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Nr: NJRE001591581


LG Köln 17. Zivilkammer, Urteil vom 23.Oktober 2024 , Az: 17 O 3/24

EUV 2016/679 Art 82 Abs 1

Datenschutzrecht: Schadensersatzanspruch bei Übermittlung von Daten über den Abschluss eines Telekommunikationsvertrags an eine Wirtschaftsauskunftei  

Orientierungssatz

1. Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, 4. Mai 2023, C-300/21).

2. Eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, muss nachweisen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (EuGH, 14. Dezember 2023, C-340/21). 

3. Ein bloßer Kontrollverlust für sich genommen ist noch nicht geeignet, einen immateriellen Schaden zu begründen. In Fällen, in denen sich der geltend gemachte Kontrollverlust insbesondere auf die Information bezieht, der der Betroffene über einen Telekommunikationsvertrag verfügt, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Rückschluss darauf erlauben, dass der entsprechende Kontrollverlust über dieses personenbezogene Datum schon einen immateriellen Schaden darstellt (vgl. OLG Köln, 7. Dezember 2023, 15 U 33/23).


Langtext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Unterlassung im Zusammenhang mit einer Übermittlung von Daten an die S. Holding AG (nachfolgend: S.).

Die Beklagte erbringt unter der Marke „F.“ Telekommunikationsdienstleistungen.

Der Kläger schloss mit der Beklagten am 29.11.2021 einen Mobilfunkvertrag, der eine Laufzeit von 24 Monaten hatte. Am 07.02.2022 meldete die Beklagte den Abschluss des Telekommunikationsvertrages mit dem Kläger an die S.. Eine den Bevollmächtigten des Klägers übermittelte Auskunft der S. vom 16.08.2023 enthält folgende Eintragung:

„Am 07.02.2022 hat F. DLS GmbH den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der ... übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht.“

Die S. teilte in einer Pressemitteilung am 19.10.2023 mit, dass sie sich entschieden habe, die Telekommunikationsdaten aus den Konten zu löschen. Mit Schreiben vom 15.10.2023 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zum Ersatz des durch die Übermittlung der vorbenannten sog. „Positivdaten“ entstandenen immateriellen Schadens, welcher mit 5.000,- € beziffert wurde, und zur Unterlassung auf. Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 24.10.2023 zurück.

Der Kläger behauptet, es habe sich bei ihm ein Gefühl des Kontrollverlustes eingestellt, nachdem er von der Meldung seiner Positivdaten an die S. erfahren habe. Dies beunruhige ihn bis zum heutigen Tag und er lebe in ständiger Angst vor unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität, zumal sich die Daten auf seine Bonitätsbewertung auswirken würden. Sein allgemeines Unwohlsein steigere sich bis zu einer schieren Existenzsorge. Aufgrund der Ungewissheit, in welcher Form, ob und wann eine unmittelbare oder mittelbare Konfrontation mit den Folgen dieses S.-Eintrags stattfindet, blieben Stress, Unruhe und ein allgemeines Unwohlsein tagtäglich zurück. Diese Auswirkungen würden seine freie Entscheidung im Hinblick auf neue Vertragsabschlüsse behindern und damit die freien Entfaltungsmöglichkeiten bei der weiteren Gestaltung des eigenen Lebens untergraben.

