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Nr: NJRE001591583


LG Erfurt 2. Zivilkammer, Urteil vom 18.Oktober 2024 , Az: 2 O 442/24


Langtext

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Übermittlung von Daten über den Abschluss eines Mobilfunkvertrages an Wirtschaftsauskunfteien.

Die Beklagte erbringt unter der Marke V. Telekommunikationsdienstleistungen. Zwischen den Parteien kam unter dem 12.07.2021 ein Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen mit einer Laufzeit von zunächst 24 Monaten zustande (im Folgenden Mobilfunkvertrag), welcher die Parteien seitdem verbindet.

Die Beklagte übermittelte in der Vergangenheit sog. „Servicekonten-Daten“ zu Postpaid-Mobilfunkverträgen („SK-Daten‘) mit gewissen Mindestlaufzeiten an die S. H. AG („die S.). Dies sind Verträge, bei denen zunächst die Telekommunikationsleistung erbracht und nachträglich abgerechnet wird, meist gebündelt mit einem dazugehörigen Mobiltelefon, das über die Vertragslaufzeit über die Mobilfunkgebühren abbezahlt wird. Konkret übermittelte die Beklagte dabei die Information, dass sie mit einer bestimmten Person einen Telekommunikationsvertrag abgeschlossen und ein Servicekonto für das Vertragsverhältnis mit dieser Person angelegt hat. Übermittelt wurden Name, Anschrift, Beginn eines Telekommunikationsvertrages, die Vertragsnummer (nicht: Kundennummer) und das Meldemerkmal aus der SCHUFA-Nomenklatur „SK“ für „Service-Konto“.

Weitere personenbezogene Daten wie Emails oder Mobilfunkrufnummern wurden hierbei nicht an die S. übermittelt. Die Beklagte übermittelt keine Daten zum gewählten Tarif oder zu Nutzungsverhalten oder Zahlungsverhalten oder zum Umfang von bestehenden Verbindlichkeiten des Kunden an die S. wenn es zum Abschluss des Vertrages kommt oder bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Vertragsverhältnisses. Meldungen zu Zahlungsverhalten wurden nur dann an die S. gemeldet, wenn die Voraussetzungen für Negativ-Daten, mithin nachhaltige Zahlungsausfälle oder gar titulierte Forderungen, vorlagen.

Die übermittelten Daten wurden bei der S. zur Berechnung ihres sog. „SCHUFA-Scores“ verwendet. Die S. ist eine seit 1927 existierende Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft. Die Vertragspartner der S. übermitteln bestimmte Daten aus der Geschäftsverbindung mit ihren Kunden. Die S. bewahrt die ihr übermittelten Daten auf, um daraus ihren Vertragspartnern wiederum eine Einschätzung zur Bonität potenzieller Kunden geben zu können. Die S. erstellt in diesem Zusammenhang einen Score. Der Score der S. zeigt auf einer Skala von 0 bis 100 % die Kreditwürdigkeit einer Privatperson an.

Entsprechend meldete die Beklagte am 13.07.2021 bei der S. den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages mit dem Kläger und übermittelte hierzu das Servicekonto des Klägers unter der Nummer ... Die Beklagte hatte den Kläger in den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Datenschutzhinweisen hierüber ausdrücklich informiert. In den Datenschutzhinweisen der Beklagten hieß es hierzu unter Ziff. 7.a. (Anlage B1, Bl. 13 d. Anlagenbandes Beklagte (ALB)):

„Wir übermitteln im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses erhobene personenbezogene Daten über die Beantragung, die Durchführung und Beendigung dieser Geschäftsbeziehung sowie Daten über nicht vertragsgemäßes Verhalten oder betrügerisches Verhalten an die S. H. AG, K.-Weg 5, 65201 W. Rechtsgrundlagen dieser Übermittlungen sind Art. 6 I b) und Art. 61 f) DSGVO. Übermittlungen auf der Grundlage von Art. 6 I f) DSGVO dürfen nur erfolgen, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der V. oder Dritter erforderlich ist und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Der Datenaustausch mit der S. dient auch der Erfüllung gesetzlicher Pflichten zur Durchführung von Kreditwürdigkeitsprüfungen von Kunden (§§ 505a, 506 BGB).“

Der Kläger bestätigte im Rahmen des Vertragsschlusses (Anlage B1, Bl. 3 d. ALB) „die Kenntnisnahme der Einwilligungsklausel zum Datenaustausch mit der S. und Wirtschaftsauskunfteien. Ich habe insbesondere die Hinweise zur Übermittlung von Daten an die S., auch aufgrund nicht vertragsgemäßer Abwicklung des Vertrages, zur Kenntnis genommen“. Eine darüberhinausgehende ausdrückliche Einwilligung zur Datenweitergabe erteilte der Kläger nicht.

