LG München I 26. Zivilkammer, Urteil vom
6.Juni 2024 , Az: 26 O 12795/23
GG Art 1 Abs 1 , GG Art 2 Abs 1 , BGB § 823 , BGB § 1004 ,
Fundstellen
AfP 2024, 450-454 (ST)
Langtext
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, zwecks Vorlage bei den Suchmaschinenbetreibern gegenüber dem Kläger ihre Zustimmung zur Entfernung eines Links zu dem Beitrag
„Verdächtige E-Mails und geheimnisvolle Treffen“, abrufbar im Online-Archiv der ... unter dem dort vorgehaltenen Presseartikel vom 11.05.2010 unter ...
aus der Trefferliste der Suchmaschinen bei isolierter Eingabe des Namens ... (ohne Zusätze) zu erteilen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung - hinsichtlich Ziffer 1. in Höhe eines Betrages von 2.500 € und im übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags - vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Unterlassung der Bereithaltung einer identifizierenden Berichterstattung vom 11.05.2010 in dem Online-Archiv der Beklagten sowie die Zustimmung zur Entfernung eines Links zu diesem Artikel aus der Trefferliste der Suchmaschinen bei Eingabe des vollen Namens des Klägers.
Der Kläger ist Gründer und Inhaber der Firma ... Im Jahr 2002 war er in der „Jungen Union“ und im CSU-Kreisverband 9 in München Perlach aktiv. In diesem Jahr kamen erstmals Unregelmäßigkeiten hinsichtlich einer Einflussnahme auf parteiinterne Wahlen und inkorrekte Aufnahmeanträge ans Licht der Öffentlichkeit. Über diese Vorgänge wurde unter den Schlagworten „Münchner CSU-Affäre“ oder „Perlacher CSU-Affäre“ medial berichtet. Auch der Kläger war in diese sog. „CSU-Affäre“ involviert und wurde in diesem Zusammenhang im Mai 2004 vom Amtsgericht München aufgrund der Manipulation an vier Mitgliedsanträgen wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (à 20 Euro) verurteilt. Im Jahr 2005 sagte der Kläger als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags aus, der die Rolle der damaligen bayerischen Kultusministerin ... in der Affäre aufklären sollte. Der diesbezügliche Schlussbericht des Untersuchungsausschusses ist nach wie vor öffentlich zugänglich (Anlage B 1). Seit seiner Verurteilung ist der Kläger nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten und nicht mehr politisch aktiv.
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse ... das Internetportal der entsprechenden Tageszeitung „...“. Dort werden auch ältere Beiträge zeitlich unbegrenzt für jedermann zugänglich vorgehalten, sodass die Website die Funktion eines klassischen Online-Archivs erfüllt.
In diesem Online-Archiv ist auch der streitgegenständliche Artikel der Beklagten vom 11.05.2010 mit der Überschrift „Verdächtige E-Mails und geheimnisvolle Treffen“, in welchem die Beklagte unter namentlicher Nennung des Klägers sowie der weiteren Beteiligten über das System der Manipulation interner Wahlen im Rahmen der sog. „CSU-Affäre“ berichtete, weiterhin zugänglich. Die Beklagte zitiert in dem Artikel unter anderem aus im Jahr 2002 gewechselten Email-Nachrichten, auch zwischen dem Kläger und weiteren Beteiligten der Affäre.
Hinsichtlich des Inhaltes des streitgegenständlichen Artikels wird auf die nach wie vor online im Archiv der Beklagten unter der URL-Adresse ... abrufbare Berichterstattung Bezug genommen.
Der Artikel ist auch über die gängigen Online-Suchmaschinen bei einer namensbasierten Suche bis heute auffindbar. Kombiniert man den Namen des Klägers mit dem Suchbegriff „CSU“, erscheint der Artikel auf der ersten Seite der Trefferliste. Gibt man alleine den Vor- und Nachnamen des Klägers in das Suchfeld ein, erscheint der streitgegenständliche Artikel auf Seite 10 von 12.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2023 ließ der Kläger die Beklagte erstmals von der nach wie vor bestehenden Abrufbarkeit des Artikels und dem aus Sicht des Klägers vorliegenden Persönlichkeitsrechtsverstoß in Kenntnis setzen und auffordern, zumindest den gesamten Klarnamen (Vor- und Zunamen) des Klägers und sein Alter zu schwärzen sowie den Beitrag aus dem Suchindex zu nehmen, sodass der Beitrag allein über die namensbasierte Suche der allgemein zugänglichen Suchmaschinen nicht mehr auffindbar sei (Anlage K 1). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 21.02.2023 ab (Anlage K 2). Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.02.2023 ließ der Kläger die Beklagte abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern (Anlage K 3). Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2023 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte (Anlage K 4). Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche des Klägers mit Schreiben vom 03.07.2023 zurück.
