezember 2017 (GV. NRW. 2018 S. 214) als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, die die Rundfunkordnung ausgestalten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in verfassungsgemäßer Weise die Befugnis zur Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug in von ihnen im Internet eröffneten Foren – konkret: auf einer von ihnen unterhaltenen Facebook-Seite – verliehen haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, insb. Rn. 18, 30 ff., 33 ff.; kritisch hierzu allerdings Fechner, Simsalabim: Eine Kompetenzbeschränkung wird zur Ermächtigungsgrundlage, in: juris – Die Monatszeitschrift 6/2023, S. 251 ff. (253); Grosche, Auftragsgrenzen als Grundrechtsgrenzen? – Zur Löschung von Nutzerkommentaren durch den öffentlichen Rundfunk, in: Der Staat 62 (2023), S. 461 ff. (insb. 470 ff., 474 ff.); Marsch, Inhaltemoderation in Internetforen durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten: Zur Maßstabsbildung durch Höchstgerichte im Medienrecht, in: JZ 2023, S. 664 ff. (665 f., 667 f.).

Auch dürfte es hiervon ausgehend zumindest nicht ganz fernliegen, hinsichtlich des hier maßgeblichen Zeitpunkts aus den identischen Regelungen in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage „Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien“ des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 20. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 21. März 2017 (GV. NRW. S. 402) – im Folgenden: RStV – eine an Kommentare ohne konkreten Sendungsbezug anknüpfende Sperrungsbefugnis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herzuleiten. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat sein Auslegungsergebnis, nach dem die vorgenannten Vorschriften auch die Befugnis zu Grundrechtseingriffen verliehen haben, maßgeblich damit begründet, dass es dieser Befugnis zur Durchsetzung der materiellrechtlichen Vorgaben für die Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedurfte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 32.

Dieses Argument könnte möglicherweise auch für die Befugnis zur Sperrung greifen, wenn man berücksichtigt, dass im Einzelfall eine Löschungsbefugnis der Rundfunkanstalten unter Umständen nicht ausreichen kann, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, den Sendungsbezug der Nutzerbeiträge auf einer von ihnen unterhaltenen Facebook-Seite wirksam durchzusetzen, weil etwa ein Nutzer wiederholt und von zwischenzeitlichen Löschungen unbeirrt fortlaufend Kommentare ohne konkreten Sendungsbezug postet.

Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Gamp, Löschung nicht-sendungsbezogener Kommentare auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt, in: juris PraxisReport Bundesverwaltungsgericht 14/2023, Anm. 2 (unter „D. Auswirkungen für die Praxis“), laut der mit der auch von ihr getroffenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts „ganz gewiss […] noch nicht alle Fragen im Zusammenhang mit der Löschung von Nutzerkommentaren […] geklärt [seien], erst recht nicht mit zeitlich befristeten Sperren“.

Nicht ohne Weiteres übertragbar dürfte die Entscheidung aber jedenfalls auf Konstellationen sein, in denen die Sperrung von Nutzern auf vorangegangene Kommentare gestützt wird, die zwar den Sendungsbezug gewahrt haben, jedoch aus Sicht der Rundfunkanstalt einer Art „Sachlichkeitsgebot“ nicht gerecht geworden sind, wie es der Beklagte hier u. a. unter Rückgriff auf seine „Kommentar-Regeln“ in Bezug auf Kommentare des Klägers (ebenfalls) geltend macht. Denn für die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass die genannten Vorschriften materiellrechtliche Vorgaben nicht nur für die Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern auch für die Nutzer der Foren enthalten und überdies zu deren Durchsetzung den Rundfunkanstalten eine Eingriffsbefugnis vermitteln, war der Umstand entscheidend, dass die Landesgesetzgeber nach den Feststellungen des Gerichts mit dem geschaffenen Regelungsgerüst die Zusage der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Kommission ohne Abstriche umsetzen wollten, für eine effektive Umsetzung der Beschränkungen des Telemedienangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sorgen. Diese wiederum war für die Europäischen Kommission mitentscheidend, das gegen die Bundesrepublik eingeleitete Beihilfeverfahren einzustellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 32, 22 ff., 29.

