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Nr: NJRE001590574


LG Wiesbaden 2. Zivilkammer, Urteil vom 5.April 2024 , Az: 2 O 35/24

EUV 2016/679 Art 82

Aufhebung einer Scoresperre im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens

Leitsatz

Zu den Voraussetzung des "venire contra factum propium"

Orientierungssatz

Der Antrag auf Aufhebung auf Aufhebung einer Scoresperre im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens widerspricht dem Antrag im Hauptsacheverfahren, die Beauskunftung von Scorewerten, die den gewünschten Scorewert unterschreiten, an Dritte zu unterlassen.
Der Verfügungskläger begehrt hiermit eine Leistung, die er selbst für rechtswidrig hält und deretwegen er die Verfügungsbeklagte in haftung nehmen möchte.


Langtext

Tenor

1. Der Antrag vom 25.03.2024 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Verfügungskläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.


Tatbestand

Der Verfügungskläger wendet sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die von der Verfügungsbeklagten gegenüber dem Verfügungskläger verhängte Sperre des Datenbestandes zur Beauskunftung der Vertragspartner mit dem Antrag, die sogenannte „Scoresperre“ aufzuheben und eine zukünftige Sperre zu unterlassen bis zur Entscheidung in der Hauptsache.

Die Verfügungsbeklagte ist eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft. Sie betreibt eine Datenbank mit Informationen, die für die Beurteilung von Bonitäten relevant sind. Ihre Vertragspartner übermitteln ihr für die Datenbank relevante Informationen aus den Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden. Die Beklagte speichert diese Informationen als Einträge in ihrer Datenbank, um ihren Vertragspartnern Auskünfte erteilen zu können.

Im Verfahren vor dem Landgericht B. (dortiges Az.: XXX) macht der Verfügungskläger gegen die Verfügungsbeklagte datenschutzrechtliche Ansprüche geltend und hat dort u.a. beantragt,

I. Es wird festgestellt, dass die Erstellung des Bonitätsscores der Klagepartei, also des sog. „Basisscorewerts“, der sog. „Branchenscorewerte“ sowie des sog. „Orientierungswerts“, durch die Beklagte rechtswidrig ist;

II. Die Beklagte wird verurteilt, den Basisscorewert der Klagepartei auf einen Wert ab 97,22 % sowie sämtliche Branchenscorewerte auf 9999 und den Orientierungswert auf einen Wert zwischen 199 und 100 hochzusetzen;

III. Die Beklagte wird verurteilt, bei jeder Abfrage der SCHUFA-Scorewerte betreffend die Klagepartei durch Dritte, hinsichtlich des Basisscorewerts einen Wert in Höhe von mindestens 97,22 %, sämtliche Branchenscorewerte ausschließlich in Höhe von 9999 und hinsichtlich des Orientierungswerts einen Wert zwischen 199 und 100, zu übermitteln;

IV. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder des Vorstands der Beklagten, es zu unterlassen, sämtliche seitens der Beklagten erstellten Scoringwerte betreffend die Klagepartei, dies umfasst den sog. Basisscorewert, den sog. Branchenscorewert sowie den sog. Orientierungswert, hinsichtlich des Basisscorewerts unterhalb 97,22 %, hinsichtlich sämtlicher Branchenscorewerte unterhalb 9999 (Idealwert) und hinsichtlich des Orientierungswerts oberhalb 199, weiteren Personen oder Unternehmen mitzuteilen;

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

(vgl. Seite 2 der Klageschrift vom 07.11.2023)

Nach dem klägerischen Vortrag vor dem Landgericht B. beträgt sein sog. Basisscore derzeit 67,05% von theoretisch möglichen 100%. Branchenscorewerte für Banken und Versandhandel beliefen sich gemäß einer klägerseits vorgelegten Datenkopie vom 08.11.2022 zwischen 59,04% (sehr hohes Risiko) und 94,41% (zufriedenstellendes bis erhöhtes Risiko), vgl. Anl. Ast7.