Der Kläger trägt vor, er sei lediglich auf unterster Stufe der Hierarchie in die sog. „CSU-Affäre“ verwickelt gewesen. Als Schlüsselfigur sei der damalige Landtagsabgeordnete ... angesehen worden. Die Kette der Eingeweihten habe sich bis in den engsten Kreis der damaligen bayerischen Kultusministerin ... zurückverfolgen lassen.
Die andauernde Abrufbarkeit des Artikels führe immer wieder zur Konfrontation mit den lange zurückliegenden Vorgängen, was sowohl in seinem privaten als auch beruflichen Umfeld nicht hinzunehmende Probleme schaffe. Dies gelte insbesondere im geschäftlichen Verkehr, in dessen Rahmen sich der Kläger gegenüber potentiellen Kunden immer wieder über sein damaliges Verhalten erklären müsse. Da der Kläger als Versicherungsmakler als Sachwalter der Interessen der Versicherungsnehmer auf deren Seite stehe, ohne vertraglich an eine Versicherungsgesellschaft gebunden zu sein, informierten sich potenzielle Kunden wegen des einzugehenden Vertrauensverhältnisses häufig besonders intensiv und beschränkten sich nicht auf eine oberflächliche Recherche mittels eines flüchtigen Blicks auf die obersten Treffer der google-Suche.
Der Kläger werde durch das fortdauernde Vorhalten des streitgegenständlichen Artikels bzw. dessen identifizierbaren Inhalt im Online-Archiv der Beklagten - auch noch 13 Jahre nach seinem Erscheinen und mehr als 20 Jahre nach dem Gegenstand der Berichterstattung - in der zeitlichen Dimension seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt, ohne dass dies aktuell noch zu rechtfertigen wäre. Mit zeitlicher Distanz sowohl zu der ursprünglichen Tat als auch zu den aktualisierten Geschehnissen gewinne nämlich das Interesse des Täters an einer friedlichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft, ohne von Dritten immer wieder mit seiner lange zurückliegenden Tat konfrontiert zu werden, zunehmend an Bedeutung. Denn die anhaltende Abrufbarkeit der Berichterstattung mache das frühere Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinem damaligen Engagement für die „Junge Union“ permanent wieder öffentlich bekannt, ohne dass neue Erkenntnisse eingetreten wären, die einen für die Öffentlichkeit bedeutsamen, neuen Anlass für eine aktualisierte Berichterstattung über die Taten begründen könnten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der streitgegenständliche Artikel - wie die Beklagte meine - zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung womöglich zulässig gewesen sei und durch die Datumsangabe als Altmeldung erkennbar sei. Denn es sei stets eine aktuelle Interessenabwägung zum Zeitpunkt des Löschungsbegehrens vorzunehmen. Diese Abwägung gehe vorliegend zugunsten des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da insbesondere die Beeinträchtigungen in seinem Berufs- und Familienleben als auch sein zwischenzeitliches Verhalten zur berücksichtigen sei. Denn der Kläger habe sich nie wieder öffentlich zu den damaligen Vorwürfen geäußert und damit sein „Vergessenwerdenwollen“ anstelle einer bewusst herbeigeführten „Reaktualisierung“ durch eigenständiges Begeben in die Öffentlichkeit manifestiert.
Der Kläger ist daher der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Entfernung und Unterlassung der Berichterstattung in Form der Nennung seines gesamten Klarnamens und Alters aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog iVm Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zustehe.
