• 15.02.2024
  • Strafverteidiger Forum (StraFo)

Das Beweisantragsrecht – vom scharfen Schwert zum zahnlosen Tiger?

Die Forderung, Strafgerichten den Umgang mit missbräuchlichen Beweisanträgen der Verteidigung zu erleichtern, ist weder neu, noch ist sie modern, zumal hiermit – und nicht zuletzt – Beweisanträge gemeint sein dürften, die die Strafjustiz nur als missbräuchlich „empfindet“. Jedenfalls wird die Auseinandersetzung um diese Frage seit Jahrzehnten kontrovers geführt; nicht nur zwischen Rechtsprechung und Schrifttum, sondern auch – zumindest teilweise – unter den Strafsenaten des BGH. Die Rechtsprechung hat bereits in der Vergangenheit auf unterschiedliche Weise versucht, Gerichten die Handhabung von vermeintlich missbräuchlichen Beweisanträgen zu erleichtern. Sie hat sich hierzu auch an die Grenzen einer noch zulässigen Rechtsfortbildung gewagt und teilweise darüber hinaus.

Beispielsweise haben verschiedene Strafsenate verschiedene „Fristenlösungen“ entwickelt oder aber versucht, die rechtlichen Anforderungen an den Beweisantrag zu verschärfen, um das Beweisantragsrecht der Verteidigung auf diese Weise zu untergraben. Als „unplausibel“ bzw. „unwahrscheinlich“ und daher als missbräuchlich bewertete Beweisanträge können auf diese Weise übergangen werden, ohne dass ein Ablehnungsgrund vorliegt. Allerdings erschien und erscheint die Rechtsprechung zu missbräuchlichen Beweisanträgen bis zuletzt wenig einheitlich und deren Tendenzen teilweise gegenläufig.

Neu ist allerdings, dass sich der Gesetzgeber an dieser Debatte nicht nur beteiligt, sondern sich dabei die in der Strafjustiz verbreitete Forderung weitgehend zu eigen macht, „unbequeme“ Beweisanträge der Verteidigung „bequemer“ ablehnen zu können.

Und neu – aber vor allen Dingen bedauerlich – ist es, dass der Gesetzgeber jedenfalls zuletzt – weitgehend unreflektiert und infolgedessen geradezu bedenkenlos – in das Beweisantragsrecht eingreift oder, besser gesagt, eingreifen will. Beide Reformen des Beweisantragsrechts, seine „Effektivierung“ in 2017 und die anschließende „Modernisierung“ Ende 2019, betreffen das Beweisantragsrecht – allerdings auf eine stark abweichende Weise und mit deutlich abweichender Intensität. Die Qualität beider Reformen, auch die Qualität der vorgenommenen bzw. vorgesehenen Eingriffe, weichen erheblich voneinander ab.

Schon daher lohnt ein differenzierter Blick auf die Absichten und wesentlichen Auswirkungen beider Reformen.

Strafverteidiger Forum (StraFo)

Quelle:
Strafverteidiger Forum (StraFo)

Fundstelle:
StraFo 2024, 41-45

Autoren:
Prof. Dr. Jörg Habetha