I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Online-Glückspiel-Anbieterin aus M., die Rückzahlung von Wetteinsätzen in Höhe von 20.904,20 €, die er auf der Online-Casino-Seite ... in der Zeit vom 09.08.2019 bis 02.01.2021 verloren hat.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 02.02.2024 (Bl. 129 d. A.) die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem anhängigen Verfahren C-440/23. Sie begründete den Aussetzungsantrag damit, dass der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 10.01.2024 - I ZR 53/23, in dem es ebenfalls um eine Klage auf Rückzahlung von Verlusten aus Online-Glücksspielen geht, das Verfahren unter Verweis auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ausgesetzt habe (vgl. Pressemitteilung BGH Nr. 009/2024 vom 17.01.2024). Der Sachverhalt sei insoweit mit dem des vom Bundesgerichtshof ausgesetzten Verfahrens identisch. Mit Schriftsatz vom 12.02.2024 (Bl. 133 ff. d. A.) widersprach der Kläger der Aussetzung des Verfahrens.
Mit Beschluss vom 13.02.2024 (Bl. 145 d. A.) setzte das Landgericht Augsburg die Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem anhängigen Verfahren C-440/23 aus. Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 27.02.2024 (Bl. 147 ff. d. A.) sofortige Beschwerde ein.
Das Landgericht Augsburg half der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 12.03.2024 (Bl. 158/159 d. A.) nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor.
II.
Die sofortige Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss ist gemäß § 252 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch nicht begründet, so dass die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war.
1.
Die Aussetzung nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit ist eine prozessleitende Maßnahme zur Verhinderung überflüssiger Mehrarbeit in parallel geführten Prozessen und sich widersprechender Entscheidungen. Die Entscheidung über die Aussetzung trifft das zuständige Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (Thomas/Putzo, ZPO, 45. Auflage 2024, § 148 Rn. 2). Das Beschwerdegericht prüft uneingeschränkt, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist und damit die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vorliegt. Auf der Rechtsfolgenseite hingegen verengt sich der Prüfungsmaßstab auf die Kontrolle von Ermessensfehlern (BGH, Beschluss vom 12.12.2005 - II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289, Rn. 6). Dem Beschwerdegericht ist es daher verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (OLG Braunschweig Beschluss vom 14.02.2022 – 4 W 16/21, BeckRS 2022, 1788 Rn. 44, 45; KG Beschluss vom 06.12.2007-12 W 83/07, BeckRS 2008,00374).
Das Landgericht war zwar nicht zu einer Aussetzung verpflichtet, jedoch sind auch unter Berücksichtigung aller vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte im Schriftsatz vom 12.02.2024 (Bl. 133 ff. d. A.) und vom 27.02.2024 (Bl. 147 ff. d. A.) keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ermessensausübung im vorliegenden Fall fehlerhaft gewesen wäre.
2.
Soweit der Kläger einwendet, das Vorabentscheidungsverfahren des Civil Court Malta an den Europäischen Gerichtshof (C-440/23) sei unzulässig und es fehle bereits an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen, da es sich um ein „konstruiertes Verfahren" (Bl. 134 d. A.) handele, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 10.01.2024 das Revisionsverfahren I ZR 53/23 bis zu einer Entscheidung des EuGH wegen Vorgreiflichkeit ausgesetzt hat. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Verfahren darüber zu entscheiden, ob der Veranstalter eines im Inland verbotenen Online-Pokerspiels die verlorenen Spieleinsätze eines Spielers erstatten muss. Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft insbesondere die Frage, ob § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 unionsrechtskonform war.
Dieser Sachverhalt liegt auch der vom Landgericht Augsburg hier zu entscheidende Fall zugrunde. Anders als der Kläger meint, kann die Vorgreiflichkeit bejaht werden, weil die im Verfahren vor dem EuGH gestellten Vorlagefragen für den vorliegenden Rechtsstreit relevant sind. Auch hier geht es (ausschließlich) um Casino-Glücksspiele, für die das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 galt. Der Kläger macht wegen Nichtigkeit gemäß § 134 BGB des zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsgeschäfts einen Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB geltend. Ob er daneben noch Ansprüche aus Delikt und aus einem ausgeübten Widerrufsrecht erhebt, ist unerheblich.
Die entsprechende Anwendung des § 148 ZPO ist in einer solchen Konstellation nach einhelliger Auffassung grundsätzlich zulässig, wenn die betreffende entscheidungserhebliche Frage bereits in einem anderen Verfahren vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 24.01.2012 - VIII ZR 236/10, BeckRS 2012, 4329, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 14.05.2014 - VII ZR 102/12, BeckRS 2014, 11356 Rn. 7 m.w.N.). Die Prüfung einer weitergehenden, in diesem Sinne materiellen Entscheidungserheblichkeit, also ob das Vorlageverfahren in der Sache tatsächlich dazu geeignet ist, eine Frage zu beantworten, die für das ausgesetzte Verfahren entscheidungserheblich ist, ist dem Senat ob des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes verwehrt (OLG Braunschweig Beschluss vom 14.02.2022 – 4 W 16/21, BeckRS 2022, 1788 Rn. 66).
Gemessen an diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hat das Landgericht Augsburg das ihm zustehende Ermessen unter Bejahung eines Aussetzungsgrundes zutreffend ausgeübt.
3.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 252 ZPO, Rn. 5).