Der Anspruch auf Entfernung des gesamten Klarnamens ergebe sich zudem aus § 23 Abs. 3 S. 4 MStV. Der Kläger macht ferner einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Deindexierung gegenüber Suchmaschinenbetreibern aus §§ 823 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren geltend.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrer Geschäftsführung, ab sofort zu unterlassen, den im Online-Archiv der ... vorgehaltenen Presseartikel vom 11.05.2010 mit der Überschrift „Verdächtige E-Mails und geheimnisvolle Treffen“ zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder zugänglich machen zu lassen, wenn darin der Kläger unter Nennung seines Vornamens und Zunamens oder ins sonst identifizierbarer Weise dargestellt wird, wenn dies wie im oben genannten Beitrag geschieht, wie abrufbar unter ...
2. Die Beklagte wird verurteilt, zwecks Vorlage bei den Suchmaschinenbetreibern gegenüber dem Kläger ihre Zustimmung zur Entfernung eines Links zu dem Beitrag
„Verdächtige E-Mails und geheimnisvolle Treffen“, abrufbar im Online-Archiv der ... unter dem dort vorgehaltenen Presseartikel vom 11.05.2010 unter ...
aus der Trefferliste der Suchmaschinen bei Eingabe des Namens ... zu erteilen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.119,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen
Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe in der „CSU-Affäre“ nicht nur eine untergeordnete Rolle gespielt, sondern habe der - an der Zahl überschaubaren - Gruppe von JU-Mitgliedern angehört, die die Aufnahmeanträge manipulierten und damit den „Inbegriff“ der gegenständlichen „CSU-Affäre“ darstellten. Es sei der Kläger gewesen, der als eigenständiger, volljähriger, in der Öffentlichkeit stehender Nachwuchspolitiker mit gewisser Vorbildfunktion nachweislich das Manipulationssystem mitentwickelt habe, durchgeführt habe und sogar aktiv um Unterstützung hierfür geworben habe. Diese Durchführung des Anwerbens von Neumitgliedern gegen Geldzahlung vermeintlich dokumentiert in zahlreichen E-Mails, zeichne die Affäre aus und stehe im Fokus der streitgegenständlichen Berichterstattung. Hinzu komme, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Affäre als Versicherungskaufmann tätig gewesen sei, es also sogar einen Zusammenhang zwischen der strafrechtlichen Verurteilung und der Tätigkeit des Klägers als Versicherungskaufmann geben könnte, die bis heute von Relevanz sei. Der Kläger habe auch eine herausgehobene Rolle im Hinblick auf die damaligen Vorwürfe gegen ... gehabt, mittelbar also letztlich auch auf ihren Rücktritt, da der Kläger als „Kronzeuge“ ... als „Dirigentin“ der Machenschaften bezeichnet habe.
Der streitgegenständliche Artikel befasse sich mit dem konkreten Vorgehen der fünf Männer, einschließlich des Klägers, betreffend die Korrespondenz, die Treffen und die Absprachen zu den manipulierten Aufnahmeanträgen. Der Artikel beinhalte jedoch noch nicht einmal die Information darüber, dass der Kläger tatsächlich strafrechtlich verurteilt worden sei. Die namentliche Nennung der Beteiligten in der Berichterstattung sei nicht nur zulässig und zulässig gewesen, sondern unabdingbar. Abgesehen davon, dass die Beklagte also nicht die Strafbarkeit des Klägers, sondern das verwerfliche System der Organisation innerhalb der Gruppe zum Kern der streitgegenständlichen Berichterstattung gemacht habe, seien sämtliche Details über die Strafbarkeit des Klägers ohnehin öffentlich zugänglich; und zwar nicht nur in anderen Medienberichten, sondern vor allem in dem offiziellen Schlussbericht des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags.
Die Bereithaltung des streitgegenständlichen Artikels in der ursprünglichen Form sei daher zulässig, da die Berichterstattung offensichtlich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zulässig gewesen sei. Nur ausnahmsweise könne das Vorhalten einer rechtmäßigen Berichterstattung durch Zeitablauf oder durch zwischenzeitlich hinzutretende Umstände eine derart belastende Dimension gewinnen, dass daraus Löschungs-, Auslistungs- oder Nachtragsansprüche erwachsen könnten. Ein solcher Ausnahmefall liege aber nicht vor. Denn die gebotene Abwägung falle zugunsten der Beklagten aus. Der zeitliche Abstand zur „CSU-Affäre“ bzw. zur streitgegenständlichen Berichterstattung sei im Verhältnis zu dem enormen Öffentlichkeitsinteresse - sowohl damals als auch heute noch - immer noch klein. Die gegenständliche Thematik zeichne sich dadurch aus, dass es um die Beeinflussung parteiinterner Wahlen der Münchner CSU, mithin um antidemokratisches Verhalten gehe. Insofern sei auch heute noch ein hohes Aufklärungs- und Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gegeben. Der Kläger sei hingegen lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen. Daher stünde dem Kläger weder ein Anspruch auf Unterlassung, noch ein Anspruch auf Zustimmung im Hinblick auf die Entfernung einer Verlinkung aus der Trefferliste von Suchmaschinen zu.
