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Nr: NJRE001590673


LG Rostock 3. Zivilkammer, Urteil vom 24.Mai 2024 , Az: 3 O 601/23


Langtext

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Verlusten im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen im Zeitraum vom 28.09.2014 bis zum 11.12.2022 in Höhe von 8.156,86 US-Dollar.

Die Beklagte betreibt von Ihrem Firmensitz in St. J., Republik Malta, aus eine deutschsprachige Internetseite mit diversen Glücksspielangeboten. Für ihre Angebote verfügte die Beklagte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, der Malta Gaming Authority (Anlage K1). Dies war etwa auf der Website der Beklagten ersichtlich. Nach dem Inkrafttreten des aktuell gültigen Glücksspielstaatsvertrags der Länder am 01.07.2021 (GlüStV 2021) erhielt die Beklagte im Jahre 2023 eine deutsche Glücksspiellizenz.

Der Kläger nahm vom 28.09.2014 bis zum 11.12.2022 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten ‚... jeweils freiwillig an Online-Glücksspielen teil. Dafür unterhielt er bei der Beklagten ein Nutzerkonto mit dem Nutzernamen ‚...‘ und der E-Mail-Adresse ... Zunächst spielte er Poker und später hauptsächlich Slots, aber auch Poker; Sportwetten schloss er keine ab.

Der Kläger überwies der Beklagten vor jedem Spiel einen Geldbetrag, um die Teilnahmeberechtigung zu erhalten. Die Abbuchungen erfolgten stets von seinem in Euro geführten deutschen Girokonto. In dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum erzielte der Kläger sowohl Gewinne wie auch Verluste.

Der Kläger behauptet, er habe unter Berücksichtigung der Gewinne in dem relevanten Zeitraum insgesamt 8.156,86 USD an die Beklagte verloren. Kenntnis über die rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielangeboten habe er in dem hier relevanten Zeitraum keine gehabt. Aufgrund der von der Beklagten geschalteten Werbung und den von Deutschland aus aufrufbaren Zahlmethoden sei er stets von der Legalität des Online-Glücksspiels ausgegangen. Erst durch einen Zeitungsartikel sei er schließlich später auf die rechtlichen Risiken aufmerksam geworden. Er habe nur von zu Hause in Deutschland gespielt. Er leide zudem unter Spielsucht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.156,86 USD nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie weise jeden Spielteilnehmer sowohl bei der Registrierung als auch bei jedem einzelnen Login-Vorgang ausdrücklich auf die geltende Endnutzer-Lizenzvereinbarung (Anlagen B 02 u. B 03) hin. Eine Registrierung sei nur bei ausdrücklicher Zustimmung des Spielers möglich. Auch der Kläger habe der Vereinbarung daher zugestimmt und sie vorbehaltlos akzeptiert. Er habe daher gewusst, dass es sich um ein im EU-Ausland lizenziertes Angebot gehandelt habe. Der Kläger habe sein Nutzerkonto wiederholt für Spielteilnahmen aus dem Ausland genutzt. Sie trägt vor, der Kläger stelle unzulässig für die Berechnung seiner behaupteten Verluste nicht auf seine Einzahlungen, sondern stattdessen auf die Gutschriften auf seinem Nutzerkonto ab. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.


Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Rostock folgt aus Art. 17 Abs. 1 c), 18 Abs. 1 Alt. 2 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EUGVVO). Der Rechtsstreit hat eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO zum Gegenstand. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn sein Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet, indem sie mit einer deutschsprachigen Internetdomain und auf deutsch abgefassten Nutzungsbedingungen und AGB von Glücksspielen in Deutschland anbot. Der Kläger hat die Verträge als Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO geschlossen. Er hat an den Spielen im Rahmen seiner privaten Freizeitgestaltung teilgenommen.

Auch die von dem Kläger geltend gemachte Rückgewähr von Einsätzen, die aufgrund eines nichtigen Vertrags und ohne Rechtsgrund gezahlt wurden, bilden ein „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Vorschrift den Gegenstand des Verfahrens (vgl. EuGH v. 20.04.2016 – C-366/13, juris) Aus der Vorschrift des Art. 18 Abs. 2, 2. Alt. EuGVVO folgt auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (Zöller/Geimer, Art. 7, Rn. 1, Art. 18 EuGVVO Rn. 3). Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Landgerichtsbezirk Rostock.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Wertersatz bzw. Rückzahlung seiner geleisteten Spieleinsätze in US-Dollar nicht zu.