Der „SCHUFA-Basisscore“ des Klägers betrug am 06.10.2023 98,10 % von theoretisch möglichen 100 % (Anlage K3).

Am 19.10.2023 veröffentlichte die S. H. AG in einer Pressemitteilung, dass sie sich entschieden habe, die Telekommunikationsdaten aus den Konten zu löschen.

Mit Schreiben vom 11.12.2023 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zum Ersatz des entstandenen Schadens und zur Unterlassung auf (Anlage K1). Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 02.01.2024 zurück (Anlage K2).

Der Kläger meint, dass die Datenübermittlung von Positivdaten an die S., also solcher Daten, die gerade keine negativen Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten beträfen, rechtswidrig sei. Für die Beklagte habe kein rechtlich zu schützendes, berechtigtes Interesse an der Weitergabe von Positivdaten bestanden. Auch diene die Weitergabe nicht der Erfüllung des Mobilfunkvertrags. Aus diesem Grund stehe dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, den er durch die Datenübermittlung erlitten habe, zu.

Der Kläger behauptet insoweit, dass aufgrund der Datenweitergabe an die S. ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge bei ihm bestehe. Da der SCHUFA-Score immense Folgen für den Abschluss von Verträgen in der Zukunft habe, lebe der Kläger in großer Ungewissheit bezüglich des Umstands, wann er mit dem SCHUFA-Eintrag konfrontiert werden könne und welche (negativen) Folgen dies für ihn haben werde, etwa bei der Kreditwürdigkeit, dem gesellschaftlichen Standing, der Wohnungsvergabe, Bestellungen im Internet und der Zusammenarbeit mit Banken.

Der Eintrag habe jedenfalls Auswirkungen auf seinen Score gehabt. Er lebe aufgrund dessen in Stress, Unruhe und allgemeinem Unwohlsein. Ihn verfolge ein Gefühl von Zwang und Ohnmacht. Er habe Komfort- und Zeiteinbußen erlitten, da er sich mit der unberechtigten Datenübermittlung durch die Beklagte habe auseinandersetzen müssen. Er habe auch Probleme im Rahmen von Vertragsabschlüssen gehabt, die auf die S. zurückzuführen seien.

Außerdem bestehe ein Unterlassungsanspruch des Klägers dahingehend, dass die Beklagte weiterhin Positivdaten an die S. übermittle. Eine Wiederholungsgefahr sei durch die Erstbegehung indiziert. Die Löschungsankündigung der S. lasse diesen Anspruch nicht entfallen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 4.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich S. H. AG, K.-Weg 5, 65201 W., zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dass die Klage bereits teilweise unzulässig sei. So sei der Klageantrag zu 2.) zu unbestimmt; in Bezug auf den Klageantrag zu 3.) bestehe kein Feststellungsinteresse.

Die Beklagte ist weitergehend der Auffassung, dass bereits kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorgaben vorliege. Die Übermittlung der Positivdaten an Wirtschaftsauskunfteien im Anschluss an den Abschluss des Mobilfunkvertrages sei zur Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Sie diene dem Schutz der Mobilfunkanbieter und der redlichen Kunden gleichermaßen. Die Interessen der Allgemeinheit an der Weitergabe der Positivdaten an die S. seien höher zu gewichten als diejenigen des Klägers. Die an sich banale Information (“Kunde hat einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen“) sei zudem nicht geeignet, einen immateriellen Schaden zu konstruieren, ein kausaler und ersatzfähiger Schaden des Klägers liege insoweit in keinem Fall vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger in dem mündlichen Verhandlungstermin am 19.07.2024 persönlich angehört. Insoweit wird das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2024 (Bl. 168 ff. d.A.) in Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise unzulässig (I.), im Übrigen ist sie unbegründet (II.)

I.