Die Kammer hat am 12.04.2024 mündlich zur Sache verhandelt. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet. Zwar steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der Bereithaltung des streitgegenständlichen Artikels in identifizierender Form im Online-Archiv der Beklagten zu (nachfolgend unter Ziffer I.). Allerdings erweist sich der Antrag auf Zustimmung zur Entfernung der Verlinkung auf den streitgegenständlichen Artikel aus der Trefferliste der Suchmaschinen bei Eingabe des Klarnamens des Klägers als begründet (nachfolgend unter Ziffer II). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zu (nachfolgend unter Ziffer III).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten gem. §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
1. Zwar stellt das Bereithalten des streitgegenständlichen Artikels im Online-Archiv der Beklagten einen Eingriff in den Schutzbereich des durch §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB iVm Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Denn die Berichterstattung über strafrechtliche Vorwürfe unter namentlicher Nennung des Betroffenen beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs, weil sie mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen des Adressaten negativ qualifiziert (vgl. BGH v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18; BGH v. 16.11.2021 - VI ZR 1241/20; BGH v. 22.02.2022 - VI ZR 1175/20; BGH v. 31.05.2022 - VI ZR 95/21; alle Entscheidungen, auch im Folgenden und soweit nicht gesondert gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen herkömmlicher Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn die den Betroffenen identifizierenden Berichte lediglich auf einer passiven Darstellungsform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (BGH v. 18.12.2018 - VI ZR 439/17).
2. Indessen schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht absolut vor einer Berichterstattung, weil es sich um ein Rahmenrecht handelt, dessen Reichweite nicht absolut festliegt, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange - das Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und das in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerte Recht der Medien auf Meinungs- und Medienfreiheit andererseits - bestimmt werden muss, wobei sowohl die besonderen Umstände des Einzelfalles als auch die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind; nur dann, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt, ist der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtswidrig (BGH v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rz. 20; BGH v. 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, Rz. 15; BGH v. 22.02.2022 - VI ZR 1175/20, Rz. 22; BGH v. 31.05.2022 - VI ZR 95/21, Rz. 17).
2.1 Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Pressearchiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehrens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen. Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten. Denn in diesem Fall hat die Presse bei der ursprünglichen Veröffentlichung bereits die für sie geltenden Maßstäbe beachtet und kann daher im Grundsatz verlangen, sich nicht erneut mit dem Bericht und seinem Gegenstand befassen zu müssen (BGH v. 07.07.2020 - 1 BvR 146/17 m.w.N.).
2.2 Danach wird in einem ersten Schritt zu prüfen sein, ob die streitgegenständliche Berichterstattung ursprünglich zulässig war und in einem weiteren Schritt eine neuerliche Abwägung im Hinblick auf den Zeitpunkt des Löschungsbegehrens vorzunehmen sein. Denn während für eine aktuelle Berichterstattung über Straftaten in der Regel dem Informationsinteresse der Vorrang eingeräumt wird und jedenfalls bezüglich rechtskräftig verurteilter Straftäter grundsätzlich auch identifizierende Berichte als zulässig angesehen werden, verändert sich das Interesse an der öffentlichen Berichterstattung über eine Straftat mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zum Ereignis (BVerfG v. 06.11.2019 - 1 BvR 16/13). Im Rahmen der neuerlichen Abwägung haben die Gerichte daher - soweit die ursprüngliche Berichterstattung zulässig war - insbesondere die Schwere der aus der trotz der verstrichenen Zeit andauernden Verfügbarkeit der Information drohenden Persönlichkeitsbeeinträchtigung, den Zeitablauf seit dem archivierten Bericht, das zwischenzeitliche Verhalten des Betroffenen einschließlich möglicher Reaktualisierungen, die fortdauernde oder verblassende konkrete Breitenwirkung der beanstandeten Pressveröffentlichung, die Priorität, mit der die Information bei einer Namenssuche im Internet kommuniziert wird, das generelle Interesse der Allgemeinheit an einer dauerhaften Verfügbarkeit einmal zulässig veröffentlichter Informationen und das grundrechtliche Interesse von Inhalteanbietern an einer grundsätzlich unveränderten Archivierung und Zurverfügungstellung ihrer Inhalte angemessen zu berücksichtigen. Zumutbar sind einschränkende Maßnahmen gegenüber der unbehinderten und unveränderten Bereitstellung von ursprünglich zulässigen Presseberichten in Onlinearchiven nur, wenn deren Folgen für die Betroffenen besonders gravierend sind und sie damit eine solche Bereitstellung über Einzelfälle hinaus nicht schon grundsätzlich in Frage stellen (BVerfG v. 07.07.2020 - 1 BvR 147/17; BVerfG v. 06.11.2019 - 1 BvR 16/13).
