juris



zurück zur Übersichtsliste

Nr: NJRE001591544


LG Itzehoe 10. Zivilkammer, Urteil vom 24.Oktober 2024 , Az: 10 O 3/24

EUV 2016/679 Art 6 Abs 1 Buchst f , EUV 2016/679 Art 82 Abs 1 ,

Datenschutzrecht: Übermittlung von Positivdaten aus einem Mobilfunkvertrag an eine Wirtschaftsauskunftei 

Orientierungssatz

Eine Übermittlung von Positivdaten aus einem Mobilfunkvertrag an eine Wirtschaftsauskunftei durch ein Telekommunikationsunternehmen ist nach der nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessensabwägung rechtmäßig. 


Langtext

Tenor

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Itzehoe vom 12.08.2024, Az. 10 O 3/24 wird aufrechterhalten.

Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.500,00 € festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 48 GKG, § 3 ZPO.

Für den Antrag zu Ziffer 1) ist der dort geforderte Mindestbetrag von 5.000 € zu veranschlagen.

Für den Antrag zu Ziffer 2) (Unterlassung) ist auf das Interesse der Klagepartei abzustellen, das mit 3.000 € ausreichend bemessen ist.

Für den auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden gerichteten Antrag zu Ziffer 3) ist für die Bemessung des Streitwerts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO von dem an einem entsprechenden Leistungsantrag orientierten wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei an der beantragten Feststellung auszugehen, das sich auf die ab Klageeinreichung mutmaßlich entstehenden weiteren Schäden bezieht und von dem im Hinblick auf den mit dem Antrag erstrebten Feststellungstenor ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 – IV ZR 282/21). Nachdem seit der Einmeldung bis zur Klageerhebung in 2023 bei der Klagepartei materielle Schäden nicht eingetreten sind und er das Drohen konkreter Schäden nicht dargelegt hat, ist der Wert des Feststellungsantrages auf lediglich € 500,00 festzusetzen (vgl. Beschluss des OLG Schleswig, 5 W 27/23 vom 17.01.2024).


Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Übermittlung von Positivdaten an die Wirtschaftsauskunfteien S. Holding AG (im Folgenden: S.) sowie die C. GmbH (im Folgenden: C.).

Die Beklagte bietet Telekommunikationsdienstleistungen an.

Am 01. November 2022 schlossen die Parteien einen Telekommunikationsvertrag. Der Klägerseite wurde die ... zugewiesen.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Anlage B1 Bezug genommen.

Nach Abschluss des Telekommunikationsvertrages mit der Klagepartei meldete die Beklagte sog. Positivdaten an die S., also Informationen über die Beauftragung und Durchführung des Vertrags. Konkret übermittelte die Beklagte an die S. neben den zur Identifikation der jeweiligen Person erforderlichen Daten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift, das Datum des Vertragsschlusses, die Vertragsnummer und das Datum des Vertragsendes.

Des Weiteren übermittelte die Beklagte auch an die C. Positivdaten zu dem Vertragsabschluss mit der Klagepartei.

Am 19.10.2023 veröffentlichte die S. eine Pressemitteilung unter der Überschrift „S. löscht Daten zu Telekommunikationskonten“. Als Zeitpunkt des Beginns der Löschung gab die S. in der Mitteilung den 20.10.2023 an.

In der Pressemitteilung heißt es u.a.:

„Warum sich Telekommunikationsunternehmen und S. zu diesem Schritt entschieden haben und was das konkret für Sie bedeuten kann – hier sind die wichtigsten sieben Fragen und Antworten:

1.Um welche Daten geht es? Es handelt sich um die Information, dass bei einem Telekommunikationsunternehmen ein Vertragskonto, also ein Kundenkonto, besteht, mit dem für das Telekommunikationsunternehmen ein kreditorisches Risiko verbunden ist. Bei Kundenkonten auf Prepaid-Basis liegt kein Zahlungsausfallrisiko vor – folglich wurden sie auch nicht an die S. gemeldet. Informationen zu Zahlungsausfällen werden weiterhin gemeldet und im Rahmen von Bonitätsscores und -auskünften verarbeitet.