Die Klage ist teilweise unzulässig.

1.

Das angerufene Gericht ist gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23, 71 GVG sachlich und gemäß Art. 79 Abs. 2 S. 2 DSGVO, § 44 Abs. 1 S. 2 BDSG örtlich zuständig.

2.

Der Klageantrag zu 2.) ist hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ein Unterlassungsantrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so bestimmt gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind und der Beklagte erkennen kann, wogegen er sich verteidigen soll und welche Unterlassungspflichten sich aus einer dem Unterlassungsantrag folgenden Verurteilung ergeben; die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, darf grundsätzlich nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden. Diesen Anforderungen genügt der Klageantrag zu 2.).

3.

Der Klageantrag zu 3.) ist indes bereits unzulässig. Dem Kläger ermangelt es insoweit an dem erforderlichen Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO.

Entgegen dem Ansatz der Beklagten ist indes die Zulässigkeit der Feststellungsklage nur bei reinen Vermögensschäden von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts abhängig. Geht es jedoch nicht um reine Vermögensschäden, sondern um Schäden, die aus der behaupteten Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, also eines sonstigen absolut geschützten Rechtsguts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, resultieren, reicht bereits die Möglichkeit materieller oder weiterer immaterieller Schäden für die Annahme eines Feststellungsinteresses aus.

Diese Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist unter dem Gesichtspunkt von Äquivalenz und Effektivität auf den vorliegenden Fall der Verletzung des nach Art. 82 DSGVO absolut geschützten Rechtsguts Datenschutz als (abschließende) europarechtliche Ausformung des deutschen allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu übertragen. Ein Feststellungsinteresse ist also nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen.

Gemessen daran ist hier die Möglichkeit eines Schadenseintritts durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt.

Der Kläger meint, die Möglichkeit eines Schadenseintritts ergebe sich daraus, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgesehen werden könne, ob und inwieweit aus der Übermittlung künftige Schäden resultieren werden.

Dieser Vortrag genügt den oben dargelegten Anforderungen ersichtlich nicht.

Mangels hinreichend konkreter Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bis heute aufgrund der Datenweitergabe durch die Beklagte an die S. ein kausaler materieller Schaden entstanden ist, ist davon auszugehen, dass mit dem Eintritt eines materiellen Schadens nicht zu rechnen ist (siehe unten II.1.). Ein solcher Schaden ist in der von dem Kläger beschriebenen Art und Weise rein theoretischer Natur und begründet kein Feststellungsinteresse. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Informationen betreffend Mobilfunkverträge von der S. seit dem 19.10.2023 nicht mehr zur Berechnung des Bonitätsbasisscores herangezogen werden.

Entsprechendes gilt für den immateriellen Schaden. Ein solcher ist bislang nicht hinreichend konkret dargetan (siehe unten II.1.), und es ist mit Blick auf die vergangene Zeit auch nicht damit zu rechnen, dass ein solcher noch eintritt.

II

Insoweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.

1.

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung eines, mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten, immateriellen Schadensersatzes gegen die Beklagte.

a)

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 82 DSGVO.

(1)

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Nach Art. 82 Abs. 2 DSGVO haftet hierbei jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 2 DSGVO verursacht wurde. Somit haftet die Beklagte bei Vorliegens eines Verstoßes gegen die Vorschriften der DSGVO gem. Art. 82 DSGVO als Verantwortliche auf Ersatz des aufgrund dieses Verstoßes entstandenen Schadens, wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie für diesen Schaden nicht verantwortlich ist.

Ob der Beklagten ein Verstoß gegen die DSGVO anzulasten ist, kann indes dahinstehen. Denn hinsichtlich der gerügten Verstöße gegen Vorschriften der DSGVO hat der Kläger keinen konkreten auf den Verstoß gegen diese Vorschriften zurückzuführenden Schaden dargelegt, noch ist ein solcher sonst ersichtlich.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (vgl. EUGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-456/22 –, Rn. 21, juris, m.w.N.). Ein Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt andererseits – entgegen möglicherweise bestehendem innerstaatlichem Recht – nach Wortlaut, Erwägungsgründen 10, 146 DSGVO und Sinn und Zweck der Verordnung nicht voraus, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-300/21 –, Rn. 43 ff., juris).