2.2.1 Gemessen an diesen Grundsätzen ist in die Abwägung einzustellen, dass die ursprüngliche Berichterstattung der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt zulässig war. Der Kläger trägt schon selbst nicht vor, dass und aus welchen Erwägungen diese unzulässig gewesen sein soll. Die Abwägung der Kammer führt aber jedenfalls dazu, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Berichterstattung das Öffentlichkeitsinteresse gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsinteresse des Klägers überwogen hat.
2.2.1.1 Bei ansehensbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen wird die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ganz wesentlich vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen bestimmt. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind, unwahre dagegen nicht (BGH v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rz. 21 m.w.N.). Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (BGH v. 11.6.2013, VI ZR 209/12). Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird insoweit regelmäßig erst überschritten, wo die Mitteilung der wahren Tatsachenbehauptung einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (BVerfG v. 8.6.2010, 1 BvR 1745/06, BGH v. 17.10.2023 - VI ZR 192/22).
Aber auch eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, darf demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Für diese Fälle der sogenannten Verdachtsberichterstattung hat der BGH daher Grundsätze aufgestellt, die zur Zulässigkeit der Berichterstattung einzuhalten sind (BGH v. 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, Rz. 20; BGH v. 22.02.2022 - VI ZR 1175/20, Rz. 29; BGH v. 31.05.2022 - VI ZR 95/21, Rz. 24; OLG München v. 01.06.2021 - 18 U 144/21, Rz. 10).
Meinungsäußerungen werden grundsätzlich von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelten Schutz der Meinungsfreiheit erfasst, und zwar auch dann, wenn sie in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder ironisch formuliert sind. Die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung werden dagegen überschritten, wenn die geäußerte Meinung den anderen in der interessierten Öffentlichkeit herabwürdigen soll, wenn es also dem sich Äußernden nicht in erster Linie um ein sachliches Anliegen als vielmehr um die vorsätzliche Kränkung, persönliche Herabsetzung oder Diffamierung des Betroffenen geht (BGH v. 28.06.1994 - Az. VI ZR 274/93 - Rz. 20 m.w.N.; BGH v. 16.12.2014 - Az. VI ZR 39/14 - Rz. 18).
2.2.1.2 Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend - unabhängig davon, ob der Artikel an einigen Stellen in Verdachtsform gehalten wird - jedenfalls, soweit es sich um Tatsachenbehauptungen handelt, durchgehend um wahre Tatsachenbehauptungen. Insoweit sind die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich der Kläger wegen der Manipulation von Aufnahmeanträgen mit gefälschten Unterschriften strafbar gemacht hat und auch wegen Urkundenfälschung verurteilt wurde. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die Berichterstattung der Beklagten über den Inhalt der E-Mails oder im Hinblick auf den weiteren Inhalt des Artikels unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte. Soweit in dem Artikel darauf aufbauend auch Meinungsäußerungen enthalten sind, gründen auch diese in der Folge auf einer fundierten Tatsachengrundlage. Dass etwa Meinungsäußerungen in Form einer „Schmähung“ enthalten seien, wird von dem Kläger ebenfalls nicht vorgetragen.
