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Nr: NJRE001590662


LG Münster 16. Zivilkammer, Urteil vom 4.September 2024 , Az: 16 O 134/23


Langtext

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.677,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2023 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Spielverlusten im Rahmen von Online-Poker.

Die Beklagte war Betreiberin der Internetseite .... Das Angebot in deutscher Sprache umfasste verschiedene Online-Casino-Spiele, namentlich verschiedene virtuelle Spieleautomaten und Poker in verschiedenen Varianten, und Sportwetten. Hierfür hatte die Beklagte eine maltesische Lizenz und wurde von der Malta Gaming Authority, der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, überwacht. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und in der Fußzeile der Internetseite wurde auf diesen Umstand hingewiesen. Das maltesische Recht kennt mit Chapter 583. Malta Gaming Act eine umfassende Regelung des Glücksspielsektors. Die Beklagte hatte keine deutsche Lizenz für das Angebot von Online-Casino-Spielen und/oder Sportwetten. Die Registrierung war für Spieler mit Wohnsitz in Deutschland möglich und es gab einen Kundenservice in deutscher Sprache.

Der Kläger eröffnete am 19.11.2006 mit der persönlichen E-Mail-Adresse, ... unter dem Benutzernamen ... ein Spielerkonto bei der Beklagten. Er zahlte fortan Echtgeld ein und nahm an Online-Automatenspielen, Online-Pokerspielen und Online-Sportwetten teil.

Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 05.08.2013 bis zum 04.08.2020 nutzte der Kläger zur Einzahlung von Echtgeld die Zahlungsmethoden „Klarna-Sofort-Überweisung“, „paysafecard“, „Direct-Bank-Transfer“ und Kreditkarte. Die Einzahlungen wurden auf dem Spielerkonto in krummen US-Dollar-Beträgen verbucht. Aus Einzahlungen in Höhe von 161.557,40 US-Dollar und Auszahlungen in Höhe von 8.617,00 US-Dollar ergibt sich ein Saldo in Höhe von 152.940,40 US-Dollar. In diesem Zeitraum nahm der Kläger an vier Online-Sportwetten und im Übrigen hauptsächlich an Online-Pokerspielen teil.

Die vom Kläger gespielten Online-Poker-Varianten, v. a. die Variante Texas Hold’em, unterlagen folgender Funktionsweise: Der Spieleinsatz wird bei Beginn eines Spiels zwar virtuell auf den Spieltisch verschoben, verbleibt aber bis zum Abschluss des Spiels tatsächlich auf den treuhänderisch verwalteten Fremdgeldkonten der Spieler. Bei Abschluss eines Spiels wird der Spielgewinn von dem Fremdgeldkonto des Verlierers auf das Fremdgeldkonto des Gewinners verschoben und eine Gebühr, der sog. „Rake“, auf das Eigengeldkonto der Beklagten verschoben. Die Höhe des Rake liegt bei 5,00€ pro Spieleinsatz. Dieses Vorgehen hat seine Grundlage im maltesischen Glücksspielrecht (vgl. Laws of Malta, Chapter 583. Malta Gaming Act, Subsidiary Legislation 583.08. Gaming Player Protection Regulations, Part III. Protection of Player Funds, Regulations 4-9). Seit 2015 wird deutsche Umsatzsteuer auf den „Rake“ erhoben. Insgesamt entfallen ca. fünf Prozent der Klagesumme auf den „Rake“ und ca. 95 Prozent der Klagesumme auf die Spieleinsätze.

Mit Schriftsatz vom 31.07.2023 wurde der Spielerkontovertrag vom 19.11.2006 widerrufen.

Im Jahr 2023 erhielt die zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörende .... als Betreiberin der Internetseiten ... und „... eine deutsche Lizenz für das Angebot von Online-Poker und virtuellen Spieleautomaten. Das Angebot auf ... wurde eingestellt ...

Der Kläger trat die streitgegenständlichen mutmaßlichen Ansprüche gegen die Beklagte zur Sicherung einer Forderung an einen Dritten ab. Mit Einzugsermächtigung vom 13.06.2024 (Anlage K10, Bl. 443) wurde er zur Geltendmachung der abgetretenen mutmaßlichen Ansprüche und zur Verlangung der Zahlung an sich ermächtigt.