Die Verfügungsbeklagte verhängte im Hinblick auf das laufende Verfahren vor dem Landgericht B. bis zu dessen Abschluss eine sog. Scoresperre mit der Folge, dass bei entsprechender Abfrage durch die Vertragspartner der Verfügungsbeklagten keine Bonitätsscorewerte mehr übermittelt werden. Die Verfügungsbeklagte hat mit Schreiben vom 22.02.2024 (Anl. Ast3) die Aufhebung der Sperre vor Beendigung des Rechtsstreits vor dem Landgericht B. abgelehnt.

Der Verfügungskläger behauptet,

aufgrund der Maßnahme sei er de-facto vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen, da vielfach, etwa bei Darlehensverträgen, Mietverträgen, Handyverträgen, Online-Handel etc., eine XY-Auskunft benötigt würde. Die Beklagte habe im wirtschaftlichen Rechtsverkehr aufgrund jahrelanger entsprechender Praxis und gesellschaftlicher Akzeptanz einen hohen Stellenwert im Wirtschaftsleben in Form einer quasi Monopolstellung eingenommen. Dies habe zur Folge, dass, ungeachtet der rechtlichen Lage, die grundsätzliche Übermittlung von Scorewerten seitens der Beklagten unabdingbar für die Teilnahme am wirtschaftlichen Rechtsverkehr sei. Die unweigerliche Konsequenz einer Scoresperre sei, dass aus diesem Grund jeglicher Vertragsschluss in Gänze unterbunden, mithin vollkommen unmöglich gemacht würde. Es bestehe weiter konkret die drohende Gefahr der Kündigung von bereits geschlossenen Verträgen. Vielfach würden Vertragspartner der Verfügungsbeklagten auch zu bereits laufenden Vertragsverhältnissen Abfragen vornehmen und würden anhand der dortig übermittelten Informationen die Konditionen oder die Weiterführung des Vertragsverhältnisses neu bewerten. Derartige laufende Abfragen würden regelmäßig vorgenommen und könnten zu der Kündigung bzw. Sperrung u.a. von Kreditkartenverträgen oder Dispokrediten führen. Es sei dabei bereits jetzt abzusehen, dass hieraus unausweichlich tiefgreifende finanzielle Nachteile für den Verfügungskläger resultieren würden, deren Folgen nicht abschätzbar seien.

Insbesondere sei es ihm aufgrund der Scoresperre nicht möglich, einen Kreditvertrag abzuschließen, welchen er benötige, da eine im Familienbesitz befindliche Immobilie, welche die Ehefrau des Verfügungsklägers gemeinsam mit ihrer Schwester geerbt habe, von ihm und seiner Ehefrau übernommen und die Schwester der Ehefrau als Miterbin ausgezahlt werden solle. Es drohe die Zwangsversteigerung.

Er behauptet weiter, dass die Verfügungsbeklagte ihn mit der Sperre sanktionieren wolle aufgrund dessen Geltendmachung der ihm zustehenden Rechte unter dem tragenden Motiv der Nachteilszufügung i.S. einer wirtschaftlichen Schädigung.

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt,

1. der Verfügungsbeklagten aufzugeben, unverzüglich und bis zur Entscheidung in der Hauptsache die gegenüber dem Verfügungskläger verhängte Sperre des Datenbestandes zur Beauskunftung der Vertragspartner, die sogenannte „Scoresperre“, aufzuheben;

2. der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder des Vorstands der Antragsgegnern, untersagt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine erneute Sperre des Datenbestandes des Verfügungsklägers zur Beauskunftung der Vertragspartner, eine sogenannte „Scoresperre“, zu verhängen oder Dritten mitzuteilen für den Verfügungskläger sei eine „Scoresperre“ eingerichtet.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vollständig zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung von der Leistung einer angemessenen Sicherheit in Höhe von nicht weniger als EUR 10.000 abhängig zu machen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet,

es handele sich um eine bloße Schutzmaßnahme, um die angeblichen Folgen einer vermeintlich rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten des Antragsstellers bei der Score-Berechnung und -beauskunftung durch die Antragsgegnerin zu minimieren.