Diese Erwägungen dürften sich nicht umstandslos auf andere materiellrechtliche Vorgaben für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übertragen lassen, denen möglicherweise ein (näher zu bestimmendes) „Sachlichkeitsgebot“ zu entnehmen sein könnte (vgl. §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2, 11d Abs. 1 und 3 Satz 1, 54 Abs. 1 und 2 RStV). Dementsprechend betont das Bundesverwaltungsgericht auch selbst ausdrücklich die insoweit begrenzte Reichweite seiner Entscheidung für Fälle der dort vorliegenden Art des fehlenden Sendungsbezugs.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 68.

Dass diesbezüglich für nicht den Strafgesetzen zuwiderlaufende Kommentare – wie hier – als Rechtsgrundlage stattdessen ein nicht gesetzlich geregeltes, sondern richterrechtlich entwickeltes „virtuelles Hausrecht“ des Beklagten,

vgl. dies heranziehend VG Mainz, Urteil vom 13. April 2018 - 4 K 762/17.MZ -, juris, Rn. 65 ff., 80 ff.; VG München, Urteil vom 27. Oktober 2017 - M 26 K 16.5928 -, juris, Rn. 19; siehe ferner hinsichtlich der Löschung von nicht sendungsbezogenen Kommentaren: VG Leipzig, Urteil vom 11. September 2019 - 1 K 1642/18 -, juris, Rn. 80 ff.; nachfolgend Sächs. OVG, Urteil vom 16. September 2020 - 5 A 35/20 -, juris, Rn. 46; dann aber weiter nachgehend BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 68: „in Fällen der vorliegenden Art […] keine Notwendigkeit für eine solche Analogie“; vgl. noch für den Telemedienauftrag der Rundfunkanstalten (§ 11d Abs. 1 RStV) als Ermächtigungsgrundlage: Marsch, Inhaltemoderation in Internetforen durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten: Zur Maßstabsbildung durch Höchstgerichte im Medienrecht, in: JZ 2023, S. 664 ff. (667),

herangezogen werden kann, dürfte – zumal mit Blick auf die besonderen Anforderungen von Art. 5 Abs. 2 GG – zumindest nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen.

Vgl. ablehnend etwa Fechner, Simsalabim: Eine Kompetenzbeschränkung wird zur Ermächtigungsgrundlage, in: juris – Die Monatszeitschrift 6/2023, S. 251 ff. (252 f.); zurückhaltend auch VG Hamburg, Urteil vom 28. April 2021 - 3 K 5339/19 -, juris, Rn. 67 ff., insb. 69, in Bezug auf die Blockierung eines Twitter-Accounts eines Nutzers für einen von der Polizei betriebenen Twitter-Account.

c) Letztlich bedarf es hier jedoch keiner Klärung der vorstehend aufgeworfenen komplexen Fragen, weil sie in diesem Verfahren nicht entscheidungserheblich sind. Denn die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers auf der entsprechenden Seite des Beklagten erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als rechtswidrig.

2. Die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers auf der Seite des sozialen Netzwerks des Beklagten war unverhältnismäßig.

Sämtliche für die hier vorgenommene Sperrung in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen erlauben dem Beklagten einen Eingriff wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nur unter dem Vorbehalt seiner Verhältnismäßigkeit.

Vgl. zu den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 67; siehe zum „virtuellen Hausrecht“: VG München, Urteil vom 27. Oktober 2017 - M 26 K 16.5928 -, juris, Rn. 17, 32; Wolf, in: Conrad/Grünewald/Kalscheuer/Milker, Handbuch Öffentlich-rechtliches Äußerungsrecht, 2022, § 8 Rn. 26, 31 ff.; Milker, Die Polizei auf Twitter – Brauchen wir ein Social-Media-Gesetz für staatliche Stellen?, in: NVwZ 2018, S. 1751 ff. (1756); Kalscheuer/Jacobsen, Das digitale Hausrecht von Hoheitsträgern – Unter welchen Voraussetzungen darf der Staat Twitter-Nutzer blockieren?, in: NJW 2018, S. 2358 ff. (2361 f.); mit Blick auf die Rundfunkfreiheit eine bloße Kontrolle am Willkürmaßstab erwägend VG Mainz, Urteil vom 13. April 2018 - 4 K 762/17.MZ -, juris, Rn. 115 ff.