3. Welchen Einfluss kann die Löschung auf meinen Score haben?

Zunächst einmal: Unsere Analysen im Vorfeld zur Löschung haben gezeigt, dass sich die Scores im Durchschnitt nur marginal verändern. Bei 53 Prozent der Personen wird der Score nach Löschung niedriger, bei 47 Prozent höher sein (je höher desto besser). Analysiert wurde die Auswirkung auf den Bankenscore, den am häufigsten durch die S. für Kreditentscheidungen zur Verfügung gestellten Score.

...

7. Warum werden Informationen zu Telekommunikationsverträgen eigentlich gelöscht? Hintergrund der Löschung ist der Beschluss der Datenschutzkonferenz der Länder (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Die DSK hat die Übermittlung und Verarbeitung von sogenannten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien diskutiert und wie folgt bewertet: Die Übermittlung und Verarbeitung von Daten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien für das Bonitätsscoring könne nicht auf ein „berechtigtes Interesse“ gestützt werden (gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a der Datenschutzgrundverordnung /DSGVO), hierfür sei eine Einwilligung (nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) erforderlich.

Anlässlich des im Herbst 2021 gefassten Beschlusses der Datenschutzkonferenz wurden keine neuen Vertragsdaten zu Kundenkonten von Telekommunikationsunternehmen mehr an die S. übermittelt und durch diese verarbeitet. Die offene Rechtsfrage, ob die Positivdaten auf Basis des sog. berechtigten Interesses an die S. übermittelt werden dürfen, wird aktuell noch gerichtlich geklärt – wobei die S. nicht die Beklagte ist. Ein abschließendes Urteil liegt derzeit nicht vor. Die Entscheidung zur Löschung der Daten wurde unabhängig davon getroffen.“

Für Einzelheiten wird auf die Pressemitteilung in der Anlage B 2 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.11.2023 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei die Beklagte vorgerichtlich erfolglos zum Ersatz des entstandenen Schadens und zur Unterlassung auf. Für Einzelheiten wird auf das Schreiben in der Anlage K 1 Bezug genommen.

Die Klagepartei behauptet, in die Einmeldung des Vertragsabschlusses bei der S. sowie der C. nicht eingewilligt zu haben.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Übermittlung ihrer Daten an die S. durch die Beklagte unrechtmäßig gewesen sei und gegen die Bestimmungen der DSGVO, insbesondere Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO, verstoßen habe. Hierdurch sei ihr ein immaterieller Schaden entstanden, den die Beklagte zu ersetzen habe. Ferner habe sie einen Anspruch auf Unterlassung und Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden.

Die Klagepartei meint, ein immaterieller Schaden sei bereits in der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunfteien zu sehen. Hierdurch sei die Klagepartei der Kontrolle über ihre Daten beraubt worden.

Die Klagepartei behauptet, die -ihrer Meinung nach unberechtigte- Weitergabe sensibler Informationen beeinträchtige die wirtschaftlichen Entscheidungen der Klägerseite negativ und schränke ihre finanzielle Handlungsfreiheit ein.

Sie behauptet, sie habe eine - den Alltag begleitende - Angst vor Datenverlust entwickelt. Sie befürchte, dass, nachdem nachweislich einmal Daten übermittelte worden seien, mehrfach bzw. wiederholt ohne Wissen der Klägerseite Daten weitergegeben würden oder bereits weitergegeben worden seien. Dies führe zu einer großen Unsicherheit bei der Klägerseite. Insbesondere hinsichtlich der nach Ansicht der Klägerseite möglichen negativen Entwicklung des S.- und C.-Scores bestehe aufgrund der nicht vorhandenen Transparenz der Berechnungsgrundlage für diesen Score eine Unsicherheit und erhebliche Sorge dahingehend, dass der Erhalt von Krediten und der Abschluss eines Mietvertrags nicht möglich sei.