Der Kläger behauptet, er habe von dem deutschen Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet erst im Sommer 2023 durch einen F.-Beitrag positive Kenntnis erlangt und er habe ausschließlich aus Deutschland heraus an Spielen teilgenommen. Bei den lediglich 4 platzierten Sportwetten habe er einen Gewinn von 28,17 US-Dollar erzielt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 152.940,40 US-Dollar nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 133.541,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe positive Kenntnis von der erteilten maltesischen Lizenz und von der fehlenden deutschen Lizenz für das Angebot von Online-Casino-Spielen gehabt. Zudem bestreitet sie im Hinblick auf die Abtretung die Aktivlegitimation des Klägers und rügt die fehlende Vorlage des Prozessfinanzierungsvertrages. Zudem bestreitet sie die Berechtigung der in der Anlage K 10 genannten Gesellschaft zur Einziehungsermächtigung.

Die Klageschrift ist am 31.07.2023 beim Gericht eingegangen und der Beklagten am 16.10.2023 zugestellt worden. Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört. Für den Inhalt und das Ergebnis der persönlichen Anhörung wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2024.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Das Landgericht Münster ist zuständig. Die örtliche Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO. Der Kläger war Verbraucher im Sinne der EuGVVO. Der Wohnsitz des Klägers liegt im Bezirk des Landgerichts Münster. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Münster für bereicherungsrechtliche und deliktische Ansprüche folgt der örtlichen Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche. Die Klage ist allgemein auf einen Vertrag bezogen und mutmaßliche bereicherungsrechtliche und deliktische Ansprüche sind untrennbar mit dem Vertrag verbunden (vgl. BGH, Urteil, Az. VI ZR 159/09; vgl. BGH, Urteil, Az. VI ZR 14/11; vgl. OLG Hamm, Urteil, Az. 12 W 13/21; vgl. OLG Koblenz, Urteil, Az. 6 U 1582/19).

2.

Das deutsche Recht ist anwendbar. Die Anwendbarkeit für wirksame Verträge ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO. Der Kläger war Verbraucher im Sinne der Rom-I-Verordnung. Der Wohnsitz des Klägers liegt in Deutschland. Die Anwendbarkeit für unwirksame Verträge ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Rom-II-VO. Das Vertragsverhältnis unterliegt deutschem Recht (s. vorstehend). Die Anwendbarkeit für unerlaubte Handlungen ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO. Der Ort des Schadenseintritts liegt in Deutschland. Eine abweichende Rechtswahl wurde nicht vorgetragen.

3.

Der Kläger ist im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft (vgl. BeckOK ZPO, § 51, Rn. 46) prozessführungsbefugt. Die Einzugsermächtigung vom 13.06.2024 (Anlage K10, Bl. 443) ermächtigt den Kläger ausdrücklich analog § 185 BGB zur Geltendmachung der streitgegenständlichen mutmaßlichen Ansprüche im eigenen Namen (vgl. zur Voraussetzung der Ermächtigung BeckOK ZPO, § 51, Rn. 47). Eine Einzugsermächtigung begründet nach Auslegung in der Regel eine gewillkürte Prozessstandschaft (BeckOK ZPO, § 51, Rn. 56). Eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen einer Sicherungsabtretung ist allgemein anerkannt (vgl. BeckOK ZPO, § 51, Rn. 50-51, 54). Auch wenn der Abtretungsvertrag nicht vorgelegt worden ist, reichen die Angaben des Klägers in Verbindung mit der vorgelegten Einzugsermächtigung, für die es keinerlei Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Fingierung gibt, aus, um die Überzeugung von der Berechtigung des Klägers zur Einziehung der Forderung zu gewinnen.

II.

Die eventuelle Anspruchshäufung des Hauptantrags und des Hilfsantrags ist zulässig (§ 260 ZPO; vgl. BeckOK ZPO, § 260, Rn. 5 ff., Thomas/Putzo ZPO, § 260, Rn. 8). Die Erfolglosigkeit eines Hauptantrags ist eine zulässige Bedingung eines Hilfsantrags (BeckOK ZPO, § 260 Rn. 5, Thomas/Putzo ZPO, § 260, Rn. 8).