Den sich daraus ergebenden Anforderungen ist der Beklagte – das Vorliegen einer legitimen Zielsetzung unterstellt – mit der ergriffenen Maßnahme nicht gerecht geworden.

a) Die Sperre zur Verhinderung künftiger unsachlicher Kommentare des Klägers bzw. von Kommentaren ohne Sendungsbezug auf seiner Facebook-Seite dient der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung des Beklagten, den Sendungsbezug der Nutzerbeiträge auf seiner Facebook-Seite durchzusetzen,

vgl. zu den mit entsprechenden Vorschriften verfolgten Zielen: BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 46,

sowie der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung in Bezug auf ein „Sachlichkeitsgebot“ bzw. der Bewahrung des „Nutzungszwecks“ seiner Seite vor Störungen. Hierbei handelt es sich um legitime Ziele. Zu deren Erreichung war die Maßnahme auch geeignet und erforderlich. Insbesondere standen dem Beklagten keine milderen, gleich wirksamen Mittel zu Gebote. Namentlich hätte eine Löschung der vorangegangenen sowie der potentiell zukünftigen Kommentare des Klägers zwar weniger stark in dessen Rechte eingegriffen, sie hätte indes in ihrer Wirksamkeit hinter der ergriffenen Maßnahme zurückgestanden. Die Löschung der früheren Kommentare des Klägers wäre in Bezug auf die Verhinderung künftiger Kommentare zumindest nicht genauso effektiv gewesen wie die vorgenommene Sperre, weil damit das weitere Posten unter Missachtung der – unterstellt – geltenden rechtlichen Anforderungen nicht technisch zwingend unterbunden worden, sondern von dem Erfolg der „Einwirkung“ auf den Kläger, insbesondere dessen Einsicht in sein angenommenes Fehlverhalten abhängig gewesen wäre. Mit der Löschung etwaiger zukünftiger Kommentare des Klägers wäre die potentielle „Störung“ nicht verhindert, sondern erst nachträglich beendet worden.

b) Allerdings war die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers auf der Seite des sozialen Netzwerks des Beklagten nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.

Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen dürfen. Angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Maßnahme und dem mit ihr verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist auch zu berücksichtigen, ob die geringere Wirksamkeit einer die Grundrechte weniger beeinträchtigenden Maßnahme hingenommen werden könnte. Ist die zu überprüfende Maßnahme zur Erreichung eines legitimen Zwecks wirksamer als mildere Mittel, ist sie zwar geeignet und erforderlich. An der Angemessenheit der Maßnahme kann es dann aber dennoch fehlen, etwa wenn ein milderes Mittel zur Verfügung steht, dessen Wirksamkeit nur wenig geringer ist als die zu überprüfende Maßnahme.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 -, BVerfGE 163, 107 = juris, Leitsatz 3 sowie Rn. 119, 135, m. w. N.; siehe ferner Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 18. Aufl. 2024, Art. 20 Rn. 114, 120 ff.

In Anwendung dieser Grundsätze war die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie hat nicht unerheblich in dessen Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) eingegriffen [dazu (1)], wohingegen das Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe hier als eher gering einzuschätzen ist [dazu (2)]. Die Gefahr eines Schadenseintritts war zwar im Ausgangspunkt nicht völlig unbeträchtlich. Jedoch fällt hier maßgeblich ins Gewicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der zu schützenden Rechtsgüter insbesondere durch eine Löschung der vorangegangenen Kommentare des Klägers als für diesen deutlich milderes Mittel hätte – wenngleich nicht gänzlich ausgeschlossen, so doch – erheblich gemindert werden können [dazu (3)]. Danach fehlte es an der Angemessenheit der Maßnahme [dazu (4)]. Hieran ändert auch das Vorbringen des Beklagten mit Schriftsatz vom 27. August 2024 nichts [dazu (5)].

