Das Zeithonorar bei der Rechtsanwaltsvergütung:
Gestaltungsmöglichkeiten und Fallstricke

Die Abrechnung nach Zeitaufwand gehört seit Langem zum Alltag der Anwaltstätigkeit. Beim Abschluss der Vergütungsvereinbarung gibt es dennoch oft Optimierungspotenzial, weil Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt bleiben oder von der Rechtsprechung gezogene Grenzen aus dem Blick geraten. Der Beitrag gibt aus Anlass einer aktuellen BGH-Entscheidung Hinweise zur rechtssicheren Gestaltung und Optimierung.

Wir bedanken uns bei Dr. Christoph Weber für seinen Gastbeitrag.

Zeithonorar

Ausgangspunkt: Inhaltskontrolle von Preisabreden in der Vergütungsvereinbarung

Preisabreden unterliegen normalerweise keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 3 BGB). Bei der Anwaltsvergütung ist es, wie der BGH in diesem Frühjahr entschieden hat, anders. Die Vergütungsvereinbarung weicht vom dispositiven Recht in Gestalt des RVG ab. Damit gibt es einen gesetzlichen Maßstab, an den die Inhaltskontrolle anknüpfen kann. Die Vergütung kann „nur bedingt privatautonom vereinbart werden“ und ist nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811). Das war bislang umstritten und nicht abschließend geklärt.

Das Urteil ist kein Anlass zur Sorge. Der BGH macht bisher keine Anstalten, sich als sozialistischer Preiskommissar zu betätigen. Er verbietet es mündigen Mandanten nicht, gutes Geld für gute Leistung zu zahlen. Vielmehr sprechen derzeit alle Anhaltspunkte dafür, dass der BGH die – nach dem Urteil umfassend mögliche – Inhaltskontrolle vernünftig und mit Augenmaß handhaben wird. Auswüchse, wie sie sonst im AGB-Recht vorkommen, zeichnen sich bislang nicht ab. Stattdessen geht es dem BGH ersichtlich darum, unseriöse „Gebührenschinderei“ zu verhindern, die das Vertrauen in die Anwaltschaft untergraben würde und daher auch im Interesse des Berufsstandes unterbunden werden sollte (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778; dies verkennend und eine eklatant überhöhte Vergütung billigend in einem Einzelfall aber OLG München NJW 2017, 2127).

Unterschätzt werden sollte die Bedeutung des Urteils indes nicht. § 3a Abs. 2 RVG ermöglicht zwar ohnehin die Herabsetzung einer unangemessen hohen Rechtsanwaltsvergütung. Aber die vom BGH zugelassene AGB-Inhaltskontrolle geht einen Schritt weiter. Auch insoweit gilt die alte Mechanikerweisheit: „nach fest kommt lose“, mithin das Verbot geltungserhaltender Reduktion. Wird die Schraube überdreht, ist im schlimmsten Fall die ganze Vergütungsabrede unwirksam, und es kann nur die gesetzliche Vergütung beansprucht werden. Ganz so weit ging der BGH im entschiedenen Fall nicht (dazu sogleich), aber der Rechtsanwalt musste sich anstelle der beanspruchten 11.276,44 Euro mit 1.541,45 Euro zufriedengeben. Nach § 3a Abs. 2 RVG wäre das Honorar nur auf den höchsten gerade noch akzeptablen Betrag herabgesetzt worden, was den praktischen Unterschied zur AGB-Inhaltskontrolle verdeutlicht (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 13).

In der Praxis könnte ein weiterer Aspekt Bedeutung erlangen: Nach § 3a Abs. 2 RVG darf das Gericht die Anwaltsvergütung nur herabsetzen, wenn es ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer eingeholt hat. Für die AGB-Inhaltskontrolle der Vergütungsabrede scheint der BGH dies nicht zu verlangen (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 13; insoweit aA Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 47). Ohne diesen verfahrensmäßigen Hemmschuh könnten manche Instanzgerichte den Finger bei der Kontrolle der Vergütung näher am Abzug haben als bisher.

Folgen für die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen

Kein 15-Minuten-Zeittakt

Unwirksam ist nach dem Urteil vom 13.2.2020 eine Zeittaktklausel, die für jede angefangene Viertelstunde die Berechnung voller 15 Minuten vorsieht und im Lauf eines Tages mehrfach zur Anwendung kommen kann (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das gilt nach den Entscheidungsgründen „jedenfalls“ gegenüber Verbrauchern. Mangels erheblicher Unterschiede in der Sache ist aber zu erwarten, dass im Verhältnis zu unternehmerischen Mandanten dasselbe gilt (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1777 f.).