Diese Auslegung bedeutet jedoch nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-300/21 –, Rn. 50, juris). Entsprechend stellt der EuGH auch darauf ab, dass die „konkret erlittenen Schäden“ vollständig ausgeglichen werden müssen (EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-300/21 –, Rn. 58, juris). Die Annahme eines solchen konkreten Schadens setzt in unionsautonomer Auslegung voraus, dass dieser „tatsächlich und sicher“ besteht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 156, juris, m.w.N.). Soweit der EuGH mit Urteil vom 14.12.2023 festgestellt hat, dass auch die Befürchtung eines Missbrauchs der personenbezogenen Daten einen immateriellen Schaden i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-340/21 –, Rn. 75 ff., 86, juris), ist dies nicht als Verringerung der Anforderungen an einen immateriellen Schaden zu verstehen, sondern führt die bisherige Rechtsprechung fort, da der EuGH auch hier weiterhin betont, dass eine von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffene Person, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen muss, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden i.S.d. Art. 82 DSGVO darstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 14.12.2023 – C-340/21 –, Rn. 84, juris).

Ebenso genügt für den Schadenseintritt nicht allein, dass infolge der Pflichtverletzung ein unbefugter Zugriff auf personenbezogene Informationen tatsächlich erfolgt ist. Denn auch wenn es keine Erheblichkeitsschwelle für den Schadenseintritt gibt, so bedeutet dies nicht, dass die aus dem Datenschutzverstoß resultierenden negativen Folgen für sich bereits einen haftungsbegründenden Schaden darstellen; denn die Annahme eines konkret eingetretenen und ersatzfähigen Schadens setzt voraus, dass dieser tatsächlich und sicher besteht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 156, juris, m.w.N.). Entsprechend sieht der die Frage des Schadensersatzes allein betreffende Erwägungsgrund 75 DSGVO auch nur vor, dass ein Schaden entstehen könnte, wenn (u.a.) „die betroffene Person um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert wird, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren“. Mithin ist nicht bereits die Verletzung dieser (Kontroll-)Freiheit schadensbegründend. Es bedarf vielmehr des Eintritts eines über die diesem Kontrollverlust notwendigerweise stets innewohnenden Nachteile hinausgehenden konkret-individuellen tatsächlichen materiellen oder immateriellen Schadens (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 159, 160 juris, m.w.N.).

(2)

Unter Berücksichtigung dieses weiten Verständnisses des immateriellen Schadens, das ausdrücklich auch Bagatellschäden einschließt, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der Kläger einen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - tatsächlich erlitten hat.

Es oblag dem Kläger, einen über die Datenschutzverstöße und den damit einhergehenden Kontrollverlust hinausgehenden konkreten, immateriellen Schaden in Form einer persönlichen Beeinträchtigung aufgrund der Datenschutzverstöße und des Kontrollverlustes darzulegen und zu beweisen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 151, juris). Dies hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.

Für den haftungsbegründenden – hier immateriellen – Schaden gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das die volle Überzeugung des Gerichts verlangt. Diese erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Der Tatrichter muss aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er die Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält; er darf sich nicht mit einer bloßen, wenn auch erheblichen Wahrscheinlichkeit begnügen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 178 f., juris, m.w.N.). Erst für die Bestimmung des Ausmaßes des einmal festgestellten Schadens kommt § 287 ZPO zur Anwendung, wonach für die Überzeugungsbildung eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – 7 U 19/23 –, Rn. 182, juris, m.w.N.).

Der schriftsätzliche Vortrag des Klägers zum Schaden beschränkt sich indes auf allgemein gehaltene Angaben, ohne dass dargelegt wird, wie sich der behauptete Kontrollverlust, die große Sorge, insbesondere auch auf die eigene Bonität, die Angst, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie der S. H. AG ausgesetzt zu sein und die Unruhe konkret äußern und zu welchen Symptomen sie konkret führen. Auch im Rahmen seiner Anhörung in dem mündlichen Verhandlungstermin vom 19.07.2024 war der Kläger auch auf Nachfrage des Gerichtes nicht in der Lage, konkret darzulegen, inwieweit sich die von ihm behauptete Beunruhigung ausgewirkt haben soll. Insoweit der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angab, dass er Probleme im Rahmen anbahnender Vertragsverhältnisse gehabt habe und diese auf den SCHUFA-Score zurückzuführen seien, kann dies nicht nachvollzogen werden. Der Kläger war insoweit bereits nicht imstande, die konkreten Umstände der jeweiligen Vertragsanbahnungen und deren Scheitern darzulegen. Zudem verfügt der Kläger über einen positiven SCHUFA-Score von 98,10 % von theoretisch möglichen 100 %. Konsequenterweise waren auch sämtliche ausweislich der Anlage K3 durch die S. erfolgten Bonitätsauskünfte positiv.

