Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen Erwähnungen von ihr und der von ihr verlegten Tageszeitung „junge Welt“ (jW) in den Verfassungsschutzberichten der Beklagten für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2023.
Die jW wurde 1947 gegründet und war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bis 1989 Organ des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Nach der Wende erlebte die jW einen starken Auflagenrückgang und wurde 1995 kurzzeitig eingestellt. Daraufhin wurde die in Berlin ansässige Klägerin gegründet, welche die jW seitdem verlegt. I... ist seit ihrer Gründung ihr Geschäftsführer und aktives Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Die Klägerin gehört mehrheitlich der Genossenschaft Q..., welche am 7. Oktober 1995 gegründet wurde.
Im Verfassungsschutzbericht 1998 widmete die Beklagte der jW erstmals einen eigenen Berichtsteil in der Rubrik „linksextremistische Bestrebungen“. In den Verfassungsschutzberichten 1999 und 2002 wurde die jW als „linksextremistisch“ bezeichnet. Seit dem Verfassungsschutzbericht 2004 wurde der jW in der Rubrik „linksextremistische Bestrebungen“ bzw. „Linksextremismus“ – seit 2014 als „Beobachtungsobjekt“ – jeweils ein eigener Berichtsteil gewidmet und die Klägerin als ihr Verlag genannt. Im Registeranhang der Verfassungsschutzberichte, wo die Beklagte Gruppierungen auflistet, welche sie als erwiesen extremistisch ansieht, nannte sie die Klägerin seit dem Verfassungsschutzbericht 2009 und die jW seit dem Verfassungsschutzbericht 2017.
Im Anschluss an die Angabe von allgemeinen Strukturdaten zur jW (Gründung, Sitz, Verlag (jeweils die Klägerin), Chefredakteur (jeweils X...), Erscheinungsweise) lauteten die Berichtsteile über die jW für die Jahre 2017 bis 2023 wie folgt:
- 2017:
„Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit einer Auflage von 156.000 Exemplaren (Eigenangaben der Organisation) das auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus.
Einzelne Redaktionsmitglieder und ein nicht unerheblicher Teil der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.
Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen, eine öffentliche Plattform. Die seit Jahren angespannte finanzielle Lage der jW hat sich nach eigenen Angaben stabilisiert.“
- 2018:
„Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit einer Auflage von 25.600 Exemplaren (Ausgabe zum 1. Mai nach Eigenangaben der Organisation 131.000 Exemplare) das auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus.
Einzelne Redaktionsmitglieder und ein nicht unerheblicher Teil der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.
Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen, eine öffentliche Plattform. Nach Eigenangaben von Redaktion, Verlag und Genossenschaft will die Zeitung nicht nur informieren, sondern auch für Aktionen mobilisieren und den Widerstand formieren:
„Unsere Zeitung informiert über Aktionen und hilft bei der Mobilisierung. Sie befördert den Austausch über die Möglichkeiten, knechtende Verhältnisse umzustoßen. Und schließlich versucht das jW-Kollektiv, wo und wann auch immer möglich, vor Ort zu sein, mit Redakteuren und Autoren, aber auch mit Aktionsteams.“ („junge Welt“ vom 22./22.09.2018, S. 16)
Die seit Jahren angespannte finanzielle Lage der jW hat sich nach eigenen Angaben zumindest für das Jahr 2018 stabilisiert.“
- 2019:
„Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit einer wöchentlichen Auflage von 25.600 beziehungsweise 27.900 Exemplaren der Samstagsausgabe das auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus. Die Ausgabe zum 1. Mai 2019 umfasste nach Eigenangaben der Organisation 126.000 Exemplare. Zum Selbstverständnis der jW heißt es etwa:
„In wenigen Worten lässt sich die Frage, was die junge Welt ist, so beantworten: Sie ist die einzige marxistische Tageszeitung im deutschsprachigen Raum und ergreift als solche klar Partei.“
(„Mediadaten-Anzeigenpreisliste“ Nr. 28, 1. März 2019, S. 3)
Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.
Nach Eigenangaben von Redaktion, Verlag und Genossenschaft will die Zeitung nicht nur informieren, sondern auch für Aktionen mobilisieren und den Widerstand formieren.
Die jW bekennt sich dabei nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer eine öffentliche Plattform für Personen, die politisch motivierte Straftaten gutheißen.“
- 2020:
„Die kommunistisch ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein. Sie ist das bedeutendste und mit zuletzt 19.500 verkauften Einheiten von Printexemplaren und Onlineabos bei einer Druckauflage von 23.400 Exemplaren (2019: 25.600; Samstags 27.000 Exemplare) auflagenstärkste Medium im Linksextremismus. Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie z.B. die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW erklärt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten.“
- 2021:
„Die marxistische ausgerichtete Tageszeitung „junge Welt“ (jW) tritt für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaftsordnung ein. Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus mit einer Druckauflage von 23.400 Exemplaren (samstags 27.000 Exemplare).
Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie zum Beispiel die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen. Die jW erklärt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten.“
- 2022:
„Die Tageszeitung „junge Welt“ (jW) strebt die Errichtung einer sozialistisch- kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis an.
Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus mit einer Druckauflage von 20.400 Exemplaren (samstags 23.500 Exemplare). Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie zum Beispiel die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.
Die jW erklärt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten.“
- 2023:
„Die Tageszeitung „junge Welt“ (jW) strebt die Errichtung einer sozialistisch- kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis an.
Sie ist das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus mit einer Druckauflage von 20.400 Exemplaren (samstags 23.500 Exemplare). Die jW ist mehr als ein Informationsmedium. Sie wirkt als politischer Faktor und schafft Reichweite durch Aktivitäten wie zum Beispiel die Durchführung der alljährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Einzelne Redaktionsmitglieder und einige der Stamm- und Gastautorinnen und -autoren sind dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen.
Die jW bekennt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Vielmehr bietet sie immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworten.“
Auf der Internetpräsenz des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) sind die Verfassungsschutzberichte 2018 bis 2023 und auf der Internetpräsenz des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) die Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2023 abrufbar. Für die Verfassungsschutzberichte 2015 bis 2019 besteht bei der Beklagten ein Herausgabestopp für Papierexemplare. Für die Jahre davor stellt sie im Einzelfall auf Anforderung noch einen PDF-Ausdruck zur Verfügung.
Am 9. September 2021 hat die Klägerin Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Mit Beschluss vom 18. März 2022 hat die Kammer diesen abgelehnt (Az.: VG 1 L 436/21).
Die Klägerin hat sich mit der Klage zunächst nur gegen ihre Erwähnungen in den Verfassungsschutzberichten 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2020 gewandt. Mit Schriftsätzen vom 8. Februar 2023, vom 1. August 2023 und vom 25. Juni 2024 hat sie ihr Unterlassungsbegehren auf die nach Klageerhebung veröffentlichten Verfassungsschutzberichte 2021, 2022 und 2023 erstreckt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Klage aufgrund andauernder belastender Wirkungen hinsichtlich aller angegriffenen Verfassungsschutzberichte zulässig sei. Sie habe zunächst eine weitergehende Stigmatisierung in der Öffentlichkeit befürchtet und sei u. a. daher nicht früher gegen ihre Erwähnungen vorgegangen. Diese Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten stelle einen erheblichen Eingriff in ihre Pressefreiheit, Berufsfreiheit und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, der nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin sehe ihre Aufgabe darin, durch die jW Informationen zu vermitteln, Meinungen abzubilden und zu vertreten und bediene dabei – wie jede Tageszeitung – ein bestimmtes politisches Klientel. Sie veröffentliche im Rahmen ihrer linken, marxistisch orientierten „Blattlinie“ kapitalismuskritische Artikel und befürworte den Sozialismus. Ihre marxistische Orientierung bedeute nur, dass Instrumente und Begriffe aus dem Marxismus als Ansatz für ihre Themenauswahl und journalistische Analyse verwendet würden. Insbesondere strebe sie keine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung nach klassisch marxistisch-leninistischem Verständnis im Sinne der Rechtsprechung in Form eines diktatorisches Einparteiensystems an. Eine solche Gesellschaftsordnung stehe im Gegensatz zum Selbstverständnis der jW, welche klar an demokratischen Grundwerten und der parlamentarischen Demokratie verhaftet sei. Für die Einordnung der Beklagten sprächen insbesondere nicht die vereinzelten Bezugnahmen auf Lenin. Denn sie nehme z. B. auch auf Rosa Luxemburg Bezug, welche eine starke Kritikerin von Lenin und der von ihm angestrebten Übertragung der Alleinherrschaft auf eine Zentralgewalt gewesen sei. Die Inhalte von Artikeln Dritter könnten der jW nicht zugerechnet werden, weil sie im Rahmen ihrer linkspolitischen Blattlinie einen „Markt der Meinungen“ eröffne. Die selbst verfassten Inhalte seien nicht linksextremistisch oder von der Beklagten verkürzt und dadurch verfälscht wiedergeben bzw. nicht vertretbar interpretiert worden. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass die Beklagte nur einen Bruchteil der in der Beobachtungszeit veröffentlichten Artikel heranziehe und es bei einer Tageszeitung naturgemäß gewisse sich wiederholende Themen gebe. Soweit sie sich – von ihrer Meinungsfreiheit gedeckt – positiv über die DDR, die Sowjetunion, Kuba, Venezuela oder China äußere, sei den jeweiligen Artikeln keine positive Haltung zu Werten zu entnehmen, welche mit der demokratischen Ordnung unvereinbar seien. Die Durchführung einer Konferenz sei für einen Verlag nicht außergewöhnlich und auf ihrer Rosa-Luxemburg-Konferenz hätten Referentinnen und Referenten unterschiedlichster politischer Einstellungen teilgenommen. Die Beklagte behaupte hinsichtlich einzelner Redaktionsmitglieder und Autoren eine linksextremistische Einstellung lediglich aufgrund deren Zugehörigkeit zur DKP oder anderen Organisationen, ohne inhaltlich darzulegen, weshalb sie diese Zusammenschlüsse jeweils als linksextremistisch einstufe. Die jW sei parteiunabhängig, denn es gebe in der Redaktion keine Dominanz eines DKP-Hintergrundes und P...sei bei der Gründung der Klägerin auch nicht als Abgesandter der DKP tätig geworden. Die Herstellung einer „Kontaktschuld“ sei unzulässig.
Die Berichterstattung sei nicht verhältnismäßig, weil die Klägerin dadurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sei. Zudem werde die Pressefreiheit und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung durch die Berichterstattung angegriffen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, jede weitere Verbreitung der Verfassungsschutzberichte 1998, 1999, 2002, 2004 bis 2023 zu unterlassen, es sei denn, sie entfernt die darin enthaltenen Passagen über die junge Welt und die Q... oder macht sie unkenntlich,
die Beklagte zu verurteilen, in ihrem nächsten Verfassungsschutzbericht richtigzustellen, dass ihre Berichterstattung über die Klägerin in den Berichten der Jahre 1998, 1999, 2002, 2004 bis 2023 rechtswidrig war sowie
hilfsweise, festzustellen, dass die Berichterstattung über die Klägerin in den Verfassungsschutzberichten 1998, 1999, 2002, 2004 bis 2022 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Erwähnungen der Klägerin und der jW in den streitgegenständlichen Verfassungsschutzberichten. Hinsichtlich der Verfassungsschutzberichte bis 2019 sei die Klage bereits unzulässig, weil das Recht, diese anzugreifen, grundsätzlich ein Jahr nach deren Veröffentlichung verwirkt werde. Die Berichterstattung sei gerechtfertigt, weil die Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung der Klägerin bzw. der jW derart verdichtet seien, dass sie als gesichert linksextrem eingestuft werden könnten. Die Klägerin berichte nicht lediglich über sozialistische/kommunistische Bestrebungen, sondern propagiere auf der Grundlage ihrer marxistischen Grundüberzeugung selbst das Ziel, die freiheitliche Demokratie der Bundesrepublik Deutschland durch eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Marxisten beabsichtigten nicht nur zu informieren, sondern eine „Denkweise“ herauszubilden, um bei den Bevölkerungsgruppen, die sie als „Unterdrückte“ oder „Ausgebeutete“ identifizieren, Verständnis und die Bereitschaft zum Widerstand hervorzurufen. Eine sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne seien mit zentralen Verfassungswerten nicht vereinbar, weil diese u. a. eine parlamentarische Opposition sowie die Ablösbarkeit der Regierung allenfalls eingeschränkt gewährleisten würden. Für die Annahme von verfassungsfeindlichen Bestrebungen spreche neben der marxistischen Ausrichtung der jW, dass P... und einzelne Redaktionsmitglieder in Schlüsselpositionen sowie Stamm- und Gastautoren dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen seien, sich die jW ununterbrochen in der marxistisch-leninistischen Tradition zur damaligen FDJ-Zeitung sehe, in verschiedenen Artikeln der jW linksextremistische Positionen verbreitet und sozialistische Staatsordnungen verherrlicht würden, es wiederholte Bezugnahmen auf Lenin und dessen Lehren gebe, regelmäßig Beiträge veröffentlicht würden, welche Gewalt als Mittel im politischen Kampf thematisierten, ohne dass die jW sich von den Inhalten abgrenze, die Auswahl der Artikel erklärtermaßen nicht unabhängig von der Meinung der Journalisten bzw. den Absichten der Klägerin erfolge und die Klägerin mit der Unterstützung bzw. Durchführung von Veranstaltungen das linksextreme Spektrum mobilisieren wolle. Insbesondere die Verbindungen zur DKP seien für die Klägerin prägend und richtungsweisend und damit auch die von dieser vertretene traditionelle kommunistische Ideologie.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.
I. Soweit die Klage auf die Unterlassung der weiteren Verbreitung der Erwähnung der Klägerin bzw. der jW in den Verfassungsschutzberichten für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2023 gerichtet ist, ist sie als allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 und § 111 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerin ist als juristische Person nach § 61 Nr. 1 VwGO i. V. m. § 13 Abs. 1 GmbHG fähig, am Verfahren beteiligt zu sein und klagebefugt, weil sie eine eigene Rechtsverletzung und einen daraus folgenden Unterlassungsanspruch geltend macht. Insbesondere ist sie auch klagebefugt, soweit es um Erwähnungen der jW geht. Die jW ist ein Presseorgan ohne eigene Rechtspersönlichkeit und die Klägerin ist als ihr Verlag für ihre Veröffentlichung verantwortlich. In dieser Funktion wird die Klägerin auch im Rahmen der Berichterstattung über die jW in den streitgegenständlichen Verfassungsschutzberichten erwähnt. Eine rechtswidrige Erwähnung der jW würde damit in die Rechte der Klägerin eingreifen, weshalb ihr auch insoweit ein Unterlassungsanspruch zustehen kann.
2. Soweit das Unterlassungsbegehren die Verfassungsschutzberichte 2015 und 2016 betrifft, ist die Klage jedoch unzulässig, weil der Klägerin das notwendige allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Der aus § 1004 BGB analog bzw. den Grundrechten abgeleitete und allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54/10, juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. März 2019 - 10 S 14.19, LKV 2019, 183, 184). Hinsichtlich der Verfassungsschutzberichte 2015 und 2016 besteht bei der Beklagten ein Verbreitungsstopp und auf ihrer Internetpräsenz sind die beiden Verfassungsschutzberichte nicht mehr abrufbar. Eine weitere Verbreitung durch die Beklagte ist damit fernliegend und ein Anspruch der Klägerin auf ein entsprechendes Unterlassen deshalb ausgeschlossen.