Sie meint, der Verfügungskläger würde sich widersprüchlich entgegen Treu und Glauben verhalten. Es gehe der Verfügungsbeklagten gerade nicht darum, den Antragsteller „wirtschaftlich zu schädigen“, ihn „abzustrafen“ oder ihn gar an der gerichtlichen Durchsetzung zu hindern. Vielmehr sei es der Verfügungskläger, der sich rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen lassen müsse. Obwohl der Verfügungskläger im Klageverfahren vor dem Landgericht B. die Rechtmäßigkeit der Score-Berechnung rügt und sogar eine Abänderung seines Scorewertes einklagt, fordert er die Antragsgegnerin nun dazu auf, die Score-Berechnung und -beauskunftung wieder aufzunehmen. Würde die Verfügungsbeklagte zum Verfügungskläger wieder Scorewerte beauskunften, würde sie die Situation herbeiführen, die der Verfügungskläger im Verfahren vor dem Landgericht B. für rechtswidrig hält und wegen der er seinerseits Schadensersatz verlangt und damit einen etwaigen klägerseits behaupteten Schaden weiter vertiefen.

Der Verfügungskläger habe einen angeblichen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ihm stehe weder ein vertraglicher, noch ein gesetzlicher Anspruch auf Wiederaufnahme der Scorewert-Beauskunftung zu. Die Verfügungsbeklagte habe die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Verfügungsklägers ohne Anerkennung einer Rechtspflicht rechtmäßig eingeschränkt, solange der Verfügungskläger gerichtlich Ansprüche wegen vermeintlich rechtswidriger Datenverarbeitung gegen die Verfügungsbeklagte geltend macht.

Es liege auch kein Verfügungsgrund für den Erlass der begehrten Leistungsverfügung vor. Deren Stattgabe würde eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten.

Insbesondere mangele es auch an gravierenden Umständen, die das Abwarten der Hauptsache unerträglich machen würden. Es bleibe dem Antragsteller unbenommen, dem potentiellen Vertragspartner die eigene Bonität durch die Übermittlung aussagekräftiger Informationen und Dokumente nachzuweisen. Sie seien auf den Score-Wert zum Abschluss eines Vertrages mithin nicht angewiesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit sei nicht glaubhaft gemacht worden.

Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes auf die Antragsschrift vom 29.02.2024 (Bl. 2 ff. d.A.) sowie den Verfügungskläger-Schriftsatz vom 25.03.2024 (Bl. 191 ff. d.A.) und die Schriftsätze der Verfügungsbeklagten vom 14.03.2024 (Bl. 132.A ff. d.A.) und vom 27.03.2024 (Bl. 219 ff. d.A.) verwiesen.

Vor dem Einzelrichter fand am 28.03.2024 eine mündliche Verhandlung statt. Auf das Verhandlungsprotokoll wird Bezug genommen (Bl. 229-232 d.A.).


Entscheidungsgründe

Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.

I. Verfügungsanspruch

Dem Verfügungskläger steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch i.S.v. §§ 935, 940 ZPO bereits nicht zu. Dem Verfügungskläger steht kein Anspruch auf Aufhebung der sog. Scoresperre und auch kein Anspruch auf Unterlassung einer künftigen Sperre sowie Dritten mitzuteilen, dass für den Verfügungskläger eine Scoresperre eingerichtet ist, zu.

1.

Das Begehren des Verfügungsklägers verstößt bereits gegen § 242 BGB in Form des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum propium).