Die Klagepartei kündigte zunächst nachfolgende Anträge an:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2023 zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Positivdaten der Klägerseite im Sinne der DatenschutzGrundverordnung, das heißt, personenbezogene Daten der Klägerseite, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen, ohne deren Einwilligung an Auskunfteien, insbesondere der S. Holding AG und der C. GmbH, wie geschehen mit dem Vertragsabschluss vom 01.11.2022, zu übermitteln und/oder auf sonstige Weise Auskunfteien, insbesondere der S. Holding AG C. GmbH zugänglich zu machen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch die unbefugte Übermittlung ihrer Positivdaten, wie geschehen mit dem Vertragsschluss vom 01.11.2022, entstanden sind und /oder noch entstehen werden.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 EUR nebst Zinsen hieraus seit dem 06.12.2023 zu bezahlen.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2024 erschien dann für die Klägerseite niemand. Auf Antrag der Beklagten erging dann ein klagabweisendes Versäumnisurteil, dass beiden Parteien am 13.08.2024 zugestellt wurde.

Hiergegen hat die Klagepartei am 26.08.2024 Einspruch eingelegt.

Die Klagepartei beantragt nunmehr,

I. Das Versäumnisurteil wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für den Datenschutzverstoß einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 5.000,00 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 06.12.2023 zu zahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Positivdaten der Klägerseite im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, das heißt, personenbezogene Daten der Klägerseite, die keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages darstellen, ohne dessen Einwilligung an Auskunfteien, insbesondere der S. Holding AG und der C. GmbH zu übermitteln und/oder auf sonstige Weise Auskunfteien, insbesondere der S. Holding AG sowie C. GmbH zugänglich zu machen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch die unbefugte Übermittlung ihrer Positivdaten an die Auskunfteien S. Holding AG und C. GmbH entstanden sind und / oder noch entstehen werden.

V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 06.12.2023 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klagepartei habe ein Merkblatt u.a. zur Übermittlung der Daten an die S. mit dem Hinweis auf ein Widerspruchsrecht gem. Anlage B1 erhalten. Die bei der S. gespeicherten Positivdaten zum streitgegenständlichen Telekommunikationsvertrag seien mittlerweile gelöscht. Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass kein schuldhafter Verstoß vorliege. Die Übermittlung der Daten sei gerechtfertigt zur Wahrung berechtigter Interessen. Die Übermittlung diene der Betrugsprävention, der Überschuldungsprävention sowie die Ermöglichung von präziseren Ausfallrisikoprognosen sowie dem allgemeinen Interesse am Funktionieren der Auskunftei wie S.. Die Interessen der Klagepartei gegen die Übermittlung von Positivdaten überwiege nicht. Die Beklagte ist der Auffassung, der Unterlassungsanspruch sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Zudem fehle das Feststellungsinteresse.

Das Gericht hat das persönliche Erscheinen der Klagepartei zwecks informatorischer Anhörung sowohl zum Termin am 12.08.2024 wie auch am 07.10.2024 angeordnet. Die Klagepartei ist jeweils nicht erschienen. Im Termin am 07.10.2024 hat der Klägervertreter eine Vollmacht nach § 141 Abs. 3 ZPO vorgelegt. Für weitere Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.10.2024 Bezug genommen.

Die Klage ist der Beklagten am 01.03.2024 zugestellt worden.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

I. Der statthafte, form- und fristgerecht erhobene Einspruch gegen das Versäumnisurteil der vom 12.08.2024 hat den Rechtsstreit gemäß § 342 ZPO in die Lage vor der Säumnis zurückversetzt. In der Sache bleibt ihm aber der Erfolg versagt. Die zulässige Klage ist unbegründet.

II. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Itzehoe ist sachlich gem. §§ 23 S. 1 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gem. § 17 ZPO zuständig.

Der Unterlassungsanspruch genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO ist hinreichend dargelegt.

Die Klaghäufung ist gem. § 260 ZPO zulässig.

Die Klagänderung ist gem. § 263 ZPO zulässig.

III. Die Klage ist aber unbegründet.

Der Klageantrag zu Ziffer 2 ist unbegründet, da der Klagepartei kein Anspruch auf Ersatz eines (immateriellen) Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 6 Abs. 1, 5 Abs. 1 a) DSGVO zusteht.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Verantwortlicher in diesem Sinne ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO jede natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden, also auch die Beklagte.

