- 31.12.2024
- Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Gewinnermittlungsverbot gem. § 3 Nr. 72 EStG für kleine Photovoltaikanlagen
Gewinnermittlungsverbot gem. § 3 Nr. 72 EStG für kleine Photovoltaikanlagen
Das FG Nürnberg hat mit Urteil vom 19.9.2024 (4 K 1440/23) zum Gewinnermittlungsverbot gem. § 3 Nr. 72 EStG für kleine Photovoltaikanlagen entschieden. Der Vizepräsident des FG Bernhard Köhler kommentiert die Entscheidung und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Gesetzesänderungen bringen häufig Abgrenzungsprobleme mit sich, vor allem, wenn sie rückwirkend vorgenommen werden und die Stpfl. sich nicht darauf einstellen konnten. Dies gilt auch für die rückwirkend am 16.12.2022 zum 1.1.2022 vorgenommene ESt-Befreiung für kleine Photovoltaikanlagen. Der aus Sicht der Anlagenbetreiber wesentlichere Vorteil dürfte in der Herabsetzung des USt-Satzes auf 0 % durch § 12 Abs. 3 UStG ab dem 1.1.2023 und dem damit verbundenen Wegfall der USt-Voranmeldungen liegen. Aber auch die einkommensteuerliche Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 72 EStG wirkt sich in aller Regel günstig aus. Die Systemumstellung hat jedoch zur Folge, dass eine Reihe von Ausgaben wie USt-Nachzahlungen, Steuerberatungskosten o. Ä., die noch mit steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Jahr 2021 oder den Vorjahren zusammenhängen, einkommensteuerlich nicht mehr zu berücksichtigen sind. Im Streitfall wollte der Kl. die Berücksichtigung seiner USt-Nachzahlung für die steuerpflichtigen Einkünfte des Jahres 2021, die er im Jahr 2022 verausgabt hatte, erreichen.
II. In mehreren Punkten unterschiedliche Rechtsauffassungen
Fraglich ist, ob bereits § 3c Abs. 1 EStG einer Berücksichtigung der nach dem Systemwechsel getätigten Betriebsausgaben entgegensteht. Hauptstreitpunkt war jedoch die Auslegung des § 3 Nr. 72 EStG. Die Gesetzesbegründung spricht eher für die Auffassung des Kl., wonach der Steuerpflichtige keinen Gewinn mehr zu ermitteln „braucht“. Der Gesetzestext hingegen spricht, worauf sich das FA beruft, davon, dass kein Gewinn mehr zu ermitteln „ist“. Hinzu kommen Bedenken, ob das objektive Nettoprinzip und der Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit gewahrt sind.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG sieht durchaus einen Zusammenhang zwischen der USt-Nachzahlung und den steuerpflichtigen Einnahmen im Jahr 2021, so dass § 3c Abs. 1 EStG dem Betriebsausgabenabzug nicht entgegenstünde. Es entnimmt dem klaren Gesetzeswortlaut des § 3 Nr. 72 EStG jedoch ein umfassendes Gewinnermittlungsverbot. Dieses wird auch dem Anliegen des Gesetzgebers, einen Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten, eher gerecht, als die Annahme eines Wahlrechts des Stpfl., das zu einer Fülle an neuen Streitpunkten führen würde. Die der rückwirkenden Einführung der Steuerbefreiung innewohnende Gefahr, dass bestimmte Ausgaben bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, obwohl die Stpfl. damit zum Zeitpunkt der Zahlung nicht rechnen konnten, sah das Gericht durchaus. Die vom Gesetzgeber angestrebte Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien hielt der Senat jedoch für einen sachlichen Grund, der die rückwirkende Gesetzesänderung rechtfertigt. Auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit konnte das FG nicht erkennen, zumal der Kl. – wie wohl die meisten der betroffenen Stpfl. – mit der Steuerbefreiung im Ergebnis deutlich niedriger besteuert wird, auch wenn eine einzelne Betriebsausgabe unberücksichtigt bleibt.
IV. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Der Senat ist unter Einsatz verschiedener Instrumente aus dem juristischen Werkzeugkasten zu einem Ergebnis gelangt, das den Gesetzgeber nicht an einer einzelnen Formulierung der Gesetzesbegründung festhält, sondern dem erstrebten Ausbau der erneuerbaren Energien den steuerlichen Weg ebnet. Es wäre zwar denkbar, bei höherer Gewichtung der verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die rückwirkende Gesetzesänderung eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 Nr. 72 EStG vorzunehmen und nicht von einem Gewinnermittlungsverbot, sondern von einem reinen Wahlrecht des Stpfl. auszugehen. Schon im Hinblick auf die große Zahl der betroffenen Stpfl. hat das Gericht aber die Revision zugelassen, so dass ggf. durch den BFH eine Klärung erfolgen kann.
V. Hinweise für die Praxis
Gegen das Urteil des FG Nürnberg ist Revision eingelegt worden (Az. III R 35/24). Daher kann in gleichartigen Fällen Einspruch eingelegt und das Ruhen des Rechtsbehelfsverfahrens angeregt werden. Ansonsten bleibt dem Stpfl. die Hoffnung, dass er als Inhaber kleiner Photovoltaikanlagen von der Ermittlung des Gewinns und ab dem 1.1.2023 von der Abgabe von USt-Voranmeldungen und -Jahreserklärungen frei geworden ist und zur Mehrzahl der Stpfl. gehört, die unter dem Strich steuerlich bessergestellt worden sind.