• 29.02.2024
  • Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRWiss)

Sollte der Begriff “Ehe” im Verfassungs-, Sach-, Kollisions- und Völkerrecht einheitlich ausgelegt werden?

Anders als in Ländern, die von absoluten Autoritätspersonen regiert werden, regelt in demokratischen Ländern das höchstrangige Verfassungsgesetz des Staates, das seine Autorität durch den fiktiven Konsens des Volkes erhält, sein Rechtssystem in einheitlicher Weise. Es ist nicht selten, dass identische Wörter in verschiedenen Gesetzen verwendet werden. Es wird akzeptiert, dass dieselben Wörter je nach dem Zweck der einzelnen Gesetze unterschiedliche Bedeutungen haben können. Die einheitliche Auslegung von Wörtern, die in staatlichen Rechtsvorschriften verwendet werden, obliegt dem Obersten Gerichtshof. Im Folgenden soll geprüft werden, ob eine solche Erklärung auch für die “Ehe”-Begriffe gilt. Für die “Ehe”-Begriffe gibt es kein weltweit einheitliches Recht, und jedes Land kann seine eigenen “Ehe”-Begriffe festlegen (z. B. Ein- und Doppelehe, Heiratsalter, Ehe mit nahen Verwandten usw.). Jedes nationale Kollisionsrecht beantwortet die Frage, wie jeder Staat Fälle mit Auslandsberührungen in seinem eigenen Hoheitsgebiet in Ermangelung einheitlicher Gesetze regeln sollte. Der konkrete “Ehe”-Begriff des materiellen Rechts eines Staates ist in der Regel dem abstrakten verfassungsrechtlichen “Ehe”-Begriff untergeordnet, da ersterer aus letzterem abgeleitet ist. Ein staatliches Kollisionsrecht, das die Unterschiede zwischen den nationalen materiellrechtlichen “Ehe”-Begriffen ausgleicht, verwendet auch seinen eigenen “Ehe”-Begriff. Der kollisionsrechtliche “Ehe”-Begriff ist wesentlich breiter gefasst als die “Ehe”-Begriffe nach dem materiellen Recht verschiedener Länder, denn der kollisionsrechtliche Begriff ist die Summe der materiellrechtlichen Begriffe. Auch das international einheitliche Kollisionsrecht (Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung, Verordnung (EU) 2016/1103, Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (,,Rom III”)) weist dieses Merkmal auf. Wie steht es nun um das Verhältnis zwischen dem verfassungsrechtlichen “Ehe”-Begriff und dem “Ehe”-Begriff im Kollisionsrecht, das der Verfassung untergeordnet ist? Wie soll die Verfassungslehre erläutern, dass der kollisionsrechtliche “Ehe”-Begriff breiter als der verfassungsrechtliche “Ehe”-Begriff gefasst ist? Die Lösungen dieser Fragen, die sich an der Schnittstelle zwischen dem Verfassungs- und Kollisionsrecht stellen, bieten die Gelegenheit, die systematsche Verortung der Anwendung des ausländischen Rechts im Kollisionsrecht erneut zu erörtern.

Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRWiss)

Quelle:
Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRWiss)

Fundstelle:
ZVglRWiss 2024, 21-73

Autoren:
Koresuke Yamauchi