Die Kammer war im Rahmen ihrer Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), nicht dazu angehalten, der Klägerin einen Schriftsatznachlass zuzusprechen, soweit das Gericht in der mündlichen Verhandlung Bedenken an der Zulässigkeit der Klage äußerte. Der beantragte Schriftsatznachlass war nicht zu bewilligen, weil die Klägerin in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit hatte, angemessen und wohlüberlegt auf Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage zu reagieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1991 - 1 C 20/90,NJW 1991, 2037; Breuning in: BeckOK VwGO,Posser/Wolff/Decker, 70. Edition, Stand: 01.07.2024, § 108, Rn. 50). Seit der Klageerwiderung vom 12. Oktober 2021 ist die Unzulässigkeit eines Großteils der Klage zwischen den Beteiligten streitig und von beiden Beteiligten wurde umfassend dazu Stellung genommen. Dass sich die Kammer in ihrer Entscheidungsfindung mit dieser Frage wird auseinandersetzen müssen und die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörtern würde, war daher absehbar. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Kammer den dahingehenden Streit im Eilbeschluss vom 18. März 2022 (VG 1 L 436/21) erwähnte und für das Verfahren, gerichtet auf vorläufigen Rechtsschutz, offen ließ. Auf rechtliche Ausführungen der Kammer zur Zulässigkeit der Klage hätte die Klägerin daher noch in der mündlichen Verhandlung angemessen reagieren können.
3. Soweit das Unterlassungsbegehren die nicht mehr auf der Internetpräsenz der Beklagten abrufbaren Verfassungsschutzberichte 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2014 betrifft, ist ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich anzuerkennen, weil die Beklagte insoweit angegeben hat, dass sie im Einzelfall einen Ausdruck der bei ihr vorliegenden PDF-Datei des jeweiligen Verfassungsschutzberichts herausgibt (vgl. zum Vorliegen des Rechtschutzbedürfnisses bei Abrufbarkeit auf der Internetpräsenz: Urteile der Kammer vom 21. Januar 2016 - 1 K 255.13, BeckRS 2016, 51723, und vom 7. September 2023 - 1 K 228/21, UA S. 6).
Die Klägerin hat insoweit jedoch ihren Unterlassungsanspruch und damit ihr Klagerecht verwirkt. Die Verwirkung des Klagerechts ist trotz Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Einzelfall möglich, nach welchem grundsätzlich jedem der Rechtsweg offen steht, wenn er durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird (vgl.BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67, juris Rn. 22). Ein Recht (oder Anspruch) ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts unter Berücksichtigung des beim Verpflichteten oder bei einem Dritten daraus erwachsenden Vertrauens als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Seit der Entstehung des Rechts und der Möglichkeit seiner Geltendmachung muss längere Zeit verstrichen sein (Zeitmoment) und der Berechtigte muss unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment). Erst hierdurch wird die Situation geschaffen, auf die ein Beteiligter vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (Vertrauensmoment). Zeit-, Umstands- und Vertrauensmoment sind nicht präzise voneinander zu trennen. Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19, juris Rn. 12; VGH München, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 3 ZB 19.1003, juris Rn. 10). Zu den in die Gesamtbewertung einzustellenden Gesichtspunkten gehört auch der Aspekt, ob und inwieweit der Berechtigte von der Existenz des ihm zustehenden Rechts, auf dessen Nichtausübung der Verpflichtete - oder ein begünstigter Dritter - vertraut, Kenntnis hatte. Die Festsetzung einer starren Höchst- oder Regelfrist, bei deren Überschreitung die jeweilige prozessuale Befugnis oder das materielle Recht verwirkt ist und die den Kenntnisstand des Berechtigten hinsichtlich der ihm zustehenden Rechte unberücksichtigt lässt, ist nicht möglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19, juris Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 4. März 2008 - 2 BvR 2111/07 / 2 BvR 20112/07, juris Rn. 31).Entgegen der Auffassung der Beklagten ist daher nicht anzunehmen, dass das Klagerecht grundsätzlich ein Jahr nach Veröffentlichung des jeweiligen Verfassungsschutzbericht verwirkt wird, weil dies eine solche unzulässige starre Höchst- bzw. Regelfrist darstellen würde (vgl. aber entsprechend: VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2019 - 20 K 13111/17, juris Rn. 62 ff.; dagegen aber nunmehr selbst: VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Mai 2022 - 20 K 4760/20, juris Rn. 33).
Nach den vorstehenden Grundsätzen ist eine Verwirkung hier insoweit anzunehmen, als dass sich die Klägerin gegen Erwähnungen von ihr bzw. der jW in Verfassungsschutzberichten bis einschließlich für das Jahr 2014 wendet. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sind hinsichtlich dieser Verfassungsschutzberichte seit der jeweiligen Veröffentlichung (im jeweils auf das Berichtsjahr folgenden Jahr) bis zur Klageerhebung mindestens sechs Jahre vergangen (seit dem Verfassungsschutzbericht 1998 sogar ca. zweiundzwanzig Jahre), also eine erhebliche Zeit (Zeitmoment).
Die Klägerin ist in dieser Zeit in Kenntnis der Berichterstattung untätig geblieben, obwohl sie der Auffassung ist, dass ihre Erwähnungen insgesamt ungerechtfertigt waren. Vernünftigerweise hätte sie zur Vermeidung der ihr durch die Berichterstattung entstandenen Nachteile und zur Wahrung ihrer im hiesigen Verfahren geltend gemachten Rechte, u. a. ihrer Pressefreiheit, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Veröffentlichung des jeweiligen Verfassungsschutzberichtes gegen ihre Erwähnung Klage erhoben (bzw. einstweiligen Rechtsschutz ersucht), obwohl es bei der allgemeinen Leistungsklage keine gesetzliche Klagefrist gibt (Umstandsmoment). Soweit die Klägerin ihre späte Klageerhebung damit begründet, dass sie zuvor eine weitere Stigmatisierung in der Öffentlichkeit befürchtet habe, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel für eine Klage nicht ausreichend gewesen seien und sich erst in den letzten Jahren vor der Klageerhebung massive Beeinträchtigungen ihrer Pressearbeit gezeigt hätten, lässt dies eine derart späte Klageerhebung nicht vernünftig erscheinen. Ihre (behauptete) Stigmatisierung erfolgte bereits durch die Veröffentlichung des jeweiligen Verfassungsschutzberichts. Da die Klägerin ihre Erwähnungen seit 1998 teilweise jahrzehntelang „so stehen ließ“, dürfte sich die Stigmatisierung durch die jeweils folgenden Erwähnungen „verfestigt“ haben. Wäre sie jedoch gegen ihre Erwähnungen im Klagewege vorgegangen, wären zwar etwaig mehr Personen auf ihre Erwähnung aufmerksam geworden. In dem Zusammenhang hätte die Öffentlichkeit jedoch auch – im Sinne der Klägerin – erfahren, dass die Klägerin sich gegen ihre Erwähnung zur Wehr setzt, weil sie diese für ungerechtfertigt hält. Ob die Stigmatisierung gerechtfertigt war, hätte die Öffentlichkeit sodann durch die Entscheidung des Gerichts erfahren können. Sofern die Klägerin die bei Klageerhebung entstehenden Kosten früher nicht hätte finanzieren können, wäre eine Klageerhebung zusammen mit einem Spendenaufruf, wie gegenwärtig, möglich gewesen. Die ihr etwaig erst in den letzten Jahren entstandenen massiven Beeinträchtigungen in der Pressearbeit waren aufgrund der mit der Berichterstattung einhergehenden Stigmatisierung vorhersehbar, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt ein möglichst frühes Handeln angezeigt war.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zwar kein aktives Verhalten gezeigt, welchem zu entnehmen wäre, dass sie keine Klage mehr erheben werde. Darauf kommt es jedoch – bereits nach der vorgenannten Definition des Bundesverwaltungsgerichts – nicht zwingend an. Ein entsprechendes aktives Verhalten der Klägerin wäre im konkreten Fall auch fernliegend, sodass dem Fehlen eines solchen aktiven Verhaltens kein besonderer Wert zukommt. Denn die Beklagte veröffentlicht den Verfassungsschutzbericht, ohne die Erwähnten zuvor anzuhören oder sonst zu beteiligen. In der Folge ist grundsätzlich auch mit keinem „aktiven“ außergerichtlichen Verhalten der Erwähnten gegenüber der Beklagten zu rechnen, insbesondere auch nicht mit einem die Berichterstattung inhaltlich anerkennenden Verhalten.
Durch den vorliegend sehr erheblichen Zeitablauf von mehr als sechs Jahren seit der jeweiligen Veröffentlichung und den Umständen der Untätigkeit der Klägerin im konkreten Fall, durfte sich die Beklagte darauf einrichten, diese Erwähnungen der Klägerin und der jW nicht mehr im Rahmen einer Klage verteidigen zu müssen (Vertrauensmoment). Da die Beklagte zur Rechtfertigung der Berichterstattung tatsächliche Anhaltspunkte aus dem Zeitraum nennen muss, welche für das jeweilige Berichtsjahr herangezogen werden können, wird ihr die Verteidigung im Laufe der Zeit naturgemäß erschwert (z. B. Vernichtung von Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen, verblassende Erinnerung von Zeugen usw.). Die Erfolgschancen für eine Klage gegen eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht vergrößern sich daher, je mehr Zeit seit deren Veröffentlichung vergangen ist. Ein solches Ergebnis ist u. a. im Sinne des Rechtsfriedens nicht hinnehmbar (auch dieser kann die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67, juris Rn. 19).
Das Vertrauensmoment folgt damit – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – in einem gewissen Automatismus allein aufgrund des erheblichen Zeitablaufs (so für sieben Jahre Untätigkeit: VGH München, Beschluss vom 25. November 2019 - 3 CE 19.1926, juris Rn. 8), der eine Verschlechterung der Beweislage nach sich zieht (vgl. auch VGH München, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 3 ZB 19.1003, juris Rn. 11). Eine konkrete Vertrauensbetätigung, die über das gewöhnlich von der Beklagten zu erwartende Verhalten in Folge der fehlenden Klageerhebung hinausgeht, ist nicht erforderlich (vgl. auch VGH München, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 3 ZB 19.1003, juris Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 10/17, juris Rn. 35).
Gegen die Annahme der Verwirkung spricht auch nicht, dass die Klägerin bzw. die jW im Falle der Begründetheit der übrigen Klage teilweise weiterhin in den Verfassungsschutzberichten erwähnt werden würden und damit etwaig eine Stigmatisierung fortdauert. Denn dies muss die Klägerin gerade aufgrund ihrer langen Untätigkeit hinnehmen.
4. Eine Verwirkung ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch nicht für die Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2019 anzunehmen, also den streitgegenständlichen Verfassungsschutzberichten, hinsichtlich welcher ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis aufgrund des weiteren Vorhaltens auf der Internetpräsenz der Beklagten grundsätzlich besteht und deren Veröffentlichung bei Klageerhebung jeweils mehr als ein Jahr zurücklag. Denn das Vorhalten der Verfassungsschutzberichte auf der Internetpräsenz lässt die Schutzwürdigkeit der Beklagten entfallen. Diese entfällt, weil sie damit der gesamten Öffentlichkeit einen besonders niedrigschwelligen Zugang zu den Inhalten der Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre bietet. Dadurch erweckt sie den Eindruck, als informiere bzw. „warne“ sie die Öffentlichkeit weiterhin in Bezug auf die Tätigkeiten der dort erwähnten Bestrebungen. Die Beklagte muss diese Inhalte daher auch in einem Klageverfahren verteidigen und kann sich insoweit nicht auf die Verwirkung des Klagerechts berufen.
II. Soweit die Klage auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der Erwähnung der Klägerin bzw. der jW in den Verfassungsschutzberichten zulässig ist, ist sie unbegründet. Der Klägerin steht im Hinblick auf die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2017 bis 2023 kein Unterlassungsanspruch zu.
Der einzig in Betracht kommende öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (vgl. unter I. 2.). Diese Voraussetzungen liegen hier mangels einer rechtswidrigen Berichterstattung nicht vor.
1. Die Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2023, in welchen die Beklagte die Klägerin und die jW erwähnt, stellen amtliche Äußerungen und damit ein hoheitliches Handeln der Beklagten dar. Denn diese Äußerungen hat die Beklagte auf Grundlage ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nach § 16 Abs. 2 BVerfSchG getätigt (im Folgenden sind mit „BVerfSchG“ alle Fassungen der Vorschriften in der Zeit der Veröffentlichungen der Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2023 gemeint, weil sich die für die Entscheidung maßgeblichen § 3 Abs. 1, § 4 und § 16 Abs. 2 BVerfSchG nur unwesentlich geändert haben. In § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 BVerfSchG änderte sich die Regelung hinsichtlich hier nicht relevanter Bestrebungen von Einzelpersonen und in § 16 Abs. 2 BVerfSchG wurde die Bezeichnung des Ministeriums angepasst [früher nur: Bundesministerium des Innern]).
2. Es besteht auch die konkrete Gefahr der Wiederholung dieser Äußerungen durch das Vorhalten dieser Verfassungsschutzberichte auf der Internetpräsenz der Beklagten, wo diese von der Öffentlichkeit abgerufen werden können.
3. Durch die Berichterstattung über die Klägerin und die jW greift die Beklagte in die Rechte der Klägerin auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und in ihr Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, auf die sich die Klägerin als inländische juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann (vgl. auch Beschluss der Kammer vom 18. März 2022 - 1 L 436/21, juris Rn. 10). Insbesondere greift auch die Berichterstattung über die jW in die Rechte der Klägerin als Verlag der jW ein (s. unter I. 1.).
4. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt und die Berichterstattung damit rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Berichterstattung ist § 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG. Die Vorschrift kann als allgemeines Bundesgesetz und Teil der verfassungsmäßigen Ordnung einen Eingriff in die vorstehenden Grundrechte rechtfertigen (vgl. insb. zum möglichen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit durch ein vergleichbares Gesetz, § 15 Abs. 2 VSG NRW a. F.: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 60). Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG informiert die Beklagte – durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat – die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG in einem zusammenfassenden Bericht, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Von § 3 Abs. 1 BVerfSchG sind u. a. Bestrebungen umfasst, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 Var. 1 BVerfSchG). Diese Bestrebungen werden in § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG legaldefiniert als solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Zu den Verfassungsgrundsätzen nach § 4 Abs. 2 BVerfSchG gehören u. a. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen (lit. a)), das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (lit. c)), die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung (lit. d)) und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (lit. g)).
b) Bei der Klägerin und der jW handelt es sich jeweils um einen Personenzusammenschluss im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 c) BVerfSchG. Der Begriff des Personenzusammenschlusses erfasst sämtliche Vereinigungen mehrerer Personen, unabhängig von ihrer Rechtsform (vgl. zur FDJ in Westdeutschland: BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1954 - I A 23.53, juris Rn. 28; und zum „Flügel“ der AfD: VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 207/20, juris Rn. 148; VG Dresden, Urteil vom 22. Mai 2024 - 6 K 620/22, juris Rn. 61). Die Klägerin ist ein Personenzusammenschluss in Form einer juristischen Person, u. a. mit dem Ziel des Verlegens der jW. Die jW selbst ist als Tageszeitung ohne besondere Rechtsform ein Personenzusammenschluss, dessen Redaktion und Mitarbeiter u. a. die konkrete Gestaltung der jW zum Ziel haben.
c) Es liegen ausreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vor, um eine verfassungsfeindliche Bestrebung der Klägerin und der jW in den Jahren 2017 bis 2023 anzunehmen, sodass die Beklagte gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG über diese im jeweiligen Verfassungsschutzbericht zusammenfassend berichten durfte.
(1) Die Klägerin bzw. die jW strebte die Errichtung einer verfassungsfeindlichen sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis an.