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegen jedoch nicht vor, da es bereits an einem Datenschutzverstoß der Beklagten, jedenfalls aber an einem kausalen ersatzfähigen Schaden bei der Klagepartei fehlt.

Die Beklagte hat mit der Einmeldung des Vertragsabschlusses nicht gegen Art. Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO verstoßen.

Es kann dabei dahinstehen, ob die Klagepartei einer Einmeldung der Positivdaten bei der S. und C. im Vertrag mit der Beklagten zugestimmt hat oder durch das Merkblatt zum Datenschutz aus der Anlage B1 davon Kenntnis hatte, da die Einmeldung der Positivdaten jedenfalls nach der nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO vorzunehmenden Interessensabwägung rechtmäßig war.

Nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO ist die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Bei der Prüfung der berechtigten Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Einmeldung von Positivdaten nicht nur eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern durch die Datenübermittlung mittelbar auch Interessen der Verbraucher und somit letztlich auch der Klagepartei selbst gefördert werden. Dies trifft insbesondere zu, soweit die Beklagte die Einmeldung der Daten zum Schutz der Verbraucher vor Identitätsdiebstahl und sonstigen Betrugsstraftaten vornimmt. Ein verständiger Verbraucher hat offenkundig ein erhebliches Interesse daran, dass seine Daten nicht für kriminelle Zwecke missbraucht werden und insbesondere nicht widerrechtlich auf seinen Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden.

Das Gericht der Ansicht, dass zum Schutz dieser Interessen die Einmeldung von Negativdaten, insbesondere Zahlungsausfällen, nicht ausreichend ist. Bei Beschränkung der Einmeldungen auf Negativdaten besteht insbesondere für den Verbraucher die Gefahr, dass Identitätsdiebstahl und Betrug erst entdeckt werden, wenn durch veranlasste des bis dahin noch solventen Verbrauchers und zahlreiche Vertragsabschlüsse ein hoher (finanzieller) Schaden entstanden ist, der nur mit hohem Aufwand und erheblichen Unannehmlichkeiten für die Betroffenen wieder zu beseitigen ist. Diesen Interessen gegenüber steht – die klägerische Behauptung als wahr unterstellt, es habe keine Einwilligung der Klagepartei in die Einmeldung gegeben- zum einen der Eingriff das Recht der Klagepartei auf informationelle Selbstbestimmung. Zum anderen greift die Einmeldung in das Interesse der Klagepartei an einer freien Entscheidung über neue Vertragsabschlüsse ein. Denn:

Wie sich insbesondere aus der Pressemitteilung der S. vom 19.10.2023 ergibt, haben zwar auch Positivdaten grundsätzlich einen Einfluss auf den S.-Score, der auch negativ sein kann, da mit dem Abschluss eines jeden Vertrags, der den Verbraucher zu einer finanziellen Leistung verpflichtet, das Risiko des Zahlungsaufalls verbunden ist. Damit dieses Risiko sich jedoch in dem S.-SCORE auch tatsächlich negativ auswirkt, müssen weitere Umstände hinzukommen, entweder kumulativ oder alternativ:

Der Vertragsabschluss ist erst kürzlich erfolgt. Dem Gericht ist aus Parallelverfahren bekannt, dass jedoch noch „junge“ Geschäftsbeziehung eher einen negativen Einfluss auf den S.-SCORE hat, da noch keine belastbaren Aussagen zur Erfüllungswahrscheinlichkeit in Bezug auf die Zahlungsverpflichtungen getroffen werden können. Umgekehrt gilt aber auch: längere Vertragsbeziehungen sorgen wiederum dafür, dass der S.-SCORE steigt.

Negativen Einfluss hat es zudem, wenn mehrere Verträge einer Vertragsart vorhanden sind, ähnlich wie bei Kreditkartenverträgen auch.

Der daraus folgende Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit tritt jedoch in Abwägung mit den oben genannten Interessen, insbesondere der Betrugsprävention zurück, da er nur marginal ist.