III.

Die Klage ist teilweise begründet.

1.

Der Hauptantrag hat keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 152.940,40 US-Dollar. Die ursprüngliche Währung der Einzahlungen ist maßgeblich. Im Rahmen vertraglicher Rückgewähransprüche und bereicherungsrechtlicher Herausgabeansprüche ist grundsätzlich die Rückgewähr/Herausgabe des ursprünglich Erhaltenen in Natura geschuldet. Dies bezieht sich sinn- und zweckgemäß auch auf die Währung des ursprünglich Erhaltenen. Im Rahmen vertraglicher und deliktischer Schadensersatzansprüche ist grundsätzlich Naturalrestitution geschuldet (§ 249 Abs. 1 BGB). Ist für den Verlust von Geld Schadensersatz zu leisten, besteht die Naturalrestitution in einer Geldzahlung (Grüneberg BGB, § 249, Rn. 2). Naturalrestitution bedeutet Herstellung des ursprünglichen Zustandes (vgl. Grüneberg BGB, § 249 Rn. 2). Dies bezieht sich sinn- und zweckgemäß auch auf die Währung des ursprünglichen Zustandes. Der Anspruch ist in Euro geltend zu machen. Die krummen US-Dollar-Beträge der Einzahlungen lassen auf eine Einzahlung in glatten Euro-Beträgen und eine anschließende Umrechnung in US-Dollar-Beträge schließen. Dies entspricht auch den Angaben des Klägers zur Einzahlung der streitigen Beträge.

2.

a)

Die Bedingung des Hilfsantrags ist eingetreten.

b)

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 133.541,69 €, sondern lediglich in Höhe von 6677,08€.

aa)

Ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 133.541,69 € ergibt sich nicht aus vertraglichen Anspruchsgrundlagen. Dem Kläger stand zwar ein Widerrufsrecht gem. § 312g Abs. 1 BGB zu. Der Ausschluss des § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB erfasst abweichend von Art. 3 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 nur Lotterie- und Wettdienstleistungen und nicht alle Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen. Diese Regelung ist unionsrechtskonform (vgl. BeckOGK, § 312g BGB, Rn. 69.1). Die Mitgliedstaaten sollten andere, auch strengere Verbraucherschutzmaßnahmen einführen können (Erwägungsgrund 31 RL 2011/83/EU; vgl. BeckOGK, § 312g BGB, Rn. 69.1). Das Widerrufsrecht erlosch aber mit Ablauf des 03.12.2007 (§§ 356 Abs. 3 S. 2, 355 Abs. 2 S. 2, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 S. 1 BGB).

bb)

Ein Anspruch auf Zahlung in dieser Höhe ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 oder iVm §§ 284, 285 StGB. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und §§ 284, 285 StGB sind keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm (Grüneberg BGB, 83.Aufl. 2024 § 823, Rn. 57), die nicht nur eine Sonderbeziehung ausgestaltet, sondern den Schutz eines konkreten Rechtsguts und des Rechtsgutsinhabers bezweckt (Grüneberg BGB, § 823, Rn. 56); das heißt, wenn die Rechtsnorm zumindest auch dazu dient, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen (Grüneberg BGB, § 823, Rn. 58). Gegen die Schutzgesetzeigenschaft des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 spricht die Zielsetzung des GlüStV 2012. Der Wortlaut des § 1 GlüStV 2012 erwähnt in diesem Kontext zwar die Verhinderung einer Glücksspielsucht, die Gewährleistung eines Spielerschutzes und einen Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften, dem Sinn- und Zweck als öffentlich-rechtliche Regelung der Bundesländer (Köhler, NJW 34/2023, 2249-2520, 2253) entsprechend ist damit aber ausschließlich ein Schutz der Allgemeininteressen der Bevölkerung gemeint. Hierfür spricht auch, dass die Problematik des Individualschutzes bei der Schaffung des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vermutlich nicht angesprochen wurde und vielmehr eine Generalprävention im Fokus stand (Köhler, NJW 34/2023, 2449-2520, 2253). Gegen die Schutzgesetzeigenschaft der §§ 284, 285 StGB spricht der Charakter als bloße verwaltungsakzessorische Vorschrift zur Sicherung der staatlichen Kontrolle einer Kommerzialisierung der natürlichen Spielleidenschaft (Köhler, NJW 34/2023, 2249-2520, 2253; vgl. BGHSt 11, 209).