Die nach diesem Verständnis mit der Errichtung der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung einhergehende sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats sind mit den in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten zentralen Verfassungswerten nicht vereinbar. Allgemeine Auffassung ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im KPD-Verbotsverfahren, dass in einer solchen Gesellschaftsordnung – vor allem in der Phase der Diktatur des Proletariats – die Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung sowie allgemeine und gleiche Wahlen nicht gewährleistet sind. Denn nach marxistisch-leninistischer Lehre ist die Diktatur des Proletariats eine notwendige Vorstufe zur Erreichung des Sozialismus. In dieser Phase wandelt das Proletariat, das durch eine Revolution die Macht ergriffen hat, in fortgesetzten revolutionären Kämpfen die kapitalistische Gesellschaft in eine sozialistisch-kommunistische um. Hierzu bedarf es einer Unterdrückung des Widerstands der durch die Revolution entmachteten Klasse. Die Staatsgewalt ist bei einer Staatspartei konzentriert, die Trägerin des Klassenkampfes ist. Die so verstandene Diktatur des Proletariats ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes unvereinbar, weil es bei einer solchen Staatsordnung nicht denkbar ist, dass der Wesenskern des Grundgesetzes aufrechterhalten wird. In einem derartigen Gemeinwesen sind zum einen die Menschenrechte nicht gewährleistet. Für die Angehörigen der (dann) unterdrückten Klasse liegt dies auf der Hand. Die Menschenrechte würden aber auch der (dann) herrschenden Klasse nur insoweit zustehen, als sie der Festigung der Diktatur des Proletariats nicht entgegenstehen. Denn alles staatliche Handeln wäre der Aufgabe der grundlegenden Neugestaltung der staatlichen Ordnung und der Errichtung des Sozialismus untergeordnet. Zum anderen gäbe es angesichts der Allmacht der Staatspartei und ihrer alleinigen Einsicht in die politischen Notwendigkeiten, keine Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung und erst recht keine Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Denn die Erörterung von Methoden und Einzelmaßnahmen ist ausgeschlossen, sobald sie einmal von der herrschenden Partei autoritativ verkündet worden sind. Angesichts dessen wäre die Regierung auch nicht ablösbar sowie für allgemeine und gleiche Wahlen kein Raum und kein Bedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - 6 C 22.09, juris Rn. 33; OVG Münster, Urteil vom 13. Februar 2009 - 16 A 845/08, juris Rn. 56 ff. m. w. N.; BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51, juris).
(2) Es liegen bei einer wertenden Gesamtbetrachtung zahlreiche und hinreichend verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin bzw. die jW in der streitgegenständlichen Zeitspanne die vorbeschriebene verfassungsfeindliche Gesellschaftsordnung anstrebte.
Tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen können sich aus dem Programm und der Satzung des in den Blick genommenen Personenzusammenschlusses ergeben, aus den Äußerungen und Taten von führenden Persönlichkeiten und sonstigen Vertretern, Mitarbeitern und Mitgliedern der Gruppierung sowie aus deren Schulungs- und Werbematerial (vgl. VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 207/20, juris Rn. 201 f. m. w. N.). Soweit – wie hier – im Hinblick auf ein Presseprodukt bzw. dessen Verlag geprüft wird, ob Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen, muss dabei berücksichtigt werden, dass die Pressefreiheit ihrerseits konstituierend für die Demokratie ist und diese auch eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrundsätzen und -werten zulässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 71). Es bedarf daher Aktivitäten, die über eine bloße Missbilligung oder Kritik an einem Verfassungsgrundsatz hinausgehen; Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist dem Staat allerdings nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen. Wenn Äußerungen Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennen lassen, darf der Staat diese daher auch zum Anlass nehmen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 70 ff.; Beschluss der Kammer vom 18. März 2022 - 1 L 436/21, juris Rn. 13).
Danach sind die folgenden tatsächlichen Anhaltspunkte berücksichtigungsfähig.
(aa) Nach Überzeugung der Kammer liegt ein gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkt in der Befürwortung Lenins und seiner Theorien im Zusammenhang mit der Selbstbezeichnung der jW als „marxistisch orientiert“.
Die jW bezeichnete und bezeichnet sich selbst als marxistisch orientierte Tageszeitung und betont damit, dass ihre bzw. diese Ausrichtung den Inhalt der jW maßgeblich bestimmt. Sie bekennt sich damit zudem offen zu der durch Karl Marx geschaffenen theoretischen „Grundlage“ für die vorbeschriebene sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischenVerständnis. Marx war ein Theoretiker, der die Dynamiken des Kapitalismus analysierte und kritisierte. Der Gegensatz zwischen der gesellschaftlichen Produktion durch die Arbeiterklasse (Proletariat) und der privaten Aneignung des Mehrwerts der Arbeit durch die Kapitalisten (Bourgeoisie) führe zu einem „Klassenkampf“. Dieser solle nach der Theorie von Marx durch eine revolutionäre Erhebung der Arbeiterklasse überwunden werden. Die Arbeiterklasse enteigne dabei die Kapitalisten und werde ihre eigene Diktatur errichten. Diese werde zum Aufbau eines sozialistischen Gesellschaftssystems führen. Das Eigentum an den Produktionsmitteln werde in Gesellschaftseigentum überführt und am Ende eine klassen- und staatslose Gesellschaft des Kommunismus als höchste Form der menschlichen Gesellschaft erreicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51, juris Rn. 257, 259 m. w. N.).
Allein aus einer solchen marxistischen Orientierung folgen zwar nicht zwingend Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Denn Marx beschrieb den Weg hin zu einem sozialistischen Staat eher allgemein und kursorisch (vgl. Klageschriftsatz vom 8. September 2021, S. 27 und https://www.bpb.de/themen/linksextremismus/dossier-linksextremismus/33600/der-marxismus-zwischen-ideologie-und-wissenschaft/). Auch die Verwendung von Begriffen wie „Sozialismus“, „Revolution“ und „Kapitalismus“ im politischen Sprachgebrauch allein müssen keine Anhaltspunkte für eine Verfassungsfeindlichkeit sein, weil mit ihnen auch (lediglich) eine verfassungskonforme Umgestaltung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse gemeint sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - 6 C 22.09, juris Rn. 39 f.; OVG Münster, Urteil vom 13. Februar 2009 - 16 A 845/08, juris Rn. 60).
Die jW bejaht neben Marx jedoch auch Lenin und seine Theorien, weshalb anzunehmen ist, dass die jW auch die vorbeschriebene Gesellschaftsordnung im klassischen marxistisch-leninistischen Sinne gutheißt. Lenins Auffassungen sind antidemokratisch und menschenrechtswidrig und widersprechen den Verfassungsgrundsätzen im vorbeschriebenen Maße. Lenin legte die durch Marx und Engels begründete Theorie unter Beibehaltung ihrer gedanklichen Grundlagen systemgerecht aus (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51, Rn. 242). Um die revolutionäre Bewegung in Gang zu setzen, müsse man laut Lenin „den Brand entfachen, d. h. die Massen besonders aufrütteln“ (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 319). Die Revolution müsse gewaltsam sein (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 344 ff., 413, 415 f.). Im Anschluss an die Revolution folge eine erste sozialistische Phase, welche noch keine Gerechtigkeit und Gleichheit bringe, sondern diktatorisch und gewaltsam gegenüber der Bourgeoisie sein müsse (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 287, 419, 421 ff.). Die Diktatur des Proletariats sei für diese Periode notwendig (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 291). Dafür müsse es eine „organisierte Abteilung der Arbeiterklasse“ geben, die die allgemeine Linie für die Arbeiterklasse und alle ihre Organisationen bestimme und die grundsätzlichen politischen Fragen löse (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 439), also eine einheitliche Staatspartei, die als „Organisation der Vorhut der Unterdrückten zur herrschenden Klasse zwecks Niederhaltung der Ausbeuter“ funktionieren solle (vgl.https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2009/03/Politische-Rezeption/komplettansicht; grdsl. unstreitig: vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 29. Dezember 2023, S. 8 f.). Lenin befasste sich nicht nur theoretisch mit der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft, sondern setzte sich aktiv für dessen (gewaltsame) Errichtung ein, z. B. durch die Gründung der sogenannten „Kommunistischen Internationale“, welche nach ihren Statuten „zur Organisierung von gemeinsamen Aktionen der Proletarier der verschiedenen Ländern“ gegründet wurde, „die das Ziel anstreben: Sturz des Kapitalismus, Errichtung der Diktatur des Proletariats und einer internationalen Sowjetrepublik zur vollen Beseitigung der Klassen und zur Verwirklichung des Sozialismus, der ersten Stufe der kommunistischen Gesellschaft.“ (vgl. BVerfG, a. a. O., juris Rn. 18).
Aus der Art und Weise der Bezugnahmen auf Lenin ist zu schließen, dass die jW und die Klägerin Lenins Lehre auch insoweit befürwortete, als diese im Hinblick auf den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus gegen heutige Verfassungsgrundsätze verstößt. Den von der Beklagten vorgelegten positiven und „lehrenden“ Bezugnahmen der jW auf Lenin lässt sich zwar keine direkte Auseinandersetzung mit dem von ihm befürworteten und praktisch begründeten Einparteiensystem entnehmen. Dies wirkt im Rahmen der im Übrigen intensiven Beschäftigung mit Lenin und seiner Politik, insbesondere seinem Wirken im Zusammenhang mit der Revolution in Russland, jedoch – in Kenntnis der Begründung des KPD-Urteils – wie ein „taktisches Auslassen“ dieses Themas durch die jW.
Herr P... und Redakteure der jW nahmen immer wieder positiv Bezug auf Lenin. Aus den Veröffentlichungen zu und Bezugnahmen auf Lenin durch die vorstehenden Personen(gruppen) im Rahmen der Arbeit für die jW und die Klägerin kann direkt auf Bestrebungen von Verlag und Redaktion geschlossen werden (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 BVerfSchG). Der Verlag, den Herr P... als Geschäftsführer vertritt (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), und die Redaktionsmitglieder sind keine „Dritten“, deren Inhalte in der jW veröffentlicht werden, sodass auch nicht die besonderen von der Rechtsprechung entwickelten Zurechnungsvoraussetzungen für Presseinhalte von Dritten zu Verlag und Redaktion gelten (vgl. zu den Voraussetzungen: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 74 ff.).
Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist insbesondere den im Folgenden aufgeführten Begebenheiten und Bezugnahmen der vorbenannten Personen(gruppen) die besondere Verbundenheit der Klägerin und der jW zu Lenin zu entnehmen. Die jW ist danach faktisch auch „leninistisch“ orientiert und nicht nur – entsprechend ihrer Selbstbezeichnung – marxistisch. Denn Lenin hat seinen Theorien diejenigen von Marx zugrunde gelegt, sodass sie naturgemäß eine große Schnittmenge haben.
Durch das Publizieren originaler Texte von Lenin und die damit im Zusammenhang stehende Berichterstattung in der jW, warben „Verlag und Redaktion“ offen für Lenin und seine Theorien. So klärten „Verlag und Redaktion“ der jW im Jahr 2016 unter der Überschrift „Lenin kommt!“ darüber auf, dass die jW die Rechte an den deutschen Texten des „großen Revolutionärs“ Lenins von „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ besitze und dieses Werk als Buch herausgebe (auf der Abbildung ist die Klägerin als Verlag zu erkennen, vgl. Anlage AG 51). Diese Begebenheit kann, obwohl sie ein Jahr vor dem zu untersuchenden Berichtszeitraum liegt, in die Bewertung mit einfließen, weil bis zum Beginn des Berichtszeitraums nur eine kurze Zeitspanne vergangen ist, die jW in den Folgejahren kontinuierlich positiv auf Lenin Bezug nahm und sich inhaltlich nicht von diesem oder seinen Lehren distanzierte (vgl. zum Maßstab: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, Rn. 74; Urteil der Kammer vom 21. Januar 2016 - 1 K 255.13, juris Rn. 31 m. w. N.). Die jW beließ es nicht bei einem Hinweis auf die Publikation, sondern wies in dem Artikel darauf hin, dass sie begleitend zur Publikation in ihrer Ladengalerie im Juni eine Tageskonferenz „Zur Aktualität der Leninschen Imperialismustheorie“ veranstalte, wo unter anderem F...referieren werde, welcher in dem Jahr Chefredakteur der jW war (vgl. Anlage AG 51). Damit hoben Verlag und Redaktion die aus ihrer Sicht empfundene Aktualität von Lenins Theorien besonders hervor und gaben ihr durch die Besprechung auf der Tageskonferenz ein besonderes Gewicht. Dies wurde auch durch die weiteren Ausführungen in dem Artikel bekräftigt, weil auf eine weitere Veranstaltung zur Buchbesprechung auf dem „Z..."-Pressefest hingewiesen wurde, an welcher X... teilnehme, der nach X... ab Mitte 2016 Chefredakteur der jW war (vgl. Anlage AG 51). Auch wenn es für einen Verlag oder eine Zeitung im Rahmen von Eigenwerbung üblich sein mag, zu bestimmten Themen eine abendliche Diskussionsrunde o. ä. zu veranstalten und auch die jW eine Vielzahl solcher Veranstaltungen ausrichtete, ist der Eigenwerbung hier auch eine Identifikation mit den Theorien Lenins immanent. Denn dadurch, dass die jW offen darauf hinwies, dass sie die Rechte an den Texten von ihm hat, machte sie sich die Texte offenbar „zu eigen“. Über die Tageskonferenz zu Lenin berichtete die „(jW)“ sodann umfangreich, nachdem diese stattfand (vgl. Anlagen AG 52, AG 53, AG 54), wobei Herr X... u. a. ausführte, dass „die wichtigsten Resultate der Leninschen [Imperialismus-] Analyse aktueller denn je“ erschienen, weil sie „eben klassisch“ seien (vgl. Anlage AG 54). Die Bezeichnung als „klassische“ Theorie lässt darauf schließen, dass dieser eine besonders grundlegende Bedeutung beigemessen wird. Auch wenn es im konkreten Zusammenhang „nur“ um die Imperialismustheorie Lenins ging, fasste X... das Ergebnis der das Buch begleitenden „Lehrstunde“ zur Imperialismustheorie dahingehend zusammen („Die Tagungsteilnehmer und die genannten Autoren waren sich einig, […]“,), dass Lenin aus seiner Arbeit „wichtige Schlussfolgerungen“ u. a. für eine „sozialistische Umwälzung“ zog (vgl. Anlage AG 54). Weiter führt er aus, dass die Theorien u. a. „Leitfäden der politischen Praxis von russischen Bolschewiki“ und „Befreiungsbewegungen“ bis heute seien. Damit stellt X...in der jW einen direkten Zusammenhang zwischen den Theorien Lenins und ihrer Bedeutung für (aktuelle) „revolutionäre“ Bewegungen her. Die jW vermittelte insoweit die Theorien Lenins ganz im Sinne von Lenin selbst, für den die Vermittlung der Theorie für die revolutionäre Bewegung hin zum Sozialismus zwingend notwendig erschien (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51, Rn. 266, 274 ff.).
Dass die jW Marx und Lenin die gleiche hervorgehobene Bedeutung zumisst, zeigt sich auch daran, dass sie in ihrer Rubrik „Rotlicht“ über den gesamten Berichtszeitraum (vgl. Anlagen AG 55 [2017], AG 57 [2020], B 216 [2023]) standardmäßig neben dem Schriftzug „Rotlicht“ drei stilisierte Köpfe von Marx, Engels und Lenin abdruckte. Bei der Betrachtung darf auch die Anlage B 216 mit einbezogen werden, obwohl die Kammer den von der Klägerin zu dem Schriftsatz des Beklagten vom 12. Juli 2024 pauschal beantragten Schriftsatznachlass nicht gewährte und der Schriftsatz u. a. diese Anlage enthielt. Die Kammer war im Rahmen ihrer Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), nicht dazu angehalten, der Klägerin den Schriftsatznachlass zuzusprechen, weil die Klägerin bereits keine konkrete Tatsache benannt hat, zu welcher sie sich hätte äußern wollen (vgl. den Wortlaut von § 108 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin hatte vor der mündlichen Verhandlung und im Rahmen der mündlichen Verhandlung dafür ausreichend Gelegenheit. Im Übrigen kommt es – auch soweit Anlagen des Schriftsatzes von der Kammer in Bezug genommen werden – nicht entscheidungserheblich auf die Inhalte des Schriftsatzes an, sodass auch aus diesem Grund kein Schriftsatznachlass zu gewähren war. Denn die Klägerin macht in ihrer Klageerweiterungsschrift im Hinblick auf das Berichtsjahr 2023 nicht geltend, dass sie sich personell oder inhaltlich neu ausgerichtet hätte, sodass die tatsächlichen Anhaltspunkte der unmittelbaren Vorjahre auch für das Berichtsjahr 2023 herangezogen werden können (vgl. zum Maßstab: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, Rn. 74; Urteil der Kammer vom 21. Januar 2016 - 1 K 255.13, juris Rn. 31 m. w. N.).