Bei Verträgen mit Verbrauchern ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für das Vertragsverhältnis kommt gemäß Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom I-VO deutsches Recht zur Anwendung. Über die Nichtigkeit des Vertrags entscheidet gemäß Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ebenfalls das Vertragsstatut. Auch für Bereicherungsansprüche, die auf die Nichtigkeit eines Vertrags gestützt werden, ist gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e Rom I-VO das Vertragsstatut maßgeblich. Im Hinblick auf die deliktsrechtlichen Ansprüche kommt gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ebenfalls deutsches Recht zur Anwendung. Dies gilt jedenfalls, soweit der Kläger von seinem Wohnsitz aus an Online-Glücksspielen teilnahm.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Herausgabe bzw. Wertersatz in Höhe von 8.156,86 USD gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 1 Alt. BGB (Leistungskondiktion).

Die in Euro von dem Kläger von seinem Girokonto geleisteten Zahlungen können nicht in US-Dollar nach § 818 Abs. 1, 2 BGB heraus verlangt werden. Ferner ist eine Saldierung von in Euro geleisteten Zahlungen und in US-Dollar erhaltenen Gewinngutschriften nicht möglich. Der Kläger leistete unstreitig seine Überweisungen an die Beklagte von seinem Girokonto in Euro. Bei der Berechnung des Erlangten bzw. des Herauszugebenden oder des Wertersatzes gemäß § 818 Abs. 1, 2 BGB ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine Geldsummenschuld, nicht aber um eine Geldwertschuld handelt.

Nur bei einer Leistung des Klägers in US-Dollar - anders als hier - bestünde deshalb ein Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrags in eben dieser Währung. Es kann in diesem Fall nicht etwa der Gegenwert in inländischer Währung verlangt werden (vgl. Staudinger/Lorenz (2007) BGB § 818 Rn. 25 - juris). Vorliegend bedeutet dies umgekehrt, dass die in Euro zu einem bestimmten Wechselkurs geleisteten Zahlungen nicht in US-Dollar heraus verlangt werden können.

Es kann im Streitfall zudem nicht festgestellt werden, dass die in dem hier relevanten Zeitraum vom 28.09.2014 bis zum 11.12.2022 geschlossenen Glücksspielverträge zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie deren Durchführungen nach § 134 BGB nichtig sind mit der Folge, dass die entsprechenden Zahlungen des Klägers rechtsgrundlos erfolgten.

Soweit der Kläger im zeitlichen Anwendungsbereich des neuen GlüStV 2021 (Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29.10.2020, in Kraft getreten am 01.07.2021) an Online-Glücksspielen teilnahm, fehlte der Beklagten lediglich formell eine bereits beantragte, aber für den damaligen Zeitraum noch nicht erteilten Erlaubnis. Die entsprechende Erlaubnis zum Veranstalten von Online-Glücksspielen (Poker und Slots) wurde inzwischen auch für die relevanten Plattformen erteilt, was die materielle Erlaubnisfähigkeit belegt. Aus der lediglich formell fehlenden, jedoch bereits beantragten und später auch erteilten öffentlich-rechtlichen Erlaubnis zum Veranstalten von Online-Glücksspielen in Deutschland kann zivilrechtlich kein beiderseitiges Verbotsgesetz im Sinne von § 134 ZPO abgeleitet werden, denn das Veranstalten dieser konkreten Art des Online-Glücksspiels war nicht schlechthin verboten.

Auch die Teilnahme des Klägers an Online-Glücksspielen [Poker und Slots] im zeitlichen Geltungsbereich von § 4 Abs. 4 Staatsvertrag der Länder zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.2011 (in Kraft getreten am 01.07.2012; GlüStV 2012 bzw. für Mecklenburg-Vorpommern, GVOBl. M-V 2012, S. 215) erfolgte nicht rechtsgrundlos.

In diesem Zusammenhang hat der erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Hinweisbeschluss vom 22.03.3024 - Az.: I ZR 88/23 - die Rechtsauffassung geäußert, dass jedenfalls das öffentliche Angebot von Online-Sportwetten gegen die Regelungen in § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoße, die ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB darstellten. Aus diesem Verstoß folge in dem dortigen Streitfall die Nichtigkeit der im Internet veranstalteten Sportwettverträge (BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR 88/23 –, Rn. 11, Rn 26 juris). Grundsätzlich erfordere der Schutzzweck dieses gesetzlichen Verbots die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB. (BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR 88/23 –, Rn. 26, juris). Der Zweck des gesetzlichen Verbots nach § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012, die Bevölkerung vor den Gefahren des öffentlichen Glücksspiels zu schützen, erfordere grundsätzlich die Nichtigkeit der auf Grundlage eines Internetangebots unter einseitigem Verstoß gegen die Erlaubnispflicht geschlossenen Glücksspielverträge (BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR 88/23 –, Rn. 28, juris). Die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags bestünden gemäß § 1 GlüStV 2012 gleichrangig unter anderem darin, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), durch ein begrenztes erlaubtes Glücksspielangebot den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) und sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt sowie die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt würden (Nr. 4). Die effektive Durchsetzung der genannten legitimen Ziele erfordere grundsätzlich die Nichtigkeit der unter Verstoß gegen die Erlaubnispflicht auf Grundlage eines Internetangebots geschlossenen Glücksspielverträge (BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR 88/23 –, Rn. 29 - 30, juris).