c)

Ein Anspruch auf Zahlung ergibt sich allerdings nur in Höhe von 6.677,08 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa)

(1)

Die Beklagte hat durch die Einzahlungen des Klägers auf das Spielerkonto nicht etwas durch Leistung (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB) erlangt. Etwas iSd § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Vorteil, der das wirtschaftliche Vermögen mehrt, oder jede wirtschaftliche vorteilhafte Position (Grüneberg BGB, § 812, Rn. 8). Dies kann bspw. eine Gutschrift auf einem Girokonto sein (Grüneberg BGB, § 812, Rn. 9). Durch die Einzahlungen des Klägers auf das Spielerkonto erlangte die Beklagte zwar Gutschriften. Das maltesische Recht verpflichtete die Beklagte aber, die Guthaben auf den Spielerkonten auf separaten Fremdgeldkonten getrennt von ihren Eigengeldkonten zu verwahren, und sicherte den Spielern bis in den Insolvenzfall hinein eine wirtschaftlich und rechtlich unabhängige Position (vgl. Laws of Malta, Chapter 583. Malta Gaming Act, Subsidiary Legislation 583.08. Gaming Player Protection Regulations, Part III. Protection of Player Funds, Regulations 4-9). Mangels entgegenstehender Tatsachen ist anzunehmen, dass die Beklagte dem maltesischen Recht entsprechend handelte. Da es sich weiterhin nach Einzahlung um ein Fremdgeldkonto handelt, erlangte die Beklagte durch die Einzahlung lediglich die Möglichkeit, aber auch Verpflichtung der Verwaltung der Konten, nicht aber einen eigenen Auszahlungsanspruch. Die Gutschriften mehrten daher nicht unmittelbar das Vermögen der Beklagten und waren in keiner Weise wirtschaftlich vorteilhaft. Die mit der Verwahrung einhergehenden rechtlichen Verpflichtungen deuten vielmehr auf einen wirtschaftlich nachteiligen Charakter. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Vermögensverhältnisse hinsichtlich der Einzahlungen bzw. hinsichtlich des Guthabens auf dem Spielerkonto des Klägers erfuhren keine maßgebliche Veränderung.

(2)

Die Beklagte hat im Rahmen der Teilnahme des Klägers an Online-Spieleautomaten und Online-Sportwetten keine Spieleinsätze durch Leistung erlangt. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger (allg. Darlegungs- und Beweislastregel) trug insoweit nicht hinreichend vor. Insbesondere blieb er einer Aufschlüsselung der Klagesumme insoweit schuldig. Unstreitig war auch nicht die Beklagte Teilnehmerin der Pokerspiele, etwa über einen virtuellen Spieler, so dass Spielgewinne an sie als Gegenstück zum Verlust des Klägers nicht an sie geflossen sind.

(3)

Die Beklagte hat durch die Teilnahme des Klägers an Online-Pokerspielen jedoch Gutschriften auf das Eigengeldkonto in Höhe von 6677,08 Euro durch Leistung erlangt. Die Spielgewinne wurden ohne Kontakt zur Vermögensmasse der Beklagten (vgl. o.) unmittelbar vom Spielerkonto des Klägers auf die Spielerkonten der Gewinner verschoben. Diese Vorgänge mehrten nicht das Vermögen der Beklagten und waren in keiner Weise wirtschaftlich vorteilhaft (vgl. o.).

Nur der „Rake“ in Höhe von insgesamt ca. 5 Prozent der Klagesumme wurde in Vollziehung der einzelnen Spielverträge vermögensmehrend und wirtschaftlich vorteilhaft dem Eigengeldkonto der Beklagten gutgeschrieben. Insoweit hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass der Rake bei ca. 5 % der Klageforderung liege. Dass ein höherer Betrag durch die Abrechnung des Rake an die Beklagte geflossen ist, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger bereits nicht vorgetragen.

cc)

Dies geschah ohne Rechtsgrund. Der Spielerkontovertrag und die einzelnen Spielverträge hinsichtlich des „Rake“ sind nichtig (§ 134 BGB iVm § 4 Abs. 4 GlüStV 2012).