(1) Die Sperrung des Facebook-Accounts des Klägers auf der Seite des sozialen Netzwerks des Beklagten hat nicht unerheblich in dessen Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) eingegriffen; ein Grundrecht, dem für eine freiheitlich demokratische Ordnung konstituierende Bedeutung zukommt.

Vgl. nur BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 = juris, Rn. 101, m. w. N.

Zwar wird das Eingriffsgewicht dadurch abgemildert, dass die Meinungsäußerung nur auf der Facebook-Unternehmensseite des Beklagten, nicht aber an anderer Stelle verwehrt wird. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass ein Nutzer, der an dieser Stelle einen Kommentar postet, an der zumeist größeren Reichweite dieser Internetseite partizipieren will.

Vgl. zu diesen eingriffsmildernden Gesichtspunkten BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 48.

Auf der Facebook-Seite des Beklagten allerdings wurden mit der Sperrung sämtliche zukünftigen Meinungsäußerungen des Klägers unterschiedslos unterbunden. Im Unterschied zur Löschung, deren Wirkung darauf begrenzt ist, die Verbreitung von nicht mit den rechtlichen Vorgaben in Einklang stehenden Äußerungen zu verhindern, werden durch die Sperrung auch solche Meinungsäußerungen von vornherein unterbunden, die rechtlich nicht zu beanstanden wären. Dies wiegt insoweit schwer.

(2) Demgegenüber ist das Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe hier als eher gering einzuschätzen. Abstrakt kommt den von dem Beklagten in Ausübung seiner Rundfunkfreiheit verfolgten oben genannten Zielen ein nicht unerhebliches Gewicht zu, das es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall auch jenseits strafbaren Verhaltens erlauben kann, Nutzern das zukünftige Posten auf seiner Facebook-Seite (vorübergehend) vorzuenthalten.

Die hier konkret drohende Beeinträchtigung wiegt indes nicht schwer. Der Beklagte leitet nach seinen – erst sukzessive ergänzten – Angaben im Verwaltungsprozess eine Gefahr für die mit der Sperrung geschützten Rechtsgüter daraus ab, dass der Kläger diese bereits in der Vergangenheit mit vier Kommentaren beeinträchtigt habe. Der Kläger hat hier jedoch allenfalls mit drei Posts gegen die – unterstellt – geltenden rechtlichen Anforderungen verstoßen [dazu (aa) und (bb)]. Diese ließen für die Zukunft keine schwerwiegenden Rechtsgutverletzungen besorgen, weil das konkrete Gewicht der Verstöße auch in einer Gesamtschau nicht besonders intensiv gewesen ist [dazu (cc)].

(aa) Nach den endgültigen Angaben des Beklagten bildeten insgesamt vier gepostete Kommentare des Klägers, die jeweils keinen hinreichenden Sendungsbezug aufgewiesen hätten bzw. unsachlich gewesen seien, die Grundlage für die am 4. November 2017 vorgenommene Sperrung. Von diesen vier Kommentaren hat der Ende August 2017 veröffentlichte,

„Bitte weitergehen, hat nix mit nix zu tun.“,

nicht gegen die – unterstellt – geltenden rechtlichen Anforderungen verstoßen, da er den erforderlichen konkreten Sendungsbezug aufgewiesen hat; eine „Unsachlichkeit“ der Äußerung macht der Beklagte insoweit nicht geltend und ist auch sonst nicht erkennbar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wahrt ein von einem Nutzer in einem Forum einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt geposteter Kommentar den nach § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste erforderlichen Sendungsbezug nur, wenn er nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen lässt. Dazu ist er aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts auszulegen; im Falle der Mehrdeutigkeit ist die Variante zugrunde zu legen, die den Sendungsbezug noch wahrt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 61.