Der Kläger hat auch keinen Datenschutzverstoß dargelegt, der so schwerwiegend war, dass ein konkreter Vortrag, der das Vorliegen seines immateriellen Schadens belegt und dessen Umfang bestimmbar macht, entbehrlich machte (EuGH, Urteil vom 01.02.2017, Az. T-479/14, Tz. 121; Urteil vom 13.12.2018, Az. C-150/17, Tz. 111 - jeweils zitiert nach beck-online). Die bloße Information betreffend den Abschluss eines Mobilfunkvertrages ist aufgrund der Natur des Mobilfunkvertrages, der auf Kommunikation angelegt ist und von dessen Abschluss mittelbar denklogisch notwendigerweise eine Vielzahl an Menschen wissen, und aufgrund der Tatsache, dass diese Information nicht geeignet ist, den Kläger gegenüber der überwiegenden Zahl von Verbrauchern zu individualisieren, nicht schon für sich geeignet, einen immateriellen Schaden ohne weitere Darlegungen zu begründen.

(3)

Der Kläger hat auch die erforderliche Kausalität zwischen dem behaupteten Datenschutzverstoß und immateriellen Schaden nicht hinreichend dargelegt und bewiesen.

Voraussetzung dafür ist, dass die – hier unterstellten – persönlichen, psychischen Folgen mittelbar ursächlich auf die - hier unterstellten - Datenschutzverstöße zurückzuführen sein, und zwar entweder mittelbar durch die negative Folge eines Kontrollverlustes oder erst weiter mittelbar durch negative Bonitätsauskünfte.

Auch insoweit trifft den Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast. Für die Frage der haftungsbegründenden Kausalität gilt hierbei ebenfalls das strenge Beweismaß des § 286 ZPO.

Der Kläger verfügt über einen nahezu perfekten positiven SCHUFA-Score von 98,10 % von theoretisch möglichen 100 %. Konsequenterweise waren auch sämtliche ausweislich der Anlage K3 durch die S. erfolgten Bonitätsauskünfte positiv. Inwieweit die Auskunftserteilung der Beklagten darüber, dass der Kläger einen langjährigen Mobilfunkvertrag abgeschlossen habe - eine Information die den Kläger in keiner Weise gegenüber der überwiegenden Zahl der in D. ansässigen Einwohner individualisiert - einen negativen Einfluss auf den SCHUFA-Score des Klägers gehabt haben soll und insoweit einen konkreten immateriellen Schaden kausal hervorgerufen haben soll, ist nicht ersichtlich. Vielmehr es hierzu in der Pressemitteilung der S. H. AG vom 19.10.2023: „Insbesondere bei Menschen, die bereits langjährige Vertragsbeziehungen zu einem Telekommunikationsunternehmen haben, wirkt sich die Information zu dem bestehenden Vertrag positiv auf den Bonitätsscore aus. Auch Personen, zu denen wenige oder keine weiteren Daten bei der S. vorlagen, profitierten von Informationen zu Vertragskonten im Telekommunikationsbereich. Sind allerdings zahlreiche Verträge von Unternehmen gemeldet, kann sich dies – statistisch gesehen – auch negativ auf den Bonitätsscore auswirken, denn mit jedem einzelnen Vertrag ist eine Zahlungsverpflichtung verbunden.“ Der am 12.07.2021, mithin vorüber 4 Jahren abgeschlossene Mobilfunkvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht unstreitig noch. Dass sich aus der von dem Kläger angeforderten Auskunft der S. zahlreiche gemeldete weitere Mobilfunkverträge von Unternehmen ergeben hätten und sich infolgedessen die Meldung des hier Mobilfunkvertrages mit der Beklagten negativ auf den Bonitätsscore ausgewirkt habe, behauptet der Kläger selbst nicht.

