- 13.06.2024
- notar - Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis
Der testamentarische Verweis auf Vergütungstabellen bei der Testamentsvollstreckung
Nach § 2221 BGB kann der Testamentsvollstrecker eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat. Die Bestimmung des Erblassers im Testament ist gegenüber dem gesetzlichen Vergütungsanspruch vorrangig. Sie empfiehlt sich, um den Streit darüber, was „angemessen“ im Sinne des Gesetzes ist, von vornherein zu vermeiden, führt er doch nicht selten zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. In der Praxis wird meist auf eine der gängigen Vergütungstabellen verwiesen. Die bekannteste und mittlerweile einfluss-reichste Tabelle ist die des Deutschen Notarvereins von 2000. Sie hat die Tabelle des Rheinpreußischen Notarvereins von 1925 abgelöst und wird meist „Neue Rheinische Tabelle“ (NRT) genannt.
Nach einer von Reinfeldt durchgeführten empirischen Untersuchung wiesen 30 % der letztwilligen Verfügungen, die eine Testamentsvollstreckung anordneten, Bestimmungen zur Vergütung auf. Von diesen wiederum enthielten nur 16 % Vergütungsbestimmungen, die einen eigenen und eigenständigen Regelungsgehalt besaßen. Bezogen auf die zu schätzende Zahl von 10.000 Testamentsvollstreckungen in Deutschland pro Jahr würden folglich nur 480 eine Vergütungsbestimmung mit eigenem Regelungsgehalt enthalten. Von den von Reinfeldt untersuchten Verfügungen von Todes wegen, die eine Testamentsvollstreckung anordneten, aber keine eigenständige Vergütungsregelung enthielten, waren mehr als die Hälfte notariell beurkundet. In 5 % der notariell beurkundeten Testamente mit Testamentsvollstreckungsanordnung war auf eine der gängigen Tabellen verwiesen, meist auf die NRT. In keinem dieser Verweisungstestamente war die formale Problematik der Einbeziehung der Tabelle in das Testament thematisiert worden; daher waren auch nie der Text oder die Tabelle der verschiedenen Empfehlungen in der notariellen Urkunde enthalten oder dieser wenigstens als Anlage beigefügt worden; die Frage der Formwirksamkeit der Verweisung spielt in der Beratungs- und Beurkundungs-praxis nach Reinfeldt faktisch keine Rolle.
Die Verweisung auf eine Vergütungstabelle kann unter zwei Gesichtspunkten rechtlich problematisch sein. Man kann zum einen fragen, ob die Testamentsform eingehalten ist, wenn die Tabelle nicht in ihrem Wortlaut zum Bestandteil des Testaments gemacht wird. Und man könnte zweitens Zweifel haben in Bezug auf die materielle Höchstpersönlichkeit, wie sie von § 2065 BGB verlangt wird. Zu beachten bleibt stets, dass in der Praxis fast immer eine sog. dynamische Verweisung auf eine Tabelle erfolgt, die auch alle künftigen Änderungen derselben einbezieht, die der Erblasser bei Testamentserrichtung naturgemäß weder kennt noch vorhersehen kann. Nach den Ergebnissen der Untersuchung von Reinfeldt muss man sich von vornherein klarmachen: Wer den Verweis auf eine der Tabellen, etwa die NRT, für formunwirksam oder für gegen § 2065 BGB verstoßend erklärt, vernichtet hunderte, wenn nicht tausende der in den letzten Jahrzehnten errichteten testamentarischen Vergütungsregelungen.