LG Wiesbaden 14. Zivilkammer, Beschluss vom
15.August 2024 , Az: 14 O 118/24
EUV 2016/679 § 16
Antrag auf Änderung eines Basisscorewertes im einstweiligen Verfügungsverfahren
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen des Art. 16 DSGVO
Orientierungssatz
Ein Anspruch aus Art. 16 DSGVO käme allenfalls dann in Betracht, wenn dadurch bei der Antragsgegnerin unrichtige personenbezogene Daten berichtigt würden. Bei den sog. Scorewerten handelt es sich jedoch nicht um falsch oder richtige personenbezogene Daten, sondern um eine Meinungsäußerung (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2011 - VI ZR 120/10 - juris).
Langtext
Tenor
1. Der Antrag vom 05.08.2024 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche im Zusammenhang mit einem angeblichen Verstoß der Beklagten gegen die DSGVO geltend. Hintergrund sind zwei Zahlungsstörungen, die die Fa. T der Antragsgegnerin gemeldet hat und die unstreitig gelöscht sind.
Die erste Meldung stammt vom Februar 2015. Die T informierte die Antragsgegnerin über die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung eines Vertrages mit der Antragstellerin wegen Zahlungsrückständen. Im März 2015 kündigte die T den Vertrag fristlos. Im April 2015 meldete die T der Antragsgegnerin Zahlungsstörungen der Antragstellerin aus einem Vertrag und meldete bis November 2023-monatlich ausstehender Salden. Ende Dezember 2023 meldete die T der Antragsgegnerin die Forderung zum 30.11.2023 als ausgeglichen/erledigt. Darauf markierte die Antragsgegnerin die Forderung in ihrem Datenbestand als erledigt. Mit Schreiben vom 14.12.2023 bezeichnete die Antragstellerin diese Forderung als berechtigt. Die weitere Speicherung bezeichnete sie als nicht korrekt und forderte, die Meldung sofort zu löschen. Die Information sei unrichtig, da nicht mehr die T, sondern die C.-Inkasso-Dienst GmbH (nachfolgend C.-Inkasso) die Forderung betreibe. Die C.-Inkasso machte gegenüber der Antragsgegnerin keine Meldung. Vor diesem Hintergrund löschte die Antragsgegnerin die Information zu dieser Zahlungsstörung am 30.01.2024 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus ihrem Datenbestand.
Die zweite Zahlungsstörung wurde der Antragsgegnerin von der T zum 24.03.2023 gemeldet. Bis zum 10.12.2023 meldete die T der Antragsgegnerin zu dieser Forderung monatlich ausstehender Salden. Mit Schreiben vom 14.12.2023 widersprach die Antragstellerin dieser Forderung gegenüber der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin löschte die Information am 21.12.2023 ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht aus ihrem Datenbestand.
Am 22.03.2024 eröffnete die Antragstellerin ein Girokonto bei der D.-Bank AG. Unter dem 23.04.2024 bestätigte die Antragsgegnerin der Antragstellerin in einem sogenannten XY BonitätsCheck, dass ausschließlich positive Bonitätsinformationen über die Antragstellerin vorliegen (Anlage ASt 9). Der von der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin abgefragte XY-Baisscore lag am 02.02.2024 bei 89,28 %, am 01.04.2024 bei 83,3 % und am 01.07.2024 bei 71,95 %.
Die Antragstellerin behauptet, der von der Antragsgegnerin ermittelte Basisscore basiere auf einer falschen Tatsachengrundlage. Es stünde fest, dass Negativeinträge in den Basisscore einbezogen worden sein müssten, obwohl nach eigener Auskunft der Antragsgegnerin der Datenbestand betreffend die Antragstellerin ausschließlich positive Bonitätinformationen enthält. Andernfalls würde der Basisccore nicht lediglich 71,75 % betragen. Er müsste bei tadelloser Selbstauskunft mindestens 97 % betragen.
Die Klägerin behauptet, aufgrund des schlechten Basisscores könne sie derzeit keine Geschäfte abwickeln. Sie habe zahlreiche Ablehnungen erhalten, als sie entsprechende Dienstleistungen anfragte, insbesondere eine Absage zur Eröffnung eines Girokontos von der E-Bank und die Ablehnung einer Bestellung durch F.-Payments. Sie werde durch den in keiner Weise nachvollziehbar ermittelten Basisscore gehindert, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Insbesondere könne sie keine Geschäfte des täglichen Lebens, wie z.B. Bestellvorgänge tätigen oder ein Girokonto eröffnen. Durch den schlechten Scorewert der Antragsgegnerin sei sie faktisch zahlungsunfähig erklärt worden. Dies führe dazu, dass bestehende Partner wie die Hausbank der Antragstellerin ihr keinerlei reguläre Kontoführung ermöglichten. Dazu gehörten Dinge wie Regelkredite, Baufinanzierung und Dispositionskredite. Infolgedessen seien sie und ihr Ehemann gezwungen, für sämtliche Anschaffungen auf ihre Ersparnisse zurückzugreifen. Ihr finanzieller Spielraum sei erschöpft und ihre Liquidität massiv eingeschränkt. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird auf die Antragsschrift vom 05.08.2024, Seite 8 f., Bezug genommen.
Sie ist der Auffassung, sie habe Anspruch darauf im Hinblick auf den Bonitätsscore, so gestellt zu werden, wie sie ohne Berücksichtigung der zwischenzeitlich gelöschten Negativeinträge stünde. Der Anspruch auf Berichtigung ihres Basisscores ergebe sich aus § 16 DSGVO.
Angesichts der hohen Bedeutung von Bestellvorgänge im Rahmen des täglichen Lebens für Konsumgüter sowie des Bedürfnisses, ein Girokonto zu eröffnen und zu führen, erschiene es unangemessen, die Antragstellerin auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.
