- 08.07.2024
- Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Energiepreispauschale bei Arbeitnehmern
Zur Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Energiepreispauschale bei Arbeitnehmern
Das FG Münster hat mit Urteil vom 17.4.2024 (14 K 1425/23 E) zur Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Energiepreispauschale bei Arbeitnehmern entschieden. Die Richterin am FG Anna Thiel kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Auf Grund der im Jahr 2022 stark gestiegenen Energiekosten hat der Gesetzgeber mit dem StEntlG 2022 diverse Maßnahmen zur Entlastung der Bürger beschlossen. Teil dieses Gesetzes war die Einführung der sog. Energiepreispauschale i.H.v. 300 €. Diese sollte zunächst (später erfolgte eine Ausweitung auch auf weitere Anspruchsberechtigte) aktiv Erwerbstätigen zugutekommen, um die gestiegenen Aufwendungen für erwerbsbedingte Fahrten abzumildern. Der Gesetzgeber hatte die Absicht, die Pauschale möglichst sozial gerecht auszugestalten. Bürger mit niedrigeren Einkommen sollten einen höheren Betrag erhalten, als solche mit höheren Einkommen. Da es dem Bund zum damaligen Zeitpunkt an der Möglichkeit der direkten Auszahlung an die Bürger mangelte, entschied er sich dafür, die Energiepreispauschale im EStG anzusiedeln, sie über die Arbeitgeber auszahlen zu lassen und sie der Besteuerung zu unterwerfen. Durch die Anwendung des progressiven Steuersatzes sollte die sozial gerechte Verteilung erreicht werden.
In der steuerrechtlichen Literatur wird dieses Vorgehen vermehrt kritisiert. Zum einen wird eine fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diese „Subvention“ bemängelt, zum anderen wird dem Gesetzgeber ein systemwidriges Eingreifen in das Einkünftesystem des EStG vorgeworfen.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG hat die Klage abgewiesen und keinen Verfassungsverstoß festgestellt. Dabei hat es sich auf die verfassungsrechtliche Prüfung des § 119 Abs 1 Satz 1 EStG beschränkt, da der Kl. sich allein gegen die Besteuerung – nicht gegen den Erhalt – der Energiepreispauschale gewandt hat. Nach Auffassung des FG war bezüglich der Gesetzgebungskompetenz zu differenzieren zwischen der Gewährung der Energiepreispauschale einerseits und der Besteuerung andererseits. Die Besteuerung auf Grund von § 119 EStG sei für sich genommen von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG umfasst.
Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken in materieller Hinsicht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das von dem Kl. und der entsprechenden Literatur angeführte Markteinkommensprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot vor. Es stehe dem Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums zu, den Umfang der steuerbaren Einkünfte frei zu bestimmen. Jedenfalls sei diese Entscheidung aber gerechtfertigt durch den legitimen Zweck der sozial gerechten Ausgestaltung der Energiepreispauschale.
III. Einordnung der Entscheidung
Soweit ersichtlich war die streitentscheidende Frage bislang nicht Gegenstand finanzgerichtlicher Rspr. Im Hinblick auf dieses Verfahren ruhen bei den FÄ zahlreiche Einsprüche betreffend die Energiepreispauschale.
Die Einsprüche beruhen in erster Linie auf den in der Literatur geäußerten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen rund um die Energiepreispauschale, insbesondere der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Diese beziehen sich in erster Linie darauf, dass die Gewährung einer solchen Subvention nicht von Art. 105 Abs. 2 GG umfasst sei, wofür tatsächlich einiges spricht. Übersehen wird dabei jedoch, dass sich diese Zweifel nicht auf die Besteuerung der Pauschale übertragen lassen. Das FG hat insoweit zutreffend herausgestellt, dass eine Differenzierung zwischen der Gewährung der Energiepreispauschale und ihrer Besteuerung vorzunehmen ist.
Darüber hinaus mag die geäußerte Kritik an der Systemwidrigkeit der Besteuerung der Energiepreispauschale in Teilen nachvollziehbar sein. Verfassungsrechtliche Bedenken begründet sie hingegen nicht.
IV. Hinweise für die Praxis
Das FG hat die Rev. zugelassen, um eine höchstrichterliche Entscheidung durch den BFH zu diesem einen Großteil der Bevölkerung betreffenden Thema zu ermöglichen. Weitere Verfahren bei anderen FG sowie eine große Vielzahl an Einsprüchen bei den FÄ sind anhängig. Es ist davon auszugehen, dass der BFH die Gelegenheit zur Prüfung der Rechtsfrage erhalten wird – entweder im hier besprochenen Verfahren oder in einem der weiteren bei den FG anhängigen Verfahren. Für die zahlreichen Einspruchsverfahren wäre es naheliegend, dass die FÄ die Einsprüche bis zu einer möglichen Entscheidung des BFH weiterhin ruhend stellen.