Im Ausgangspunkt sieht der erkennende Senat indes „durchaus gute Gründe für eine Abrechnung nach Zeittakten“, namentlich die Notwendigkeit, sich auch nach kurzen Unterbrechungen wieder einzuarbeiten (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 34). Dem Einwand, der Störeffekt von Unterbrechungen könne in den Stundensatz einkalkuliert werden (OLG Düsseldorf 18.2.2010 – 24 U 183/05, NJOZ 2010, 1490, 1491 ff.), hat der Verfasser entgegengehalten, dass der Zeittakt dem Mandanten Anreize gibt, den Rechtsanwalt nicht fortwährend mit Anrufen und E-Mails in seiner Arbeit zu unterbrechen, sondern seine Überlegungen gesammelt in einem Block zu übermitteln. Ein solcher Verhaltensanreiz lässt sich durch einen höheren Stundensatz ohne Zeittaktklausel gerade nicht setzen (Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 59). Diese nun auch vom BGH aufgegriffene (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 34) Überlegung ist aus Sicht des Verfassers zugleich ein maßgebliches betriebswirtschaftliches Argument dafür, nicht auf eine Zeittaktklausel zu verzichten. Es spricht viel dafür, dass ein moderater Zeittakt von z.B. sechs Minuten vom BGH akzeptiert werden würde (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1777 f.; Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 59).

Ist die Zeittaktklausel unwirksam, so kann der vereinbarte Stundensatz gleichwohl verlangt werden. Er muss dann lediglich minutengenau abgerechnet werden (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 36). Aus gestalterischer Sicht erscheint es erwägenswert, dieses (auch mit Blick auf etwaige Verbandsklagen) überschaubare Risiko (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778) einzugehen und nach wie vor mit einem sechs-Minuten-Takt zu arbeiten. Die alternativ denkbare Klausel, dass nur die letzte Viertelstunde aufgerundet wird (vgl. BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 35; Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 59) setzt keinen hinreichenden Anreiz, unnötige Unterbrechungen zu vermeiden und erscheint deshalb betriebswirtschaftlich weniger sinnvoll.

Angemessenheit von Stundensatz und Stundenzahl, Substanziierungsanforderungen

Im Einklang mit der Weichenstellung für die Inhaltskontrolle anwaltlicher Preisabreden können die Gerichte sogar den vereinbarten Stundensatz auf seine Angemessenheit hin überprüfen. Im entschiedenen Fall hatte der BGH gegen 290 Euro zzgl. USt. in einem arbeitsrechtlichen Mandat keine Bedenken. Als Obergrenze werden derzeit ca. 1.000 Euro je Stunde genannt, und zwar für besonders ausgewiesene Experten und außergewöhnlich schwierige Rechtsfragen (Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 49). Schematisch sollten diese Werte indes nicht gehandhabt werden. Es gibt keinen Grund, große Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung daran zu hindern, auch noch höher liegende Stundensätze zu zahlen, und auch ansonsten ist beim Stundensatz eine großzügige Beurteilung angebracht (vgl. BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 Rn. 93 f.; Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778). Der BGH betrachtet dabei den Stundensatz und die abgerechnete Stundenzahl in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, was inhaltlich nachvollziehbar, aber angesichts der vorzunehmenden ex-ante-Beurteilung dogmatisch nicht einfach zu begründen ist.

Aus praktischer Sicht essentiell ist es, die Mandatsarbeit aussagekräftig und genau zu dokumentieren. Im Urteil vom 13.2.2020 wird noch einmal wiederholt, dass im Streitfall substanziiert dargelegt werden muss, „welche Akten und Schriftstücke durchgesehen wurden, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde“ (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 37). Versuche, diese Anforderungen durch AGB abzusenken oder durch eine Anerkenntnisfiktion zu umschiffen, dürften zum Scheitern verurteilt sein. Richtigerweise gilt dies auch für Klauseln, die die weitere Leistungserbringung von einer Einigung über die Anzahl der bislang erbrachten Stunden abhängig machen (zu alldem und zur Beweisführung im Streitfall Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 52 ff.).

Abrechnung nicht-anwaltlicher Mitarbeiter

Im entschiedenen Fall war ein Stundensatz von 60 Euro für Sekretariatstätigkeiten vorgesehen – verbunden mit der Formulierung, dass die Kanzlei „berechtigt“ sei, pauschal 15 Minuten Sekretariatstätigkeit pro Anwaltsstunde abzurechnen. Der erkennende Senat legte die Klausel dahingehend aus, dass sie auch eine Abrechnung nach dem konkreten Zeitaufwand des Sekretariats zulasse. Aufgrund der damit eröffneten Wahlmöglichkeit zwischen zwei Abrechnungsmodellen kam der Senat zu dem Schluss, dass die Klausel die Vergütung in diesem Punkt in das Ermessen des Rechtsanwalts stelle. Nach § 4 Abs. 3 S. 2 RVG gelte daher die gesetzliche Vergütung (insoweit) als vereinbart mit der Folge, dass Sekretariatstätigkeiten nicht gesondert abgerechnet werden könnten (BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19, NJW 2020, 1811 Rn. 41 ff.).