Mit seinen Anträgen im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren setzt er sich nämlich in Widerspruch zu seinem Sachvortrag und seinen Anträgen im Verfahren vor dem Landgericht B.. Die hiesigen Anträge widersprechen u.a. dem Antrag vor dem LG B. eine Unterlassung der Beauskunftung von Scorewerten an Dritte, die den gewünschten Mindestscorewert unterschreiten zu erwirken sowie auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 82 DS-GVO wegen behaupteter unrechtmäßiger Datenverarbeitung. Denn die Stattgabe der hiesigen Anträge hätte genau dies zur Folge, dass die Verfügungsbeklagte wieder – aus Sicht des Verfügungsklägers rechtswidrige – Scorewerte an Dritte mitteilt, dessen Unterlassung und hieraus erwachsene Schadensersatzansprüche u.a. Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht B. sind. Er begehrt mithin eine Leistung, die er selbst für rechtswidrig hält und deretwegen er die Verfügungsbeklagte in Haftung nehmen möchte. Zwar lässt die Rechtsordnung grundsätzlich widersprüchliches Verhalten zu. Anders ist dies aber, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83.A., § 242 Rn. 55 ff.). Solche besonderen Umstände liegen hier aus den genannten Gründen vor. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verfügungsbeklagte, sollte der Verfügungskläger im Verfahren vor dem Landgericht B. obsiegen, einen etwaigen Schaden weiter vertiefen müsste und hierzu durch Stattgabe des einstweiligen Verfügungsantrags gezwungen würde. Es kann nicht das Ziel einer gerichtlichen Entscheidung sein, ein gegebenenfalls rechtswidriges Verhalten zu perpetuieren, für das der Verfügungskläger in einem anderen Verfahren Schadensersatz begehrt.

2.

Vertragliche Ansprüche stehen dem Verfügungskläger nicht zu.

Eine vertragliche Beziehung besteht zwischen den Parteien nicht, sondern ausschließlich zwischen der Verfügungsbeklagten und deren Vertragspartnern, denen sie Bonitätsauskünfte erteilt. Von daher gehen die Ausführungen des Verfügungsklägers zu einem etwaigen Kontrahierungszwang aufgrund behaupteter Monopolstellung der Verfügungsbeklagten fehl. Weder hat die Verfügungsbeklagte einen Vertragsabschluss – welcher Art auch immer – mit dem Verfügungskläger abgelehnt, noch begehrt er die Erzwingung eines Vertrages mit der Verfügungsbeklagten.

3.

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Form des auch fremden Geschäfts.

Ein zugleich eigenes und fremdes Geschäft besorgt der Handelnde, wenn die Übernahme zugleich im eignen und im Interesse eines anderen liegt, d.h. wenn er ein objektiv auch fremdes Geschäft mit besorgt (vgl. Retzlaff, a.a.O. § 677 Rn. 6). Diese Kategorie meint Geschäfte, die ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Geschäftsführer, sondern unmittelbar und nicht nur reflexartig auch einem Dritten zugutekommen (Handeln im Doppelinteresse), wo also neben einer eigenen auch eine objektiv fremde Angelegenheit mit besorgt wird (BeckOK BGB/Gehrlein, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 677 Rn. 15).

Hierfür gibt es keinerlei Anhalt. Die Verfügungsbeklagte besorgt ausschließlich ein Geschäft im Eigeninteresse mit ihren Vertragspartnern, mag dieses auch auf den Rechts- und Interessenkreis des Verfügungsklägers reflexartig ausstrahlen, indem die Mitteilung der Score-Bewertung für Vertragsabschlüsse des Verfügungsklägers hilfreich oder hinderlich sein kann. Die Verfügungsbeklagte besorgt aber nicht auch ein Geschäft des Verfügungsbeklagten dahingehend mit, dass sie diesen bei der Erlangung von Kreditverträgen u.ä. unterstützt i.S. eines Handelns im Doppelinteresses. Auch wenn beim „auch fremden Geschäft“ ein Fremdgeschäftsführungswillen grundsätzlich vermutet wird, liegt dieser in der vorliegenden Konstellation ersichtlich nicht vor. Die Verfügungsbeklagte will kein Geschäft des Verfügungsklägers führen. Sie ist nur auf die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Vertragspartnern mit Gewinnerzielungsabsicht bedacht, während es für sie keine Relevanz hat, welche Konsequenzen diese im Verhältnis des Verfügungsklägers zu seinen potentiellen Vertragspartnern hat. Es ist für die Verfügungsbeklagte schlicht unerheblich, ob der Verfügungskläger mit einem Dritten einen Vertrag schließt.

