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Nr: NJRE001590660


LG Mönchengladbach 1. Zivilkammer, Urteil vom 23.Februar 2024 , Az: 1 O 136/23


Langtext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte in Zusammenhang mit im Internet betriebenem Glücksspiel in Anspruch.

Die Beklagte ist eine Online-Glücksspielanbieterin mit Sitz in M. Sie bot im streitgegenständlichen Zeitraum im Internet in deutscher Sprache öffentlich Online-Casinospiele unter der Website ... an. Zum Veranstalten und/oder Vermitteln öffentlicher Casinospiele verfügte die Beklagte über keine deutsche Lizenz.

Die Klagepartei nahm jedenfalls im Zeitraum von Juli 2013 bis Juli 2016 an diesen Angeboten der Beklagten teil. Zum letzten Mal zahlte die Klagepartei am 6. Dezember 2017 Echtgeld auf das Spielerkonto ein.

Mit der Klage fordert die Klagepartei ihre Verluste aus den Online-Glücksspielen im angegebenen Zeitraum zurück.

Der Kläger spielte u.a. auch von Las Vegas aus.

Die Klagepartei behauptet, sie habe vor und während der streitgegenständlichen Spiele keine Kenntnis von der Illegalität der Online-Glückspiele gehabt. Insgesamt habe er jedenfalls einen Betrag in Höhe von 76.840,00 EUR bei den Beklagten verspielt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schadensübersicht (Anlage K3_15, Bl. 430 GA) verwiesen.

Die Klagepartei hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2024 beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 79.541,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2024 hat der Kläger die Klage in Höhe von 2.701,24 EUR zurückgenommen. Die Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe positive Kenntnis gehabt. Auch durch seine Reisen nach L. V. zeige sich die Klagepartei besonders glücksspielaffin.

Der Kläger sei zudem nicht mehr aktivlegitimiert. Aus zahlreichen Parallelverfahren sei ihr bekannt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Prozessfinanzierer zusammenarbeite. Sie ist der Ansicht, der Anspruch sei bereits verjährt.


Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Landgericht Mönchengladbach vorliegend für die bereicherungsrechtlichen Ansprüche gemäß Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO und für die deliktischen Ansprüche gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO sowohl international als auch örtlich zuständig.

Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz einen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus dem Vertrag verklagen, wenn der Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dies ist hier der Fall; insbesondere üben die Beklagten ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus, indem sie ihr gewerbliches Angebot der Veranstaltung von Glücksspielen u.a. auf D. ausrichtet. Es bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Klägers. Er hat die Verträge unbestritten in seiner Freizeit abgeschlossen. Sie haben keinen Bezug zu seinem ausgeübten Beruf.

Der Umstand, dass der Kläger die Online-Glücksspiele in größerem Umfang betrieben haben und zumindest vorübergehend auch Gewinne erzielt haben mag, führt jedenfalls für sich genommen nicht dazu, dass der Kläger seine Eigenschaft als „Verbraucher“ im Sinne Art.17 EuGVVO verliert (vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2020 - C-774/19, WRP 2021, 458). Die verfolgten bereicherungsrechtlichen und deliktischen Ansprüche unterfallen auch dem o.g. Verbrauchergerichtsstand, da dieser auch nichtvertragliche Anspruchsgrundlagen erfasst, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2010 - VI ZR 159/09 - NJW 2011, 532; Versäumnisurt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11 -, WM 2012, 852; jeweils zu auf §§ 823 Abs. 2 BGB, 32 KWG gestützten Klagen; wie hier: OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21 -, ZfWG 2022, 91; vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 08.10.2020 - 6 U 1582/19 -, IHR 2021, 76; Zöller-Geimer, ZPO, 34.Aufl., Art.17 EuGVVO Rn. 17; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21, BeckRS 2022, 12872 Rn. 42, beck-online).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Zum einen hat die Klägerseite die Klagesumme weiterhin nicht ausreichend substantiiert dargelegt, zum anderen bleibt unklar, für welche Spieleinsätze der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages 2012 eröffnet ist.

1.

Die Klagesumme ist für das Gericht nicht schlüssig.

Der Kläger macht zuletzt einen Betrag in Höhe von 76.840,00 EUR geltend. Wie sich diese Summe zusammensetzt, ist für das Gericht jedoch unklar.

Der Kläger hat zwar im Laufe des Verfahrens eine Schadensübersicht (Bl. 430 GA) eingereicht. Die dort aufgeführte Gesamtforderung deckt sich jedoch nicht mit den zunächst und/oder zuletzt geltend gemachten Höhe der Forderungen. Soweit der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz markierte Kreditkartenumsätze vorlegt, so sind dort auch markierte Umsätze der S. LTD EU aufgeführt. Inwieweit diese Umsätze der Beklagten zuzuordnen sind, bleibt unklar. Auch lässt sich Kreditkartenumsätze, worauf das Gericht bereits hingewiesen hatte, keine anzurechnende etwaige Gewinne aus dem Online-Glücksspiel entnehmen.

2.

Ein etwaiger Anspruch scheitert zudem daran, dass für das Gericht nicht ausreichend erkennbar ist, dass die Spielteilnahme unter den Anwendungsbereich des Glückspielstaatsvertrages fällt.