(1)

§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Die Anforderungen für die Einordnung als Verbotsgesetz sind geringer als die Anforderungen für die Einordnung als Schutzgesetz (vgl. o.). Das Verbot kann auch konkludent angeordnet sein (Grüneberg BGB, § 134, Rn. 2). Der Wortlaut des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ordnet das Verbot aber ausdrücklich an. Die Einbeziehung des Sinns und Zwecks des Verbotsgesetzes erfolgt erst im Rahmen der Rechtsfolge.

(2)

Der Anwendungsbereich des GlüStV 2012 ist eröffnet. Dieser richtet sich nach dem Wohnsitz des Klägers. Der Ort des Veranstaltens und Vermittelns im Sinne des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist der Ort, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird (§ 3 Abs. 4 GlüStV 2012). Die Eröffnung der Möglichkeit zur Teilnahme ist gleichbedeutend mit der Eröffnung eines Spielerkontos durch den Abschluss eines Spielerkontovertrages. Diese ermöglicht die spätere konkrete Teilnahme an Spielen. Des Weiteren ist den Ländern und den Anbietern aufgrund der Beliebigkeit des Ortes der konkreten Teilnahme an Spielen nur über die Anknüpfung an den Wohnsitz eine Kontrolle praktisch möglich und kann nur über eine Anknüpfung an den Wohnsitz eine Rechtsunsicherheit vermieden werden. Der Wohnsitz des Klägers lag in Nordrhein-Westfalen.

Dass auch Teilnahmen des Klägers aus dem Ausland heraus erfolgt wären, hat sich nach seinen ebenfalls nachvollziehbaren Angaben nicht feststellen lassen.

(3)

(a)

Die Rechtsfolge des § 134 BGB tritt regelmäßig nur bei einem beiderseitigen Verstoß gegen das Verbotsgesetz ein (vgl. Grüneberg BGB, § 134, Rn. 8-9).

Die Beklagte hat gegen das Verbotsgesetz verstoßen. Die Online-Pokerspiele waren öffentliche Glücksspiele im Internet. Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt (§ 3 Abs. 1 GlüStV 2012). Auf Basis des Grundsatzes der Rechtseinheitlichkeit können die im Rahmen der §§ 284, 285 StGB entwickelten Maßstäbe herangezogen werden. Dort ist von einem Geschicklichkeitsspiel auszugehen, wenn die Trefferquote mindestens 50 Prozent beträgt (BeckOK StGB, § 284, Rn. 17). Dabei kommt es auf die Fähigkeiten eines Durchschnittsspielers an (BeckOK StGB, § 284, Rn. 17). Diese Voraussetzungen erfüllen Pokerspiele trotz der großen Bedeutung geschicklichkeitsabhängiger Elemente nicht. Auch die vom Kläger gespielte Variante Texas Hold’em ist nicht differenziert zu beurteilen. Darüber hinaus nennt der GlüStV 2021 Online-Poker explizit im Zusammenhang mit Glücksspielen im Internet.

Der Kläger hat nicht gegen das Verbotsgesetz verstoßen. Er war nicht Adressat des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Ein qualitativ gleichwertiger Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Hierfür ist Vorsatz im Sinne des § 15 StGB erforderlich. Der Kläger erklärte unter detaillierter Bezugnahme auf die damalige Werbung für die Internetseite der Beklagten ausführlich und glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 S. 1ZPO), er habe nicht gewusst, dass das Angebot der Beklagten möglicherweise nicht erlaubt sei; er habe sich auch keine Gedanken darüber gemacht. Daher hatte der Kläger keine Kenntnis von der fehlenden deutschen Lizenz. Diese erlangte er erst gleichzeitig mit der Kenntnis von der Rechtslage im Sommer 2023. Daher fehlte der Vorsatz.