Der Kläger trägt im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor, dass ihn das Thema der Datenweitergabe an die S. schon länger beschäftigt habe; auch hinsichtlich der Beklagten als seinem ehemaligen Mobilfunkanbieter. Wenn er nach konkreten Auswirkungen gefragt werde, sei es so, dass die Angelegenheit für ihn sehr undurchsichtig sei. Mit der S. gebe es eine Instanz, die seine Daten habe. Hierüber habe er persönlich dann keine Kontrolle mehr. Er wisse nicht, von wem welche Daten gemeldet würden oder wem welche Daten von der S. gemeldet würden. Auf den sog. "S.-Score" komme es etwa beim Abschluss von Mietverträgen an. Vor diesem Hintergrund habe er gewisse Ängste, zumal er die Ermittlung des S.-Scores nicht nachvollziehen könne. Er fühle sich insoweit machtlos. Zudem sei ungewiss, was in Zukunft noch passieren könne; etwa, wenn er einmal arbeitslos werde. Auch das beschäftige ihn in seinen Gedanken. Ein materieller Schaden sei ihm im Zusammenhang mit der S. bislang nicht entstanden. Er könne nur nicht einschätzen, ob nicht gegebenenfalls potentielle Vermieter Einblicke in seine S. erhalten hätten. In seine S.-Auskunft vom 16.08.2023 habe er nicht geschaut. Diese sei nach Mandatierung aufgrund eines öffentlichen Auftritts eines Rechtsanwalts zu der Thematik und Erteilung einer Vollmacht von seinen Bevollmächtigten eingeholt worden. Er habe zu keiner Zeit wissentlich seine Zustimmung zu einer Datenweitergabe durch die Beklage erklärt, wobei er sich mit dem konkreten Verhalten der Beklagten, also mit der Weitergabe der Daten, nicht eingehender beschäftigt habe, sondern lediglich mit der Ermittlung des S.-Scores. Bei der Beklagten handle es sich um seinen ehemaligen Mobilfunkanbieter. Er habe zu keiner Zeit parallel mehrere Mobilfunkverträge gehabt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Datenübermittlung der Beklagten an die S. sei unrechtmäßig erfolgt, da die Beklagte hierdurch gegen Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. a) der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen habe. Denn bei der Übermittlung habe es sich um eine Datenverarbeitung personenbezogener Daten gehandelt, welche weder von einer Einwilligung des Klägers gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO gedeckt noch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO zur Erfüllung eines Vertrags oder aufgrund eines berechtigten Interesses im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt gewesen sei. Dem Kläger sei aufgrund der behaupteten Auswirkungen ein ersatzfähiger Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden. Ihm stehe gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB und §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 und aus Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO sowie Art. 17 D-GVO gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung zu, seine personenbezogenen Daten in Zukunft unbefugt, also konkret ohne Vorliegen einer Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO zu speichern, zu erheben, zu nutzen und weiterzugeben. Eine Wiederholungsgefahr werde durch die erfolgte Rechtsverletzung indiziert. Aus der Pressemitteilung der S. gehe nicht hervor, ob die Daten der Klagepartei tatsächlich gelöscht worden seien. Eine Löschung werde mit Nichtwissen bestritten. Er habe auch ein Interesse an der Feststellung, dass von der Beklagten zukünftige Schäden zu ersetzen seien, da noch nicht abzusehen sei, inwieweit unbekannte Dritte Daten des Klägers erhalten hätten und ob hieraus künftige Schäden entstünden. Es genüge die Möglichkeit eines Schadenseintritts.

Der Kläger hat unter Aufrechterhaltung der Anträge im Übrigen ursprünglich mit den Anträgen zu 2) und 3) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Wirtschaftsauskunfteien, insbesondere namentlich die S. Holding AG, K.-weg …, … W., zu übermitteln, es sei denn, es liegt eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage vor [Antrag zu 2)], sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstanden sind und/oder noch entstehen werden [Antrag zu 3)].

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000,00 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz;

2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich S. Holding AG, K.-weg …, … W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dem Kläger sei mit Eingehen des Vertragsverhältnisses bewusst gewesen, dass sie Positivdaten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vertrag an Wirtschaftsauskunfteien übermittelt. Die S. habe die Positivmeldung über den Abschluss des zwischen den Parteien geschlossenen Mobilfunkvertrags zwischenzeitlich gelöscht.

Sie ist der Ansicht, dass die Klage hinsichtlich der Anträge zu 2) und 3) bereits unzulässig sei, da die Klageanträge nicht hinreichend bestimmt seien. Für den Antrag zu 3) fehle es zudem an einem Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klage sei auch unbegründet, da es an einer Verletzung der DSGVO fehle. Denn die Übermittlung der Positivdaten sei aufgrund berechtigter Interessen gerechtfertigt. Es fehle jedenfalls an einem ersatzfähigen immateriellen Schaden. Die vom Kläger vorgetragenen Auswirkungen seien unsubstantiiert und lebensfern. Denn im Schnitt verfüge jeder Bundesbürger über mehr als einen Mobilfunkvertrag. Die Information, dass er einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen habe, hebe den Kläger in keiner Weise vom Rest der Bevölkerung ab. Hinzu komme, dass die vorgebrachten Schäden teilweise schon nicht kausal auf der in Frage stehenden Datenübermittlung beruhten. Jedenfalls fehle es an einem Verschulden der Beklagten. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags fehle es an einer Rechtsgrundlage sowie an einer Wiederholungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 3) bereits unzulässig; im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Umstellung der Klageanträge zu 2) und 3) begegnet keinen Bedenken. Es kann dahinstehen, ob hierin eine Klageänderung zu sehen ist, da eine solche jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO ist, da hierdurch Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausgeräumt werden kann, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt (vgl. BGH, NJW 2011, 2796 Rn. 41, beck-online).

II.

Die im Übrigen zulässige Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags [Antrag zu 3)] unzulässig.