Der Nachweis eines kausalen Einflusses der Datenweitergabe auf den Score ist hiernach genauso wenig erbracht worden wie der Nachweis eines kausalen Einflusses dieser Datenweitergabe auf die seelische Verfassung des Klägers. Zudem hat der Kläger keinen kausalen Einfluss der Datenweitergabe durch die Beklagte auf etwaige (gescheiterte) Vertragsschlüsse hinreichend plausibel dargelegt. Vielmehr hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur erklärt, dass gewisse Verträge wegen seines SCHUFA-Scores nicht zustande gekommen seien. Ungeachtet der Tatsache, dass dies in Anbetracht des hohen SCHUFA-Scores des Klägers bereits unplausibel erscheint und nicht dargelegt ist, in welcher Weise der SCHUFA-Score auf den von der Beklagten weitergeleiteten Daten beruht, hat der Kläger nicht - weder im Termin noch im Rahmen der vom Gericht eingeräumten Schriftsatzfrist - in einer hinreichend konkreten Art und Weise zu den gescheiterten Vertragsschlüssen ausgeführt, die geeignet gewesen Wäre, den Eintritt eines konkreten und kausalen immateriellen Schadens zu beweisen.

b)

Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insoweit kann dahinstehen, ob vorliegend neben Ansprüchen aus der DSGVO auch auf datenschutzrechtliche Verstöße gestützte nationale Vorschriften anwendbar sind.

Denn auch sie - insbesondere etwa §§ 280 Abs. 1, 253 BGB, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB in Verbindung mit den vom Kläger bezeichneten Regelungen der DSGVO - vermögen mangels Schadens hier nicht zu einem Anspruch des Klägers zu führen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG setzt zudem regelmäßig eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus, die im vorliegenden Fall - auch nach der informatorischen Anhörung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung - nicht angenommen werden kann, da diesbezüglich nichts dargetan oder sonst ersichtlich ist.

2.

Auch der mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Der Anspruch scheitert bereits an der fehlenden Wiederholungsgefahr.

Selbst wenn seinerzeit mit der Übermittlung der Bestandsdaten an die S. die Rechte des Kläger rechtswidrig beeinträchtigt worden sind, dies insbesondere ohne dessen Einwilligung erfolgt ist, steht eine solche in Zukunft nicht mehr zu befürchten. Die Beklagte meldet keine Positivdaten mehr an die S. Und die S. hat am 20.10.2023 damit begonnen, die von ihr gespeicherten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich zu löschen und diese Löschung Anfang November 2023 abgeschlossen.

Zwar begründet eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NJW 2004, 3701). Diese hohen Anforderungen sind hier durch die Beklagte jedoch erfüllt, so dass die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs dahingestellt bleiben können.

Denn eine Vermutung kann nur solange gelten, wie der ihr zugrunde liegende Sachverhalt unverändert fortbesteht (OLG Schleswig, Urteil vom 28.02.2012, Az. 11 U 64/10). Hier hat sich der Sachverhalt jedoch maßgeblich geändert. So war Hintergrund der Löschung der Positivdaten durch die S. und der Entscheidung der Beklagten, keine Positivdaten mehr an die S. zu melden, ein Beschluss der Datenschutzkonferenz der Länder (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Danach hat die DSK die Übermittlung und Verarbeitung von sogenannten Positivdaten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien diskutiert und wie folgt bewertet: Die Übermittlung und Verarbeitung von Daten aus dem Telekommunikationsbereich durch Wirtschaftsauskunfteien für das Bonitätsscoring könne nicht auf ein „berechtigtes Interesse" gestützt werden (gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a der Datenschutzgrundverordnung /DSGVO), hierfür sei eine Einwilligung (nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) erforderlich. Anlässlich dieses im Herbst 2021 gefassten Beschlusses der DSK wurden keine neuen Vertragsdaten zu Kundenkonten von Telekommunikationsunternehmen mehr an die SCHUFA übermittelt und durch diese verarbeitet.

3.

Da die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg hat, sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung ebenfalls nicht erstattungsfähig.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO

...

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Hiervon entfallen auf

den Klageantrag zu 1.) 4.000,00 €,

den Klageantrag zu 2.) 1.000,00 €

und den Klageantrag zu 3.) 1.000,00 €.