Das gesamte politische bzw. sozialistische Gedankengut, welches die jW unter „Rotlicht“ regelmäßig publizierte, ordnete sie damit Marx und Lenin gleichermaßen zu. Dies lässt darauf schließen, dass die jW die beiden Theoretiker (neben Engels) als Einheit ansieht, soweit sie auf „rotes“ Gedankengut Bezug nimmt. Im Jahr 2017 „belehrte“ Herr X... (zu dem Zeitpunkt stellvertretener Chefredakteur) die Lesenden unter „Rotlicht“ dementsprechend z. B. umfassend über die „Aprilthesen“ Lenins, die die „entscheidenden“ Forderungen Lenins im Rahmen der russischen Revolution im Jahr 1917 gewesen seien (vgl. Anlage AG 55). Dabei führte X... in dem Artikel, in welchem Lenin unkritisch in ein besonders positives Licht gestellt wurde, aus, dass Lenin „offensichtlich“ alle Zeitgenossen in seiner Fähigkeit, Theorie und Praxis miteinander zu vereinen, „überragt“ habe.
Dass die jW sich inhaltlich sowohl an Marx als auch an Lenin grundlegend orientiert, bestätigte Herr P... im Jahr 2017, als er die jW in einem Interview sinngemäß als „Bollwerk der orthodoxen Linken“ beschrieb, wobei „Marx, Engels, Lenin und andere marxistische Wissenschaftler“ die „wissenschaftliche Grundlage“ für ihre „Weltanschauung“, ihre „Politik“ und „für das Machen von Zeitung“ sei (Anlage AG 5). Die inhaltliche Orientierung (auch) an Lenin wird besonders deutlich in einem Artikel von Herrn P..., in welchem er im Jahr 2017 in der jW für mehr Abonnements warb. Denn er erläuterte dort, dass der von ihm negativ bewertete „vorläufige Niedergang“ der kommunistischen Bewegung neben dem „Sieg der Konterrevolution“ damit zu erklären sei, dass Erkenntnisse u. a. von Lenin, als „revolutionärer Praktiker wie Wissenschaftler“, nicht schöpferisch angewendet würden (vgl. Anlage AG 47). Die jW nutze die „marxistische Wissenschaft“ als Instrument für Auswahl, Interpretation und Kritik in ihrer täglichen Berichterstattung und Analyse. Er stellte damit einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem „marxistischen Wissenschaftler“ Lenin und den Inhalten der jW her. Darüber hinaus erklärte P... in der jW im Jahr 2017, dass die Rosa-Luxemburg-Konferenz der Klägerin seit 1996 an dem Vortag der – auch nach Lenin benannten – „Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demo“ durchgeführt werde, um diese Demonstrationen zu stärken (vgl. Anlage AG 75).
Die Verehrung Lenins wird weiterhin dadurch deutlich, dass die jW im Jahr 2018 ihr Programm auf dem „Z...-Pressefest“ in der „Lenin-Bar“ in dem sie repräsentierenden „junge Welt-Zelt“ eröffnete und schloss (vgl. Anlage AG 14). Dabei warb die jW für den Besuch in ihrem Zelt, indem sie in der jW vor den näheren Angaben zu dem Programm eine Karikatur mit der für sich sprechenden Aufschrift „HOCHLENIN !“ abdruckte (vgl. Anlage AG 14). Die Verbindung von Lenin zu der jW wird für die Leserschaft dadurch verstärkt, dass laut dem dort aufgeführten Programm an den einzelnen Programmpunkten viele „hochrangige“ für die jW verantwortliche Personen unter Nennung ihrer jeweiligen Stellung bei der jW als Teilnehmer aufgeführt wurden; unter anderem Herr P..., Herr M..., der Verlagsleiter, Herr G...(Ressortleiter jW-Thema), ein jW-Redakteur aus dem Ressort jW-Thema, der Ressortleiter jW-Außenpolitik und eine weitere Person aus der jW-Redaktion.
Auch in den folgenden Jahren wird deutlich, dass die jW Lenin und seine Theorien – insbesondere im Zusammenhang mit seiner revolutionären Tätigkeit – positiv hervorhob, seine Theorien auf die aktuelle Situation bezog und die Leserschaft im Sinne von Lenin „lehrte“ bzw. „Propaganda“ betrieb. So veröffentlichte das „Kollektiv der jW-Ladengalerie“ im Jahr 2019 in der jW unter der Überschrift „Mit Lenin die Welt verändern“ einen Artikel, in dem es über eine Veranstaltung zu einem weiteren bei der Klägerin erschienen Lenin-Band informierte (vgl. Anlage AG 101). Die darin enthaltene „prägnante Zusammenfassung und Weiterentwicklung marxistischer Erkenntnisse zur Rolle des Staates vor und nach einer erfolgreichen sozialistischen Revolution“ habe wieder an Aktualität gewonnen, seitdem „bürgerliche Staatsvarianten aller Couleur“ zunehmend versagen würden. Damit nahm die jW mittelbar auch auf das nach der russischen Oktoberrevolution von Lenin begründete Einparteiensystem Bezug, welches nach ihrer Auffassung anscheinend auch im Jahr 2019 zur „Lösung der wichtigsten Menschheitsprobleme“ hätte herangezogen werden müssen. Im Jahr 2020 warb die jW für ihre Onlineveranstaltung „Lenin verstehen!“, mit welcher sie den „Revolutionär“ zu seinem 150. Geburtstag ehre (Anlage AG 50). Dem Artikel war zudem zu entnehmen, dass sie „soeben“ ein Buch herausgebracht habe, welches der Geschichte der verschiedenen Lenin-Denkmäler nachgehe. Ebenfalls im Jahr 2020 führte die jW zu seinem 150. Geburtstag aus, dass Lenin „an dem Schlaf der Welt“ gerührt habe (Anlage AG 57). Begleitet wurde die Überschrift durch eine sehr großformatige Zeichnung von Lenin und einen Artikel mit der Überschrift „Lenins Tat“, in welchem ausgeführt wurde, dass die russische Revolution u. a. auf ihn zurückgehe und die „Erben der Bolschewiki“ sich viele Jahrzehnte „gehalten“ und dabei auch dem „deutschen Faschismus den Garaus gemacht hätten“. Dies sei insbesondere auf die von Lenin formulierte und vertretene Politik zurückzuführen. Der Artikel wurde sodann mit Kritik an den „am Boden liegenden“ radikalen Linken in Deutschland beendet, welche aus diesem Grund Anlass dazu hätten, sich mit dem „theoretischen und politischen Erbe des russischen Revolutionärs“ zu befassen. Hier wurde ein direkter – aus Sicht der jW deutlich wünschenswerter – Zusammenhang zwischen der heutigen Politik und der auf Lenin zurückzuführenden politischen Struktur geschaffen. Auch wenn die einheitliche Staatspartei nicht ausdrücklich genannt wurde, wurde dadurch gerade dieses politische System gelobt. In der gleichen Ausgabe der jW führte Herr X... unter „Rotlicht“ unkritisch aus, dass Lenin mit „Propaganda“ das Entstehen von politischem Klassenbewusstsein meine. Propaganda in diesem Sinne sei Aufklärung, z. B. über den Kapitalismus und die Notwendigkeit des Sozialismus. Dies stehe im Gegensatz zu der von den Faschisten unter dem Begriff betriebenen Manipulation. Einen Bezug zur Gegenwart stellte Herr X... dadurch her, dass er konstatierte, dass sich daran „seit 120 Jahren wenig geändert“ habe. Direkt unter dem „Propaganda“-Artikel wurde von der jW auf eine Veranstaltung hingewiesen, bei welcher der thematische Schwerpunkt unter anderem auf der Frage liege, weshalb Lenin auf den bewaffneten Aufstand bestanden und die frei gewählte verfassungsgebende Versammlung Russlands aufgelöst habe. Damit liegt die Vermutung nahe, dass die jW so „Propaganda“ im Sinne von „Aufklärung“ befördern wollte. Auch die Beilage der vorgenannten Ausgabe der jW, „Dialektik & Revolution“ als jW-Spezial, befasste sich umfassend mit Lenin als Person, der die Revolution vorbildlich durch „Popularisierung“ habe herbeiführen wollen (vgl. Anlage AG 57). In diesem jW-Spezial wies die jW am Rand von Seite 7 auf drei „neu erschienene“ Bücher von Lenin hin, welche allesamt von der namentlich genannten Klägerin herausgegeben würden und auch unter dem „jungewelt-shop.de“ erhältlich seien. Im Jahr 2022 zitierte die jW Lenins Text aus „Was tun?“ in einem Artikel, der u. a. wie folgt überschrieben war: „Klassiker Lenin“ und „Lenin hob in seiner Schrift „Was tun?“ 1902 hervor, dass es ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Bewegung geben kann“ (vgl. Anlage B 191). Die jW ermöglichte damit nicht nur praktisch die „direkte Ansprache“ Lenins gegenüber der Leserschaft und wählte dabei ein Zitat aus, in welchem Lenin – wenn auch nur kurz – von „unserer Partei“ und deren Entwicklung sprach. Sie „propagierte“ damit auch die Theorie Lenins im Sinne ihrer Überschrift. Auch im Jahr 2023 warb der jW-Shop für eine von der Klägerin verlegte Neuausgabe von „Lenin: Der Marxismus über den Staat.“ (vgl. Anlage B 167, bereits mit Schriftsatz vom 24. April 2024 vorgelegt).
Im Jahr 2022 findet sich ein weiteres Beispiel für eine ausdrückliche inhaltliche „leninsche“ Analyse der jW. Denn Herr X... kommentierte den aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine unter Bezugnahme auf Lenins Theorien wie folgt: „Wer da von Imperialismus auf beiden Seiten redet, dem sind die Maßstäbe der Leninschen Analyse gründlich verloren gegangen“ (vgl. Schriftsatz vom 30. Oktober 2023, S. 6).
Die vorstehenden Bezugnahmen auf Lenin können in der Gesamtbetrachtung entgegen der Auffassung der Klägerin berücksichtigt werden, auch wenn die jW nicht ausdrücklich eine einheitliche Staatspartei forderte. Für die Annahme eines tatsächlichen Anhaltspunktes muss nicht zwingend eine verfassungsfeindliche Forderung öffentlich geäußert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 73, 75). Es ist ausreichend, wenn – wie hier – auf die Verfassungsfeindlichkeit im Zusammenhang mit anderen Befunden geschlossen werden kann (vgl. BVerfG, a. a. O.). Dies ist hier der Fall. Auch wenn es viele Arten von Marxismus geben mag, dürfte der Marxismus in Form des klassischen Marxismus-Leninismus zumindest für die Leserschaft der jW in der Bundesrepublik Deutschland die bekannteste Form des Marxismus sein. Dies ergibt sich daraus, dass dieser inklusive des Einparteiensystems in der DDR für Jahrzehnte gelebt wurde. Mit ihren Bezugnahmen auf Lenin und ihrer Selbstbezeichnung als „marxistisch“ brachte die jW damit deutlich zum Ausdruck, dass sie den Marxismus-Leninismus befürwortete. Die Bezugnahme der jW auf andere Sozialisten oder Marxisten trat hinter dieser Wirkung zurück. Insbesondere konnte die Klägerin keine andere Wirkung durch ihre Bezugnahmen auf Rosa Luxemburg erzeugen, z. B. durch die entsprechende Benennung ihrer jährlichen Konferenz. Rosa Luxemburg hat Lenin zwar für die von ihm angestrebte Übertragung der Alleinherrschaft auf eine Partei als Zentralgewalt kritisiert (vgl. https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2009/03/Politische-Rezeption/komplettansicht). Die jW hat auf diese Kritik öffentlich jedoch keinen Bezug genommen oder sich dieser angeschlossen. Auch der Einwand der Klägerin, dass Stalin den Begriff des Marxismus-Leninismus geprägt habe und dass das Bundesverfassungsgericht in seinem KPD-Verbotsurteil festgestellte, dass sich die KPD neben Marx, Engels und Lenin auch auf Stalin bezogen hat, greift hier nicht durch. Entscheidend ist, dass bereits Lenin das Einparteiensystem vertrat, welches zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD führte (vgl. entsprechend zur DKP, welche ausdrücklich nur auf Marx, Engels und Lenin Bezug nimmt: BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 1 D 114/85, juris Rn. 18). Zudem stellte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil fest, dass die von Marx und Engels begründete Lehre bereits von Lenin „systemgerecht“ ausgelegt wurde (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - BvB 2/51, juris Rn. 242).
Auch der pauschale Einwand der Klägerin, eine Gesellschaftsordnung im vorbeschriebenen Sinne stehe im Gegensatz zu dem Selbstverständnis der jW, welche klar an demokratischen Grundwerten und der parlamentarischen Demokratie verhaftet sei, greift nicht durch. Die bloße Behauptung ist nicht ausreichend, weil insoweit aus ihrem Handeln gerade kein „klares“ Bekenntnis zu den demokratischen Grundwerten und der aktuell bestehenden parlamentarischen Demokratie folgt.
(bb) Ein weiterer gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkt im Gesamtzusammenhang sind die Verbindungen – insbesondere die personellen Verflechtungen in „Schlüsselpositionen“ – zwischen der Klägerin bzw. der jW und der DKP, die selbst eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung nach klassisch marxistisch-leninistischen Verständnis anstrebt.
Die Klägerin und die jW waren im Berichtszeitraum eng mit der DKP verbunden. Diese Verbindungen lassen den Schluss zu, dass die jW die linksextremistischen Positionen der DKP teilte, welche ebenfalls den Marxismus-Leninismus im vorbeschriebenen Sinne vertritt und anstrebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 1989 - 1 D 2/86, juris Rn. 32 f.; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 1 D 114/85, juris Rn. 18 f.; BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 1 D 50/80, juris Rn. 32 ff.; OVG Münster, Urteil vom 13. Februar 2009 - 16 A 845/08, juris 86 f.; VG Darmstadt, Beschluss vom 2. Mai 2024 - 5 L 2819/23.DA, BeckRS 2024, 15107 Rn. 38 ff.). Der Einwand der Klägerin, dass die Urteile, in welchen die DKP als linksextremistisch bezeichnet wurde, „alt“ seien, greift nicht durch. Denn es ist kein anderslautendes Urteil bekannt, die DKP wird durchgängig – auch in den streitgegenständlichen Verfassungsschutzberichten – unter „Linksextremismus“ im Verfassungsschutzbericht erwähnt und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die DKP seit Erlass der Urteile politisch wesentlich neu ausgerichtet hätte. So verstet sich die DKP in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum als politische Nachfolgerin der 1956 verbotenen KPD, betont, dass sie mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR eng verbunden gewesen sei und bekennt sich ausdrücklich dazu, eine „marxistisch-leninistische“ Partei zu sein (vgl. z. B. Verfassungsschutzbericht 2017, S. 142 f.). Laut ihrem Parteiprogramm ist der „revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen“ ihr Ziel (Verfassungsschutzbericht 2023, S. 200). Dem aktuellsten Verfassungsschutzbericht ist auch konkret zu entnehmen, dass die von der DKP angestrebte Staats- und Gesellschaftsordnung (weiterhin) „der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation“ sei (Verfassungsschutzbericht 2023, S. 200).
Die Verbindungen der Klägerin bzw. der jW zu der DKP in Schlüsselpositionen wirken sich auf den Inhalt der jW aus und lassen wiederum auf ihre politische Ausrichtung schließen. Denn die Auswahl der Themen, die Analyse und die Kommentierung in der jW werden von den Meinungen der bei der jW arbeitenden Journalisten und den Absichten der Klägerin als Verlag („Auftraggeber“) bestimmt. So erläuterte es Herr P... 2018 in der jW und ergänzte, dass ein Vorteil der jW sei, dass sie einen klaren Standpunkt einnehme und nicht vorgebe, neutral zu sein (vgl. Anlage AG 49). Damit besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Inhalt der Zeitung und der politischen Einstellung der Redakteure bzw. Herrn P.... Die Zeitung bezeichnet sich offen als marxistisch ausgerichtet, weshalb sie insbesondere in politischer Hinsicht nicht neutral ist bzw. nicht „vorgibt neutral zu sein“. Dafür spricht auch die 2017 getätigte Aussage P..., dass die orthodoxen Linken die Grundlage für die „Weltanschauung“, „Politik“ und „für das Machen von Zeitung“ der jW seien (Anlage AG 5).
Soweit Inhalte der DKP verbreitet wurden, spiegelten diese damit auch die politische Einstellung der jW wieder. Der Einwand der Klägerin, dass für die jW die politische Einstellung ihrer Redaktion bzw. ihrer Mitarbeitenden keine Rolle spielten und die jW parteiunabhängig sei, wobei sie letzteres im Berichtszeitraum auch teilweise in den Artikeln in der jW behauptete, greift nicht durch. Es kommt auch nicht darauf an, ob andere jW-Redakteure oder Mitarbeitenden anderen politischen Parteien angehörten oder auf solche Bezug genommen wurde. Denn die im Folgenden aufgeführten Personen mit DKP-Bezug sind zum einen hinsichtlich des Einflusses auf den Inhalt der Zeitung ganz überwiegend in „Schlüsselpositionen“. Zum anderen sind die Inhalte der jW bewusst politisch aufbereitet und es gibt keine andere Partei, welche inhaltlich eine derart große Schnittmenge mit den für die jW relevanten Themen hat (Marx, Lenin, DDR, Sozialismus usw.) und regelmäßig in Bezug genommen wird. Dabei kommt es auch nicht auf ein quantitatives „Überwiegen“ an Bezugnahmen auf die DKP im Vergleich zu Bezugnahmen auf andere Parteien oder z. B. – wie von der Klägerin eingewandt – Gewerkschaften an. Entscheidend ist, welche Bezugnahmen oder Zusammenhänge der jW besonders zugerechnet werden können. Die Bezugnahmen auf andere linksausgerichtete Parteien dürften notwendiges „Beiwerk“ einer Diskussion, einer Veranstaltung oder einer Tageszeitung sein, die ihre Leserschaft im linken Spektrum sucht.
Während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums von 2017 bis 2023 bestanden zwischen der Klägerin, der jW und der DKP personelle Verflechtungen in „Schlüsselpositionen“. Herr P... war seit 1995 durchgehend Geschäftsführer der Klägerin, Autor in der jW und DKP-Mitglied, wobei er für die DKP u. a. im Jahr 2016 für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus kandidierte (vgl. Anlage AG 8). F..., deri...bei der jW zuletzt Stammautor und Redaktionsmitglied war, nachdem er bis Ende Juli 2016 Chefredakteur und bis Ende März 2019 stellvertretener Chefredakteur war, ist 2019 für die DKP zur EU-Wahl angetreten und gehörte – mindestens im Jahr 2020 – zum Parteivorstand der DKP. X... war seit 2016 jW-Chefredakteur und zeigte Nähe zur DKP, indem er im Jahr 2017 eine Traueranzeige für M... in „Z...“ (Z...) – dem Zentralorgan der DKP – als „Freund“, „Genosse“ und „Kampfgefährte“ unterschrieb. Darin hieß es, dass sich die Unterzeichnenden „vor dem standhaften Kommunisten“ verneigen würden, der u. a. Gründungsmitglied der FDJ und Mitglied der Parteiführung der SED gewesen sei. Wegen seiner Verdienste für die DDR sei P... nach der „Konterrevolution widerrechtlich verfolgt und inhaftiert“ worden. Sein Leben sei ihnen „Verpflichtung“ (vgl. Anlage AG 13). Diese Traueranzeige unterschrieben ebenfalls Herr P... und Herr M.... Zudem zeigte M... seine Verbundenheit zur DKP, indem er an deren Z...-Pressefest im Jahr 2018 in dem jW-Zelt an zwei Programmpunkten teilnahm (vgl. Anlage AG 14). I... war seit 2016 jW-Redakteur und Leiter des jW-Ressorts „Thema“, DKP-Mitglied und zumindest im Jahr 2015 Mitglied der Geschichtskommission und des Sekretariates der DKP Berlin. 2017 kandidierte er bei der Bundestagswahl auf dem 7. Landeslistenplatz der DKP und seit 2022 ist er Bezirksvorstand der DKP Berlin. In der jW wurde im Jahr 2016 von seiner Tätigkeit als Referent und Moderator der DKP-Konferenz „Wo steht der Feind?“ berichtet, wobei er in dem Artikel als „jW-Autor und DKP-Mitglied“ vorgestellt wurde (Anlage AG 18). Dies deutet darauf hin, dass die jW – auf deren Inhalt G... hier als Redakteur, aber auch als derjenige, über den berichtet wurde, maßgeblichen Einfluss gehabt haben dürfte – die DKP-Nähe vor ihrer Leserschaft nicht verbergen, sondern vielmehr klar zum Ausdruck bringen will. X... war seit 2011 Mitglied der jW-Redaktion, von 2019 bis 2021 stellvertretener Chefredakteur der jW und zuletzt Verlagsleiter bei der Klägerin und trat bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2016 für die DKP an. Er nahm auch an dem Z...-Pressefest teil. F... leitete bis November 2019 die Redaktion Außenpolitik der jW und war seit mindestens 2014 DKP-Mitglied. Als solches publizierte er auch in der Z... (vgl. Anlage AG 26) und nahm als Referent an DKP-Veranstaltungen teil. Q... war wöchentlicher Kolumnist der jW und seit 1973 Mitglied bei der DKP, für welche er 2014 auch zur Europawahl und 2017 zur Bundestagswahl kandidierte. U... ist Gastautor der jW (vgl. Anlage AG 37) und seit 2013 Vorsitzender der DKP.
Herrn P... räumte die jW immer wieder die Möglichkeit ein, für seine politischen Inhalte medienwirksam zu werben, sei es bei Veranstaltungen der jW, durch ausführliche Berichterstattung über seine Tätigkeiten, als Interviewpartner oder durch die Veröffentlichung von seinen Texten (vgl. z. B. Anlagen AG 37 und B 136 und B 218). Daneben räumte sie auch anderen DKP-Mitgliedern die Möglichkeit ein, ihre Ideen und Ansichten in der jW zu teilen und sich zu äußern (vgl. z. B. Anlagen AG 42, 87 und B 175). Die entsprechenden Artikel sind der jW unabhängig vom Autor zurechenbar, weil hier mit den personellen Verflechtungen in „einflussreichen“ Positionen und der inhaltlich übereinstimmenden politischen Ausrichtung der jW mit der DKP, besondere „ergänzende“ Anhaltspunkte vorliegen, um auf politische Bestrebungen der Klägerin und der jW schließen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, Rn. 76). Es muss für die Zurechenbarkeit von Artikeln mit DKP-nahen Inhalten also nicht entschieden werden, ob die Klägerin einen „Markt der Meinungen“ eröffnete.
Insbesondere sind im Berichtszeitraum die folgenden der jW zurechenbaren Artikel mit politischem Inhalt und DKP-Bezug anzuführen. Herr P... schrieb in der jW im Jahr 2018, dass die Kommunisten in Deutschland, „die KPD, die SED, die SEW“ und „die DKP“, feststellen könnten, dass „sie immer auf der richtigen Seite der Barrikade“ bei der „Novemberrevolution“ gestanden hätten und nur „Fehler im Richtigen“ gemacht hätten (vgl. Anlage AG 37). Unter dem Artikel, in welchem er an anderer Stelle auch von einer ungerechtfertigten Delegitimisierung der DDR berichtete, wies die jW neben Herr P... Position als Vorsitzender bei der DKP auch auf Veranstaltungen der DKP zum 100. Jahrestag der KPD [!]-Gründung hin. Ebenfalls veröffentlichte die jW im Jahr 2018 einen langen Artikel von L... in Vorbereitung zur Rosa-Luxemburg-Konferenz unter dem Titel „Fluchtursache Kapitalismus“, in welchem U... von der jW als „Sekretär für Internationales im Parteivorstand der DKP“ vorgestellt wurde (vgl. Anlage AG 41). Im Jahr 2019 veröffentlichte die jW unter „Abgeschrieben“ einen Text, der von Herrn P..., Herrn X... und dem Spitzenkandidaten der DKP zusammen verfasst wurde, wobei die jW einleitend mit „ehemaliger Chefredakteur“ auf die besondere Position von Herrn X... bei der jW hinwies (vgl. Anlage AG 38). Im Jahr 2020 veröffentlichte die jW einen Artikel, in welchem ausführlich über das Referat P... auf dem 23. Parteitag berichtet und seine Thesen wiedergegeben wurden (vgl. Anlage AG 39). Dazu druckte die jW ein im Verhältnis zum Text großes Foto P... ab, was nicht zu der Veranstaltung gehörte. Dieses stellte einen direkten Bezug zur jW her, weil es Herrn P... – entsprechend der Bildunterschrift – auf der von der jW ausgerichteten Rosa-Luxemburg-Konferenz zeigte. Ebenfalls im Jahr 2020 veröffentlichte die jW ein Gespräch mit L..., die als Mitglied des Parteivorstandes und der Internationalen Kommission der DKP vorgestellt wurde (vgl. Anlage AG 42). Dort ging es um die Forderung der DKP, im Rahmen der Coronapandemie die Sanktionen gegen sozialistische Staaten, insbesondere Kuba (vgl. zu der auch insoweit mit der jW übereinstimmenden Thematik unter (cc) ii)), aufzuheben. Im Jahr 2021 veröffentlichte die jW einen „Gastkommentar“ von Herrn P...zur Coronapolitik H...unter Bezeichnung seiner Stellung bei der DKP (vgl. Anlage B 136) und Gespräche mit Herrn P... dazu, dass die DKP Unterschriften zur Bundestagswahl sammeln müsse (vgl. Anlage B 138), die DKP nunmehr an der Bundestagswahl teilnehmen könne (vgl. Anlage B 139) und worauf die DKP im Bundestagswahlkampf setze (vgl. Anlage B 140). Daneben übernahm die jW im Jahr 2021 Erklärungen von ihm zur Bespitzelung der DKP-Mitglieder durch den Verfassungsschutz (vgl. Anlage B 142), zu Sondierungsergebnissen von SPD, Grünen und FDP (vgl. Anlage B 146), zu den von Bund und Ländern erlassenen Coronamaßnahmen (vgl. Anlage B 147) und zu den Koalitionsvereinbarungen der damals künftigen Bundesregierung (vgl. Anlage B 149). Ebenfalls im Jahr 2021 veröffentlichte die jW unter „Abgeschrieben“ eine Pressemitteilung des Vorstandes der DKP zur „antikubanischen Resolution“ (vgl. Anlage AG 87), eine Pressemitteilung der DKP zum Nahostkonflikt (vgl. Anlage B 144) und einen Aufruf der DKP, am 1. Mai auf die Straße zu gehen (vgl. Anlage B 150). Daneben veröffentlichte sie im Jahr 2021 ein Gespräch mit X..., der als Landesvorsitzender der DKP vorgestellt wurde (vgl. Anlage B 175). Im Jahr 2022 veröffentlichte die jW einen umfangreichen Text von Herrn X..., den dieser als Vortrag auf einer von der DKP und der Marx-Engels-Stiftung ausgerichteten Veranstaltung hielt (vgl. Anlage B 200). Ebenfalls im Jahr 2022 lud die jW zusammen mit einem Kulturmagazin zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Der Krieg soll verflucht sein!“ ein, wo neben Herrn X...und Herrn M... auch Herr P...auf der Bühne sprach (vgl. Anlage B 205).
Die jW selbst zeigte zudem ihre Verbundenheit mit der DKP, indem sie sowohl im Jahr 2016 (vgl. Anlage AG 51) als auch im Jahr 2018 auf dem Z...-Pressefest ein Zelt unterhielt und dazu in der jW Werbung schaltete, in welcher sie ausdrücklich auf die zahlreichen Teilnehmer der Redaktion der jW hinwies (vgl. Anlage AG 14). Unter den Teilnehmern von Seiten der jW waren wiederum DKP-Mitglieder in dem Zelt vertreten. So waren im Jahr 2016 mindestens die DKP-Mitglieder U... (Gastautor bei der jW)x...und im Jahr 20187...(Ressortleiter jW-Thema) und Herr P... an dem Programm beteiligt.
Die Klägerin und die jW gaben ihre Verbindung zu der DKP selbst als „freundschaftlich“ an. Denn „Redaktion, Verlag und Genossenschaft“ der jW bezeichneten die DKP im Jahr 2018 – wenn auch für die „uninformierte“ Leserschaft versteckt – als „befreundete Organisation“, deren „wichtige Veranstaltung“ sie „empfehlen“ würden (vgl. Anlage AG 46). Auf der in Bezug genommenen Veranstaltung der DKP – „Marx hat Zukunft“ in Trier – sei auch ein „jW-Mitarbeiter präsent“, denn „jW-Thema-Chef I...“ halte dort einen Vortrag (vgl. https://dkp-rlp.de/wp-content/uploads/2018/03/Marxflyer_Web_150DPI.pdf).
(cc) Die jW hat nicht nur eine verfassungsfeindliche Gesinnung, sondern strebt die Errichtung der vorbezeichneten verfassungsfeindlichen Gesellschaftsform auch an, weil sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur als Tageszeitung agierte, sondern auch mobilisierte und politische Reichweite schaffte.
Neben der Durchsetzung des (politischen) Hauptziels müssen die Aktivitäten des Personenzusammenschlusses auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein. Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgüterbeeinträchtigung hinarbeiten. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie nicht aus. Die eindeutig bestimmbare Grenze zwischen wissenschaftlicher Theorie und politischem Ziel liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen Erkenntnisse von einer ihrem Wesen nach zu aktivem Handeln entschlossenen Gruppe in ihren Willen aufgenommen und zu Bestimmungsgründen ihres Handelns gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 - 6 C 22.09, juris Rn. 60).
Danach strebt die jW neben ihrem Hauptziel, der inhaltlichen Gestaltung einer Zeitung und der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis an. Sie beschäftigt sich nicht allein mit der „marxistischen“ Wissenschaft oder zeigte Sympathien für Lenin und seine Lehren sowie die DKP. Sie richtet ihr Handeln an den Lehren von Marx und Lenin aus und strebt die schrittweise praktische Verwirklichung dieser Lehren an (vgl. so zur auch FDJ in Westdeutschland: BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1954 - I A 23.53, juris Rn. 115). Sie betreibt durch die inhaltliche Gestaltung ihrer Zeitung, das Vertreiben bzw. Bewerben anderer Produkte wie der „L...“, die Gestaltung ihrer Veranstaltungen und die Durchführung sonstiger Aktionen aktiv Propaganda für die sozialistische Revolution im verfassungsfeindlichen marxistisch-leninistischen Sinne (vgl. VGH München, Urteil vom 6. Juli 2017 - 10 BV 16.1237, BeckRS 2017, 124859, Rn. 37, der bereits (allein) die Herausgabe einer Zeitschrift für ein aktives Bestreben ausreichen lässt). Dieses Handeln war dabei maßgeblich von dem Willen getragen, das aktuelle kapitalistische System zu überwinden bzw. die „Konterrevolution“ rückgängig zu machen.