Dem Antrag fehlt es jedenfalls am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Nach dieser Vorschrift kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Bei reinen Vermögensschäden hängt die Zulässigkeit einer Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab. Grund dafür ist der Schutz des möglichen Schädigers, dem nicht ein Rechtsstreit über gedachte Fragen aufgezwungen werden soll, von denen ungewiss ist, ob sie jemals praktische Bedeutung erlangen könnten. Dagegen genügt bei Verletzung eines absoluten Rechts oder aber in solchen Fällen, in denen bereits ein (Teil-)Schaden eingetreten ist, die bloße Möglichkeit des Eintritts eines Schadens. An der Möglichkeit weiterer Schäden fehlt es in solchen Fällen nur dann, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen (OLG Köln, Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 108/23, GRUR-RS 2023, 37546 Rn. 51, beck-online m.w.N.).

Vorliegend kann dahinstehen, welcher der vorstehenden Maßstäbe zugrunde zu legen ist, da auch nach der für den Kläger günstigen Alternative ein Feststellungsinteresse nicht besteht. Auf Basis des klägerischen Vortrags besteht bei verständiger Würdigung kein Grund, mit dem künftigen Eintritt eines materiellen oder immateriellen Schadens zu rechnen, da sämtliche Befürchtungen zur künftigen Schadensentwicklung rein theoretischer Natur sind. Dem Kläger ist bis zum Tag der mündlichen Verhandlung – mehr als zweieinhalb Jahre nach der streitgegenständlichen Meldung der Positivdaten – kein materieller Schaden entstanden und es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die einen solchen (hierauf zurückzuführenden) Schaden in Zukunft als möglich erscheinen lassen, zumal der Kläger auch unter Einbeziehung der streitgegenständlichen Meldung ausweislich der Auskunft vom 16.08.2023 einen Basisscore in Höhe von 97,70% von theoretisch möglichen 100% hatte und bei der Übermittlung von Werten an Dritte in den vorangegangenen 12 Monaten von der S. ein „sehr geringes Risiko“ sowie in einem Fall ein „geringes bis überschaubares Risiko“ ermittelt wurde. Darüber hinaus hat die S. unstreitig angekündigt, die streitgegenständlichen Positivdaten zu löschen. Soweit der Kläger die von der Beklagten behauptete durchgeführte Löschung mit Nichtwissen bestreitet, verfängt dies nicht, da ihm die Darlegung eines Feststellungsinteresses obliegt und es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, nach der Ankündigung durch die S. eine aktuelle Auskunft einzuholen, um die Löschung zu überprüfen.

Im Hinblick auf die weiteren Anträge bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.

III.

Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.

1.

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens gegen die Beklagte zu, insbesondere nicht nach Art. 82 Abs.1 DSGVO. Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Es kann dahinstehen, ob der Beklagten Verstöße gegen die DSGVO i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorzuwerfen sind, denn der Kläger hat diesbezüglich jedenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt Folgendes:

Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Rs. C-300/21, Rn.42). Vielmehr muss der Kläger einen konkreten immateriellen oder materiellen Schaden darlegen und beweisen, ebenso wie das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DSGVO und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Rs. C-300/21, Rn. 32). Die nationalen Gerichte haben bei der Festsetzung der Höhe des Schadenersatzes, der aufgrund des in diesem Artikel verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet wird, die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Rs. C-300/21, Rn. 59). Einer nationalen Regelung oder Praxis, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat, steht Art. 82 Abs. 1 DSGVO entgegen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023, Rs. C-300/21, Rn. 51).

Eine Auslegung von Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin, dass der Begriff „immaterieller Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung keine Situationen umfasst, in denen sich eine betroffene Person nur auf ihre Befürchtung beruft, dass ihre Daten in Zukunft von Dritten missbräuchlich verwendet werden, wäre nicht mit der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Union vereinbar, die mit diesem Rechtsakt bezweckt wird (EuGH, Urteil vom 14.12.2023, Rs. C-340/21, Rn. 83). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen (EuGH, Urteil vom 14.12.2023, Rs. C-340/21, Rn. 84). Insbesondere muss das angerufene nationale Gericht, wenn sich eine Person, die auf dieser Grundlage Schadenersatz fordert, auf die Befürchtung beruft, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft aufgrund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 14.12.2023, Rs. C-340/21, Rn. 85). Nach alledem kann die Befürchtung, dass personenbezogene Daten durch Dritte missbräuchlich verwendet werden könnten, einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (EuGH, Urteil vom 14.12.2023, Rs. C-340/21, Rn. 86).

b) Einen immateriellen Schaden hat der Kläger auf dieser Grundlage vorliegend jedoch nicht dargelegt und ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

aa) Im Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, dass sich die schriftsätzlichen Ausführungen des Klägers zu den Auswirkungen der streitgegenständlichen Meldung ausweislich der Anlage B10 (Bl. 269 ff. d.A.) wortgleich in mehreren anderen – den Kläger nicht betreffenden – Verfahren wiederfinden, sodass insoweit bereits ein konkreter Bezug zum Empfinden des Klägers fraglich ist.