Die Antragstellerin beantragt.
der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Verfügung geboten, den in ihrem Datenbestand bezüglich der Antragstellerin eingetragenen sog. Basisscore auf denjenigen Stand zu setzen, wie er unter Beachtung des Umstands, dass im Datenbestand der Antragsgegnerin bezüglich der Antragstellerin ausschließlich positive Bonitätsinformationen vorliegen, stünde.
hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Verfügung geboten, den sog. Basisscore wieder auf mindestens 97 Prozent Bonität heraufzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie behauptet, der Basisscore werde von ihr nicht an Vertragspartner weitergegeben, sondern diene ausschließlich Ihrer eigenen Information und Orientierung. Bei der taggenauen Berechnung von Scorewerten würden gelöschte Zahlungsstörungen generell nicht berücksichtigt. Dies gelte auch im Falle der Antragstellerin. Entsprechend habe sie Scorewerte zur Antragstellerin ohne Berücksichtigung bereits gelöschte Information über frühere Zahlungsstörungen beauskunftet, dies jeweils mit Scorewerten zwischen 92,06 % und 96,22 % (Anlage AG 11).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragsschrift vom 05.08.2024, Bl. 1 ff.d.A., Sowie auf die Antragserwiderung vom 13.08.2044, Bl. 20 ff. d.A., Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet.
Bereits nach dem Vortrag der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, dass ihr ein Anspruch aus Art. 16 DSGVO auf Änderung des von der Antragsgegnerin gespeicherten Basisscores zusteht. Ein solcher Anspruch käme allenfalls dann in Betracht, wenn dadurch bei der Antragsgegnerin unrichtige personenbezogene Daten berichtigt würden. Bei den sog. Scorewerten handelt es sich jedoch nicht um falsche oder richtige personenbezogene Daten, sondern um eine Meinungsäußerung (vgl. BGH, Urteil vom 22.02. 2011 – VI ZR 120/10 –, juris). Die Antragstellerin begehrt hier im Ergebnis, die Antragsgegnerin zur Abgabe einer von ihrer tatsächlichen Meinung abweichenden, den Vorstellungen der Antragstellerin entsprechenden Meinungsäußerung. Eine Anspruchsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich.
Dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da die Antragstellerin auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Eine Leistungsverfügung, also eine auf Erfüllung gerichtete einstweilen Verfügung setzt neben Bestehen eines Verfügungsanspruchs einen Verfügungsgrund nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO voraus, d.h. es muss ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme bestehen. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist (OLG Düsseldorf NJW-RA 96,124; Vollkommer in Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 940 Rn. 6). Eine Leistungsverfügung ist insbesondere bei Not-/Zwangslage oder Existenzgefährdung und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (OLG Bremen, NJW 2019,182; OLG Köln NJW-RR 95, 1088).
Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Zum einen ist die erforderliche Dringlichkeit nicht gegeben. Der Antragstellerin war ihrem eigenen Vorbringen zufolge ihr aus ihrer Sicht zu niedrige Basisscore seit dem 02.02.2024 bekannt. Der Antrag auf Erlass einer einstweilen Verfügung ist jedoch erst am 05.08.2024 und damit gut 6 Monate bei Gericht eingegangen. Sie hat damit einen so erheblichen Zeitraum zugewartet, dass selbst wenn ursprünglich Eilbedürftigkeit gegeben gewesen wäre, diese nunmehr entfallen ist.
Unabhängig davon hat die Antragstellerin auch nicht das für den Erlass einer Leistungsverfügung notwendige Vorliegen einer besonderen Not-/Zwangslage oder Existenzgefährdung glaubhaft gemacht. Sie hat lediglich allgemein auf Nachteile im Wirtschaftsleben durch einen schlechten Basisscore hingewiesen und behauptet, sie könne kein Girokonto eröffnen und keine Bestellungen im Internet tätigen. Außerdem könne sie keinen Kredit aufnehmen und den Telefon- oder Stromanbieter nicht wechseln. Zur Glaubhaftmachung konkreter Nachteile, die es objektiv berechtigt erscheinen lassen, die Antragstellerin nicht auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen, genügt dies nicht, zumal die entsprechenden Behauptungen nicht nur nicht glaubhaft gemacht, sondern sogar teilweise widerlegt sind. So hat die Antragstellerin neben ihrem bereits bestehenden Girokonto bei der Sparkasse zum 22.03.2024 ein weiteres Girokonto bei der E.- Bank AG eröffnet (Anlage AG 12). Es war ihr auch möglich, im Januar 2024 einen neuen Stromlieferungsvertrag abzuschließen (Anlage AG 13, AG 14). Aus der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Anlage ASt 8 ergibt sich nichts anderes. Zum einen lässt der Screenshot mit der Ablehnung der C.-Bank hinsichtlich der Eröffnung eines Girokontos nicht erkennen, von wann die Ablehnung datiert. Zum anderen ergibt sich aus der Ablehnung auch kein konkreter Zusammenhang mit einem bei der Antragsgegnerin hinterlegten Scorewert. Auch das Schreiben von D.-Payments vom Dezember 2023 belegt keine nennenswerte Beeinträchtigung bei der Teilnahme am Wirtschaftsleben. Darin wurde das Kaufangebot der Antragstellerin nicht abgelehnt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass dies nur gegen Vorkasse möglich ist. Dazu, weswegen dies unzumutbar sein sollte, hat die Antragstellerin nichts vorgetragen. Schließlich hat sie zum Bestehen eines akuten Kreditbedarfs und dazu, dass sie nicht über hinreichende Rücklagen für kurzfristig auftretenden Finanzbedarf verfügt, lediglich pauschal und allgemein vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.