Gemäß § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen, besteht für das Gericht - in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO - auch dann, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist, das eine Rechtsfrage zum Gegenstand hat, die auch für ein bei dem Gericht anhängiges Verfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BGH Beschluss vom 11. Februar 2020 - XI ZR 648/18, juris Rn. 48 mwN). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
1. Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens C-440/23 beim Gerichtshof der Europäischen Union sind insbesondere die Rechtsfragen, ob das in dem am 30. Juni 2021 außer Kraft getretenen § 4 Abs. 4 des GlüStV 2012 enthaltene vollständige Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet mit Art. 56 AEUV vereinbar war (Vorlagefragen 1 bis 4) und ob eine etwaige Unvereinbarkeit dieses Verbots mit Art. 56 AEUV oder der Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs der Rückforderung der beim verbotenen Glücksspiel verlorenen Einsätze entgegensteht (Vorlagefragen 5 bis 7).
2. Diese Fragen sind - entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung (Schriftsatz vom 4. März 2024 Seite 2 ff., Bl. 118 ff. Bd. II d.A.) - auch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits entscheidungserheblich. Denn die Parteien streiten ausschließlich über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Spieleinsätze zurückzuzahlen, die dieser bei Glücksspielen über die von der Beklagten betriebene Internetseite vor Inkrafttreten des § 4 GlüStV 2021 am 1. Juli 2021 verloren hat.
Entscheidungserheblich ist damit die Frage, ob dem Kläger die geltend gemachten, auf ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) gestützten Ansprüche wegen einer Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Glücksspielverträge nach § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zustehen. Dies wäre nicht der Fall, wenn entsprechende Ansprüche wegen einer Unionsrechtswidrigkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 oder nach Treu und Glauben ausgeschlossen wären.
3. Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner abweichenden Auffassung auf Entscheidungen anderer Gerichte beruft, die - so der Kläger - eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog in gleichgelagerten Fällen abgelehnt hätten (Schriftsatz vom 4. März 2024 Seite 2 f., Bl. 118 f. Bd. II d.A.), stehen diese Entscheidungen nicht mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2024 im Einklang. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof das Revisionsverfahren I ZR 53/23, in dem wie vorliegend die Frage der Nichtigkeit von Glücksspielverträgen gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 in Rede steht, ebenfalls im Hinblick auf das beim Gerichtshofs der Europäischen Union anhängige Verfahren C-440/23 in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt.
4. Soweit der Kläger sich gegen eine Aussetzung des Verfahrens auch mit der Begründung wendet, er habe ein gegenüber der Aussetzung des Verfahrens überwiegendes Interesse an der Verfahrensdurchführung, weil davon auszugehen sei, dass die Beklagte vor dem Hintergrund des Bill 55 in M. (Gaming Amendment Act 2023), das die Vollstreckung ausländischer Urteile gegen maltesische Glücksspielanbieter untersage, in absehbarer Zeit abgewickelt werde (Schriftsatz vom 4. März 2024 Seite 10 f., Bl. 126 f. Bd. II d.A.), teilt der Senat diese Auffassung nicht.
Der Kläger hat gegen die Beklagte vor dem Landgericht ein vorläufig vollstreckbares Urteil erwirkt, mit dem die Beklagte zur Zahlung verurteilt wurde. Auch eine Entscheidung des Senats wäre lediglich vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO). Der Senat würde zudem im Falle einer Entscheidung die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zulassen müssen (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn vorliegend ist - wie dargestellt - die Auslegung von Europarecht notwendig und betreffend die insoweit maßgeblichen Fragen ist ein Verfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig (vgl. MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 6 mwN; vgl. zur vorliegend ebenfalls in Betracht zu ziehenden Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts in einem vergleichbaren Fall außerdem OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 - 9 U 3/22, juris Rn. 1, 64 f., 159 ff.).
Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die Vollstreckbarkeit seiner Forderung in M. durch eine für ihn günstige Entscheidung des Senats wesentlich bessergestellt würde.