Das Rechtsgeschäft zwischen den Parteien ist nur dann gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. (2012) nichtig, wenn es in den Geltungsbereich des Glückspielstaatsvertrages in der Fassung bis zum 30.06.2021 fällt. Für die Anwendung des § 4 GlüStV a.F. genügt zwar die Teilnahme an einem Glücksspiel im Geltungsbereichs eines Bundeslandes innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich für Online-Glücksspiele ist damit der Ort des Internetzugangs des Spielers (vgl. Mayer in: Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 1. Aufl. 2017, Grundlagen der Glücksspielregulierung Rn. 37, s.u.).

Wann und dass dies vorliegend der Fall gewesen sein soll, ist jedoch nicht ausreichend ersichtlich.

Das Gericht hat bereits mit Terminsverfügung vom 30.11.2023 (Bl. 729 GA) darauf hingewiesen, dass der Kläger für das behauptete Spielen aus D., insbesondere außerhalb von S.-H., darlegungs- und beweisbelastet ist. Er hat diesbezüglich jedoch weder ausreichend vorgetragen noch Beweis angeboten. Es handelt sich um eine anspruchsbegründende Tatsache, für die der Kläger darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. LG Mosbach, BeckRS 2023, 42139; OLG Köln BeckRS 2022, 53907).

Dieser Beweislast hat der Kläger nicht genügt.

Der Kläger legt schon nicht hinreichend dar, in welchem Umfang er von D. aus an den Angeboten der Beklagten teilgenommen hat. Allein daraus, dass sich der Kläger mit seinem deutschen Wohnsitz registriert hat, kann nicht geschlossen werden, dass er während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums ausschließlich von D. aus gespielt hat, sofern die Beklagte dies ausreichend substantiiert bestreitet. Dies war hier der Fall.

Vielmehr räumt der Kläger selbst ein, es sei möglich, dass er eventuell in einem Urlaub sich aus L. V. eingeloggt habe. In zeitlicher Hinsicht wird dies jedoch in keinster Weise eingegrenzt. Für das Gericht ist damit nicht möglich, die Gesamtforderung in Höhe von 79.541,24 EUR in Ansprüche aufzuteilen, die in den Anwendungsbereich fallen und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Das Gericht könnte insoweit nur mutmaßen. Auch, dass es sich bei dem Spielen aus L. V. – bei Wahrunterstellung – um ein Spielen während eines Urlaubs handelte, lässt zwar die Vermutung zu, dass der Kläger weit überwiegend von anderswo – ggf. aus der heimischen Wohnung heraus – gespielt habe. Dies ist jedoch reine Spekulation und lässt keinen ausreichenden Rückschluss zu, welche Spieleinsätze hiervon betroffen waren. Zu beachten ist dabei auch, dass die Beklagte substantiiert noch weitere Spieleinsätze aus L. V. behauptet, die sich nicht mit „Spielen während eines Urlaubs“ (Hervorhebung durch das Gericht) erklären lassen. Es vermag auch verwundern, dass der Kläger dies zeitlich nicht mehr näher einzuordnen vermag, wenn doch noch konkrete Erinnerungen daran bestehen, dass er auf der Morgentoilette durch eine Werbeaktion der Beklagten per E-Mail zum Spielen veranlasst worden sei. Erinnerungen daran, ob er einen oder mehrere Tage morgens eingeloggt war und ob er Einzahlungen auf das Spielerkonto bei der Beklagten in dem Zeitraum getätigt habe, habe er hingegen nicht mehr.

Soweit der Kläger eine Beweisnot dahingehend konstruiert, ihm sei ein weitergehendes Bestreiten ohne Transaktionslisten nicht möglich, so verkennt der Kläger zum einen bereits, dass er selbst die Darlegungs- und Beweislast trägt und es sich daher nicht um reines Bestreiten handelt. Zum anderen war es dem Kläger unbenommen, wenn er schon den Klageweg beschreitet, die Transaktionsliste auf diesem Weg zu fordern. Weshalb der Kläger auf die Transaktionsliste zwingend angewiesen ist, um festzustellen, wann er von D., insbesondere seiner Wohnanschrift gespielt hat oder z.B. in L. V. gewesen sei, ist ebenfalls nicht ausreichend ersichtlich. Der Kläger hat nicht vorgetragen über sonstige Erkenntnisquellen und oder Beweismittel, z.B. Unterlagen wie Flugbuchung, Hotelbuchung etc., Fotos, Zeugen unverschuldet nicht (mehr) zu verfügen. Eine behauptete Beweisnot ist nicht erkennbar. Zu beachten ist auch, dass eine Beweisvereitelung grundsätzlich nur zu Beweiserleichterungen führt, nur ausnahmsweise auch eine Beweislastumkehr (vgl. Bacher, in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, § 284 ZPO, Rn. 93 m.w.N.).

Auch die Beklagtenseite hat mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 15.02.2024, darauf hingewiesen, dass sich anhand der Angaben des Klägers nicht beziffern lasse, zu welchen Teilen die Verluste aus Spielteilnahmen aus D. stammen würden. Auch dies hat die Klägerseite jedoch nicht dazu veranlasst, hierzu näher vorzutragen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 07.03.2024 hat die Klägerseite weitergehend nur behauptet, der Kläger könne nur seine Kreditkartenauszüge vorlegen. Weshalb ihm jedoch keine weiteren Unterlagen zu seinen Auslandsaufenthalten vorliegen sollten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 79.541,24 EUR festgesetzt.