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Anmerkung zu:ArbG Mainz 8. Kammer, Urteil vom 08.04.2024 - 8 Ca 1474/23
Autor:Anne Pohl, RA’in und FA’in für Arbeitsrecht
Erscheinungsdatum:21.08.2024
Quelle:juris Logo
Norm:EUV 2016/679
Fundstelle:jurisPR-ArbR 33/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Pohl, jurisPR-ArbR 33/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Auskunfts- und Entschädigungsanspruch des abgelehnten Bewerbers nach DSGVO



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Nennung einer E-Mail-Adresse, über welche man die Auskünfte nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO erhalten kann, ersetzt nicht die Erteilung derselben. Die Motive, welcher der Entscheidung des Arbeitgebers zur Ablehnung eines Bewerbers zugrunde lagen, stellen keine personenbezogenen Daten dar.



A.
Problemstellung
Das ArbG Mainz hatte sich jüngst mit einer Klage auf Schadensersatz wegen nicht erteilter Auskünfte nach Art. 15 DSGVO u.a. zu den Ablehnungsgründen einer Bewerbung zu befassen. Bemerkenswert ist dabei nicht nur die Höhe des ausgeurteilten Schadensersatzes, welcher in Ansicht der jüngsten Entscheidungen des EuGH zu Art. 82 DSGVO erstaunlich hoch ausgefallen ist, sondern auch deren Begründung unter Rückgriff auf das Werk „Der Kampf ums Recht“ von Rudolf von Jhering.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger und Auskunftsteller bewarb sich im September 2023 auf eine Stelle bei der Beklagten. Nachdem er eine Absage erhalten hatte, forderte er die Beklagte auf, ihm Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu erteilen. Er begehrte dabei maßgeblich die Mitteilung der Ablehnungsgründe, eine umfassende Auskunft sowie eine „originalgetreue Kopie sämtlicher personenbezogener Daten“. Die Beklagte verweigerte die Auskunft zu den Ablehnungsgründen und verwies den Kläger im Übrigen an eine E-Mail-Adresse, an die er seine Ansprüche nach der DSGVO richten könne. Der Kläger machte sodann im Klagewege seinen Auskunftsanspruch geltend und forderte zudem eine Geldentschädigung, die einen Betrag i.H.v. 5.000 Euro nicht unterschreiten dürfe.
Das ArbG Mainz hat die Klage für teilweise begründet erachtet.
Die Mitteilung einer E-Mail-Adresse, über die die fraglichen Auskünfte zu erhalten seien, ersetze, so das Gericht, nicht die Erteilung derselben. Dies stelle einen Verstoß gegen die DSGVO dar, der gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu einem Schadensersatzanspruch führe. Das Gericht hielt die beantragten 5.000 Euro für einen angemessenen Betrag. Der „Schaden“ des Klägers sei zwar „schwindend gering“, dem Schadensersatz komme jedoch auch eine präventive Funktion zu, und es müsse ein Leidensdruck bei der Beklagten entstehen. Unter Berücksichtigung eines Zitats von Rudolf von Jhering aus seinem Werk „Der Kampf ums Recht“ kam das Arbeitsgericht sodann zu dem Ergebnis, dass ein Verfahren der vorliegenden Art der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung diene, der Kläger also nicht nur sein Recht behaupte, sondern vielmehr das Recht verteidige. Im Hinblick auf die geforderte Mitteilung der Ablehnungsgründe entschied das Arbeitsgericht, dass diese keine personenbezogenen Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO, sondern vielmehr Motive des Entscheiders seien und damit nicht unter Art. 15 DSGVO fielen.


C.
Kontext der Entscheidung
Klagen auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO, insbesondere wegen nicht erfüllter Auskunftspflichten, haben sich im Arbeitsrecht in der Vergangenheit immer mehr gehäuft. Das Ergebnis war eine Vielzahl von arbeits- und landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen, die teilweise keine Entschädigung und teilweise Schadensersatzansprüche bis zu 10.000 Euro ausgeurteilt haben (ArbG Duisburg, Urt. v. 23.03.2023 - 3 Ca 44/23; ArbG Oldenburg, Urt. v. 09.02.2023 - 3 Ca 150/21). Mit seinen Urteilen vom 04.05.2023, 14.12.2023 und 21.12.2023 hat sich der EuGH zu zentralen Fragen des Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO geäußert und die Voraussetzungen, unter denen ein Betroffener diesen geltend machen kann, konturiert. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Entscheidungen lauten:
1. Nicht jeder Verstoß gegen die DSGVO eröffnet für sich genommen einen Schadensersatzanspruch (EuGH, Urt. v. 14.12.2023 - C-456/22).
2. Es muss mit der Verletzung der DSGVO auch ein entsprechender materieller oder immaterieller Schaden einhergehen, der jedoch keine Erheblichkeitsschwelle voraussetzt (EuGH, Urt. v. 04.05.2023 - C-300/21).
3. Der Schadensersatzanspruch hat eine Ausgleichsfunktion, er erfüllt keine abschreckende oder Straffunktion (EuGH, Urt. v. 21.12.2023 - C-667/21).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint die vorliegende Entscheidung des ArbG Mainz wie ein „Ausreißer“. Es ist beim Lesen der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht eindeutig zu erkennen, ob das Gericht die vorgenannten Grundsätze des EuGH erkannt und berücksichtigt hat. Es stellt augenscheinlich allein auf einen Verstoß gegen die DSGVO ab, der, wie das Gericht noch richtig erkannt hat, in der Nichterteilung der begehrten Auskunft liegt. Ob der Kläger jedoch aufgrund dieses Verstoßes einen Schaden erlitten und wie er diesen dargelegt und bewiesen hat, bleibt durch einen schlichten Verweis auf Ausführungen in einem Schriftsatz im Unklaren. Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes lenkt das Gericht sodann sein Augenmerk auf dessen präventive und strafenden Funktion und ignoriert dabei gänzlich die Auffassung des EuGH, nach der Art. 82 DSGVO – anders als Art. 83 und 84 DSGVO – keine Straf- sondern eine Ausgleichsfunktion habe. Diese fraglichen Aspekte der Entscheidung führten, zusammen mit den Ausführungen zum Werk von Jherings, welche im Ergebnis deplatziert wirken, zu einem recht hohen Schadensersatz von 5.000 Euro.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Arbeitsgericht hat seine Chance vertan, die Rechtsprechung des EuGH zum Vorliegen eines kausalen Schadens sowie der Darlegungs- und Beweislast des Betroffenen zu schärfen. Weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen des Urteils finden sich Hinweise darauf, welchen materiellen oder immateriellen Schaden, sei er auch nur „schwindend gering“, der Kläger erlitten haben will. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung in die nächste Instanz geht. Sollte dies der Fall sein, dürften die fragwürdigen Ausführungen des Arbeitsgerichts im Lichte der EuGH-Rechtsprechung vom LArbG Mainz auf den Prüfstand gestellt werden.



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