Hiervon ausgehend lässt der Kommentar nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen. Nach einer aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts zumindest nicht als fernliegend auszuschließenden Deutungsvariante lässt sich die Formulierung des Klägers „Bitte weitergehen, hat nix mit nix zu tun.“ als Versuch verstehen, auf den Beitrag „Mehr antisemitische[n] Übergriffe in Großbritannien“ einen Bezug zur Einwanderung aus islamisch geprägten Ländern bzw. der Europäischen Asylpolitik herzustellen, den der Beklagte ignoriere. Dieses mögliche – bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitete, wenngleich mit anderen rechtlichen Folgerungen versehene – Verständnis des Kommentars ergibt sich vor dem Hintergrund eines (zum Zeitpunkt des klägerischen Posts) einer breiten politisch interessierten Allgemeinheit präsenten Facebook-Posts der AfD-Politikerin Beatrix von Storch vom 22. März 2016, die ihrerseits mit der Formulierung „Hat aber alles nix mit nix zu tun.“ einen Zusammenhang zwischen den islamistischen Terroranschlägen an jenem Tag in Brüssel und der Einwanderung aus islamisch geprägten Ländern bzw. der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union herzustellen versuchte.

Vgl. zu diesem Post nur: Und dann meldet sich die AfD, in: Süddeutsche Zeitung, 22. März 2016, abrufbar unter:

https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-terroranschlaegen-in-bruessel-und-dann-meldet-sich-die-afd-1.2919109 (Abruf: 24. September 2024).

(bb) Demgegenüber kann im Hinblick auf die übrigen drei Kommentare davon ausgegangen werden, dass sie den – unterstellt – geltenden rechtlichen Anforderungen nicht entsprochen haben.

Der Kommentar des Klägers vom 11. Oktober 2017,

„Deutschlandfunk: Unangemessen ist allein Ihre hier offen dargestellte Einseitigkeit. Sie werden mit Zwangsgebühren finanziert mit der naiven Auflage, de[r] öffentliche Rundfunk [w]äre irgendwie politisch ausgeglichen und neutral.

Schön, dass Sie hier belegen, wie dringend die Abschaffung des Rotfunks ist.“,

weist erkennbar keinen Sendungsbezug auf. Er lässt keinen Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung „Demo gegen Rassismus auf der Frankfurter Buchmesse“ und damit verbundenen konkreten Sachfragen erkennen, sondern eröffnet ein hiervon nicht erfasstes Meta-Thema, indem der Kläger auf einen Kommentar des Beklagten zu einem anderen Nutzerkommentar unter dem Beitrag erwidert und er sich so mit der aus der Sicht des Klägers unausgewogenen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der daraus folgenden Notwendigkeit ihrer Abschaffung befasst.

Im Ergebnis nichts anderes gilt für den Kommentar des Klägers vom 4. November 2017:

„Der zwangsfinanzierte Staatsfunk einmal mehr als linksradikales Hetzinstrument. Die komplett gewaltfreie IB dämonisieren, aber den linksextremen Terror gegen dieses Haus komplett verschweigen – solche verlogenen ‚Berichte‘ kennt man ja noch aus dem Staat[s]fernsehen der DDR.

GEZ jetzt abschaffen!“

Zwar knüpft dieser zunächst insofern an das Thema der Sendung „AfD und Identitäre unter einem Dach“ an, als er deren Gegenstand – die nach Auffassung des Klägers „komplett gewaltfreie IB [= Identitäre Bewegung; Anm. des Gerichts]“ und deren „Haus[projekt]“ – aufgreift. Allerdings verlässt er sodann das Sendungsthema und geht auf ein anderes, keinen Sendungsbezug aufweisendes Thema über, nämlich die Abschaffung der „GEZ“, das heißt des heutigen Rundfunkbeitrags. Damit verliert die Äußerung auch bei meinungsfreiheitsfreundlicher Auslegung den erforderlichen Bezug zu der konkreten Sendung.

Vgl. zum Vorstehenden auch BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 12.20 -, BVerwGE 177, 190 = juris, Rn. 62 ff.