Dabei ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von Relevanz, ob die Inhalte der jW straffrei im Rahmen ihrer Pressefreiheit veröffentlicht werden durften. Es geht nicht um die Strafbarkeit von konkreten Aussagen, sondern um eine Gesamtbewertung tatsächlicher Anhaltspunkte, die auf eine verfassungsfeindliche Bestrebung hindeuten. Ebenfalls schadet dabei nicht, dass die jW als Tageszeitung in dem Berichtszeitraum eine Vielzahl von Inhalten verbreitete, welche nicht direkt mit dem vorstehenden verfassungsfeindlichen Ziel im Zusammenhang standen. Denn mit der Veröffentlichung dieser Inhalte verfolgte sie kein dem vorstehenden Ziel entgegenlaufendes Ziel, sondern nur die inhaltliche Gestaltung einer Zeitung, bzw. etwaig die interessante und unauffällige „Einbettung“ der Inhalte, mit welchen sie auf ihr vorstehendes Ziel hinarbeitet (vgl. im Hinblick auf die Einbettung von rechtsextremen Gedankengut in einer Zeitschrift: VGH München, Urteil vom 06. Juli 2017 - 10 BV 16.1237, BeckRS 2017, 124859, Rn. 39).
i) Die jW betrieb im streitgegenständlichen Berichtszeitraum durch die inhaltliche Gestaltung ihrer Zeitung Propaganda für den Klassenkampf zur Vorbereitung einer sozialistischen Revolution im Sinne von Lenin. Damit mobilisierte sie ihre Leserschaft und schaffte politische Reichweite. Wie die jW selbst ausgeführt hat (vgl. unter (aa)), ist nach Lenins Lehre die „Aufklärung“ – die Propaganda – über Klassenunterschiede und den Klassenkampf zwingende Voraussetzung für die sozialistische Revolution, weil dadurch Klassenbewusstsein geschaffen wird. Durch die unstreitige „marxistische“ und faktische „leninistische“ (vgl. unter (aa)) Ausrichtung der jW wurde die Leserschaft bei der Analyse des aktuellen Weltgeschehens maßgeblich auf die Klassenunterschiede und den Klassenkampf aufmerksam gemacht. Aus den vorstehenden zusätzlichen Anhaltspunkten, wie z. B. der Nähe zu Lenin und der DKP, lässt sich – insbesondere mit der im Folgenden ausgeführten Aktionsorientiertheit – schließen, dass die jW damit nicht nur eine Zeitung für ein besonderes politisches Spektrum sein wollte. Vielmehr strebte sie danach an, selbst einen politischen Beitrag zur Ermöglichung einer sozialistischen Revolution zu leisten.
Über den maßgeblichen Zeitraum wurden von und in der jW insbesondere die folgende der jW zuzurechnende „Propaganda“ im vorstehenden Sinne verbreitet, in welcher die jW häufig ihren eigenen Beitrag zur Überwindung der aktuellen politischen Verhältnisse zum Ausdruck brachte. Die Eigenwerbung ist dabei ein besonders starker Anhaltspunkt, um auf den Willen der jW zu schließen. Denn bei Eigenwerbung stellt sich der Werbende regelmäßig so dar, wie er in der Öffentlichkeit – hier insbesondere von der Leserschaft – wahrgenommen werden will. So führte Herr M... unter „Heute: Klassenkampf“ aus, dass er auf ein besseres Jahr 2017 im Sinne des Klassenkampfes hoffe („in diesem Sinne“) und die jW in den „Kämpfen für Fortschritt, Frieden und soziale Gerechtigkeit“ als Teil dieser Bewegung verwurzelt sei, wobei aus dem Gesamtzusammenhang deutlich wurde, dass er damit den Klassenkampf meinte (2016, mit direktem Bezug auf 2017, vgl. Anlage AG 61). In dem Artikel stellte er auch einen direkten Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Titelseite der jW und der Teilhabe am Klassenkampf her und kündigte an, dass es an Gelegenheiten für „gemeinsame“ Aktionen, wie z. B. Protesten, nicht mangeln werde. Herr P... führte zudem in der jW aus, dass die jW die einzige deutschsprachige Zeitung sei, die mit ihrer Berichterstattung und Analyse versuche, marxistische Wissenschaft als Instrument für Auswahl, Interpretation und Kritik zu nutzen (2017, vgl. Anlage AG 47). Dies geschehe von einem „klaren Klassenstandpunkt“ aus. Dabei forderte er, dass es einer „sozialistischen Alternative“ bedürfe und es nicht genug sei, gegen rechts zu sein oder „ein bisschen Regierungsbeteiligung anzustreben“. Soweit er in dem Artikel darauf hinwies, dass die jW („wir“) „nur“ eine Zeitung „mache“ und keine Partei sei, verband er diese Information mit der Werbung für mehr Mittel, um diese Aufgabe „inhaltlich wie materiell“ weiterhin leisten zu können. Dies musste im Zusammenhang des Artikels so verstanden werden, dass die jW – wie eine Partei – konkrete Inhalte vertrete, jedoch nicht auf eine Parteienfinanzierung bzw. Parteimittel zurückgreifen könne. Im gleichen Jahr führte Herr P... in der jW mindestens zwei Mal erneut aus, dass die jW „klare Klassenposition“ beziehe (2017, vgl. Anlage AG 48) bzw. Ereignisse von einem „klaren Klassenstandpunkt“ aus analysiere (2017, vgl. Anlage AG 60). In einem dieser Artikel (Anlage AG 48) unterstellte er daraufhin denjenigen, die eine heutige Klassengesellschaft anzweifeln, dass sie damit bezweckten, dass sich die „Arbeiterklasse“ „auf keinen Fall“ als Klasse erkenne, weil dies Voraussetzung dafür sei, dass sie sich als solche organisiere und konsequent handele. Er stellte sodann heraus, dass die jW eine Zeitung für diese Arbeiterklasse mache und ein Abo dabei helfe, „Klassenbewusstsein zu verankern“. Damit erklärte er sinngemäß, dass Zweck der jW sei, dass sich die Arbeiterklasse als solche erkenne, organisiere und als solche „konsequent“ im Sinne einer sozialistischen Revolution handele (vgl. erste Spalte des Artikels). „Verlag, Redaktion und Genossenschaft“ der jW stellten die vorstehend beschriebenen Zusammenhänge deutlich heraus, als sie unter der Überschrift „Unsere schärfste Waffe“ und „Warum eine marxistische Tageszeitung gebraucht wird“ ausführten, dass es für ihren „kämpferischen linken Journalismus“ „unverzichtbar“ sei, die „materialistische Dialektik“ zu verwenden, welche von Engels als „unser bestes Arbeitsmittel und unsere schärfste Waffe“ bezeichnet worden sei (2018, vgl. Anlage AG 45). Die Verwendung der Dialektik „sichere“ nicht nur einen Eintrag im Bundesverfassungsschutzbericht, sondern ermögliche eine Informationsweitergabe, womit die „Veränderung“ befördert werde. Weiter wiesen „Verlag, Redaktion und Genossenschaft“ der jW in dem Artikel darauf hin, dass es nicht reiche, die „Widersprüche und Ungerechtigkeiten der herrschenden Welt(un)ordnung“ zu beschreiben. Zielgerichteter Widerstand werde erst dadurch ermöglicht, diese „als Folgen von veränderbaren Klassenverhältnissen begreifbar zu machen“. Sodann führten sie sinngemäß aus, dass Dogmatiker die Lehre von Marx entschärfen wollten und dieser Prozess nach 1989/1990 – also der Wende – an Fahrt aufgenommen habe. Zu ihrem Geschäft als marxistische Tageszeitung gehöre es, diesem Ansinnen eine historisch-dialektische Weltsicht entgegenzusetzen. Umso stärker kam der Wille der jW und der Klägerin dadurch zum Ausdruck, dass „Verlag, Redaktion“ und „Genossenschaft“ im gleichen Jahr ein weiteres Mal im Rahmen der Eigenwerbung in der Überschrift klar herausstellten: „Um Verhältnisse ändern zu können, müssen sie beschrieben werden. Wie sie mit dieser Zeitung Klassenbewusstsein entwickeln können“ (2018, vgl. Anlage AG 58). Dieser Artikel wurde mit der Feststellung beendet, dass ein Abo ein konkreter Beitrag zur Hebung des Klassenbewusstseins sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Eigenwerbung damit nicht „nur“ darauf ausgerichtet, finanziell die Herausgabe einer Zeitung zu ermöglichen. Vielmehr zielte die jW darauf ab, eine regelmäßige Leserschaft zu generieren, um ihre politischen Auffassungen konstant einem möglichst großen Personenkreis zugänglich zu machen und diesen mittelbar auf eine sozialistische Revolution einzustimmen. Noch direkter im Hinblick auf den Wunsch, dass aus marxistischer „Aufklärung“ ein Klassenkampf folgen soll, formulierte es der Ressortleiter jW-Thema und DKP-Mitglied Herr G..., als er sein Verständnis von Marx in der DKP-Zeitung Z...erläuterte (2018, vgl. Anlage AG 20). Dort erklärte er Marx für unverzichtbar, wenn wieder ein kämpferisches Klassenbewusstsein ausgebildet werden solle. Ein aktives, kämpferisches Handeln empfand er selbst als erstrebenswert, weil er die „Kritiker“, welche in „esoterischen linksakademischen Nischen fleißig Marx-Exegese betreiben, wonach nämlich aus Theorie nichts folgen dürfe“ als Personen darstellte, die Marx falsch verstanden hätten. Denn „dieser Marx“ habe „als erster in einem radikalen Sinn begriffen, dass Theorie zur praktischen Kritik hin organisiert werden muss.“. So gebe es „keinen Marx ohne Klassenkampf“. Auch wenn Herr G...dies nicht in der jW formuliert hat, kann aus dieser Aussage in Verbindung mit der marxistischen Ausrichtung der jW und seiner führenden Rolle in der Redaktion geschlossen werden, dass er auch bei der „marxistischen“ Gestaltung der jW den Klassenkampf und nicht die „esotherische Marx-Exegese“ unterstützen wollte, als z. B. „Redaktion, Verlag und Genossenschaft“ ihre Leserschaft unter anderem durch eine Serie zu marxistischen Grundbegriffen „belehrten“ (2018, vgl. Anlage AG 46). In dem diese Serie ankündigenden Artikel führten „Redaktion, Verlag und Genossenschaft“ zudem aus, dass die jW „mehr als eine Tageszeitung“ sei, weil ihr Medienprodukt mittlerweile von zahlreichen anderen Aktivitäten ergänzt werde (2018, vgl. Anlage AG 46). Darüber hinaus warb Herr X... für ein Abo der jW unter der Überschrift „Die Welt ändern“ und „Marx-Lektüre hilft, die Welt so zu sehen, wie sie ist. jW-Lesen auch.“ (2018, vgl. Anlage AG 88). Dabei erläuterte er, dass der Kapitalismus eine Gefahr für die Menschheit sei und ihr Überleben davon abhänge, dass sie diesen überwinde. Den Artikel beendete er mit der Forderung, dass die Leserschaft die Welt ändern solle. In einer weiteren Werbung der jW im Jahr 2018 teilte sie unter der Überschrift „Widerstand formieren – mit ihrem Engagement für jW sind Sie dabei!“ unter anderem damit, dass sie den Austausch über Möglichkeiten befördere, „knechtende Verhältnisse“ umzustoßen (vgl. Anlage AG 99). Im Jahr 2019 beschrieb sich die jW unter „Vorstellung“ und „Die junge Welt – erfolgreicher Journalismus von links“ „in wenigen Worten“ damit, dass sie die einzige marxistische Tageszeitung im deutschsprachigen Raum sei und „als solche klar Partei“ ergreife (vgl. Anlage AG 44). Im Jahr 2020 erläutert die jW unter „Über diese Zeitung“, dass sie eine linke, marxistisch orientierte, überregionale Tageszeitung sei und unter der Unterüberschrift „Unser Selbstverständnis“, dass sie in ihrer Schwerpunktsetzung davon geleitet sei, dass der Kapitalismus nach 1990 in eine Phase der Zuspitzung wirtschaftlicher und sozialer Widersprüche eingetreten sei (vgl. Anlage AG 43). Ausdruck dessen sei unter anderem der Abbau von Sozialstaat und parlamentarischer Demokratie. Die jW fördere „alle politischen Formen von Protest und Widerstand gegen diese Tendenzen“. Sie unterstütze „den Kampf für Alternativen, den Dialog und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Strömungen der Linken“. Damit behauptet die jW mittelbar, dass nach dem Ende der DDR bzw. der Sowjetunion die parlamentarische Demokratie abgebaut worden sei, obwohl gerade vor 1990 das Einparteiensystem und damit keine parlamentarische Demokratie herrschte. Diese Aussage hat die jW derart prominent in ihrer Selbstbeschreibung verbreitet, dass anzunehmen ist, dass die jW – im Gegensatz zum Wortlaut – gerade nicht die parlamentarische Demokratie fördern wollte. Die Formulierungen der jW gehen dabei immer in die gleiche Richtung. So fasste das Aktionsbüro der jW es im Jahr 2020 im Rahmen einer Werbung für eine „aktive Unterstützung der jungen Welt“, mit welcher der „Widerstand“ gestärkt werden könne, sogar als „Prädikat“ auf, dass die Beklagte Entsprechendes in dem Verfassungsschutzbericht ausführte (vgl. Anlage AG 124).
ii) Daneben propagierte die jW mittelbar eine Gesellschaftsordnung mit einem Einparteiensystem, indem sie kommunistisch-sozialistische Staaten mit einem solchen Einparteiensystem als positiv und erstrebenswert darstellte. Die jW war Zentralorgan der FDJ, einer SED-Jugendorganisation, die die Errichtung eines Einparteiensystems im Sinne der DDR anstrebte (vgl. so zur FDJ in Westdeutschland: BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1954 - I A 23.53, juris Rn. 114 f., wobei die FDJ im Gebiet der DDR nach Programm und Zielsetzung zu dieser als Einheit zu betrachten war: vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 35). Die Klägerin sah sich, trotz Neugründung im Jahr 1995, im Berichtszeitraum weiterhin in dieser Tradition der „damaligen“ jW und stellte sich entsprechend in der jW dar. So wurde die Genossenschaft, welche die jW mehrheitlich besitzt, nach Angaben der jW „nicht zufällig“ am „7. Oktober“ gegründet (vgl. Anlage AG 1). Die informierte Leserschaft weiß, dass am „7. Oktober“ in der DDR der „Tag der Republik“ in Erinnerung an die Gründung der DDR gefeiert wurde. Zudem zählten „Redaktion, Verlag und Genossenschaft“ im Rahmen eines Artikels zu Ehren von Herrn X... auch die Chefredakteure aus der Zeit der DDR mit zu ihren Chefredakteuren (Anlage AG 28). Weitere Beispiele sind eine Selbstdarstellung im Jahr 2019, in welcher sich die jW als „einst auflagenstärkste Zeitung der DDR“ bezeichnete und ausführte, dass die „Abwicklung“ der jW 1995 durch die Gründung der Klägerin habe verhindert werden können (vgl. Anlage AG 44), außerdem eine geschichtliche Selbstdarstellung im Jahr 2020, bei welcher sie die Zeit seit der Gründung in der DDR mit einbezog und die Leserschaft darüber aufklärte, dass die jW damals das Zentralorgan der FDJ war (vgl. Anlage AG 43). Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext auch ein in der jW für die jW werbender Artikel von Herrn P... aus dem Jahr 2022 zur Feier des 75-jährigen Bestehens der jW, in welchem er unter der Überschrift „Der Kampf geht weiter“ unmittelbaren Bezug auf das hiesige Verfahren und die FDJ-Vergangenheit nahm, um sodann in seinem und im Namen von „Verlag und Redaktion“ zu betonen, dass sie dazu stünden, dass die Geschichte der DDR zur Geschichte der jW gehöre (vgl. Anlage B 187). In dem Artikel betonte er zudem – auch im Namen von Verlag und Redaktion –, dass „bestimmte Traditionslinien bis heute bewusst weitergeführt“ würden. Die jW nutzte die Befassung mit dem hiesigen Verfahren damit nicht zur Abgrenzung, insbesondere zu der ihr vorgeworfenen Verfassungsfeindlichkeit, sondern als Werbung bzw. Propaganda im eigenen Sinne. Sie lässt zwar weitgehend offen, welche Traditionslinien sie bewusst weiterführt. In dem Zusammenhang der Besprechung des hiesigen Verfahrens und der Erwähnung der Vergangenheit der jW liegt der Schluss nahe, dass – neben einer „antifaschistischen Haltung“ – auch im Übrigen die politische „Haltung“ der FDJ bzw. der DDR gemeint ist, also der klassische Marxismus-Leninismus.