Diese für Sportwetten formulierte Rechtsansicht gilt jedenfalls nicht zwingend für Online-Poker und -Slots. Für Poker und Slots führte diese Ansicht dazu, dass ein Spieler, der an einem illegalen Online-Poker und Slots teilnimmt, seine Spieleinsätze unter bestimmten Umständen erstattet bekommt, während ein Spieler, der legal spielt, seine Verluste grundsätzlich hinzunehmen hat. Die Prämisse, dass die Erstattung von Einsätzen für die Teilnahme an nicht zugelassenen Glücksspielformen zweckmäßig sein soll, um die Bevölkerung vor den Gefahren des Online-Glücksspiels zu schützen, ist offensichtlich nicht widerspruchsfrei. Der Bundesgerichtshof akzeptiert dies für Sportwetten unter Verweis auf die Gefahren im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen. Zumindest aus Sicht der Poker- und Slot-Spieler schafft dies jedoch einen Anreiz, an nicht oder nicht ausreichend regulierten Glücksspielformen teilzunehmen, um sich im Rückforderungsprozess auf seine Unwissenheit hinsichtlich der fehlende Erlaubnis zu berufen.

Im Streitfall ist ferner streitig geblieben, ob und ggf. welche konkreten Spieleinsätze der Kläger überhaupt im räumlichen Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages 2012 verspielte. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der Kläger sein Nutzerkonto wiederholt für Spielteilnahmen aus dem Ausland genutzt habe. Der Kläger konnte insoweit nicht überzeugend belegen, von wo er seine Spieleinsätze jeweils tatsächlich vornahm, seine Gewinne erzielte und Einsätze verspielte. Auch deshalb ist die Berufung auf die Nichtigkeit der gesamten Spielverträge nicht überzeugend gelungen.

Die zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Glücksspielverträge sind auch nicht wegen einer behaupteten pathologischen Spielsucht des Klägers nach § 105 Abs. 2 BGB unwirksam. In bestimmten Fällen kann die Spielsucht zwar die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts begründen (vgl. OLG Hamm v. 07.10.2002 - 13 U 119/02, juris). Der Kläger vermochte hierzu aber gar nicht vorgetragen, dass er während des gesamten hier relevanten Zeitraums bereits in einen Zustand geraten war, bei dem die Gefahr hemmungslosen, unkontrollierten Spiels mit der Qualität zeitweiliger Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 105 Abs. 2 BGB vorlag. Er trägt überdies nicht vor, dass er wegen seiner behaupteten Spielsucht etwa in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung gewesen sei.

Unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit der Spielverträge hat der Kläger ferner nicht konkret dazu Stellung genommen, in welcher Höhe er Einzahlungen für Online-Casinospiele getätigt hat und welche Auszahlungen er erhalten hat. Somit bleibt unklar, welche Verluste tatsächlich auf das Spielen bei der Beklagten zurückzuführen sind. Die primäre Verpflichtung des Bereicherungsschuldners besteht aber darin, das auf Kosten des Gläubigers erlangte Etwas, also exakt jenen Vorteil herauszugeben, der ihm rechtsgrundlos zugeflossen ist. Mithin ist für die Anspruchsdurchsetzung die konkrete Bestimmung des Erlangten notwendig (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 812 Rn. 4).

Hieran fehlt es aber. Der Kläger trägt hierzu vor, dass er aufgrund der Teilnahme an den Online-Glücksspielen insgesamt 8.156,86 US-Dollar verspielt habe. Er trägt als Anspruchsgläubiger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die eine konkrete Bestimmung des Anspruchs ermöglichen. Insoweit zu berücksichtigen wären daher neben den erlittenen Verlusten auch die erzielten Gewinne.