Darüber hinaus erwächst hieraus auch keine Fortführungspflicht der Verfügungsbeklagten in dem Sinne künftig weiterhin Scoreberechnungen durchzuführen und an Dritte mitzuteilen. Da eine rechtsgeschäftliche Bindung nicht besteht, kann der Geschäftsführer im Grundsatz jederzeit die Ausführung beenden, er ist nicht zur Fortsetzung verpflichtet und muss das Geschäft nicht zu Ende führen (BeckOGK/Thole, 1.8.2023, BGB § 677 Rn. 162).

3.

Aus der DS-GVO ergeben sich keine Ansprüche des Verfügungsklägers im Sinne der gestellten Anträge.

Der Verfügungskläger begehrt im Ergebnis die (Wieder-) Aufnahme der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Verfügungsklägerin in Form des Scorings bzw. einer Übermittlung bonitätsrelevanter Informationen. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch im Zusammenhang mit einer Datenverarbeitung. Diesbezüglich stehen dem Verfügungskläger aber nur die Betroffenenrechte aus Kapitel III der DS-GVO zu. Dort können aber betroffene Personen von einem datenschutzrechtlich Verantwortlichen die Vornahme einer Datenverarbeitung nur dahingehend fordern, dass unrichtige personenbezogene Daten berichtigt werden (Artikel 16 DS-GVO), personenbezogene Daten gelöscht werden (Artikel 17 DS-GVO), ehemalige Empfänger personenbezogener Daten über eine Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten informiert werden (Artikel 19 DS-GVO) oder personenbezogene Daten unter bestimmten Umständen für eine Übertragung bereitgestellt werden (Artikel 20 DS-GVO). Der Verfügungskläger macht keinen derartigen Anspruch geltend, sondern vielmehr eine neue Verarbeitungstätigkeit der Verfügungsbeklagten gegen deren erklärten Willen. Einen solchen Anspruch sieht die DS-GVO aber nicht vor. Auch aus Art. 5 Abs. 1 DS-GVO ergibt sich kein Anspruch auf einen bestimmten Umgang mit erhobenen Daten und erst recht nicht eine gesperrte Auskunft von Daten aufzuheben.

Es kann dahinstehen, ob nationale Anspruchsgrundlagen wegen eines etwaigen Anwendungsvorrangs der DS-GVO ausscheiden.

Zwar hat das OLG Frankfurt/Main ausgeführt, dass Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts, soweit dies auf Verstöße gegen Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten und anderer Regelungen der DSGVO gestützt sind, keine Anwendung finden, weil Vorschriften des DSGVO eine abschließende, weil voll harmonisierende europäische Regelung bilden (BeckOK DatenschutzR/Wolf/Brink DSGVO Einl. Rn. 19). Wegen dieses Anwendungsvorrangs des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts kann ein Anspruch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts gestützt werden (BVerfG NJW 2020, 314 = GRUR 2020, 88 Rn. 64 – Recht auf Vergessen II, mwN). (OLG Frankfurt, 16 U 22/22, Urteil vom 30.03.23; GRUR 2023, 904 Rn. 50, beck-online). Hier geht es aber jedenfalls beim Antrag zu 1.) weder um eine Unterlassung, noch um Schadensersatz, sondern um eine Leistung.

Ansprüche des nationalen Rechts i.S. der Anträge bestehen aber nicht, wie im Folgenden auszuführen ist.

4.

Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog wegen Verletzung absoluter Rechte des Verfügungsklägers wie etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht scheitert zum einen daran, dass hiermit nur die Beseitigung einer Störung oder die Unterlassung künftiger Störungen verlangt werden kann. Der Antrag zu 1. stellt sich aber als ein Leistungsantrag dar. Des Weiteren scheitert der Anspruch daran, dass der Anspruch aus § 1004 BGB analog die Rechtswidrigkeit des Beeinträchtigungszustands voraussetzt (vgl. Herrler, a.a.O., § 1004 Rn. 34).

Die Score-Sperre ist aber nicht rechtswidrig.

a)

Da der Verfügungskläger der Datenverarbeitung in der bisherigen Form (im Verfahren vor dem Landgericht Münster) widersprochen hat, hat die Verfügungsbeklagte die Datenverarbeitung eingeschränkt. Eine solche Einschränkung der Datenverarbeitung sieht Art. 18 DS-GVO vor, weshalb dies nicht rechtswidrig sein kann. Vielmehr hat die Verfügungsbeklagte sich auf die Speicherung der Daten zu beschränken, nachdem eine Einwilligung des Verfügungsklägers (wie sich aus dem Verfahren Landgericht B. ergibt) zur Verarbeitung bestimmter Daten nicht erklärt worden ist. Darüber hinaus gilt für ihn ein Verarbeitungsverbot (vgl. Ehmann/Selmayr/Kamann/Braun, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 18 Rn. 25)

b)

Weiter handelt es sich bei Scorewerten/ Bonitätsmitteilungen um Meinungsäußerungen (vgl. OLG München, Urteil vom 12.03.2014, 15 U 2395/13, Sprau, a.a.O. § 824 Rn. 6). In diesem Rahmen schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht zum Beispiel vor entstellenden oder verfälschenden Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung erheblich beeinträchtigen könnten.

(1)

Eine solche entstellende oder verfälschende Darstellung des Verfügungsklägers liegt aber nicht vor. Die Nichtveröffentlichung eines Score-Wertes stellt eine Nicht-Äußerung dar; die Verfügungsbeklagte enthält sich einer Meinungsäußerung über den Verfügungskläger.

(2)

Auch aus den Mitteilungen der Verfügungsbeklagten an Dritte, dass ein Score-Wert nicht mitgeteilt wird bzw. nicht berechnet werden kann (vgl. Ast4, Bl. 26 d.A.), ergibt sich keine rechtswidrige Beeinträchtigung der Rechte des Verfügungsklägers.

Zum einen fehlt es auch insoweit an einer entstellenden oder verfälschenden Darstellung des Verfügungsklägers. Insbesondere lässt diese Mitteilung keine Rückschlüsse auf die Bonität oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Verfügungsklägers zu. Im Übrigen erteilt die Verfügungsbeklagte schon Auskünfte über den Verfügungskläger, wie etwa Meldungen über (nicht vorhandene) Zahlungsstörungen oder bestehende Vertragsbeziehungen, nur lediglich keinen Scorewert mehr.

Zum anderen ist der Entschluss der Verfügungsbeklagten, eine Beauskunftung zu den Score-Werten des Verfügungsklägers nicht mehr vorzunehmen, in jedem Fall von einem sachlichen Grund getragen. Die Verfügungsbeklagte orientiert sich zunächst, wie oben ausgeführt, an den Vorgaben des DS-GVO und deren Art. 18. Zudem sind für die Verfügungsbeklagte im Hinblick auf das Verfahren vor dem Landgericht Münster letztlich die Folgerungen nicht absehbar, würde sie eine weitere Beauskunftung vornehmen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 06.09.2023, 53 O 167/23).

5.

Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 analog i.V.m. § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung scheitert bereits daran, dass eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht glaubhaft gemacht wurde. Insoweit hat der Verfügungsbeklagte ein etwaiges die Sittenwidrigkeit begründendes Motiv der Verfügungsbeklagten i.S. einer Schädigungsabsicht oder Maßregelung nicht glaubhaft gemacht. Zum anderen ist die Score-Sperre, wie bereits ausgeführt (Ziff. 1, 4 b) (2)), von einem sachlichen Grund getragen. Hierzu noch ergänzend:

