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Nr: NJRE001590542


VerfGH Leipzig , Beschluss vom 24.Oktober 2024 , Az: Vf. 59-IV-23


Langtext

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


Gründe

I.

Mit ihrer am 26. September 2023 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. August 2023 (5 A 548/18).

Im Ausgangsverfahren klagte die Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Mitteldeutschen Rundfunks (im Folgenden: Beklagter) vom 2. Januar 2015, 1. April 2015, 3. Juni 2016 sowie 1. Oktober 2016 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2017 und gegen den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2017, mit welchen jeweils rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt wurden. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, die Rechtsform des Beklagten sei nicht erkennbar, die Bescheide seien unbestimmt und die Rechtsgrundlage verstoße gegen verwaltungs-, verfassungs- und europarechtliche Normen und Grundsätze. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verstoße zudem gegen das Gebot der Normenklarheit. In diesem Zusammenhang begehrte die Beschwerdeführerin auch einen richterlichen Hinweis, inwiefern ein qualifizierter Rechtsbeistand durch das Gericht vermittelt oder gestellt werden könne. Zudem beantragte sie das Ruhen bzw. die Aussetzung des Verfahrens wegen beim Bundesverfassungsgericht anhängiger Verfahren zum Rundfunkbeitragsrecht.

Das Verwaltungsgericht Dresden wies die Klagen mit Urteil vom 6. März 2018 (2 K 2089/17 und 2 K 2970/17) ab.

Mit dem angegriffenen Beschluss lehnte das Sächsische Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beschwerdeführerin auf die Beiordnung eines Notanwalts für ein noch durchzuführendes Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ab. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts seien nicht erfüllt. Zwar habe die Beschwerdeführerin hinreichend dargelegt, dass sie sich erfolglos um eine anwaltliche Vertretung für den Antrag auf Zulassung der Berufung bemüht habe. Das Rechtsschutzbegehren erscheine jedoch aussichtslos, denn ein Zulassungsgrund i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO komme nicht ernsthaft in Betracht.

Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Sächsische Oberverwaltungsgericht ausweislich der beigezogenen Akte mit Beschluss vom 1. November 2023 zurück. Aus der beigezogenen Akte ergibt sich weiter, dass eine Ausfertigung dieses Beschlusses am 6. November 2023 an die Beschwerdeführerin übersandt wurde.

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter, ihrer Rechte auf Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung sowie die Verletzung des Zitiergebots. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 10 EMRK vor.

Das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof ist nicht eröffnet, soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK rügt. Eine Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.V.m. § 7 Nr. 4, § 27 Abs. 1 SächsVerfGHG nur mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt in einem in der Verfassung des Freistaates Sachsen niedergelegten Grundrecht verletzt zu sein (SächsVerfGH, Beschluss vom 13. März 2024 – Vf. 72-IV-23; Beschluss vom 18. August 2022 – Vf. 39-IV-22; Beschluss vom 28. Mai 2020 – Vf. 26-IV-20; Beschluss vom 6. September 2019 – Vf. 68-IV-19; st. Rspr.).

2. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den aus Art. 81 Abs. 1 Nr. 4
SächsVerf i.V.m. § 27 Abs. 1, § 28 SächsVerfGHG folgenden Begründungsanforderungen.

a) Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.V.m. § 27 Abs. 1 und § 28 SächsVerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer unter anderem die Tatsachen darlegt, die es dem Verfassungsgerichtshof ohne weitere Ermittlungen ermöglichen, die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zu prüfen. Eine Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist nicht nur einzulegen, sondern auch zu begründen. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde auch die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, muss er zusätzlich innerhalb der Frist des § 29 Abs. 1 SächsVerfGHG dem Verfassungsgerichtshof über die Erhebung der Anhörungsrüge und den Ausgang des Anhörungsrügeverfahrens berichten und sich gegebenenfalls mit dem Inhalt der Entscheidung auseinandersetzen. Denn nur dann kann der Verfassungsgerichtshof ohne weitere Ermittlungen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde prüfen, namentlich die Rechtswegerschöpfung im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 SächsVerfGHG (SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Januar 2023 – Vf. 86-IV-21; Beschluss vom 5. Februar 2021 – Vf. 116-IV-20; Beschluss vom 10. September 2020 – Vf. 49-IV-20). Die Beschwerdefrist wird in diesem Fall erst mit Zustellung bzw. Bekanntgabe des auf die Anhörungsrüge hin ergangenen Beschlusses in Lauf gesetzt (SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Januar 2023 – Vf. 86-IV-21; Beschluss vom 5. Februar 2021 – Vf. 116-IV-20; Beschluss vom 20. Juli 2007 – Vf. 21-IV-06). Dies gilt auch, soweit die Verfassungsbeschwerde schon vor einer Entscheidung über die Anhörungsrüge erhoben wurde. Die vollständige Begründung der vor Abschluss des Anhörungsrügeverfahrens eingelegten Verfassungsbeschwerde muss somit dem Verfassungsgerichtshof spätestens innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung bzw. Bekanntgabe des auf die Anhörungsrüge hin ergangenen Beschlusses vorliegen (SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Januar 2023 – Vf. 86-IV-21; Beschluss vom 5. Februar 2021 – Vf. 116-IV-20; Beschluss vom 11. April 2019 – Vf. 7-IV-19; Beschluss vom 26. Oktober 2017 – Vf. 42-IV-17; Beschluss vom 28. Juli 2017 – Vf. 2-IV-17).

b) Dem hat die Beschwerdeführerin nicht entsprochen, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist zu dem Ausgang des Verfahrens über die Anhörungsrüge vorgetragen hat. Die Beschwerdeführerin hat den Verfassungsgerichtshof zwar über die Erhebung dieser Anhörungsrüge in Kenntnis gesetzt, nicht aber über die entsprechende Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts und deren Zugang bei ihr. Der Verfassungsgerichtshof hat von dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2023, der ausweislich der Akten am 6. November 2023 an die Beschwerdeführerin zur Post aufgegeben wurde, erst am 1. Juli 2024 durch Anfrage beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht Kenntnis erlangt. Folglich fehlt es an fristgerechten Ausführungen zur Rechtswegerschöpfung bzw. zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde.

III.

Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. § 24 BVerfGG.

IV.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG).