OVG Saarlouis 2. Senat, Beschluss vom
25.Oktober 2024 , Az: 2 B 163/24
SchulPflG SL § 1 Abs 1 , SchulPflG SL § 13 Abs 1 S 1 Alt 1 , SchulPflG SL § 8 , GG Art 6 Abs 2 S 1 , GG Art 7 Abs 1 , SchulPflG SL § 13 Abs 2 ,
Ruhen der Schulpflicht zwecks Besuchs einer Fernschule
Leitsatz
1. Vor der Anordnung des Ruhens der Schulpflicht ist - als vorrangiges Mittel schulischer Förderung - auf die Option des Krankenhaus- und Hausunterrichts (hier in Gestalt einer "Online-Schule") zu verweisen.
2. Unter Berücksichtigung der die Schulpflicht rechtfertigenden Gründe muss eine Befreiung von der Schulpflicht Ausnahmecharakter haben.
Orientierungssatz
Vgl. zu Leits. 2: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.7.2014 – 9 S 897/14 –.
Verfahrensgang
vorgehend VG Saarlouis 27.08.2024 1 L 937/24
Langtext
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27.8.2024 – 1 L 937/24 – wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 8.11.2009 geborene Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Befreiung von der Schulpflicht zwecks Besuchs einer Fernschule.
Seit Februar 2022 nimmt die Antragstellerin aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr am Präsenzunterricht teil. Im folgenden Schuljahr erhielt sie in fünf Fächern Hausunterricht, wobei ein Abschluss der Klassenstufe 8 und die Versetzung in die Klassenstufe 9 nicht gelang. Eine Aufnahmeprüfung in die Klassenstufe 9 verlief ebenfalls ohne Erfolg. Im Schuljahr 2023/2024 folgte wiederum Hausunterricht in der Klassenstufe 8, wobei in diesem Schuljahr nur noch zwei Hauptfächer (Deutsch und Mathematik) angeboten werden konnten.
Mit Antrag vom 29.3.2024 begehrte die Antragstellerin durch ihre Mutter ein Ruhen der Schulpflicht und verwies auf die Erfolglosigkeit des Hausunterrichts in ihrem Fall. Auch in diesem Jahr sei ein erfolgreicher Abschluss der Klassenstufe 8 auf Grundlage des Hausunterrichts nicht möglich. Sie begehre ein Ruhen der Schulpflicht, um an dem Unterricht der „C.-Fernschule“ teilzunehmen, die individuelles Lernen ermögliche. Zur Begründung verwies die Antragstellerin unter anderem auf eine Stellungnahme ihrer behandelnden Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 13.3.2024, die für die Antragstellerin die Diagnose „Dysthymia“ und „Soziale Phobie“ auswies und in der ausgeführt war, der Schwerpunkt der Behandlung liege seit dem Jahr 2021 auf sozialer Unsicherheit und dem Gefühl „von niemanden akzeptiert zu werden“. Ein regulärer Schulbesuch sei (weiterhin) nicht möglich und der aktuelle Haus- und Krankenunterricht sei nicht ausreichend, um einen Schulabschluss zu erreichen. Der Antragstellerin solle dringend eine positive Schulerfahrung gewährt werden, um die Motivation zum selbstbestimmten Lernen wiederherzustellen.
Per E-Mail vom 9.4.2024 teilte der Antragsgegner den Eltern der Antragstellerin mit, dass nach § 13 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes (SchulPflG SL) das Ruhen der Schulpflicht auf Antrag unter anderem für Schülerinnen und Schüler mit einer Erkrankung, die nicht im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts beschult werden könnten, angeordnet werden könne. Diese Situation liege indes bei der Antragstellerin nicht vor, weil sie aktuell im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts unterrichtet werde. Durch den Besuch der C.-Fernschule sei die Erfüllung der im Saarland bestehenden Schulpflicht nicht möglich. Da sie ihren Wohnsitz im Saarland habe, sei sie verpflichtet, der saarländischen Schulpflicht nachzukommen. Allerdings stehe der Antragsgegner – zusammen mit der von der Antragstellerin bislang besuchten Schule und mit dem Bereich des Krankenhaus- und Hausunterrichts – für eine Abstimmung betreffend die weitere Gestaltung der Beschulung der Antragstellerin zur Verfügung. So bestünde die Möglichkeit, dass die Antragstellerin im Schuljahr 2024/2025 an der Nichtschülerprüfung für den Hauptschulabschluss teilnehme. Die Klassenkonferenz habe die Möglichkeit, ausnahmsweise eine nochmalige Wiederholung zu gestatten, wenn der Schüler/die Schülerin die Gründe für die Minderleistung nicht zu vertreten habe. Sollte die Klassenkonferenz dies im Fall der Antragstellerin beschließen, müsse sie die Schule am Ende des Schuljahres nicht verlassen und hätte die Möglichkeit, bis zur Prüfungsanmeldung am 1.2.2025 Schülerin der Schule zu bleiben. Damit würde die saarländische Schulpflicht erfüllt und es bestünde die Möglichkeit, weiterhin im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts unterrichtet und auf die Prüfung, die voraussichtlich im Mai 2025 stattfinden werde, vorbereitet zu werden. Auf Antragsgegnerseite würde gemeinsam intensiv geprüft, inwiefern eine Aufstockung der bisherigen Stunden des Krankenhaus- und Hausunterrichts vor diesem Hintergrund realisiert werden könne. Eine zusätzliche Betreuung durch das Bildungsangebot der C.-Fernschule sei im Rahmen einer privaten Initiative selbstverständlich nicht ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 6.6.2024 bat die Antragstellerin durch ihre Mutter unter Hinweis auf ihren Antrag vom 29.3.2024 um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
Mit Bescheid vom 3.7.2024 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Ruhen der Schulpflicht betreffend die Antragstellerin ab und teilte mit, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes fallbezogen nicht erfüllt seien. Sie habe ihre Schulpflicht durch Besuch eines hierfür vorgesehenen schulischen Angebots, im vorliegenden Fall mittels des Krankenhaus- und Hausunterrichts, zu erfüllen. Gerne stehe der Antragsgegner für eine weitere Abstimmung zur Verfügung, wie die zukünftige Beschulung der Antragstellerin konkret gestaltet werden könne.
Per E-Mail vom 5.7.2024 teilte die Landesbeauftragte für den Krankenhaus- und Hausunterricht gegenüber dem Antragsgegner mit, dass die Mutter der Antragstellerin auf die Möglichkeit der erstmalig zum Schuljahr 2024/2025 angebotenen „Online-Schule“ des Krankenhaus- und Hausunterrichts hingewiesen worden sei, sie dies jedoch ablehne, weil in diesem Projekt zwar Hauptfächer unterrichtet würden, Nebenfächer jedoch in Eigenregie erarbeitet werden müssten.
Am 25.7.2024 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage erhoben und zugleich beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Schulpflicht für das Schuljahr 2024/2025 vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlich ausgeführt, sie könne nicht im Krankenhaus- und Hausunterricht beschult werden, weil der im Schuljahr 2023/2024 angebotene Hausunterricht dem Bildungsauftrag der Schule nicht gerecht werde. Der Zweck des Hausunterrichts sei mittels des Unterrichts von lediglich vier Stunden in der Woche in den Fächern Mathematik und Deutsch nicht erreichbar. Zudem sei eine Ermessenreduzierung auf null geboten. Zumindest habe sie einen Anspruch auf Beurlaubung nach § 13 Abs. 2 SchulPflG, weil in ihrem Fall ungewöhnlich schwierige Umstände vorlägen beziehungsweise besondere Verhältnisse eine Beurlaubung rechtfertigten.
Mit Beschluss vom 27.8.2024 hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Aussetzung der Schulpflicht für das Schuljahr 2024/2025 habe keinen Erfolg, weil der nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Soweit die Antragstellerin weiterhin das Ruhen der „Vollzeitschulpflicht“ nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SchulPflG SL oder eine Beurlaubung von dieser Pflicht nach § 13 Abs. 2 SchulPflG SL für das Schuljahr 2024/2025 begehre, fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragstellerin seit dem Ende des Schuljahres 2023/2024 nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliege. Die Vollzeitschulpflicht erstrecke sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SchulPflG SL auf neun Schulbesuchsjahre, wobei es ohne Belang sei, ob der Schüler bis zu diesem Zeitpunkt den Hauptschulabschluss oder einen vergleichbaren ersten Bildungsabschluss erreicht habe. Mit Abschluss des Schuljahres 2023/2024 habe die Antragstellerin neun Schulbesuchsjahre absolviert. Eine – auf Antrag mögliche – Verlängerung der Vollzeitschulpflicht sei nicht erfolgt. Soweit die Antragstellerin eine Befreiung von der – sich gemäß § 9 SchulPflG SL an die Vollzeitschulpflicht anschließenden – Berufsschulpflicht anstrebe, ergebe sich nichts anderes. Diese beginne nach § 9 SchulPflG SL mit der Beendigung der allgemeinen Vollzeitschulpflicht. Sie ruhe nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 SchulPflG SL während des Besuchs einer Gemeinschaftsschule, eines Gymnasiums, einer Fachoberschule, einer Fachhochschule oder einer Hochschule und greife damit nur für diejenigen Schüler, die keine weiterführende Schule besuchten, um dort das – von der Antragstellerin angestrebte – Abitur oder die Fachhochschulreife zu erwerben. Die Antragstellerin habe weder einen Anspruch auf Anordnung des Ruhens der Vollzeit- noch der Berufsschulpflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SchulPflG SL oder eine Beurlaubung von diesen Pflichten nach § 13 Abs. 2 SchulPflG SL für das Schuljahr 2024/2025. Gemäß § 13 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SchulPflG SL könne die Schulaufsichtsbehörde auf Antrag der Erziehungsberechtigten oder auf Antrag der Schule im Benehmen mit den Erziehungsberechtigten das Ruhen der Schulpflicht anordnen für Schülerinnen und Schüler mit einer Erkrankung, die nicht im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts beschult werden könnten, und für Kinder und Jugendliche, bei denen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Unterstützung anerkannt wurde, die weder in einer Schule der Regelform noch in einer Förderschule dauerhaft beschult werden könnten. Die Entscheidung erfolge auf der Grundlage der eingeholten Stellungnahmen und sei in der Regel auf die Dauer eines Schuljahres zu befristen. Ein Vorliegen dieser Voraussetzungen sei nicht glaubhaft gemacht. Mit dem Antragsgegner sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts beschulbar sei. Das Attest der letzten amtsärztlichen Untersuchung im September 2023 sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie ausreichend belastbar sei, um am Hausunterricht teilzunehmen. Ein davon abweichendes aktuelleres amtsärztliches Gutachten sei bislang nicht vorgelegt worden. Auch die Stellungnahme der behandelnden Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 13.3.2024 gehe nicht von einer Unbeschulbarkeit der Antragstellerin aus. Dies entspreche auch den Ausführungen der Kindesmutter im Rahmen ihres Antrags auf Befreiung von der Schulpflicht vom 29.3.2024, in dem sie betont habe, dass die Genesung der Antragstellerin Fortschritte mache und sie sich zutraue, am Unterricht einer Fernschule teilzunehmen. Es sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass die Antragstellerin trotz ihrer Erkrankung in der Lage sei, zu Hause zu lernen und einen Schulabschluss erwerben wolle. Demnach sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts beschulbar sei. Die saarländische Online-Schule, die ab dem Schuljahr 2024/2025 von Seiten des saarländischen Krankenhaus- und Hausunterrichts angeboten werde, erfülle die Voraussetzungen eines adäquaten Krankenhaus- und Hausunterrichts für psychisch kranke Kinder. Sie biete eine innovative und flexible Lösung, um den individuellen Bedürfnissen von z.B. Kindern mit sozialen Ängsten und Phobien, depressiven Schülerinnen und Schülern, schulängstlichen Kindern und Jugendlichen, chronisch Erkrankten, gerecht zu werden und ihnen gleichzeitig ein motivierendes und unterstützendes Lernumfeld zu bieten. Aufgrund eines hohen Maßes an Individualisierung, Differenzierung und Flexibilität im Rahmen der saarländischen Online-Schule, was am Beispiel von individualisierten Stundenplänen deutlich werde, könne auf die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler eingegangen werden. Mit Unterstützung der Lehrkräfte würden auch die Themengebiete der Nebenfächer behandelt mit dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler zu einem Schulabschluss (HSA oder MBA) zu führen. Die Antragstellerin habe folglich die Möglichkeit, im nächsten Schuljahr nach den neun absolvierten Schulbesuchsjahren einen Schulabschluss im Rahmen der saarländischen Online-Schule, in der ganz auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden könne, zu erlangen. Zum Erreichen des Schulabschlusses sei trotz der Flexibilität ein Mindestmaß an Struktur im Schulalltag unabdingbar, weshalb auch der Unterricht der saarländischen Online-Schule auf einer regelmäßigen Basis stattfinde. Je nach individuellem Bedarf seien auch hier Anpassungen möglich, sofern das Grundprinzip eines strukturierten Tagesablaufs erhalten bleibe. Ein medizinisches oder gar amtsärztliches Gutachten, das belege, dass eine freie Einteilung der Stunden im speziellen Fall der Antragstellerin unabdingbar wäre, liege nicht vor. Seitens der Landesbeauftragten für Krankenhaus- und Hausunterricht sei der Antragstellerin ein Platz in der saarländischen Online-Schule reserviert worden. Insofern halte der Antragsgegner sehr wohl ein adäquates Beschulungsangebot für die Antragstellerin bereit. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit dem Besuch der „C.-Fernschule “ die (Berufs-)Schulpflicht nicht werde erfüllen können. Soweit das saarländische Recht die Möglichkeit einer „Befreiung“ von der Schulpflicht vorsehe, sei dies nur dann gerechtfertigt, wenn ein wichtiger Grund vorliege und – darüber hinaus – ein hinreichender Unterricht oder eine anderweitige gleichwertige Förderung gewährleistet sei. Beide Voraussetzungen seine nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Bei der C.-Fernschule handele es sich nach deren eigenem Internetauftritt um keine Alternative zum Besuch einer staatlichen anerkannten Schule. Zudem stelle der (gewünschte) Besuch bzw. die Teilnahme am Fernunterricht einer nicht als Ersatzschule anerkannten Privatschule keinen wichtigen Grund für die Befreiung von der Schulpflicht dar. Nach dem überzeugenden Vortrag des Antragsgegners sei nicht davon auszugehen, dass der schulische Bedarf der Antragstellerin bei Teilnahme am Krankenhaus- und Hausunterricht im hier verfahrensgegenständlichen Schuljahr 2024/2025 nicht adäquat gedeckt werden würde. Aus dem fachärztlichen Attest vom 13.3.2024 folge nicht Gegenteiliges. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Beurlaubung von der Schulpflicht gemäß § 13 Abs. 2 SchulPflG SL. Diese Norm sei nach dem Wortlaut des Gesetzes zunächst nur auf die Vollzeitschulpflicht bezogen, der die Antragstellerin nicht mehr unterliege. Daher komme es nicht darauf an, dass eine Beurlaubung ohnehin nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sei und überdies keine Umstände glaubhaft gemacht seien, die eine Beurlaubung rechtfertigen könnten.
Gegen den den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 27.8.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10.9.2024 eingereichte und mit Schriftsatz vom 27.9.2024 begründete Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren begrenzende Vorbringen der Antragstellerin gibt keine Veranlassung zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Zunächst ist festzustellen, dass sich die geänderte Formulierung des Antrags der Antragstellerin im Rahmen der Beschwerde, der nunmehr darauf gerichtet ist, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, „der Antragstellerin ausschließlich den Besuch der C.-Fernschule in D-Stadt für das Schuljahr 2024/2025 zu gestatten“, nicht auf die Zulässigkeit der Beschwerde auswirkt. Zwar hat die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren noch beantragt, „den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Schulpflicht der Antragstellerin für das Schuljahr 2024/2025 auszusetzen“, diese Änderung erweist sich jedoch als unschädlich.
Grundsätzlich ist eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren nach § 146 VwGO entsprechend § 91 VwGO mit dem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren verfolgten Ziel der Verfahrensbeschleunigung nur schwer vereinbar und daher regelmäßig unzulässig. Sie ist jedoch ausnahmsweise analog § 91 VwGO zulässig, wenn sie das Beschwerdegericht nicht mit einem vollständig neuen Streitstoff konfrontiert und darüber hinaus geeignet ist, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes endgültig auszuräumen.vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 7.8.2024 – 1 B 61/24 –, juris, Rn. 32 - 33 (m.w.N.); OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.7.2023 – 2 MB 7/23 –, juris, Rn. 10 (m.w.N.) sowie OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.7.2017 – 8 B 11235/17 –, juris, Rn. 51
Es kann vorliegend dahinstehen, ob in der geänderten Formulierung des Antrags tatsächlich eine Änderung im Sinne des § 91 VwGO liegt. Sie erweist sich jedenfalls als zulässig, weil weiterhin derselbe Streitgegenstand vorliegt. Denn aus dem Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung folgt unzweifelhaft, dass sie weiterhin „auf erster Ebene“ das für den uneingeschränkten Besuch der Fernschule erforderliche Ruhen der Schulpflicht begehrt. So heißt es in der Beschwerdebegründung vom 27.9.2024 auf Blatt 2 des Schriftsatzes: „Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Gestattung des ausschließlichen Besuchs der C.-Fernschule in D-Stadt für das Schuljahr 2024/2025 und die hierfür erforderliche Aussetzung der Schulpflicht.“Hervorhebung durch den Senat Danach ist der Streitgegenstand weitgehend derselbe, sodass nicht von einer unzulässigen Antragsänderung im Beschwerdeverfahren ausgegangen werden kann.
2. Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren begründet indes keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Antragstellerin trägt vor, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 S. 1 SchulPflG SL in ihrem Fall erfüllt, sodass das Ruhen der Schulpflicht anzuordnen sei. Ihre psychischen Einschränkungen hinderten sie daran, am Krankenhaus- und Hausunterricht sowie an der saarländischen Online-Schule teilzunehmen. Nur mit dem Besuch der C.-Fernschule, von der sie bereits eine Teilnahmezusage erhalten habe, könne sie einen mittleren Bildungsabschluss erzielen. Die C.-Fernschule stelle einen individuellen Lernplan zur Verfügung. Per Post würden individuell zusammengestellte Pakte mit Lernmaterial übermittelt, auf das aufgebaut werden könne. Die Lernenden erhielten neue Aufgaben, die jeweils in einem abgestimmten Rhythmus zu bearbeiten seien, sowie Korrekturen der erledigten Aufgaben, wobei das Lehrwerk nach heilpädagogischen Grundsätzen entwickelt sei. Hierdurch könne sie unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes und ohne vorgegebene Online-Zeiten ganz individuell den Lehrstoff abarbeiten. Nur so könne ihr Potential ausgeschöpft werden, was bei dem Online-Schulbesuch im Saarland, der feste Zeiten vorgebe, nicht erreicht werden könne. Diese Art der Beschulung ermögliche ihr den angestrebten Schulabschluss, der für ihre mentale Gesundheit unabdingbar sei. Dagegen sehe die Online-Schule Saarland an vier Wochen-Tagen (jeweils von 10:00 bis 12:00 Uhr) regelmäßigen Unterricht vor, was für sie nicht geeignet sei. Aufgrund der psychischen Erkrankung sei es ihr nicht möglich regelmäßig am Unterricht teilzunehmen. Durch eine solche Vorgabe werde sie vielmehr aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, einen für sie angemessenen Schulabschluss erreichen zu können. In der C.-Fernschule seien hingegen keine festen Zeiten vorgegeben. Dies sei in Ihrem Fall unabdingbar und folge auch aus den aktuellen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 14.8.2024 sowie vom 19.9.2024. Ferner habe die Amtsärztin Frau E. (Ärztin im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst) in ihrer Stellungnahme vom 17.9.2024 ebenfalls eine Unzumutbarkeit des Besuchs der Online-Schule bestätigt. Hierauf basierend sei das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert. Ihr sei die Möglichkeit zu eröffnen, einen für sie bestmöglichen Schulbesuch zu gestatten, der es ihr trotz ihrer psychischen Erkrankung ermögliche, einen Bildungsabschluss zu erzielen. Dies sei allein mit dem Besuch der C.-Fernschule zu realisieren und einstweilen geboten. Soweit der Antragsgegner nunmehr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ein amtsärztliches Attest vom 24.9.2024 vorgelegt habe, in dem Frau „F.“ als Ärztin im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst als behandelnde Ärztin ausgewiesen werde, sei festzustellen, dass keine Untersuchung durch diese Ärztin stattgefunden habe, sodass dieses Attest zur Bewertung der Beschulbarkeit der Antragstellerin ungeeignet sei. Demgegenüber würden die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen die ausschließliche Teilnahme an der C.-Fernschule befürworten. Einzig die Beschulung durch die C.-Fernschule genüge den ärztlichen Vorgaben.
Mit diesem Vortrag vermag die Antragstellerin die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Zweifel zu ziehen.
Die allgemeine Schulpflicht stellt eine Konkretisierung des staatlichen Erziehungsauftrages aus Art. 7 Abs. 1 GG dar, zu dem auch die inhaltliche Festlegung der Unterrichtsziele und des Unterrichtsstoffs zählen.3vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.4.1989 – 1 BvR 235/89 –, juris Die Schule soll allen jungen Bürgern ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten gewährleisten und einen Grundstein für ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben legen. Zugleich soll sie, unter den von ihr vorgefundenen Bedingungen einer pluralistisch und individualistisch geprägten Gesellschaft, dazu beitragen, die Einzelnen zu dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewussten "Bürgern" heranzubilden und hierüber eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen. Diesen weitreichenden Aufgaben könnte der Staat nicht gerecht werden, ohne eine allgemeine Schulpflicht einzuführen. Für die Ausfüllung seiner Rolle ist der Staat darauf angewiesen, das Bildungs- und Erziehungsprogramm für die Schule grundsätzlich unabhängig von den Wünschen der beteiligten Schüler und ihrer Eltern anhand eigener inhaltlicher Vorstellungen bestimmen zu können. Die verfassungsrechtlich anerkannte Bildungs- und Integrationsfunktion der Schule würde nur unvollkommen Wirksamkeit erlangen, müsste der Staat die Schul- und Unterrichtsgestaltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Vorstellungen der Beteiligten ausrichten. Die Schule wäre dann durch kollidierende Erziehungsansprüche Einzelner und grundrechtliche Vetopositionen vielfach blockiert.vgl. BVerwG, Urteil vom 11.9.2013 – 6 C 25/12 –, juris, Rn. 13 (m.w.N.)
Überdies dient „Schule“ als Spiegel der Gesellschaft; in ihr begegnen sich alle Teile der Gesellschaft. Es ist gerade die Absicht der allgemeinen Schulpflicht, die Kinder ab einem Alter, in dem es ihnen zuzutrauen ist, in diese Gesellschaft einzufügen, damit sie andere – und andere sie – kennen- und mit ihnen umgehen lernen. Das geschieht gerade auch um des Kindeswohls willen; es liegt im wohlverstandenen Interesse des Kindes selbst, in die Gesellschaft hineinzuwachsen.vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3.8.2021 – 9 S 567/19 –, juris, Rn. 32
Mit der Schul(besuchs)pflicht verbundene Eingriffe in das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und die Grundrechte des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sind daher grundsätzlich durch Art. 7 GG gerechtfertigt.vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21.7.2009 – 1 BvR 1358/09 –, Rn. 14 sowie Nichtannahmebeschluss vom 29.4.2003 – 1 BvR 436/03 –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.4.2023 – 9 S 15/22 –, juris, Rn. 92; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 4. Auflage 2023, Art. 7 GG, Rn. 184 (m.w.N.) Voraussetzung ist, dass die Schulpflicht gemessen am Alter des Kindes sowie der Schulform nicht übermäßig lang ist und so ausreichend Raum für die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes und die Pflege und Erziehung der Eltern außerhalb der Schule lässt. Außerdem müssen Ausnahmen von der Schulpflicht für Fälle vorgesehen sein, in denen eine Unterrichtsbefreiung zum Schutz der Grundrechte von Schülern und Eltern angezeigt ist. So kann im Einzelfall unter anderem eine länger währende Befreiung vom Präsenzunterricht geboten sein, wenn Kindern wegen Krankheit die Teilnahme am Präsenzunterricht nicht möglich oder unzumutbar ist. In solchen Fällen können anstelle von Präsenzunterricht andere Bildungs- und Erziehungsformen wie eine Teilnahme an digitalem Distanzunterricht, Lernen anhand von Video- und Tonaufzeichnungen des Unterrichts oder Homeschooling zu gestatten sein.vgl. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 4. Auflage 2023, Art. 7 GG, Rn. 184 (m.w.N.)
Im Saarland besteht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes Nr. 826 über die Schulpflicht im Saarland (Schulpflichtgesetz) vom 11.3.1966 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.8.1996 (SchulPflG SL)zuletzt geändert durch Artikel 256 des Gesetzes vom 8.12.2021 (Amtsbl. I S. 2629) eine allgemeine Schulpflicht für alle Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden, die im Saarland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Berufsausbildungs- oder Arbeitsstätte haben. Die Schulpflicht dauert grundsätzlich zwölf Jahre und setzt sich aus der neunjährigen Vollzeitschulpflicht (§§ 2 ff. SchulPflG SL) und der dreijährigen Berufsschulpflicht (§§ 8 ff. SchulPflG SL) zusammen.
Die Antragstellerin unterliegt – wie auch das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – weiterhin der Schulpflicht. Insoweit hat das Verwaltungsgericht richtigerweise festgestellt, dass die allgemeine Vollzeitschulpflicht der Antragstellerin mit Ablauf des Schuljahres 2023/2024 gemäß § 4 Abs. 1 SchulPflG SL nach neun Schuljahren endete. Nach § 8 SchulPflG SL beginnt indes mit der Beendigung der allgemeinen Vollzeitschulpflicht die Pflicht zum Besuch der Berufsschule, wobei die Berufsschulpflicht nach § 8 Abs. 5 Nr. 1 SchulPflG SL während des Besuchs einer Gemeinschaftsschule, eines Gymnasiums, einer Fachoberschule, einer Fachhochschule oder einer Hochschule ruht. Die Schulpflicht verlangt „den Besuch einer deutschen Schule“ gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 SchulPflG SL, womit grundsätzlich die Teilnahme am Präsenzunterricht in einer öffentlichen Schule oder einer staatlich anerkannten Ersatzschule gemeint ist.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung - Schulordnung - über den Krankenhaus- und Hausunterricht vom 13.5.1993 (folgend: KHUntV SL) sollen schulpflichtige Schüler öffentlicher Schulen und privater Ersatzschulen Krankenhaus- und Hausunterricht an Stelle des Unterrichts in der Schule erhalten, die nach amtsärztlicher Feststellung infolge dauernder oder voraussichtlich mehr als sechs Unterrichtswochen währender Erkrankung die Schule nicht besuchen können. Krankenhaus- und Hausunterricht wird gemäß § 1 Abs. 2 KHUntV SL nur erteilt, soweit der Gesundheitszustand des Schülers die Teilnahme an diesem Unterricht zulässt und die Gesundheit der Lehrkräfte dadurch nicht gefährdet wird.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SchulPflG SL kann die Schulaufsichtsbehörde für Schülerinnen und Schüler mit einer Erkrankung, die nicht im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts beschult werden können,Dies gilt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SchulPflG SL ebenso für Kinder und Jugendliche, bei denen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Unterstützung anerkannt wurde, die weder in einer Schule der Regelform noch in einer Förderschule dauerhaft beschult werden können. auf Antrag der Erziehungsberechtigten oder auf Antrag der Schule im Benehmen mit den Erziehungsberechtigten das Ruhen der Schulpflicht anordnen. Die Entscheidung erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SchulPflG SL auf der Grundlage der eingeholten Stellungnahmen und ist in der Regel auf die Dauer eines Schuljahres zu befristen.
Aus § 13 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SchulPflG SL folgt, dass vor einer Anordnung des Ruhens der Schulpflicht auf die Option des Krankenhaus- und Hausunterrichts – hier in Gestalt der Online-Schule – als vorrangiges Mittel schulischer Förderung zu verweisen ist.vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.7.2017 – 19 B 658/17 –, juris, Rn. 17 Mit Blick auf die die Schulpflicht rechtfertigenden Gründe ist davon auszugehen, dass eine Befreiung von der Schulpflicht Ausnahmecharakter haben muss.vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.7.2014 – 9 S 897/14 –, juris, Rn. 25
Hierauf basierend ist das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ruhen der Schulpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SchulPflG SL nicht glaubhaft gemacht hat. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht davon ausgegangen werden, dass in ihrem Fall keine Beschulbarkeit im Rahmen des Krankenhaus- und Hausunterrichts vorliegt.
Zunächst ist festzustellen, dass die Antragstellerin durch den „Besuch“ der C.-Fernschule ihrer Schulpflicht nicht nachkommen kann. Denn die C.-Fernschule ist bereits nach der eigenen Darstellung auf ihrer Internetseite „keine Schule“ im Sinne des § 1 SchulPflG SL, sondern eine Form der Jugendhilfe nach § 35 SGB VIII und stellt „auch keine Alternative zum Besuch einer Schule [dar], sodass „bei bestehender Schulpflicht […] die Zustimmung der Schulverwaltung erforderlich [ist].“vgl. …, zuletzt besucht am 23.10.2024
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der durch den Antragsgegner angebotene Hausunterricht nach dem Stand der Dinge per se ungeeignet zur Vorbereitung auf den Abschluss der Klassenstufe sein könnte. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass der bisherige Umfang des Hausunterrichts – der bis zum Ende des Schuljahres 2023/2024 lediglich für zwei Fächer angeboten werden konnte – womöglich defizitär gewesen sein mag, indes hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die nunmehr zum Schuljahr 2024/2025 angebotene Online-Schule als Unterrichtsform unzureichend sein könnte und das Ermessen des Antragsgegners bereits aus diesem Grund rechtmäßig einzig dahingehend auszuüben wäre, das Ruhen der Schulpflicht anzuordnen, um der Antragstellerin den uneingeschränkten Besuch der C.-Fernschule zu ermöglichen.
Die Online-Schule wird in einem Hinweisblatt des Antragsgegners – auszugsweise – wie folgt beschrieben:
„Die neu gegründete saarländische Online-Schule des KHU bietet ab dem Schuljahr 2024/2025 ein einzigartiges Bildungserlebnis, das speziell auf die Bedürfnisse und Herausforderungen unserer Schüler und ihrer Familien zugeschnitten ist.
Sie bietet eine innovative und flexible Lösung, um den individuellen Bedürfnissen z.B. von mutistischen Schülern, Schülern mit sozialen Ängsten und Phobien, Mobbing-Erfahrungen, herausforderndem Verhalten("Systemsprenger"), traumatisierten Schülern, depressiven Schülern, Schulabsenten, Schulverweigerern, Schulängstlichen, Autisten, chronisch Erkrankten, Schülern mit Essstörungen und schwangeren Schülerinnen gerecht zu werden und ihnen gleichzeitig ein motivierendes und unterstützendes Lernumfeld zu bieten.
[…]
- Strukturierter Tagesablauf: Der Schultag beginnt gemeinsam online, gefolgt von selbstständiger Arbeit in virtuellen Arbeitsräumen und einem gemeinsamen Tagesabschluss.
- Gemeinsame Festlegung der Lerninhalte: Die Lerninhalte werden teilweise gemeinsam mit dem Bezugslehrer und dem Schüler festgelegt, um die Motivation zu steigern.
- Lernpartnerschaften unter Schülern: Schüler fungieren gegenseitig als Lernpartner, um ein unterstützendes Lernumfeld zu schaffen.
- Verpflichtung zur Teilnahme: Schüler schließen im Aufnahmegespräch mit der projektverantwortlichen Lehrkraft eine Commitmentvereinbarung.
- Hybrides Konzept: Der Wechsel zwischen Online- und Präsenzunterricht ist flexibel möglich.