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Verfügungsbeklagte auf die Klage des Verfügungsklägers vor dem Landgericht B., mit der er ihr eine rechtswidrige Datenverarbeitung vorwirft, vorübergehend den Datenbestand des Verfügungsklägers für die Beauskunftung an ihre Vertragspartner gesperrt hat und keine Scorewerte für Vertragspartner berechnet und beauskunftet. Denn sollte der Vorwurf des Verfügungsklägers der rechtswidrigen Datenverarbeitung zutreffen und würde die Verfügungsbeklagte die Datenverarbeitung unverändert fortsetzen, bestünde für sie die Gefahr, sich (weiteren) Schadensersatzforderungen auszusetzen. Dass diese Gefahr für sie konkret besteht, zeigt die Klage des Verfügungsklägers vor dem Landgericht B., wo er wegen der angeblich rechtswidrigen Datenverarbeitung und der angeblich unzureichenden Auskunft immateriellen Schadensersatz i.H.v. 5.000,00 € begehrt (vgl. dortiger Klageantrag zu V.); (vgl. LG Bonn Beschluss vom 30.08.2023, 1 O 289/23).

6.

Ein etwaiger Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 analog i.V.m. § 824 BGB scheitert zum einen daran, dass keine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet wird und im Übrigen die Score-Speere aus den o.g. Gründen nicht rechtswidrig ist.

7.

Soweit der Verfügungskläger meint, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich weiterhin aus der Anwendung von § 242 BGB, der darin angelegten Berücksichtigung des Maßregelungsverbots sowie aus der Sozialstaatsklausel, übersieht dieser, dass § 242 BGB keine Anspruchsgrundlage darstellt (vgl. Grüneberg, a.a.O. § 242 Rn. 21), sondern nach seinem Wortlaut vor allem die Art und Weise der Leistung regelt und die Funktionskreise der Konkretisierung, Ergänzung, Schranken und Korrektur von Rechtsbeziehungen enthält (vgl. a.a.O. Rn. 15).

Unabhängig hiervon hat der Verfügungskläger einen behaupteten Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen das Maßregelverbot nicht glaubhaft gemacht. Der Schutz des § 612a BGB, sollte denn dessen Rechtsgedanke hier zur Anwendung kommen, kommt (erst) dann zur Anwendung, wenn das geltend gemachte Recht tatsächlich besteht und in zulässiger Weise ausgeübt wird. Ob das Recht besteht, welches vor dem Landgericht B. geltend gemacht wird, ist hier aber überhaupt nicht ersichtlich und streitig. Ebenso ist eine zu missbilligende Motivation der Verfügungsbeklagten (Sanktion/ Nachteilszufügung) streitig, sehr zweifelhaft sowie nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr hat die Verfügungsbeklagte, wie ausgeführt, tragende sachliche Gründe vorgetragen.

8.

Aus den genannten Gründen kann der Verfügungskläger letztlich auch keinen Anspruch aus § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und gleichheitsrechtlichen Überlegungen herleiten. Denn der Entschluss der Verfügungsbeklagten, eine Beauskunftung zu den Score-Werten des Verfügungsklägers einstweilen nicht mehr vorzunehmen, ist – wie ausführlich dargelegt – in jedem Fall von einem sachlichen Grund getragen (vgl. ebenso LG Stuttgart, a.a.O.).

Im Übrigen ist auch der vorgetragene Ausschluss der Teilhabe am Wirtschaftsleben aufgrund der Sperrung nicht hinreichend nachvollziehbar und glaubhaft gemacht. Es ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass allein wegen der Score-Sperre der Abschluss von Verträgen unmöglich gemacht wird. Denn es bleibt dem Verfügungskläger unbenommen, seine Kreditwürdigkeit auf andere Weise als durch Auskunft durch die Verfügungsbeklagte zu belegen. Zwar ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Nachweis der Kreditwürdigkeit aufgrund der Sperre erschwert ist. Dies muss der Verfügungskläger aber aus den o.g. Gründen hinnehmen. Dass Vertragsabschlüsse verunmöglicht wurden, ist aber weder hinreichend substantiiert vorgetragen, noch glaubhaft gemacht worden. Im Übrigen bestünde bei einem etwaigen Ausschluss, diesen unterstellt, aber auch ein sachlicher Grund, s.o.

9.