Prinzipiellen Bedenken gegen die Abrechnung nicht-anwaltlicher Mitarbeiter werden in der Entscheidung nicht geäußert. Eine frühere Entscheidung behandelt die Frage nur auf der Ebene der Vertragsauslegung. Das spricht für die Abrechenbarkeit der Tätigkeit nicht-anwaltlicher Mitarbeiter, sofern sie in der Vergütungsvereinbarung klar (und ohne Ermessensspielraum) geregelt ist (BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 Rn. 83; Staudinger/Weber, 2019, Anh. §§ 305 ff. BGB Rn. G 49). Allerdings greift auch insoweit die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn es sich um eine formularmäßige oder dem § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterfallende Abrede handelt.

Gegen die Wirksamkeit einer solchen Abrede wird angeführt, dass es sich um Gemeinkosten handele, die in den Stundensatz eingepreist werden müssten (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778). Dagegen spricht aber, dass nicht-anwaltliche Mitarbeiter in durchaus unterschiedlichem Umfang in verschiedene Mandate eingebunden sind. So macht es etwa einen Unterschied, ob das Sekretariat in einem wirtschaftsstrafrechtlichen Mandat Ermittlungsakten im Umfang von 32 Leitzordnern kopieren oder nur Terminvereinbarungen treffen muss, und Mandate eignen sich aufgrund ihres unterschiedlichen Schwierigkeits- und Standardisierungsgrades unterschiedlich gut für Vorarbeiten nicht-anwaltlichen Personals. Deshalb kann aus Sicht des Verfassers durchaus ein berechtigtes Interesse an derartigen Vereinbarungen anerkannt werden, sofern – und daran fehlte es in dem am 13.2.2020 entschiedenen Fall – die Klausel an den tatsächlich angefallenen Zeitaufwand des Sekretariats anknüpft. Eine Pauschale für Sekretariatsdienste kann hingegen in der Tat in den Stundensatz des Rechtsanwalts einkalkuliert werden, so dass an ihrer Verwendung kein berechtigtes Interesse besteht.

Abrechnung von Reisezeiten

Im Rahmen der Mandatsbearbeitung erforderliche Reisezeiten können nach einem früheren BGH-Urteil ggf. auch ohne ausdrückliche Abrede zu honorieren sein (BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 Rn. 83). Gleichwohl empfiehlt es sich, dies in der Mandatsvereinbarung ausdrücklich klarzustellen.

Mindestvergütungsklauseln

In dem am 13.2.2020 entschiedenen Fall sah die Vergütungsvereinbarung vor, dass der Mandant mindestens das Dreifache der gesetzlichen Vergütung zu zahlen hatte, wobei eine (ggf.) mit dem Arbeitgeber vereinbarte Abfindung zum Gegenstandswert hinzugerechnet werden sollte. Nach dem gefällten Urteil ist eine solche Kumulation von Abreden jedenfalls in von Verbrauchern erteilten Kündigungsschutzmandaten nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Losgelöst von den Umständen des Einzelfalls bezeichnet der erkennende Senat Mindestvergütungsklauseln, die keine Rücksicht auf die Höhe des Gegenstandswerts und den Bearbeitungsaufwand des Mandats nehmen, als „bedenklich“ (BGH, Urteil vom 4. 2. 2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 Rn. 15 ff.).

Aus Sicht des Verfassers gibt es durchaus Sachgründe für die Vereinbarung eines Mindesthonorars. Insbesondere können Mandate mit kurzer Bearbeitungsdauer trotzdem ein erhebliches Haftungsrisiko mit sich bringen, dem die Vergütung Rechnung tragen muss (vgl. die – ansonsten kaum nachvollziehbare – Entscheidung OLG München NJW 2017, 2127 Rn. 70). Das rechtfertigt es jedoch nicht, das Mindesthonorar durch Bezugnahme auf die durch einen Multiplikator und eine Modifikation des Gegenstandswerts erhöhte gesetzliche Vergütung zu verklausulieren, wie es in dem am 13.2.2020 entschiedenen Fall gegeben war. Eine solche Gestaltung ist zugleich intransparent iSd § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778). Wenn eine Mindestvergütung sachgerecht ist, sollte sie daher mit Blick auf das einzelne Mandat konkret beziffert und – mit Blick auf die Regelung des § 305c Abs. 1 BGB zu überraschenden Klauseln – mit dem Mandanten erörtert werden. Das mag zwar bei der Mandatsbegründung misslich sein. Der Ausweg, eine nicht mit offenem Visier durchsetzbare Mindestvergütung im Klauselwerk zu verstecken und den Mandanten erst später damit zu konfrontieren, ist jedoch geeignet, das Vertrauen in die Anwaltschaft zu beeinträchtigen (Deckenbrock NJW 2020, 1776, 1778) und sollte von den Gerichten versperrt werden.



Dr. Christoph Andreas Weber

  • www.christoph-weber.com
  • Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • derzeit Vertreter eines Lehrstuhls an der Goethe-Universität Frankfurt
  • Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht sowie zum Bürgerlichen Recht einschließlich des Bankrechts und des AGB-Rechts
  • Bearbeiter des Staudinger BGB – Anhang zu §§ 305-310 (AGB-Recht 2: Ausgewählte Verträge; AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht; Internationaler Geschäftsverkehr)

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