- Individualisierte Stundenpläne: Jeder Schüler erhält einen auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Stundenplan.
- Regelmäßiger Unterricht: Der Unterricht findet an vier Wochentagen jeweils von 10:00-12:00 Uhr statt, sodass die Schüler bis zu maximal 12 Wochenstunden Unterricht in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen erhalten. Eine temporäre Reduzierung der Unterrichtszeit ist je nach verfolgtem Ziel möglich.Hervorhebung durch den Senat
- Selbstständigkeit und Eigenverantwortung: Da die Schüler gegenüber der Stammschule ein reduziertes Stundenangebot wahrnehmen, gehen wir davon aus, dass sie durch selbstständiges Arbeiten weitere Aufgaben der Stammschule in Eigenregie bearbeiten. Diese Selbstständigkeit fördert nicht nur die Eigenverantwortung und das Zeitmanagement, sondern ermöglicht es den Schülern auch, individuell und flexibel an ihren Zielen zu arbeiten.
- Erfüllung der Schulpflicht und Schulabschluss: Unsere Schüler haben je nach individuellen Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu erlangen (HSA/MBA) und ihre Schulpflicht zu erfüllen.
- Selbstständiges Lernen in Nebenfächern: Wir unterstützen die Schüler dabei, in den Nebenfächern durch selbstständiges Lernen Leistungsnachweise zu erbringen. Im Fach Sport ist lediglich eine sporttheoretische Leistung möglich, nicht aber eine praktische.
- Gestaffelte Rückführung: Für den Übergang ins Hausunterrichtszentrum, in den Klinikunterricht oder zurück in die Stammschule bieten wir eine strukturierte Unterstützung.
- Schulisches Eingliederungsmanagement (SEM): Wir unterstützen bei der Wiedereingliederung ins reguläre Schulsystem.“vgl. Bl. 1-3 der elektronischen Verwaltungsakte
Die Antragstellerin, die das Angebot der Online-Schule für das laufende Schuljahr bereits ohne jeden Versuch des Gelingens abgelehnt hat, hat im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, dass ein solcher Unterrichtsversuch angesichts des dargestellten – individuell anpassbaren – Beschulungskonzeptes per se untauglich wäre und der Antragsgegner dementsprechend seinen ihm bei der Bewertung ihrer Schulfähigkeit zustehenden Beurteilungsspielraum rechtsfehlerhaft überschritten hätte.vgl. hierzu: VGH Hessen, Beschluss vom 2.5.2024 – 7 B 125/24 –, juris, Rn. 8
Ferner kann anhand der ärztlichen Stellungnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass die angebotene Online-Schule der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sein könnte und einzig der Unterricht in der C.-Fernschule verbleibt. Denn weder aus den fachärztlichen Attesten vom 13.3.2024, vom 14.8.2024 sowie vom 19.9.2024 noch aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 17.9.2024 folgt, dass es der Antragstellerin aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich ist, an vier Wochentagen für jeweils zwei Stunden an einem Onlineunterricht teilzunehmen.
Soweit sich die Antragstellerin im Rahmen der Beschwerdebegründung insbesondere auf die fachärztliche Stellungnahme vom 14.8.2024 berufen hat, ist festzustellen, dass die behandelnde Fachärztin in der Stellungnahme vom 14.8.2024, die der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII dienen soll, als Diagnosen „F43.1. Dysthymia“ – was laut ICD-Code eine posttraumatische Belastungsstörungvgl. https://www.icd-code.de/icd/code/F43.1.html, zuletzt besucht am 23.10.2024 beschreibt – und „F40.1 Soziale Phobie“ benannt und zur aktuellen Situation der Antragstellerin ausgeführt hat: „Geplant ist ein Abschluss an der C. schule, wobei A. sich nicht eindeutig motiviert hierfür zeigt. Allerdings sollte ihr diese Chance gegeben werden, da ein regulärer oder auch ein online Schulbesuch im Saarland klar abgelehnt wird.“ Zugleich wurden „[d]eutliche Einschränkungen hinsichtlich der Bereiche Schule und Pe[rsönliches]“ festgestellt sowie weiter ausgeführt „Aufgrund der beschriebenen Symptomatik gelingt kein Schulbesuch und somit auch kein Abschluss. A. zieht sich immer mehr in ihre eigene Welt zurück und konfrontiert sich nicht mit der Realität.“ Weiter heißt es betreffend die benötigte Hilfe: „Ideal wäre es, wenn es gelingen könnte, A. schulische Erfolgserlebnisse zu vermitteln, damit sie mehr Mut entwickeln kann, sich neuen Herausforderungen und Situationen zu stellen.“
In der weiteren fachärztlichen Stellungnahme vom 19.9.2024 heißt es „Da der geplante Haus- und Onlineunterricht des Saarlandes bisher noch nicht in dieser Form stattgefunden hat, ist fraglich inwieweit A. davon profitieren kann. Dagegen steht mit der C. schule eine Schulform zur Verfügung, die etabliert ist und bei [der] A. ggf. direkt die mittlere Reife absolvieren kann. Dies ist das angestrebte Ziel. Aufgrund dieser Überlegungen halte ich es für sinnvoll, der Schülerin diese Möglichkeit zu bieten und nicht auf eine noch nicht erprobte Beschulung zu bestehen.“
In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 17.9.2024, die durch „H., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen“ und „E., Ärztin im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst“ unterzeichnet worden ist, heißt es „Leider konnte sie keine Abschlüsse erzielen. […]. Die Schülerin ist nicht mehr motiviert und willens weiter in dieser Form unterrichtet zu werden. Die Familie wünscht sich einen Neuanfang in einer Schulform, die schulabstinente Kinder in der Erlangung eines Schulabschlusses unterstützt. Aus medizinischer Sicht ist es wichtig, dass A. eine positive Schulerfahrung macht um selbstbestimmt und motiviert wieder Freude am Lernen zu finden.“
Danach kann dahinstehen, wie es sich auswirkt, dass die weitere amtsärztliche Stellungnahme vom 24.9.2024 u.a. durch eine Ärztin unterzeichnet worden ist, die keine persönliche Untersuchung der Antragstellerin vorgenommen hat; daneben hat diejenige Amtsärztin unterzeichnet, die bereits ebenfalls die Stellungnahme vom 17.9.2024 unterzeichnet hat. Denn weder die vorherigen fachärztlichen Stellungnahmen noch die amtsärztliche Stellungnahme vom 17.9.2024 bestätigen die Lesart der Antragstellerin, die auf eine ausschließliche Unterrichtung in der C. schule als einzig zumutbare Unterrichtsform gerichtet ist. Soweit die Antragstellerin ausführt, „alle die Antragstellerin behandelnden Ärztinnen und Ärzte [befürworten] eine ausschließliche Beschulung durch die C.-Fernschule “, ist dies anhand der ärztlichen Stellungnahmen nicht belegt.