Soweit der Verfügungskläger im Schriftsatz vom 25.03.2024 (S.12) Alternativen statt einer Sperre vorschlägt, ist ein diesbezüglicher Anspruch nicht erkennbar. Dies würde zu einer Sonderbehandlung des Verfügungsklägers führen und eine solche Auskunft wäre auch nicht mehr vergleichbar mit den sonstigen Auskünften, die die Verfügungsbeklagte erteilt.

II. Verfügungsgrund

Vorliegend begehrt der Verfügungskläger eine Leistungsverfügung, nämlich mit dem Antrag zu 1.) die Aufhebung der Score-Sperre. Diese dient nicht nur der Sicherung des Verfügungsklägers, sondern führt bereits zu seiner (jedenfalls im beantragten Zeitraum) Befriedigung. Der Antrag zu 2.), ein Verbot der Verhängung einer erneuten Sperre und entsprechender Mitteilung an Dritte, ist ein Folgeantrag, welcher denklogisch nur zum Zuge kommen kann, wenn gemäß dem Antrag zu 1.) die aktuelle Sperre aufgehoben wird.

Die Voraussetzungen dieser Leistungsverfügung liegen aber nicht vor.

Wesentliche Nachteile i.S.v. § 940 ZPO, deren Abwendung mit Hilfe der einstweiligen Verfügung zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands nötig ist, reicht für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die eine endgültige Erfüllung des Anspruchs (für einen bestimmten Zeitraum) anordnet nicht aus.

Eine derartige einstweilige Verfügung kommt nur dann in Betracht, wenn das Bedürfnis des Antragstellers nach der Befriedigung seines Anspruchs so groß ist, dass er ein ordentliches Hauptsacheverfahren nicht abwarten könnte, ohne dass er einen unverhältnismäßig großen irreparablen Schaden erlitte (Saenger/Kemper, ZPO, 10.A., § 940 Rn. 9, beck-online).

Dies hat der Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht. Soweit er vorgetragen hat, ein Basiskonto nicht in ein „normales“ Girokonto umwandeln zu können und ein bereits angefragter Kredit zur Zusammenfassung „verschiedener kleinster Verbindlichkeiten“ bei der C.-Bank nicht möglich sei, fehlt es bereits an der Gefahr eines unverhältnismäßig großen Schadens. Im Übrigen hat der Verfügungskläger auch nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm unmöglich sei, den Nachweis seiner Kreditwürdigkeit auf andere Art und Weise zu führen, zumal er ausführliche Unterlagen seine Bonität betreffend von der Verfügungsbeklagten erhalten hat (vgl. etwa Anlage Ast7). Soweit der Verfügungskläger bezugnehmend auf die Anlage Ast8 vorträgt, es sei zu befürchten, dass auch bei laufenden Verträgen Bonitätsabfragen etwa von Banken bei der Verfügungsbeklagten erfolgen, ist diese Anlage nicht an den Verfügungskläger gerichtet. Es ist auch streitig und nicht glaubhaft gemacht, dass der Verfügungskläger bei der D.-Bank ein Konto unterhält (vgl. Bl. 221 d.A.) und er in seinem Kontext eine Vertragsbeendigung fürchten muss.

Betreffend die Ausführungen des Verfügungsklägers in der eidesstattlichen Versicherung, er könne keinen Kreditvertrag erhalten, um die Schwester seiner Ehefrau auszuzahlen zwecks Übernahme des von der Ehefrau und der Schwester geerbten Hauses, ist nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass eine Auszahlung der Schwester der Ehefrau betreffend ihres Erbanteils im Rahmen der Erbengemeinschaft unmöglich sein soll. Denn selbst wenn dies beim Verfügungskläger aufgrund der Score-Sperre der Fall sein sollte, hat er nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass seine Ehefrau einen entsprechenden Kredit nicht erhalten würde oder anderweitige Möglichkeiten (nicht) bestehen würden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 6 ZPO i.V.m. §§ 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.



Sachgebiete

Bürgerliches Recht

Schlagworte

Scoresperre