2.2.1.3 Diese wahren Tatsachenbehauptungen müssen von dem Kläger hingenommen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, da insoweit lediglich die Sozialsphäre betroffen ist, denn die Berichterstattung bezieht sich ausschließlich auf die politische Tätigkeit des Klägers. Soweit sich aber der Kläger selbst politisch engagiert und damit einen Schritt in die Öffentlichkeit vornimmt, muss er sich auch eine Berichterstattung über seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der politischen Arbeit gefallen lassen, jedenfalls wenn es sich um wahre Tatsachenbehauptungen handelt. Auf der anderen Seite kommt der Berichterstattung ein enorm hoher Öffentlichkeitswert zu. Denn die Thematik hinsichtlich der Manipulation betrifft nicht nur die alle Bürger betreffenden Grundlagen der Demokratie, sondern stellt darüber hinaus auch die Integrität der „im Interesse der Bürger“ handelnden Politiker in Frage. An der konkreten Straftat der Urkundenfälschung durch einen Politiker im Zusammenhang mit demokratischen Wahlen, besteht daher anders als in Bezug auf andere Straftaten ein gesteigertes Interesse der Presse, die Öffentlichkeit über derartige Vorgänge zu informieren. Die Öffentlichkeit wiederum ist in ganz besonderem Maße darauf angewiesen, durch die Presse solch wesentliche Informationen zu erlangen, um sich auch für die eigene Wahlentscheidung und politische Meinungsbildung ein Bild über parteiinterne Vorgänge machen zu können. Ferner kommt auch grundsätzlich einer aktuellen Berichterstattung über Straftaten, und insbesondere solchen, die von Personen des öffentlichen Lebens begangen werden, ein enorm hohes Informationsinteresse zu. Damit besteht kein Zweifel, dass die Berichterstattung auch mit der namentlichen Nennung des Klägers jedenfalls zum Zeitpunkt der Berichterstattung zulässig war.
2.2.2 Auch die neuerliche Abwägung im Zeitpunkt des Löschungsbegehrens führt zu einer weiteren Zulässigkeit der Bereithaltung des streitgegenständlichen Artikels.
2.2.2.1 Auf Seiten des Klägers ist in die Abwägung einzustellen, dass seit den Ereignissen um die zitierten E-Mails im Jahr 2002, der Verurteilung des Klägers im Jahr 2004, der Aussage im Untersuchungsausschuss im Jahr 2005 und der streitgegenständlichen Berichterstattung im Jahr 2010 viele Jahre vergangen sind. In diesen Jahren ist der Kläger nicht mehr politisch aktiv gewesen, nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat sich auch nicht mehr mit dieser Thematik an die Öffentlichkeit gewandt. Die Kammer berücksichtigt ferner, dass die streitgegenständliche Berichterstattung bei einer namensbasierten Suche mit dem Zusatz „CSU“ bei Google auf der ersten Seite erscheint und auch - wenn auch nur auf Seite 10 von 12 - auffindbar ist, soweit nur der Klarname des Klägers eingegeben wird. Damit ist nicht auszuschließen, dass der Kläger in seinem Beruf als Versicherungsmakler, in welchem er eine besondere Vertrauensstellung für seine Kunden ausübt, immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Insofern hat der Kläger ein berechtigtes Interesse auf Resozialisierung, wobei er davor zu schützen ist, dass er sich nicht unbegrenzt frühere Fehler vorhalten lassen muss.
2.2.2.2 Auf der anderen Seite ist allerdings zu berücksichtigen, dass das öffentliche Interesse an der streitgegenständlichen Thematik auch nach dem vorliegenden Zeitablauf nach wie vor enorm hoch ist, da die Ereignisse die demokratischen Werte insbesondere auch von Politikern einer großen Partei in Frage stellen. An der Berichterstattung besteht vor diesem Hintergrund ein „zeitloses“ Interesse der Allgemeinheit und eben nicht, wie bei manch anderen Geschehnissen lediglich ein (tages-) aktuelles. Wenn dem Kläger auch beizupflichten ist, dass mit Zeitablauf das öffentliche Interesse an einer Straftat grundsätzlich nachlässt, so besteht hier die Besonderheit, dass es sich um eine Straftat handelt, die die Allgemeinheit und die demokratischen Werte betrifft und daher im Gegensatz zu anderen Straftaten, bei welchem sich das Interesse der Allgemeinheit wesentlich aus der Neugierde ableitet, auch langfristig Öffentlichkeitswert hat. Insofern bleibt gerade bei der vorliegenden Straftat ein hohes öffentliches Interesse auch im jetzigen Zeitpunkt besteht. Die interessierte Leserschaft muss nach wie vor die Möglichkeit haben, über die Ereignisse um die „CSU-Affäre“ zu recherchieren. Dazu gehört dann auch die Information über die Beteiligten an dieser Affäre und deren Namensnennung. Die Beeinträchtigung des Klägers wird dabei insoweit abgemildert, als der Artikel als Altmeldung gekennzeichnet ist, so dass die Ereignisse bei der Recherche auch zeitlich eingeordnet werden können (vgl. hierzu BGH v. 18.12.2018 - VI ZR 439/17).
2.2.2.3 Im Ergebnis fällt die Abwägung daher zu Lasten des Klägers aus. Denn die Pressefreiheit würde in unzulässiger Weise eingeschränkt, würde man zu dem Ergebnis gelangen, dass eine im Zeitpunkt der Veröffentlichung zulässige identifizierende Berichterstattung über wahre Tatsachenbehauptungen im Hinblick auf eine Straftat, die von öffentlichem Interesse war und nach wie vor ist, nunmehr zu unterlassen wäre. Denn die Aufgabe der Presse besteht nicht nur darin, über aktuelle Geschehnisse zu berichten, sondern der Öffentlichkeit auch die Möglichkeit zu geben, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse anhand unveränderten Originalberichte in den Medien recherchieren zu können. Dementsprechend nehmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten (BGH, Urteil vom 18.12.2018 - VI ZR 439/17). Die Kammer kommt damit zu dem Ergebnis, dass nur in Ausnahmefällen, in welchen eine besonders hohe Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Bereithaltung des Artikels vorgetragen wird, ein Unterlassungsanspruch begründet sein könnte. Grundsätzlich sind aber einmal zulässigerweise veröffentlichte Berichte auch zulässigerweise im Archiv bereitzuhalten. Denn alles andere würde zu einer Verfälschung der Geschichte und öffentlichkeitswirksamer Ereignisse führen, über welche sich auch (politisch) interessierte nachfolgende Generationen informieren möchten. Das Informationsinteresse besteht dann aber auch an einer unverfälschten und lückenlosen Berichterstattung über vergangene Ereignisse. Dieses Recht auf Information schließt in der Folge auch zwingend die Namensnennung der wesentlichen Personen eines vergangenen Ereignisses mit ein.
2.2.3 Dem Kläger steht daher kein Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung zu.
2.3 Soweit sich der Kläger hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs auf § 23 Abs. 3 S. 4 MStV bezieht, führt die insoweit gebotene Abwägung zu demselben Ergebnis.
3. Der Kläger hat dementsprechend keinen Anspruch auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten.
II.
Dem Kläger steht allerdings ein Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Zustimmung der Beklagten zur Entfernung eines Links zu dem streitgegenständlichen Beitrag aus der Trefferliste der Suchmaschinen zu, jedenfalls - und so ist der Antrag nach Auffassung der Kammer zu verstehen - soweit ausschließlich der Vor- und Zuname des Klägers eingegeben wird.