Dieser Pflicht ist der Kläger nicht ausreichend nachgekommen. In der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2024 hat er vorgetragen, dass er durch die Teilnahme an den Online-Glücksspielen auch Gewinne erzielen konnte. Die Gewinne seien der Grund dafür gewesen, dass seine Einsätze im Laufe der Zeit immer höher wurden. Die erzielten Gewinne habe er sogleich wieder verspielt. Jedoch konnte sich der Kläger nicht mehr an die konkrete Höhe der Gewinne und die Höhe der Einsätze erinnern. Die vom Kläger aufgrund seiner Spieleinsätze unstreitig erlangten Gewinnchancen, die sich teilweise sogar realisierten, sowie das Spielvergnügen als solches fanden in der beigebrachten Verlustaufstellung jedoch keine Berücksichtigung.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2024 hat der Kläger - entgegen den Angaben in der Klageschrift [!] - vorgetragen, dass er auch an Pokerspielen teilgenommen habe. Er sei 2014 – als das Pokerspiel auch in Deutschland zunehmend populärer geworden sei - auf eine Werbeanzeige der Beklagten aufmerksam geworden. Dass sich die Spielaktivitäten des Klägers nicht nur auf Slot-Spiele beschränkten, ergibt sich auch aus dem Auszug der Spielerhistorie, den die Beklagte vorlegt hat (Bl. 43 d.A.). Die Art des Spiels ist jedoch maßgeblich für die konkreten Verlust- und Gewinnchancen sowie die von den Teilnehmern vor der Teilnahme zu leistenden Mindesteinsätze. Während bei der Teilnahme an einem Pokerturnier ein gewisser Anteil des Einsatzes als sog. „Rake“ an den Veranstalter bzw. die Beklagte zu zahlen ist, wird der Gewinn („Pot“) grundsätzlich an die anderen Spielteilnehmer ausgeschüttet. Soweit die Verluste des Klägers also an Poker-Mitspieler ausgeschüttet wurden, hat die Beklagte insoweit nichts erlangt im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Teilnahme an digitalen Slot-Spielen erfolgt hingegen ohne menschliche Mitspieler. Die Beklagte bietet auf ihrer Plattform zudem nicht nur ein einziges Slot-Spiel an, sondern verschiedene Spielformen. Die einzelnen Spiele unterscheiden sich vor allem dadurch, dass sie unterschiedliche Gewinnchancen bieten. So bietet etwa das Slot-Spiel „Buffalo Chief“ aufgrund von sechs Walzen mit vier Reihen insgesamt 4.096 Gewinnmöglichkeiten. In der Verlustaufstellung nahm der Kläger jedoch keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Spielen, zwischen Rake- und Pot-Verlusten sowie zwischen den Spielformen vor.

Mangels Substantiierung kann somit offenbleiben, ob der Herausgabeanspruch des Klägers aus tatsächlichen Gründen nach § 814 S. 1 BGB, § 817 S. 2 Hs. 1 BGB und aus rechtlichen Gründen nach §§ 762, 242 BGB ausgeschlossen ist und ob die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung die Anspruchsdurchsetzung ganz oder teilweise hemmt.

Der Kläger hat ferner keinen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 8.156,86 USD aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012. Es fehlt bereits an einem tatbestandsmäßigen Schaden. Schaden ist jede Beeinträchtigung eines Interesses, wobei es sich um ein vermögenswertes oder ein rein ideelles Interesse handeln kann (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 16 m.w.N.). Der Schaden unterscheidet sich von der Aufwendung dadurch, dass er kein freiwilliges Vermögensopfer darstellt (MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 284 Rn. 22).

In der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2024 hat der Kläger vorgetragen, dass sämtliche Spielteilnahmen auf freiwilliger Basis erfolgt seien. Die Einsätze habe er stets aus freiem Entschluss bei der Beklagten eingezahlt. Bei den behaupteten Verlusten handelt es sich daher nicht um Schäden i.S.v. § 249 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 284 Abs. 1 StGB. Bei der Vorschrift des § 284 Abs. 1 StGB handelt es sich schon nicht um ein Schutzgesetz. Ein Schutzgesetz ist nur eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder bestimmte Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dies ist bei § 284 StGB nicht der Fall. Die Vorschrift schützt nicht (primär) das Vermögen des Spielers, sondern nach gefestigter Rechtsprechung die staatliche Kontrolle über die Ausbeutung der Spielleidenschaft (BeckOK, StGB, 60. Ed., Stand: 01.02.2024, § 284 Rn. 5 m.w.N.).

Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zu. Die Veranstaltung von Online-Glücksspielen war von 2014 bis 2022 nicht sittenwidrig. Die Durchführung der von der Beklagten angebotenen Online-Spiele war weder gänzlich untersagt, noch wurde sie strafrechtlich verfolgt. Die Voraussetzungen eines sittenwidrigen Verhaltens sind somit nicht gegeben.

Der Kläger konnte zudem nicht ausreichend darlegen, dass er die Spielangebote der Beklagten nicht in Anspruch genommen hätte, wenn er von den rechtlichen Risiken gewusst hätte. Den vom Kläger behaupteten Verlust seiner Spieleinsätze hätte er ebenso erleiden können, wenn das Glücksspiel legal in Präsenz angeboten worden wäre. Der Kläger spielte zudem über 8 Jahre lang beanstandungsfrei bei der Beklagten. Daher ist nicht ersichtlich, worin die konkrete sittenwidrige Schädigung liegen soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 ZPO.