Ungeachtet dessen wäre ein bloßer Kontrollverlust für sich genommen noch nicht geeignet, einen immateriellen Schaden zu begründen, da es sich hierbei lediglich um die „negative Folge“ eines Datenschutzverstoßes handeln würde (OLG Köln, Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 Rn. 33, beck-online). In Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich der geltend gemachte Kontrollverlust insbesondere auf die Information bezieht, der der Betroffene über einen Telekommunikationsvertrag verfügt, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Rückschluss darauf erlauben, dass der entsprechende Kontrollverlust über dieses personenbezogene Datum schon einen immateriellen Schaden darstellt (vgl. OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 Rn. 33, beck-online m.w.N.). Der Umstand, dass eine Person Telekommunikationsdienstleistungen wahrnimmt ist aus Sicht des Gerichts letztlich eine im Alltagsleben völlig geläufige, nahezu selbstverständliche Information, welche ohnehin bei jeder Angabe der betroffenen Telefonnummer offengelegt wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich die vom Kläger im Rahmen der persönlichen Anhörung geäußerten Bedenken in einer Zusammenschau primär auf die Verarbeitung der Daten durch die S. und die Mitteilung des sog. S.-Scores an potentielle Vertragspartner bezogen und weniger auf die Weitergabe der Positivdaten durch die Beklagte.

Auch nach Zusammenführung der schriftsätzlichen Ausführungen und der – im Verhältnis in ihrer Intensität abgeschwächten – persönlichen Schilderungen des Klägers ist ein immaterieller Schaden nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Bei den vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen handelt es sich um psychische Folgen eines etwaigen Datenschutzverstoßes der Beklagten, die als solche nur von ihm selbst wahrgenommen werden können. Um daraus einen Schaden ableiten zu können, also einen Nachteil des Betroffenen, der im Sinne von Erwägungsgrund 146 konkret „erlitten“ wurde und damit über die reine Behauptung des entsprechenden Gefühls hinausgeht, muss der Kläger konkrete Indizien vortragen und unter Beweis stellen, die eine solche psychische Beeinträchtigung ihrer Person stützen können (OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 Rn. 36, beck-online m.w.N.). Für die vom Kläger behaupteten immateriellen Schäden müssen jedenfalls auch objektive Beweisanzeichen vorhanden sein, da andernfalls die bloße Bekundung des Betroffenen, einen immateriellen Schaden in Form belastender Gefühle erlitten zu haben, für einen Ersatzanspruch ausreichen würde (vgl. OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 Rn. 36, beck-online m.w.N.). Mag bei einer Veröffentlichung besonders sensibler Daten (wie Bank- oder Gesundheitsdaten bzw. Finanz- und Steuerdaten) bereits deren sensibler Charakter im Einzelfall im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO indiziell dafür sprechen können, dass dies dem Betroffenen tatsächlich Sorge oder Unwohlsein bereitet, so ist dies bei der Information über den Abschluss eines Telekommunikationsvertrags gerade so nicht der Fall. Insofern wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, konkret in seiner Person liegende Umstände vorzutragen, die einen Rückschluss darauf zulassen, dass er gerade durch die Meldung der Positivdaten tatsächlich Angst, Ärger oder Unwohlsein erlitten hat (vgl. OLG Köln Urt. v. 7.12.2023 – 15 U 33/23, GRUR-RS 2023, 36757 Rn. 46). Derartige konkretisierende Umstände hat der Kläger auch nach eingehender Befragung nicht vorgetragen und sind auch nicht aus dem sonstigen Akteninhalt ersichtlich. So berichtet er lediglich von der empfundenen Undurchsichtigkeit der Angelegenheit und „gewisse[n] Ängste[n]“ und Ungewissheiten, die sich jedoch primär auf die Frage der Ermittlung seines S.-Scores beziehen. Objektivierbare Anzeichen, die die behauptete immaterielle Beeinträchtigung feststellbar machen, wurden nicht vorgebracht. Gegen das Vorliegen schadensersatzbegründender Umstände spricht auch, dass der Kläger trotz der behaupteten Auswirkungen die von seinen Bevollmächtigten eingeholte Auskunft vom 16.08.2023 nicht eingesehen hat. Bei Vorliegen konkreter Ängste, Befürchtungen und Unsicherheiten hätte es vielmehr nahegelegen, in vorhandene Informationen Einsicht zu nehmen, zumal sich hieraus ergibt, dass etwaige Sorgen im Hinblick auf seine Bonitätsbewertung im Ergebnis unbegründet sind.

c) Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Unterlassung, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich ein solcher Anspruch aus Art. 17 DSGVO, aus §§ 823, 1004 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 241, 1004 BGB ergibt und ob ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt.

a) Zunächst ist der Unterlassungsantrag ist zu weit gefasst. Der Kläger begehrt die Unterlassung der Weiterleitung von „Positivdaten“ ohne seine Einwilligung. Folge der Stattgabe seines Antrags wäre ein allgemeines Verbot der Übermittlung von Positivdaten von Mobilfunknutzern an Wirtschaftsauskunfteien. Dies erweist sich als zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenübermittlung aus Gründen der Betrugsprävention bei datenschutzkonformer Ausgestaltung des Prozesses im berechtigten Interesse des Verantwortlichen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. f DSGVO liegen kann (LG Aachen, Urt. v. 11.07.2024, Az. 1 O 388/23 Rn. 38 mit Verweis auf OLG Köln, Urt. v. 03.11.2023, Az.: 6 U 58/23; LG Frankfurt, Urt. v. 19.03.2024, Az.: 2-10 O 691/23; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.04.2024, Az.: 7 O 6632/23. So auch LG Mainz, Urt. v. 04.04.2024, Az. 2 O 204/23, Rn. 28 ff. m.w.N.).

b) Darüber hinaus wäre eine für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Beeinträchtigungsgefahr im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine Beeinträchtigungsgefahr ist entweder bei Wiederholungsgefahr oder bei Erstbegehungsgefahr gegeben (vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 1004 Rn. 87). Bei der Wiederholungsgefahr handelt es sich um die auf Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis weiterer Störungen, wobei die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet (Grüneberg/Herrler, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1004 Rn. 32). Darüber hinaus ist ein sogenannter vorbeugender Unterlassungsanspruch über den Gesetzeswortlaut hinaus möglich, wenn eine Beeinträchtigung noch nicht eingetreten ist, jedoch die konkrete Gefahr einer erstmaligen Beeinträchtigung besteht (Erstbegehungsgefahr) (BeckOK BGB/Fritzsche, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 1004 Rn. 95). Für das Vorliegen einer entsprechenden Gefahr trägt der Kläger als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1004 Rn. 52).

Selbst wenn man in der erfolgten Positivmeldung eine rechtswidrige Beeinträchtigung sehen würde, wäre vorliegend ausnahmsweise nicht von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Denn bei der Beklagten handelt es sich nach den Schilderungen des Klägers um seinen ehemaligen Mobilfunkanbieter. Mangels fortbestehenden Vertragsverhältnisses besteht vorliegend kein Anlass mehr für die Beklagte, Positivdaten zu übermitteln. Dass die Beklagte ein Interesse daran hat, Daten an die S. mitzuteilen, die bereits beendete Vertragsverhältnisse betreffen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich – erst Recht mit Blick auf die lediglich mit Nichtwissen bestrittene Behauptung der Beklagten, die Daten seien entsprechend der unstreitigen Ankündigung der S. bereits gelöscht worden. Es liegen mithin besondere Umstände vor, die dem der tatsächlichen Vermutung zugrundeliegenden Erfahrungssatz entgegenstehen. Soweit der Kläger die Unterlassung der Übermittlung darüberhinausgehender Informationen begehrt, kann eine (Wiederholungs-) Gefahr mangels vorangegangener rechtswidriger Beeinträchtigung bereits im Ausgangspunkt nicht vermutet werden. Eine insoweit bestehende konkrete (Erst-) Gefahr hat der Kläger nicht dargelegt. Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die S. ihrer Löschungsankündigung nicht nachgekommen ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderungen.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

V.

Streitwert: 6.000,- € [Antrag zu 1) 5.000,- €; Antrag zu 2) 500,- €; Antrag zu 3) 500,- €].



Sachgebiete

Verbraucherschutz
Allgemeine Regeln
Verteilung der Darlegungslast

Schlagworte

Angst
Ärger
Beeinträchtigungsgefahr
Befürchtung
Betrugsprävention
Datenschutz
Datenschutzverstoß
Datenübermittlung
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Sorge
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