1. In seiner Entscheidung „Recht auf Vergessen I“ vom 06.11.2019 (1 BvR 16/13) hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass im Rahmen der Abwägung der Rechte des Betroffenen und der Medien auch mögliche Abstufungen hinsichtlich der Art von Schutzgewähr berücksichtigt werden müssen. Insoweit wäre zu prüfen, ob die oben dargestellten unterschiedlichen Interessenlagen ggf. durch etwaige Zwischenlösungen zwischen der vollständigen Löschung individualisierender Angaben einerseits und deren uneingeschränkter Hinnahme andererseits in Einklang gebracht werden können. Zu berücksichtigen ist deshalb, wieweit dem Betreiber eines Onlinearchivs Mittel zu Gebote stehen, zum Schutz der Betroffenen auf die Erschließung und Verbreitung der Berichte im Netz Einfluss zu nehmen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Suchmaschinen, die über die Verbreitung im Netz maßgeblich mitentscheiden (BVerfG v. 06.11.2019 - 1 BvR 16/13). Denn das berechtigte Interesse des Betroffenen richtet sich insbesondere darauf, nicht immer wieder mit vergangenen Geschehnissen konfrontiert zu werden, sobald Geschäftspartner oder Bekannte durch eine namensbasierte Suchanfrage bei Google auf die archivierten Artikel stoßen. Umgekehrt wird das berechtigte Interesse der Presse sich insbesondere darauf richten, einen einmal zulässig veröffentlichten Presseartikel in unveränderter Form im Online-Archiv weiterhin bereithalten zu können. Bei der Suche nach etwaigen Zwischenlösungen ist auch hier zwischen den widerstreitenden Interessen abzuwägen, wobei in die Abwägung auch einzustellen ist, ob etwaige Zwischenlösungen als milderes Mittel den Medienunternehmen zumutbar sind (BVerfG v. 06.11.2019 - 1 BvR 16/13).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist daher vorliegend ausgehend von der oben dargestellten Beeinträchtigung des Klägers angesichts der Gefahr fortwährender Konfrontation mit den Geschehnissen trotz eines Zeitablaufs von nunmehr 14 Jahren nach Erscheinen des Artikels und dem berechtigten Interesse der Beklagten auch nach diesem Zeitablauf aufgrund des nach wie vor bestehenden Öffentlichkeitsinteresses, den Artikel in seiner ursprünglichen Form zu Recherchezwecken bereit zu halten, die von dem Kläger beantragte Zwischenlösung gemäß Antrag Ziffer 2 zum Ausgleich der berechtigten Interessen sachgerecht. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beklagten insoweit auch keine Maßnahme von erheblichem (auch technischem) Aufwand auferlegt wird. Vielmehr ist die bloße Zustimmung, die der Kläger insoweit gegenüber den gängigen Suchmaschinen für die Entfernung des entsprechenden Links nutzen kann, jedenfalls zumutbar. Diese Zwischenlösung ist für die Beklagte so niederschwellig, dass diese im Rahmen der Abwägung auch vor dem Hintergrund, dass bei einer namensbasierten Suche der Artikel erst auf Seite 10 von 12 auftaucht, noch gerechtfertigt ist. Zwar besteht für die Beklagte auch keine generelle Pflicht zur ständigen Überprüfung des Online-Archivs auf eine mögliche veränderte Bedeutung personenbezogener Informationen. Soweit aber wie im vorliegenden Fall eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen gegenüber der Presse angezeigt wird und entsprechende Maßnahmen in der Abwägung als gerechtfertigt erscheinen, hat der Betroffene jedenfalls Anspruch auf das Treffen zumutbarer Vorkehrungen, die zumindest gegen die Auffindbarkeit der Berichte durch Suchmaschinen bei namensbezogenen Suchabfragen einen gewissen Schutz bieten, ohne die Auffindbarkeit und Zugänglichkeit des Berichts im Übrigen übermäßig zu hindern (BVerfG v. 06.11.2019 - 1 BvR 15/13). Denn zu berücksichtigen ist vorliegend, dass jedenfalls für die politisch interessierte Leserschaft, die sich gezielt über die „CSU-Affäre“ informieren möchte, der Artikel bei der Eingabe „CSU“ und des Namens des Klägers auffindbar bleibt. Damit ist dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit ausreichend Genüge getan.
Inwieweit der Beklagten zumutbar auferlegt werden kann, technische Vorkehrungen zur Entfernung etwaiger Links zu treffen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn der Kläger macht insoweit lediglich das mildeste Mittel der Zustimmung der Beklagten geltend.
3. Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass ein sachgerechter Ausgleich der Interessen durch die zu erteilende Zustimmung erreicht werden kann und infolgedessen ein Anspruch des Klägers hierauf besteht.
III.
Dem Kläger steht schließlich kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu.
Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn es sich um eine berechtigte vorgerichtliche Abmahnung handelt. Vorliegend richtete sich die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche auf einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die identifizierende Berichterstattung sowie auf die zusätzliche Entfernung des Beitrages aus dem Suchindex. Ein solcher Unterlassungsanspruch ist vorliegend aber nicht gegeben. Auf die Ausführungen unter Ziffer I wird Bezug genommen. Der nunmehr klageweise geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Entfernung eines Links zu dem streitgegenständlichen Beitrag aus der Trefferliste der Suchmaschinen bei Eingabe des Namens des Klägers wurde aber vorgerichtlich nicht geltend gemacht. Insoweit sind daher die vorgerichtlichen Abmahnkosten nicht ersatzfähig.
IV.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.