Ungeachtet dessen folgt aus der Beschreibung der Online-Schule eindeutig die Möglichkeit bei Bedarf eine Anpassung der Unterrichtszeiten zu erreichen. So heißt es explizit in dem Konzept betreffend die Unterrichtszeiten von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr: „Eine temporäre Reduzierung der Unterrichtszeit ist je nach verfolgtem Ziel möglich.“
Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.10.2024 ein Attest des behandelnden Hausarztes vom 8.10.2024 vorgelegt hat, gebietet dies keine andere Bewertung. Vorliegend kann offenbleiben, inwieweit im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO ein Vortrag zu berücksichtigen ist, der nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erfolgt ist. Denn jedenfalls vermag auch diese ärztliche Stellungnahme keine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Antragstellerin zu rechtfertigen.
Zwar führt der Arzt in dieser Stellungnahme vom 8.10.2024 aus, dass die Antragstellerin „derzeit nicht in der Lage“ sei, „zu festgesetzten Zeiten durch fremde Personen oder in einer Gruppe unterrichtet zu werden“ und verweist darauf, dass eine zeitweilige Befreiung von der Schulpflicht geeignet sei, den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu stabilisieren und eine Genesung zu fördern. Indes wird der Hinweis auf das Unvermögen, zu einer bestimmten Uhrzeit an einem Onlineangebot teilzunehmen, nicht diagnostisch belegt und vermag in dieser pauschalen Form die bisherigen fachärztlichen Bewertungen und amtsärztlichen Stellungnahmen nicht zu ersetzen. Zwar können (fach-) ärztliche Stellungnahmen geeignet sein, Zweifel an anderslautenden amtsärztlichen Einschätzungen zu begründen. So liegt der Fall hier jedoch nicht.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Antragstellerin der erfolglose Verlauf des bisherigen Hausunterrichts belastet, indes erscheint der nunmehr erstmalig angebotene Online-Unterricht – unter Beachtung des dem Antragsgegner insoweit zukommenden Ermessens betreffend die Anordnung des Ruhens der Schulpflicht – nicht von vorneherein ungeeignet im ihrem Fall. Überdies wird der Vortrag der Antragstellerin, wonach durch den Besuch der Online-Schule eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu erwarten sei, durch keine der eingereichten ärztlichen Stellungnahmen belegt. Ein Ruhen der Schulpflicht aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null auf Seiten des Antragsgegners kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil sich die Antragstellerin von der Fernschule eine bessere Förderung verspricht. Mit Blick auf die die Schulpflicht rechtfertigenden Gründe genügt es nicht, wenn Lernerfolg und Sozialisierung von Schulpflichtigen auch in anderer Form erreichbar sein mögen, um eine Ausnahme von der staatlich vorgesehenen Regelbeschulung in Anspruch nehmen zu können.vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.7.2014 – 9 S 897/14 –, juris, Rn. 25
Danach ist ein Anordnungsanspruch, soweit er weiterhin auf das Ruhen der Schulpflicht zwecks Besuch der C.-Fernschule gerichtet ist, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben.
3. Soweit die Antragstellerin explizit die „ausschließliche“ Gestattung des Besuchs der C.-Fernschule durch den Antragsgegner begehrt, kann dieses Begehren bereits aufgrund des fehlenden Anspruchs auf Anordnung des Ruhens der Schulpflicht keinen Erfolg haben. Denn ein ausschließlicher Besuch der benannten Fernschule würde zugleich die Befreiung vom Hausunterricht und damit von der Schulpflicht bedingen.
Im Übrigen sieht zwar § 19 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SchoG vor, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter der zuständigen Schule aus wichtigem Grund den Besuch einer anderen als der zuständigen Schule gestatten kann, diese Norm kommt vorliegend indes nicht zur Anwendung. Eine solche Gestattung könnte sich nur auf eine Schule im Sinne des saarländischen Schulrechtes beziehen. Wie bereits aufgezeigt erfüllt die „C.-Fernschule “ diese Kriterien nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Sachgebiete
Rechtsverhältnisse der Schüler Rolle der Eltern, Elternrechte, Teilnahme an der Schulausbildung Fernunterricht Saarland Schulwesen