(b)

Ausnahmsweise tritt die Rechtsfolge des § 134 BGB auch bei einem einseitigen Verstoß gegen das Verbotsgesetz ein, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes nur auf diese Art und Weise zu erreichen ist (vgl. Grüneberg BGB, § 134, Rn. 9). Der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 kann anhand der Zielbestimmung in § 1 S. 1 GlüStV 2012 bestimmt werden. Insbesondere soll das Entstehen von Glücksspielsucht verhindert und der Spielerschutz gewährleistet werden. Dies setzt nicht denknotwendigerweise eine generelle Nichtigkeit voraus. Schließlich wird nicht der Schutz vor Verlusten, die auch bei einem erlaubten Glücksspiel entstehen können, bezweckt. Eine generelle Nichtigkeit hätte vielmehr zur Folge, dass die Spieler ohne die Gefahr des endgültigen Verlustes an Spielen teilnehmen könnten. Damit erreichte man zwar einen hohen Spielerschutz, setzte aber auch der Glücksspielsucht wenig entgegen. Mag auch eine generelle Nichtigkeit nicht erforderlich sein, ist die Nichtigkeit in der konkreten Situation dennoch das Ergebnis, das dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zur stärksten Geltung und Wirksamkeit verhilft. Die Beklagte als Anbieter profitiert im Ergebnis nicht von verbotswidrig erlangten Gebühren und der Kläger als Spieler wird nicht zum Spielen ohne die Gefahr des endgültigen Verlustes der Spieleinsätze animiert.

dd)

Für die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB ist mangels Kenntnis und (grob) fahrlässiger Unkenntnis des Klägers (vgl. o.) kein Raum.

ee)

Der Anspruch ist nicht verjährt.

(1)

Der Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann erst im Sommer 2023. Der Beginn knüpft unter anderem an die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers (§ 199 Abs 1 Nr. 2 BGB). Entscheidend ist ausdrücklich nicht die rechtliche Würdigung (BeckOK BGB, § 276, Rn. 26). Grobe Fahrlässigkeit meint das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (BeckOK BGB, § 276, Rn. 19). Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der fehlenden deutschen Lizenz für das Angebot von Online-Casino-Spielen (allg. Darlegungs- und Beweislastregel). Der Kläger hatte keine Kenntnis von der fehlenden deutschen Lizenz (vgl. o). Diese erlangte er gleichzeitig mit der Kenntnis von der Rechtslage erst im Sommer 2023 (vgl. o.). Die Beklagte bezieht sich auf den Hinweis in der Fußzeile der Internetseite und in den AGB. Ein kleiner Hinweis in der Fußzeile einer Internetseite und ein Hinweis in umfangreichen AGB wird aber durch einen durchschnittlichen und verständigen Verbraucher auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt regelmäßig nicht oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Daher kann dem Kläger keine fahrlässige und erst recht keine grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden deutschen Lizenz vorgeworfen werden.

(2)

Der Lauf der Verjährungshöchst (§ 199 Abs. 4 BGB) des auf den Zeitraum vom 05.08.2013 bis zum 04.08.2020 bezogenen Anspruchs wurde durch die Erhebung der Klage gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). § 204 BGB gilt auch für die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB (MüKo BGB, § 199, Rn. 49). Die Klage gilt als am 31.07.2023 erhoben. Die Zustellung der Klageschrift am 16.10.2023 wirkt im Rahmen des § 204 BGB auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht am 31.07.2023 zurück (§ 167 ZPO). Demnächst im Sinne des § 167 ZPO heißt, dass die Zustellung in einem einzelfallabhängigen, angemessenen zeitlichen Abstand zum Fristende vorgenommen wird, wobei es keine absolute Obergrenze gibt (BeckOK ZPO, § 167, Rn. 4). Unter Berücksichtigung der ausländischen Zustelladresse sind knappe 2,5 Monate als demnächst im Sinne des § 167 ZPO zu betrachten.

d)

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291 S. 1, S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klageschrift ist am 16.10.2023 zugestellt worden.

IV.

1.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte wird in einem verhältnismäßig geringfügigen Umfang verurteilt.

2.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis zu 140.000,00 Euro festgesetzt.