Entsprechend ihrer historischen und politischen „Herkunft“ nahm die jW im Berichtszeitraum häufig positiv auf die DDR Bezug, ohne sich von der damaligen politischen Struktur der DDR abzugrenzen und propagierte damit mittelbar auch den klassischen Marxismus-Leninismus und dessen Einparteiensystem. So stellte Herr X...die Zerstörung der DDR in der jW-Beilage „25 Jahre Anschluss“ „als Beispielsfall des seit 1990/91 entfesselten Regimes der Reichen zur Herstellung von Armut und Barbarei“ und die DDR damit als vorzugswürdige „Ordnung“ dar (2015, vgl. Anlage AG 73). In diesem Sinne widmete Herr X...der DDR auch einen umfangreichen Artikel unter der Überschrift „Was mit der DDR verloren ging“, den er mit einem Zitat beendete, in welchem die DDR unkritisch verherrlicht wurde: „Es ist ein Hochgenuss von ihm zu sprechen./ Es war ein Staat und scheute das Verbrechen.“ (2020, vgl. Anlage AG 80). Entsprechend äußerte sich Herr P... in der jW, als er darauf hinwies, dass es der „Kapitalistenklasse“ zwar gelungen sei, die DDR „niederzuringen“, die „Klügeren“ aber bemerkt hätten, dass der bürgerliche Staat mit seinen Eigentums- und Produktionsverhältnissen zwingend Armut, Hunger und Krieg hervorbringe (2017, vgl. Anlage AG 75). Auch Herr M... äußerte sich vergleichbar dahingehend, dass die sozialen und politischen Folgen des Endes der DDR verheerend gewesen seien (2020, vgl. Anlage AG 77). Im Jahr 2018 suggerierte die jW, dass die DDR weiter Bestand habe, als sie in einer Werbung zu einer jW-Verteilaktion erläuterte, dass die „Gebiete der DDR“ bei den Unterstützern „gut vertreten“ seien (vgl. Anlage AG 98). Zudem richtete die jW zum 70. Jahrestag der Gründung der DDR eine „Festveranstaltung“ aus, auf der Herr X...die Festrede hielt (2019, vgl. Anlage AG 79) und gratulierte ihrem damaligen stellvertretenden Geschäftsführer U... in der jW zum Geburtstag unter Bezugnahme auf seine Tätigkeit als Kommandeur der Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR und seine DDR-Verbundenheit (er sei es „leid“ gewesen, zuzusehen, „wie die DDR über den Tisch gezogen“ wurde; 2021, vgl. Anlage AG 10). Der Einwand der Klägerin, sie habe sich trotz ihrer durch ihre marxistische Ausrichtung „deutlich wohlwollendere Berichterstattung“ (vgl. Schriftsatz vom 20. Januar 2022) auch kritisch zur DDR geäußert, greift nicht durch. Denn sie äußerte sich nie kritisch zu der entscheidenden mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden politischen Struktur des Einparteiensystems. Darüber hinaus ist das von der Klägerin aufgezeigte Beispiel einer angeblich „kritischen Betrachtung“ der DDR in der jW keine ernsthafte Kritik (vgl. Anlage AG 78) und der jW nicht zurechenbar. Es handelt sich um eine Aussage eines Dritten in einem Interview, der die „Kritik“ an der DDR, es sei „nicht alles Gold“ gewesen, dadurch relativiert, dass er diese nur auf Menschen bezog, denen ein „toller großer Fernseher“ wichtig war.
Darüber hinaus zeigte die jW bei vermehrter wohlwollender Berichterstattung über sozialistische Länder im Allgemeinen, eine besondere Verbundenheit zu den Staaten mit einem Einparteiensystem, oder solchen, die es einmal waren (Kuba, China, Russland), womit sie dessen Einparteiensysteme mittelbar besonders propagierte. So zeigte die jW ihre enge Verbundenheit mit Kuba und China (sowie der DDR), als sie am 7. Oktober 2015 in ihrer Ladengalerie im Beisein des DDR-Ministerpräsidenten a. D. M... den Geburtstag der Gründung ihrer Q... gemeinsam mit dem 66. Geburtstag der DDR feierte. Diese Feier beging sie zusammen mit dem damaligen Botschafter Kubas und dem Pressesprecher der Botschaft Chinas, welche neben Herrn R... abgelichtet und von der jW entsprechend bezeichnet wurden (vgl. Anlage AG 4). Weiter führte U... (stellvertretener Geschäftsführer der Klägerin, vgl. Anlage AG 6) im Rahmen von Werbung im jW-Shop aus, dass es sich gerade in der aktuellen Krise aufdränge, vergleichend zu schauen, was früher in der DDR geleistet worden sei und auch heute in Kuba und China vollbracht werde (2020, vgl. Anlage AG 74). Deren Verbindung verstärkte er durch den anschließenden pauschalen Verweis auf Lenin, der dabei „stets ein guter Ratgeber“ sei. Dabei nahm er auf die gesamten Theorien Lenins Bezug, insbesondere weil er in dem Rahmen seine Werke empfahl. Ein weiteres Beispiel für die positive Berichterstattung über China ist das lobende Hervorheben für das Anstoßen „großer Projekte“ von Xi Jinping, dem Staatspräsidenten von China, durch Herrn H... unter der Überschrift „Kommunisten an der Regierung“ (2017, vgl. Anlage AG 97). Auch hier greift der Einwand der Klägerin nicht durch, dass dieser Artikel kritisch gewesen sei. Denn laut dem Artikel kritisieren die „Linken“ die sozialen Unterschiede, die in China weiter vorhanden seien und dass China den Sozialismus „in der Aufbauphase“ noch nicht vollständig verwirklicht habe. Die politische Struktur der Einheitspartei wird nicht kritisiert. Für Kuba betreibt die jW besondere Propaganda, wobei sie die dortige „revolutionäre Bewegung“ auch offen unterstützt. So dankte z. B. Herr P... in der jW dem „großen Revolutionär Fidel Castro zu seinem 90. Geburtstag“ „für sein lebenslanges vorbildliches und mutmachendes Wirken“ in Kuba (2016, vgl. Anlage AG 84). Die jW unterstützte Kuba darüber hinaus mit der Werbung für die L... die von der Klägerin vertrieben wird (dazu unter iii)) und behauptete selbst, dass die Revolution in Kuba durch ein „Sommerabo“ der jW unterstützt werden könne (2019, vgl. Anlage AG 93). Die jW-Ladengalerie führte daneben z. B. eine Solidaritätsveranstaltung für das „sozialistische Kuba“ durch, für welche sie unter anderem damit warb, dass es „passend zum Veranstaltungsthema“ „weitere Informationen über aktuelle Formen konterrevolutionärer Umtriebe in Berlin“ gebe (2020, vgl. Anlage AG 85). Dazu ergänzend hat die jW unter „Über diese Zeitung“ im Jahr 2020 ausgeführt, dass sie großen Wert auf eine solidarische Berichterstattung über die progressiven Entwicklungen im lateinamerikanischen Raum lege und Solidarität dabei nicht als „Einbahnstraße“ verstehe, denn die Erfahrungen linker Bewegungen und Organisationen aus der ganzen Welt sollten auch für die „Kämpfe“ im Lande genutzt werden (vgl. Anlage AG 43). Hinsichtlich der Sowjetunion ist z. B. ein Artikel in der jW von Herrn P... hervorzuheben, in welchem er als „Antwort“ auf Trump das Erkämpfen der „großen Sowjetunion“ propagierte, indem er seinen Beitrag unter der Überschrift „Die Kommune erstreiten! Die Antwort auf Trump kann nur die Verstärkung des Kampfes für eine andere Gesellschaftsordnung sein“ mit den Worten beendete, dass die „große Sowjetunion, die es damals zu schützen galt, heute erst noch erkämpft werden“ müsse (2017, vgl. Anlage AG 82). Auf die Sowjetunion, die 1991 zerfiel, nahm auch Herr G... mittelbar Bezug, als er in der jW bedauerte, dass nach diesem Jahr nicht mehr viel von dem gemeinsamen Kampf der sozialistischen Länder übrig geblieben sei (2017, vgl. Anlage AG 83). Dabei gebe es eine „sehr rühmliche“ Ausnahme, wobei er mit der dortigen räumlichen Beschreibung nur Kuba gemeint haben konnte.
iii) Die jW betrieb daneben Propaganda im vorstehenden Sinne durch das Bewerben der von der Klägerin herausgegebenen Bücher zu Lenin (vgl. unter (aa) und (cc) ii)) und der Zeitschrift L..., welche von der Klägerin vertrieben wird. Die L... ist das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas. Mit ihrem Vertrieb ermöglichte es die Klägerin daher der herrschenden Einheitspartei in Kuba, deren marxistisch-leninistischen Auffassungen in deutscher Sprache zu „propagieren“ (vgl. auch Anlage B 167, wo die jW die L... unter „Produkte und Projekte“ führte). Dies ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht eine bloß geschäftliche Tätigkeit der Klägerin, sondern laut P... ihr „konkreter solidarischer Beitrag zur Unterstützung der kubanischen Revolution“ (vgl. Anlage AG 90 und 93). Die jW unterstützte die Klägerin dabei durch das Hinweisen auf dieses Produkt auf ihrer Homepage (vgl. Anlage B 167) und Werbung in der jW selbst. Zum Beispiel warb P...dort im Jahr 2016 für den Erwerb von „Glückwunschplakaten“ für Fidel Castro, mit welchen die Verbreitung der deutschen Ausgabe der L... unterstützt werden solle (vgl. Anlage AG 84).
iiii) Darüber hinaus betrieb die jW Propaganda durch die von ihr organisierten Veranstaltungen und Aktionen, u. a. mit der jährlichen Rosa-Luxemburg-Konferenz, mit welchen sie auf politischer Ebene Reichweite schaffen wollte und schaffte. Die Konferenz richtete sich an das (politische) Spektrum der Leserschaft der jW (vgl. Anlage AG 25 und 115) und wird von der jW selbst so beschrieben, dass man bei einem Besuch die jW kennenlernen könne (vgl. Anlage AG 25). Den angeblich „bunten Haufen der jW-Lesenden“, welchen man dort kennenlernen könne, bildete die jW im Rahmen von Werbung für einen Besuch der Konferenz ab (vgl. Anlage AG 25). Auf dem Bild war über allen abgebildeten „Lesenden“ deutlich ein Schriftzug der SDAJ zu erkennen, auf welchem „Kampf dem deutschen Imperialismus“ stand (die SDAJ ist eine eigenständige Jugend-Nebenorganisation der DKP, vgl. zu dem Zusammenhang auch die von der SDAJ und der DKP zusammen in der jW geschaltete Werbung im Jahr 2021, vgl. Anlage B 151, und die gemeinsame Veranstaltung, auf welche die jW im Jahr 2021 aufmerksam machte, vgl. Anlage B 152). Damit stellte die Klägerin diese „kämpferische“ mit der DKP im Zusammenhang stehende Leserschaft besonders in den Vordergrund. Unter anderem aus der so gestalteten Werbung lässt sich schließen, dass sie mit ihrer Konferenz gerade Personen mit dieser politischen Einstellung „begeistern“ will. In dem Sinne moderierte offensichtlich auch ein SDAJ-Mitglied das „Jugendpodium“ mit dem Thema „Widerstand gegen den Kriegskurs der Regierung“ auf der Konferenz im Jahr 2022, bei welcher die Moderatorin ausführte, dass man sich, um kämpferisch auftreten zu können, nach dem demokratischen Zentralismus organisieren müsse (Schriftsatz der Beklagten vom 30.Oktober 2023 S. 15 f.; vgl. auch zur Organisation des Jugendforums auf der Konferenz 2023 durch die SDAJ: Schriftsatz der Beklagten vom 12. Juli 2024). Auch wenn an der Konferenz daneben Personen verschiedenster politischer Standpunkte teilgenommen haben, ändert dies nichts daran, dass Zielsetzung der Rosa-Luxemburg-Konferenz nach Angaben der jW „die Überwindung des Kapitalismus“ und „die Notwendigkeit einer sozialistischen Perspektive“ ist (vgl. Anlage AG 115). Entsprechend den obigen Ausführungen ist dies dahingehend zu verstehen, dass sich dieses Ziel nicht auf eine Kapitalismuskritik beschränkt. So warb die jW z. B. im Jahr 2019 auch ausdrücklich unter der Überschrift „Revolutionäre Kraft tanken“ für eine Teilnahme an der Konferenz, bei welcher bei einer abschließenden Podiumsdiskussion unter anderem Einflüsse auf die Klassenkämpfe im Land diskutiert wurden (vgl. Anlage AG 25). Auch wenn auf den Konferenzen neben dem Klassenkampf viele andere Themen besprochen wurden, wie z. B. der Umweltschutz, ist das grundsätzliche Ziel Propaganda im vorstehenden Sinne. Die übrigen besprochenen Themen widersprachen inhaltlich nicht der Propaganda im vorstehenden Sinne und dürften nur der interessanten und unauffälligen „Einbettung“ der Inhalte dienen. Auch die übrigen Aktionen der jW, mit welchen diese „gesellschaftspolitisch engagierte“ Personen in ihrem Sinne vernetzen wollte, schafften eine große politische Reichweite. So ist der Homepage der jW im Jahr 2022 zu entnehmen, dass die jW-Maigalerie bzw. davor die jW-Ladengalerie in fünfzehn Jahren mehr als 600 Veranstaltungen mit über 48.000 Zuschauern durchführte und daneben 75 Expositionen im Spektrum von gesellschaftspolitisch engagierter Kunst zeigte (vgl. Anlage B 204).
iiiii) Zuletzt schuf die jW auch Reichweite, indem sie Personen und Organisationen, die politische Straftaten befürworteten, eine öffentliche Plattform bot und sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit erklärte. Nach dem klassischen Marxismus-Leninismus ist es notwendig, mit Gewalt gegen die „Kapitalisten“ vorzugehen, um die sozialistische Revolution zu ermöglichen (vgl. unter (aa)). Es ist daher im Sinne der jW, wenn die von ihrer Propaganda (s o.) „aufgeklärte“ Leserschaft im Sinne von Lenin dazu übergeht, mit Gewalt bzw. politischen Straftaten die sozialistische Revolution einzuleiten. Soweit die jW Artikel veröffentlicht, in welchen Personen und Organisationen politische Straftaten oder Gewalt befürworten oder verklären, die im Zusammenhang mit einer sozialistischen Revolution oder dem Marxistisch-Leninistischen Gedankengut stehen, sind ihr diese zurechenbar, auch wenn diese von Dritten stammen. Denn mit der redaktionellen Auswahl solcher Artikel kommen die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der jW zum Ausdruck, die durch ihre Propaganda die sozialistische Revolution im Sinne des Marxismus-Leninismus aktiv befördern will („ergänzende Anhaltspunkte“, vgl. unter (2)). In der Folge kommt es nicht darauf an, ob die jW eine bestimmte redaktionelle Linie hat oder aus allen von Dritten veröffentlichten Artikeln eine solche zu erkennen ist, um sie der jW zurechnen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 74 ff.). Die Zurechnung erfolgt dabei in dem Sinne, dass die jW ihrer Leserschaft mit den Inhalten vor Augen führen will, welche Wege beschritten werden können und müssen, um eine Revolution zu beginnen.