Der Post des Klägers von Anfang Oktober 2017,

„Kommt dann als nächstes ein nettes Jugendbild mit Zitat von Adolf Eichmann?“,

schließlich lässt zwar nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung „Vor 50 Jahren wurde Che Guevara erschossen – Tod in den Anden“ erkennen, weil er sich aus objektivierter Empfängersicht als Versuch lesen lässt, auf die von diesem begangenen Menschenrechtsverletzungen sowie deren vom Kläger angenommene Ausblendung durch den Beklagten hinzuweisen. Allerdings hält der Senat die Annahme des Beklagten für naheliegend, dass der Beitrag des Klägers aufgrund des hierzu angestellten Vergleichs mit dem Nationalsozialisten Adolf Eichmann, einer der Hauptorganisatoren des Holocaust, nicht dem von diesem herangezogenen „Sachlichkeitsgebot“ entspricht. Jedenfalls kann dies zugunsten des Beklagten unterstellt werden.

(cc) Die danach drei berücksichtigungsfähigen Posts ließen für die Zukunft keine schwerwiegenden Rechtsgutverletzungen besorgen, weil das konkrete Gewicht der Verstöße – innerhalb des Spektrums nicht themenbezogener bzw. unsachlicher Beiträge – auch in einer Gesamtschau nicht besonders intensiv gewesen ist. So bewegt sich die Anzahl von lediglich drei zu beanstandenden Kommentaren in quantitativer Hinsicht im unteren Bereich dessen, was der Beklagte abhängig vom Einzelfall, das heißt je nach inhaltlichem Gewicht des Verstoßes oder der Verstöße überhaupt zum Anlass für eine Sperrung nehmen könnte; eine Löschung ist ohnehin selbstverständlich bei jedem Verstoß möglich. Hinzu kommt, dass sich die Verstöße nicht in zugespitzter Weise innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums, etwa weniger Stunden oder Tage ereignet, sondern über eine Spanne von rund einem Monat – nimmt man den Post von Ende August 2017 noch hinzu sogar rund zweieinhalb Monaten – erstreckt haben. Darüber hinaus wiegen die Verstöße auch inhaltlich nicht sehr schwer. Die Kommentare beeinträchtigen zwar das „Debattenklima“, sind polemisch zugespitzt und übersteigert, überschreiten aber nicht die Grenze zur Strafbarkeit, beinhalten insbesondere keine Schmähkritik, sondern transportieren zumindest dem Grunde nach diskussionswürdige Sachanliegen. Dabei knüpfen sie – wie ausgeführt – in zwei Fällen, davon in einem jedenfalls im Ansatz, an die vom Beklagten gesetzten Themen an.

(3) Die Gefahr eines Schadenseintritts, das heißt eines erneuten unzulässigen Posts, war zwar im Ausgangspunkt nicht völlig unbeträchtlich, allerdings schon von vornherein insbesondere durch die geringe Anzahl der früheren Verstöße begrenzt. Maßgeblich fällt hier jedoch zusätzlich ins Gewicht, dass dem Beklagten insbesondere mit der Löschung der vorangegangenen Kommentare des Klägers ein für diesen deutlich milderes Mittel zur Verfügung stand. Dessen Einsatz hätte die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der zu schützenden Rechtsgüter zwar nicht gänzlich ausschließen, aber doch erheblich verringern können. Die nur leicht geringere Wirksamkeit der den Kläger weniger beeinträchtigenden Maßnahme musste der Beklagte unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls angesichts der Bedeutung der Meinungsfreiheit – auch in Ansehung der ihm zukommenden, insoweit gegenläufig wirkenden Rundfunkfreiheit – hinnehmen.

