• 23.08.2024
  • Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Rückwirkende Anwendung der Regelungen zu den Fondsetablierungskosten

Rückwirkende Anwendung der Regelungen zu den Fondsetablierungskosten

Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 21.2.2024 (6 K 27/22) zur rückwirkenden Anwendung der Regelungen zu den Fondsetablierungskosten entschieden. Der Vorsitzende Richter am FG Dr. Frank Schindler kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:

I. Problemstellung

Das FG hat mit dieser Entscheidung Neuland in der finanzgerichtlichen Rspr. betreten. Zum Zeitpunkt des Urteils war noch keine andere Gerichtsentscheidung zum 2019 eingeführten § 6e EStG veröffentlicht worden. In dem Verfahren waren vielfältige Fragen zur Auslegung dieser Vorschrift zu klären. Das Gericht konnte sich dabei auf die bisherige Rspr. des BFH zu den Fondsetablierungskosten und den sog. Fondserlass des BMF stützen, die ausweislich der Gesetzesbegründung Grundlagen der Neuregelung waren. Es gab auch einen breiten Strauß an Kommentarliteratur, der zu Rate gezogen werden konnte. Bei der im Schrifttum umstrittenen Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung des § 6e EStG (§ 52 Abs. 14a EStG) musste das Gericht ebenfalls Farbe bekennen.

II. Die Entscheidung des FG

Die Entscheidung bejaht die – auch von den Beteiligten dem Grunde nach nicht bestrittene –Anwendbarkeit des § 6e Abs. 1 EStG. Es lag ein vorformuliertes Vertragswerk und eine gemeinschaftliche Anschaffung der Anleger vor (§ 6e Abs. 1 Satz 1 EStG). Zudem waren die Voraussetzungen einer „fiktiven“ Anschaffung zusätzlich gegeben, weil die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentliche Möglichkeit der Einflussnahme auf das Vertragswerk hatten (§ 6e Abs. 1 Satz 2 EStG). Das FG hat die streitgegenständliche Pachtgarantiezahlung und die Pre-Opening-Zahlung als Fondsetablierungskosten i. S. von § 6e Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG eingeordnet und damit die Rechtsansicht des FA einfachrechtlich bestätigt. In Bezug auf die Rückwirkung hatte das FG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig sei. Das Gericht ordnete das für die gesetzliche Neuregelung auschlaggebende BFH-Urteil vom 26.4.2018 IV R 33/15 (BStBl II 2020, 645) als „Überraschungsentscheidung“ ein, die eine bisherige langjährige höchstrichterliche Rspr. aufgab.

III. Hinweise für die Praxis

Im Rev.-Verfahren sind – wie im Rev.-Verfahren gegen die Entscheidung des FG Münster vom 24.1.2024 12 K 357/18 F (EFG 2024, 813; Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 6/24) – für die Praxis sehr bedeutsame Fragen zur Auslegung von § 6e EStG zu beantworten. Es ist zu hoffen, dass der BFH die Gelegenheiten aufgreift, hier ein paar Leitplanken zur Orientierung einzuschlagen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verhältnis von § 6e Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG in Bezug auf den Umfang der Fondsetablierungskosten (einheitliches Verständnis der Anschaffungskosten auf der Grundlage von § 6e Abs. 2 Satz 2 EStG?) im Schrifttum umstritten ist (vgl. dazu FG Münster, Urteil vom 24.1.2024 12 K 357/18 F, EFG 2024, 813, Rz. 100, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 6/24).

Auch die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der weitreichenden Rückwirkung von § 6e EStG ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Der Gesetzgeber geht zunehmend dazu über, „unliebsame“ Entscheidungen des BFH auch für die Vergangenheit zu korrigieren. Die FG müssen sich deshalb mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Gesetzgebung auseinandersetzen, der das BVerfG bei sog. echten Rückwirkungen enge Grenzen gesetzt hat. Das FG hat hier auf den Ausnahmetatbestand einer „Überraschungsentscheidung“ abgestellt und deshalb (wie auch das FG Münster in seiner Entscheidung vom 24.1.2024 12 K 357/18 F, EFG 2024, 813, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 6/24) keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gehabt. Für die Frage des Vertrauensschutzes spielte dabei auch die Frage eine Rolle, welche Bedeutung einer in BMF-Schreiben manifestierten, für die Stpfl. im Vergleich zur BFH-Rspr. „günstigeren“ Verwaltungsauffassung zukommt (hier bei der Behandlung von Miet- oder Pachtgarantien). Das Gericht hat dabei auf die höchstrichterliche Rspr. abgestellt und deshalb ein schutzwürdiges Vertrauen verneint. Ähnlich hat es in einer anderen Konstellation im Rahmen einer Vorlage an des BVerfG zur Rückwirkung von Regelungen der Tonnagesteuer (§ 5a EStG) argumentiert (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 24.11.2022 6 K 68/21, EFG 2023, 550, anhängig, Az. des BVerfG: 2 BvL 5/23; vgl. auch BFH-Vorlagebeschluss vom 19.10.2023 IV R 13/22, BFH/NV 2024, 431, anhängig, Az. des BVerfG: 2 BvL 2/24). Es bleibt abzuwarten, ob der BFH und das BVerfG diese Sichtweise teilen.

Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Quelle:
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Fundstelle:
EFG 2024, 1292-1298

Autoren:
Vorsitzender Richter am FG Dr. Frank Schindler