Zum einen dürfte durchschnittliche Verbraucher kein Interesse an mehr als maximal zwei Handyverträgen und einem Internetvertrag (WLAN für zuhause) haben.

Zum anderen dürften auch ständige Wechsel des Anbieters infolge von Preisvergünstigungen den S.-SCORE nur marginal beeinflussen, da es sich hierbei nur um einen vergleichsweise kleinen Bereich der bei der S. eingemeldeten Daten handelt. So fließen viele weitere Daten insbesondere Bankdaten, Zahlungsausfalldaten, Kreditanfragen etc. in den S.-SCORE mit ein, die ein deutlich aussagekräftigeres Bild über die Zahlungsfähigkeit des Verbrauchers erlauben, als die Daten zu Abschlüssen von Telekommunikationsverträgen. Gleiches dürfte für die C. gelten.

Ein für die Klagepartei weniger belastendes, aber ebenso effektives Mittel zur Erreichung des Zwecks der Betrugsprävention als die Übermittlung der Vertragsdaten an die Auskunfteien ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Selbst wenn man einen Datenschutzverstoß der Beklagtenseite unterstellt, ist der Klagepartei jedenfalls der Nachweis eines kausalen Schadens nicht gelungen.

Die Klagepartei hat einen kausalen materiellen Schaden nicht dargelegt.

Auch der Nachweis eines kausalen immateriellen Schadens ist der Klägerseite nicht gelungen.

In Anbetracht der Erwägungsgründe 75, 85, 146 und 148 der DSGVO hatte der Verordnungsgeber als immateriellen Schaden insoweit Diskriminierung, Identitätsdiebstahl, Identitätsbetrug, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden persönlichen Daten oder gesellschaftliche Nachteile ohne den Ausschluss von Bagatellschäden im Blick. Hinsichtlich eines möglichen künftigen Missbrauchs personenbezogener Daten wird ein immaterieller Schaden aber nur dann zu begründen sein, wenn es sich um einen realen und sicheren emotionalen Schaden handelt und nicht nur um ein Ärgernis oder eine Unannehmlichkeit (vgl. EuGH, Schlussanträge vom 27.04.2023 – C-340/21; OLG Düsseldorf GRUR-RS 2023, 4182). Ein etwaiger Verstoß führt – unabhängig der Frage der Erheblichkeit – jedenfalls nicht per se zu einem Schaden (EUGH Urteil vom 04.05.2023, C-300/21). Ein konkreter Schaden ist im jeweiligen Einzelfall festzustellen (LG Bonn, Urteil vom 10.05.2023, Az. 3 O 201/22). Ein tatsächlicher Schaden im Sinne einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Giovanni Pitruzella vom 27.04.2022, C-340/21, Rn. 83) liegt aber im vorliegenden Einzelfall gerade nicht vor.

Der schriftsätzliche Vortrag, dass sich unmittelbar nach Erhalt der C.-Mitteilung ein Gefühl des Kontrollverlusts und der großen Sorge, insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Bonität, eingestellt habe, dieses von der Angst geprägt gewesen sei, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei und möglicherweise weiterer unberechtigter Übermittlungen ausgesetzt zu sein, und dies die Klagepartei bis zum heutigen Tag beunruhige, erfolgt offensichtlich ohne hinreichende Tatsachengrundlage. So ist dem Gericht dieser formelhafte, textbausteinartige Vortrag aus diversen Parallelverfahren wortgleich bekannt und daher zu pauschal um einen Schadensersatzanspruch begründen zu können. Zur Ersatzfähigkeit führt nach den Vorgaben des EuGH zu Art. 82 DSGVO nur ein einzelfallbezogener Vortrag zum individuellen Schaden bei jedem einzelnen Betroffenen. Solchen Vortrag zeichnet aus, dass die Schadensschilderungen des einzelnen Klägers individualisiert in der den klägerischen Schriftsätzen wiedergegeben werden oder dieser zumindest in seiner mündlichen Anhörung eine derartige Schilderung abgibt. Der Kläger konnte mangels persönlichem Erscheinen nicht angehört werden. Der nach § 141 Abs. 3 ZPO bevollmächtigte Klägervertreter war zu einer Schilderung ebenso wenig in der Lage und hat- vom Gericht zu der individuellen Schädigung seines Mandanten gefragt- wiederum nur auf den unzureichenden schriftsätzlichen Vortrag Bezug genommen. Da bereits der klägerische schriftsätzliche Vortrag seinem Inhalt nach ungeeignet ist, einen Schadensersatzanspruch zu begründen, kann sowohl dahinstehen, ob der klägerische Vortrag, in Teilen verspätet gewesen ist und, ob die Schriftsätze der Beklagtenseite korrekt signiert sind (zu beidem siehe Sitzungsprotokoll vom 07.10.2024).