Die von der Beklagten herangezogenen Artikel zeigen, dass in dem Berichtszeitraum wiederholt Artikel in der jW veröffentlicht wurden, aus denen man erkennen konnte, dass die jeweiligen Autoren oder interviewten Personen politische Straftaten und Gewalt als legitimes Mittel für eine sozialistische Revolution oder einen Umsturz der aktuellen Politik im Sinne des Kommunismus bzw. Marxismus-Leninismus ansahen. So konnte z. B. das frühere RAF-Mitglied P... in der jW als Autor erläutern, dass die RAF die damals innerhalb der Linken herrschende Hoffnung auf Revolution umsetzte und den bewaffneten Angriff wagte (2018, vgl. Anlage AG 103). Weiter führte er aus, dass deren Auflösung nur aus der Erkenntnis gefolgt sei, dass eine Minderheit, egal wie sie sich anstrenge, alleine ein „Außen“ i. S. v. „einem Leben außerhalb des Kapitalismus“, nicht herstellen könne. Dieses bräuchte es jedoch nach Ansicht von Herrn I..., wenn „wir nicht untergehen wollen“. Zudem durfte er in dem Artikel unkommentiert seine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass die noch zur Fahndung ausgeschriebenen RAF-Mitglieder „von solidarischen Strukturen“ getragen würden, weil sie ansonsten „nichts anderes als die deutsche Niedertracht gegenüber Aufständischen und Revolutionären zu erwarten hätten“. Knapp ein Jahr später bot die jW I...erneut die Möglichkeit, die Terrororganisation RAF als „bewaffneten Gruppe“ zu verharmlosen und ausführlich zu erläutern, wie die RAF den Klassenkampf „neu erfand“ und zu dem Schluss kam, dass dieser Kampf „ein wirklicher sein muss“ (2019, vgl. Anlage AG 104). Auch wenn I...die Aktionen der RAF pauschal als „teilweise sozial und politisch falsch“ bezeichnete, konnte die Leserschaft aufgrund der Pauschalität der Aussage nicht erkennen, welche Aktionen dies aus seiner Sicht waren. Die Befürwortung von politischen Straftaten durch I... lässt aber in Verbindung mit seiner Vergangenheit als RAF-Mitglied darauf schließen, dass er die Tätigkeit der RAF, insbesondere die Suche nach dem „Bruch“ mit „dem Bestehenden“, als Verdienst ansah. In dieser Linie widmete Herr X..., ehemals RAF-Mitglied und Mitglied der „Bewegung 2. Juni“, in der jW einen Artikel nach ihrem Tod, in welchem er ihr als „Aktivistin und Publizistin“ gedachte, ohne sich kritisch mit ihrer terroristischen Vergangenheit auseinanderzusetzen (2022, vgl. Anlage B 212). Im Gegenteil berichtete Herr X... ausführlich und kritisch darüber, dass Q... für einen Artikel in der jW zur Vorbereitung einer Diskussion, an welcher sie auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz teilnahm, zu einer Strafe verurteilt wurde, weil diesem eine Billigung von Straftaten zu entnehmen gewesen sei („Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehr-Ausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken etc.“). In dem Sinne schloss er seinen Artikel positiv wertend damit, dass „ihre Tatkraft und ihre Erfahrungen aus beiden Gesellschaftssystemen fehlen“ werden (vgl. zu der in dem Sinne fortgesetzten RAF-Berichterstattung auch Anlage B 233a). Zudem wurde in der jW ausführlich über ausländische linke Terror- und Guerillaorganisationen berichtet, z. B. die u. a. von der EU als Terrororganisation eingestufte „Popular Front for the Liberation of Palestine“ (PFLP) welche in der jW zum 50. Jahrestag ihrer Gründung als „fortschrittliche Alternative“ gewürdigt wurde (2017, vgl. Anlage AG 106). In dem Rahmen wurde von dem Autor über den früheren Kontakt der PFLP zur RAF, der DDR und der Sowjetunion – ihr „wichtigster Verbündeter und Geldgeber“ – sowie ihren „bewaffneten Kampf“, u. a. durch Flugzeugentführungen und Geiselnahmen, berichtet. Dabei wurden die Terroraktivitäten nicht kritisiert, sondern „Repressionen“ in der EU gegen eine Beteiligte an den PFLP-Terroraktionen umfassend mit einer negativen Konnotation herausgestellt. Ausführlich wurde auch über die Entstehungsgeschichte dieser Organisation mit einer „sehr starken marxistischen Komponente“ berichtet. Als weiteres Beispiel kann ein in der jW veröffentlichtes ausführliches Interview mit „mehreren Commandantes der Guerilla“ der linken Nationalen Befreiungsarmee (ELN) aus Kolumbien genannt werden, in welchem diese erläutern, dass der ihnen durch den kolumbianischen Staat zugefügten Schmerz in Prozesse des Widerstands verwandelt werden müsse (2020, vgl. Anlage AG 108). In diesem Rahmen würden sie unter anderem Festnahmen von Großgrundbesitzern durchführen, die sich gewaltsam ein großes Stück Land angeeignet hätten. Damit stellen sie die von ihnen begangenen Freiheitsberaubungen als legitim dar.
d) Der jeweilige zusammenfassende Bericht über die Klägerin bzw. die jW ist inhaltlich nicht zu beanstanden, insbesondere ist er verhältnismäßig.
(1) Es ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, von der Berichterstattung über die jW als Presseerzeugnis abzusehen. Die Beklagte ist beim Vorliegen hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung zur Beobachtung und zur Berichterstattung verpflichtet. Ihr steht insoweit kein Auswahlermessen zu. Zudem kann sie nicht aus Opportunitätsgründen bei Presseorganen von einer Berichterstattung absehen (vgl. zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 26 Satz 1 BerlVerfSchG a. F. und der Berichterstattung über Parteien: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2006 - 3 B 3.99, juris Rn. 51; zur Beobachtung: Gunter Warg in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, Fünfter Teil, § 1, A., II., 4. Rn. 40 m. w. N.; zum von der Klägerin geforderten Maßstab: Beschluss der Kammer vom 18. März 2022 - 1 L 436/21, juris Rn. 27). Die Warnfunktion der Verfassungsschutzberichte muss auch bei Beobachtungsobjekten greifen können, die hauptsächlich durch die Veröffentlichung eines Presseerzeugnisses in Erscheinung treten (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 18. März 2022 - 1 L 436/21, juris Rn. 27; im Umkehrschluss aus den aufgestellten Anforderungen: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01, juris Rn. 83).
(2) Die Berichterstattung ist verhältnismäßig, weil die Art und Weise der Berichterstattung nicht willkürlich war und die einzelnen Aussagen in dem Bericht den Tatsachen entsprachen. Inhaltlich ist die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten von 2017 bis 2023 im Wesentlichen gleich geblieben und enthält die nicht zu beanstandenden Feststellungen, dass die Klägerin der Verlag der jW ist, es sich bei der jW um das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus handelt, sie eine kommunistisch bzw. marxistisch ausgerichtete Tageszeitung ist und die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischen marxistisch-leninistischen Verständnis anstrebt bzw. für deren Errichtung eintritt, politische Reichweite schafft und mobilisiert, einzelne ihrer Stamm- und Gastautoren sowie Redaktionsmitglieder dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind, dass sie sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit bekennt und Personen bzw. Organisationen, die politisch motivierte Straftaten befürworteten, immer wieder eine Plattform geboten hat.
Insbesondere entsprach es den Tatsachen, soweit in den Verfassungsschutzberichten ausgeführt wurde, dass einzelne Stamm- und Gastautoren sowie Redaktionsmitglieder der jW dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind. Die Beklagte führt neben den Personen mit Bezug zu der linksextremistischen DKP (s. o. unter 4. c) (2) (bb)) insbesondere noch die Stammautoren I..., welcher dem W... zuzuordnen sei (vgl. Anlage AG 33), und T... an, welcher ebenfalls eine Nähe zum W... aufweise und früher einer militanten linksextremistischen Gruppe angehört habe (vgl. Anlage AG 36), an. Die Klägerin tritt diesen Behauptungen nicht entgegen und macht lediglich geltend, dass die Beklagte angesichts der Vielzahl an Gast- und Stammautoren sowie Redakteuren der „jungen Welt“ nur für wenige Personen einen solchen Bezug aufgezeigt habe. Damit tritt sie jedoch nicht der Berichterstattung der Beklagten entgegen, weil diese nicht behauptet, dass eine Vielzahl, ein Großteil oder eine Überzahl der Personen solche Verbindungen aufwiesen, sondern nur „einzelne“ bzw. „einige“.
Soweit die Klägerin einwendet, dass die Beklagte die von ihr bezeichneten Organisationen oder Parteien nur pauschal als linksextremistisch bezeichne, ohne konkret darzulegen, weshalb die jeweilige Organisation oder Partei linksextremistisch sei, greift dieser Einwand nicht durch. Hinsichtlich der DKP wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Beklagte durfte auch unterstellen, dass der W...linksextremistisch ist (vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 29. Oktober 2019 - 1 L 247.19, juris Rn. 31; ausführlich: VG Karlsruhe, Urteil vom 20. April 2016 - 4 K 262/13, juris Rn. 91 ff.). Dieser wurde von der Beklagten auch im jeweiligen Verfassungsschutzbericht unter „Linksextremismus“ genannt und ging (bislang) nicht (erfolgreich) gegen seine Erwähnung vor.
Keinen Bedenken begegnet die Berichterstattung schließlich, soweit es in den Verfassungsschutzberichten hieß „die junge Welt erklärt sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit und bietet immer wieder eine öffentliche Plattform für Personen und Organisationen, die politische Straftaten befürworten.“ Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen unter 4. c) (2) (cc) iiiii) Bezug genommen. Im Übrigen hat die Beklagte auch eine Vielzahl an beispielhaften Artikeln der jW über den Berichtszeitraum vorgelegt, in denen Personen und Organisationen politische Straftaten befürworteten, welche dem übrigen linksextremen Spektrum zuzurechnen sind.
Auch hier tritt die Klägerin der Tatsachenbehauptung nicht inhaltlich entgegen, soweit es dort heißt, dass sich die jW nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit erklärt. Sie moniert im Wesentlichen lediglich, dass es aufgrund der Art der Formulierung so erscheine, als ob sie Gewalt befürworten würde. Die unkommentierte und wiederholte Darstellung von Gewalt sei jedoch bei einer Tageszeitung „normal“. Zu einer Distanzierung sei die jW nicht verpflichtet.
Selbst wenn die ausdrücklich anders lautende Beschreibung so zu verstehen wäre, dass die jW Gewalt befürwortet, bestünden keine Bedenken gegen die Berichterstattung. Denn die jW befürwortet im Rahmen ihres Bestrebens, eine sozialistische Gesellschaftsordnung nach klassisch marxistisch-leninistischen Verständnis zu errichten, Gewalt insoweit, als dies für eine sozialistische Revolution i. S. v. Lenin notwendig ist (s. o.).
III. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage begehrt, dass die Beklagte in ihrem nächsten Verfassungsschutzbericht richtigstellt, dass die Erwähnung der Klägerin in den Verfassungsschutzberichten für die Jahre 1998, 1999, 2002, 2004 bis 2023 rechtswidrig war, hat auch dieser Annexantrag auf Folgenbeseitigung keinen Erfolg. Denn der Anspruch auf Richtigstellung könnte nur daraus folgen, dass die bereits in der Vergangenheit eingetretenen (rechtswidrigen) Folgen trotz Entfernung der Berichtspassagen über die Klägerin bzw. die jW noch nicht vollständig beseitigt worden wären (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2013 - 6 C 4/12, juris Rn. 26; OVG Bremen, Urteil vom 19. April 2016 - 1 LB 25/14, juris Rn. 62; OVG Münster, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 8 A 154/06, BeckRS 2008, 32738 Rn. 10). Da keine Passagen entfernt werden müssen, können auch keine „verbleibenden Folgen“ durch eine Richtigstellung beseitigt bzw. rückgängig gemacht werden.
IV. Da die Klage im Hinblick auf das Unterlassungsbegehren teilweise unzulässig ist, ist insoweit – Verfassungsschutzberichte für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2016 – über den Hilfsantrag zu entscheiden.
1. Der Hilfsantrag, mit welchem die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Berichterstattung über sie begehrt, ist dahingehend auszulegen, dass er unter der (zulässigen) Bedingung gestellt wurde, dass die Klage gerichtet auf das Unterlassen der weiteren Verbreitung der streitgegenständlichen Passagen der Verfassungsschutzberichte unzulässig ist. Denn der Hilfsantrag wurde in der mündlichen Verhandlung gestellt, nachdem die Kammer ihre vorläufige Auffassung zum Hauptantrag mitgeteilt hat. Zudem wird die dahingehende Auslegung durch den Wortlaut des Antrags gestützt, der explizit nur die Verfassungsschutzberichte bis einschließlich 2022 umfasst und nicht – wie die übrigen Klageanträge – bis einschließlich 2023. Dies ist damit zu erklären, dass die Beklagte der Auffassung ist, das Unterlassungsbegehren werde ein Jahr nach der Veröffentlichung eines Verfassungsschutzberichtes verwirkt (vgl. bereits unter I. und: VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2019 - 20 K 13111/17, juris Rn. 62 ff.).
2. Der als Feststellungsklage (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) statthafte Antrag gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Berichterstattung über die Klägerin in den Verfassungsschutzberichten 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2016 ist unzulässig.
a) Soweit er die Verfassungsschutzberichte bis einschließlich für das Jahr 2014 betrifft, ist das Klagerecht – entsprechend zu I. 2. (s. o.) – verwirkt.
b) Soweit er die Verfassungsschutzberichte 2015 und 2016 betrifft ist, fehlt es der Klägerin an dem notwendigen qualifizierten Feststellungsinteresse. Ein solches ist deshalb zu fordern, weil die Klägerin hier die Feststellung vergangener Rechtsverhältnisse begehrt, nämlich, dass ihre damalige Erwähnung (und die der jW) jeweils rechtswidrig war (vgl. Möstl in BeckOK VwGO, 69. Edition, Stand: 01.04.2024, § 43 Rn. 7). Das Rechtsverhältnis hat sich bereits erledigt, weil die Beklagte die Verfassungsschutzberichte insoweit nicht weiter verbreitet (s.o.). Ein qualifiziertes Feststellungsinteresse ist entsprechend einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse insbesondere dann gegeben, wenn eine Wiederholungsgefahr, ein Rehabilitationsinteresse oder ein tief greifenden Grundrechtseingriffs bei sich typischerweise schnell erledigenden Maßnahmen erfolgt ist (vgl. Möstl in: BeckOK VwGO, 69. Edition, Stand: 01.04.2024, § 43 Rn. 7, 25). Eine Wiederholungsgefahr ist zum einen deshalb ausgeschlossen, weil die damaligen Verfassungsschutzberichte nicht mehr verbreitet werden (s.o.) und zum anderen deshalb, weil die Beklagte die Verfassungsschutzberichte jedes Jahr aufgrund der aktuellen Erkenntnislage erstellen muss und damit nicht mehr die Berichte für 2015 und 2016 verwenden darf. Der Grundrechtseingriff hat sich auch nicht „typischerweise“ schnell erledigt. Vielmehr bestand jeweils mehr als ein Jahr Gelegenheit, Rechtsschutz zu suchen. Es ist auch kein Rehabilitationsinteresse anzunehmen. Ein solches ist nur anzunehmen, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalles schutzwürdig ist und durch die gerichtliche Entscheidung erfüllt werden kann (vgl. OVG Münster, Urteil vom 14. März 2011 - 19 A 3006/06, BeckRS 2011, 49617). Unterstellt, die Beklagte hätte in den Verfassungsschutzberichten 2015 und 2016 rechtswidrig über die Klägerin und die jW berichtet, verblieben immer noch die inhaltlich vergleichbaren und aktuelleren Erwähnungen in den Verfassungsschutzberichten der letzten sieben Jahre. Damit ist nicht anzunehmen, dass durch die begehrten Feststellungen die Möglichkeit einer Rehabilitation der Klägerin besteht.
3. Die hilfsweise Feststellungsklage wäre hinsichtlich der Verfassungsschutzberichte 2017 bis 2022 zumindest unbegründet. Denn die Berichterstattung über die Klägerin in den vorgenannten Verfassungsschutzberichten war rechtmäßig (s. o.).
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
VI. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht auf einer Abweichung von einer obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidung beruht, vgl. §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Sachgebiete
Besonderes Verwaltungsrecht
Schlagworte
Bundesverfassungsschutzbericht DKP Erwähnung einer Tageszeitung junge Welt Marxismus-Leninismus Verwirkung des Klagerechts