- 19.09.2024
- notar - Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis
Pflichtteilsrechtliche Gestaltungsprobleme in Patchworkehen
Folge der nach wie vor hohen Scheidungsrate ist unter anderem die Zunahme von sog. Patchworkfamilien. In Deutschland können aktuell nahezu 15 % aller Familien unter diesen Begriff gefasst werden. Das deutsche Erbrecht kennt jedoch die Konstellation der Patchworkfamilie nicht, sodass bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge die für das klassische Familienmodell vorgesehenen Regelungen keine Anwendung finden und damit nicht selten für die Betroffenen ungewollte und konfliktreiche Folgen eintreten.
Die meisten Geschiedenen werden zu „Wiederholungstätern“ und heiraten erneut. Auch eine große Anzahl von Witwen und Witwern gehen nochmals den Bund fürs Leben ein. In aller Regel werden von einem Ehegatten oder gar von beiden Ehegatten Kinder aus früheren Beziehungen in die Ehe mitgebracht. Es entstehen sog. Stiefkinderverhältnisse. Werden dann noch gemeinsame Kinder gezeugt, spricht man von einer „Patchworkfamilie“. Selbstverständlich kann die neue Liaison auch als nichteheliche Partnerschaft geführt werden.
Ihre besondere Brisanz erhält die Patchworkfamilie durch die unterschiedliche Elternschaft und die daraus resultierenden Differenzen im Erbrecht, Pflichtteilsrecht, aber auch im Unterhaltsrecht, im Umgangsrecht und in der Frage der elterlichen Sorge.
Die Vorstellungen der Eheleute, was nach ihrem Ableben mit ihrem Vermögen geschehen soll, sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Im Großen und Ganzen können die Wünsche aber in zwei Kategorien unterteilt werden. Die eine Gruppe wünscht eine Gleichbehandlung aller Kinder. Dieser Wunsch dominiert gerade dann sehr häufig, wenn das Vermögen beider Ehegatten nicht sehr hoch ist und die Absicherung des überlebenden Ehegatten im Vordergrund steht. Die Kinder sollen sich bis zum Schlusserbfall gedulden. Die andere Gruppe wünscht eine Beerbung nur von ihren eigenen Abkömmlingen. Dies kommt bei unterschiedlichen Vermögenswerten der wiederverheirateten Ehegatten und sehr hohen Vermögenswerten häufiger vor. Dazwischen werden aber auch alle weiteren denkbaren Wünsche geäußert, sodass eine starre Nachlassverteilung nach bestimmten Testamentstypen („Geschiedenentestament“ oder „Stiefkindertestament“) nur in den seltensten Fällen infrage kommt.
Bei sämtlichen Gestaltungen ist hierbei insbesondere äußerstes Augenmerk auf das bestehende Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge der Ehegatten zu legen.