- 29.05.2024
- Computer und Recht (CR)
Rechtssubjektivität im digitalen Zeitalter
Angesichts der Unstimmigkeiten in den zahlreichen Lösungsvorschlägen für eine Zurechnung künstlich-intelligent generierter Erklärungen in der Privatrechtswissenschaft durch digitale Aktanten untersucht der Beitrag die damit verbundenen rechtstheoretischen Implikationen und Folgen der Rechtssubjektivität. Dabei wird zunächst eine tragfähige Definition von Teilrechtsfähigkeit entwickelt und herausgearbeitet, warum diese für digitale Aktanten nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden kann. Zur Lösung wird sodann de lege ferenda ein Vorschlag für einen künftigen § 90b BGB präsentiert und gezeigt, wie bis dahin zentrale Probleme einer Zurechnung von Erklärungen digitaler Aktanten zu ihren Verwendern vermieden werden können.
Digitale Aktanten haben gelernt, als kompetente Kommunikationspartner im Rechtsverkehr aufzutreten. Sie sind nicht mehr nur noch bloße Werkzeuge zur Kommunikation zwischen Menschen, sondern nehmen selbstständig und kreativ an dieser teil. Jetzt liegt es an uns, herauszufinden, wie wir diese Kommunikation rechtlich gestalten können. Während es an Lösungsvorschlägen für die Zurechnung künstlich-intelligent generierter Erklärungen in der Privatrechtswissenschaft nicht mangelt, sind Reflexionen über die damit verbundenen rechtstheoretischen Implikationen und Folgen der Rechtssubjektivität selten anzutreffen. Wenig Überzeugungskraft besitzt eine schlichte Übertragung herkömmlicher Zurechnungsmechanismen des Vertragsrechts auf autonome Systeme, wie etwa die Lehre von der Computererklärung, die für determinierte Automaten entwickelt wurde. Vielmehr stellt sich die Frage, ob digitale Aktanten stattdessen als Rechtssubjekte mit (Teil-)Rechtsfähigkeit ausgestattet werden können, um eigenständig als Akteure im Rechtssystem Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können. Hierbei vermag ein Verweis auf die „juristische Person“ als argumentum a simile wegen der Lehre vom personalen Substrat, eine Anerkennung neuartiger Rechtssubjekte nicht zu begründen. Dies bietet Anlass genug, um über die Irritationen des Rechtssystems nachzudenken, die durch die Forderung nach Rechtssubjektivität und (Teil-)Rechtsfähigkeit für digitale Aktanten auftreten. Dabei soll auch die Folgefrage danach, ob digitale Rechtssubjekte dauerhaft dem Rechtsverkehr als Rechtsobjekte entzogen blieben, beantwortet werden.