Der mit der Sperrung verfolgte Zweck hätte insbesondere durch eine Löschung der vorangegangenen Kommentare des Klägers und gegebenenfalls zusätzlich die Androhung der ergriffenen Maßnahme als deutlich mildere Mittel – wenngleich nicht gleich wirksam erreicht, so doch – deutlich gefördert und damit die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der zu schützenden Rechtsgüter erheblich gemindert werden können. Hierdurch hätte der Beklagte dem Kläger überhaupt erstmals Kenntnis davon verschafft, dass er nach Auffassung des Beklagten die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreitet. Zugleich hätte er die Gelegenheit erhalten, unter dem Eindruck einer ihm drohenden Sperrung sein bisheriges Kommentierungs-Verhalten zu überdenken und anzupassen, um in Zukunft die nach Auffassung des Beklagten gültigen Regeln zu befolgen. Dass dieses Vorgehen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sperrung als von vornherein aussichtslos zu bewerten gewesen wäre, etwa weil der Kläger wiederholt oder schwerwiegend gegen die – unterstellt – geltenden rechtlichen Vorgaben verstoßen hätte, lässt der Akteninhalt nicht erkennen. Dies lässt sich hier insbesondere schon deshalb nicht aus der (geringen) Anzahl der dem Kläger zur Last gelegten Verstöße ableiten, weil er von der Auffassung des Beklagten, dass er gegen die aus dessen Sicht für Kommentare auf der Facebook-Seite geltenden Vorgaben verstößt, bis dahin keine Kenntnis hatte und sich ihm dies auch nicht ohne Weiteres aufdrängen musste. Im Gegenteil mag die bis zur Sperrung unterbliebene Löschung der vorangegangenen Kommentare den Kläger sogar in dem Glauben bestärkt haben, sich mit seinen Meinungsäußerungen (noch) im Rahmen des vom Beklagten auf seiner Facebook-Seite Tolerierten zu bewegen. Auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 27. August 2024 aufgeworfene Frage, welche rechtlichen Auswirkungen es gehabt hätte, wenn der Kläger trotz vorangegangener Löschung von Kommentaren weiterhin gegen seine „Kommentar-Regeln“ verstoßen hätte, kommt es insoweit nicht an, weil der Beklagte hier gerade nicht zunächst zum milderen Mittel der Löschung gegriffen, sondern unmittelbar mit einer Sperrung reagiert hat. Sie lässt sich ohnehin nur einzelfallabhängig unter Berücksichtigung des Gewichts der konkreten Verstöße beantworten.

(4) Danach fehlte es hier an der Angemessenheit der Maßnahme. Die von den Kommentaren des Klägers ausgehenden Gefahren waren – gemessen an seinen vergangenen Posts – als eher gering einzustufen. Die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts hätte zudem insbesondere durch eine Löschung der vorangegangenen Kommentare des Klägers erheblich gemindert, etwaige gleichwohl eintretende Beeinträchtigungen unmittelbar durch Löschung beseitigt werden können. Dem steht ein nicht unerheblicher Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers gegenüber. Das Maß seiner Belastung stand daher nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu den aus der Maßnahme erwachsenden Vorteilen.

(5) Eine über das Vorstehende hinausgehende Berücksichtigung seiner Rundfunkfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt entgegen der mit Schriftsatz vom 27. August 2024 geäußerten Auffassung des Beklagten nicht in Betracht. Die diesbezüglich aufgeworfenen Aspekte betreffen den vorgelagerten Gesichtspunkt einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Eingriffsermächtigung, deren Vorliegen hier bereits zugunsten des Beklagten unterstellt wird. Dass sämtliche für die hier vorgenommene Sperrung in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme voraussetzen, entspricht – wie ausgeführt – einhelliger Rechtsauffassung. Unabhängig davon beziehen sich die Ausführungen des Beklagten (mit der nachfolgend aufgegriffenen Ausnahme) auf die hier nicht verfahrensgegenständliche Löschung von Kommentaren. Sein weitergehender Hinweis darauf, dass er einen zuvor als „Störer“ aufgefallenen Anrufer bei einem erneuten Anruf (in rechtlich zulässiger Weise) nicht noch einmal in sein Radioprogramm hineinlassen würde, berücksichtigt nicht, dass bezogen auf seine Facebook-Seite – anders als beim Radio – die Äußerung von Meinungen an einem Ort in Rede steht, zu dem der Beklagte der Öffentlichkeit allgemein, das heißt ohne präventive Kontrolle freien Zugang eröffnet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.



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