Der zulässige Klageantrag zu Ziffer 3 ist jedenfalls unbegründet, da mangels Datenschutzverstoßes auch kein Unterlassungsanspruch gegeben ist.

Der zulässige Klageantrag zu Ziffer 4

, gerichtet auf Feststellung, ist ebenfalls unbegründet, weil nicht ersichtlich ist, dass die streitgegenständliche Übermittlung von Positivdaten an die S. und die C. zu einem Schaden der Klagepartei führen könnte. Denn der Umstand, dass ein einziger Mobilfunkvertrag abgeschlossen wurde ist – wie dem Gericht aus Parallelverfahren bekannt ist, ungeeignet, die Kreditwürdigkeit der Klagepartei herabzusetzen. So verfügten Klagparteien aus Parallelverfahren mit nur einem Eintrag, nämlich einen Mobilfunkvertrag ähnlichen Alters im Jahr 2023 durchgängig über gute bis sehr gute S.-SCORE-Werte. Der Eintritt eines zukünftigen Schadens ist umso mehr unwahrscheinlich, als dass der EUGH in seiner Entscheidung vom 07.12.2023 (EuGH (Erste Kammer) Urt. v. 7.12.2023 – C-634/21 (OQ/Land Hessen) (NZA 2024, 45, beck-online) klargestellt hat, dass insbesondere Banken jedenfalls die eine Kreditabfrage nicht vollautomatisch und ausschließlich unter Berücksichtigung des SCORES von Auskunfteien ablehnen dürfen. Diese Rechtsprechung dürfte auf andere die Bonität abfragenden Unternehmen zu übertragen sein.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptschuld.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Es besteht auch kein Anlass, das Verfahren mit Blick auf derzeit beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren gem. § 148 ZPO analog auszusetzen. So begehrt die Klagepartei die Aussetzung des Verfahrens lediglich in Bezug auf den Unterlassungsanspruch für den Fall, dass wie hier kein unionsrechtlicher Unterlassungsanspruch infrage kommt. Sie meint für die sich dann stellende Frage, ob dann nationales Recht anwendbar sei, oder ob dem das Ziel eines gleichmäßigen Datenschutzniveaus innerhalb der Union (vgl. Erwägungsgrund 9 und 10 zur DSGVO) entgegenstehe, sei die Entscheidung der Vorlagefrage zum Aktenzeichen C 655/23 abzuwarten. Dies ist hier jedoch nicht erforderlich, da selbst bei einem Rückgriff auf nationales Recht und einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB ein solcher ausscheiden würde, da die Beklagte aufgrund der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung auch nach nationalen Vorschriften bereits nicht als Störerin i.S.d. § 1004 BGB zu qualifizieren wäre und daher die Anwendbarkeit dahinstehen kann.



Sachgebiete

Verbraucherschutz

Schlagworte

Ärgernis
Betrugsprävention
Bonität
Datenschutz
Datenschutzverstoß
Einmeldung
Identitätsdiebstahl
Interesse
Kontrollverlust
Kreditwürdigkeit
Mobilfunkvertrag
Nachweis
Positivdatum
Risiko
Schaden
Schadensersatz
Telekommunikationsunternehmen
Unannehmlichkeit
Unterlassungsanspruch
Vertragsabschluss
Wirtschaftsauskunftei