Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Angabe der Zahl der Urlaubstage in einer EntgeltabrechnungLeitsatz Die Angabe von Urlaubstagen in einer Abrechnung stellte keine Streitlosstellung eines (späteren) Urlaubsabgeltungsanspruchs dar. - A.
Problemstellung Beim Ende eines Arbeitsverhältnisses stellt sich immer die Frage nach noch nicht erfüllten Ansprüchen. Von besonderer Bedeutung ist dabei, ob im Arbeits- oder einem etwaig geltenden Tarifvertrag Ausschlussfristen enthalten sind. Dass solche Fristen auch dann zum Erlöschen von Ansprüchen führen können, wenn der Arbeitgeber zuvor Angaben zum Anspruch gemacht hat, zeigt die vorliegende Entscheidung.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers. Der Kläger war bei der Beklagten als Tischler beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. vereinbart, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht werden müssen. Nach der Klausel beginnt die Ausschlussfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis oder grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt hat. Bei Versäumung der Ausschlussfrist verfällt der Anspruch. Von der Ausschlussfrist ausgenommen waren gesetzliche Mindestentgeltansprüche, Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, Ansprüche aus der vereinbarten Vertragsstrafe, Verschwiegenheits- sowie die Rückgabepflichten aus dem Arbeitsvertrag. Ab dem 02.12.2020 war der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt, die zuletzt für Februar und März 2021 erteilten Abrechnungen weisen als Resturlaub 32 Tage (2 Tage übertragener Urlaub aus dem Vorjahr; 30 Tage aktueller Jahresurlaub) aus. Der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis mittels Eigenkündigung zum 30.06.2022. Mit der Klage geltend gemacht hatte der Arbeitnehmer einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der Anspruch aufgrund der Ausschlussfrist verfallen sei. Das LArbG Köln hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nach der Klausel im Arbeitsvertrag seien alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei in Textform geltend zu machen. Diese Frist zur Geltendmachung habe der Kläger nicht gewahrt, mit der Folge, dass der streitgegenständliche Anspruch auf Urlaubsabgeltung verfallen sei. Der Anspruch sei mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2022 fällig geworden, der Lauf der dreimonatigen Frist ende daher mit Ablauf des 30.09.2022. Der Kläger habe den Anspruch auf Urlaubsabgeltung jedoch erstmals mit seiner am 09.01.2023 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage geltend gemacht. Eine schriftliche Geltendmachung durch den Kläger sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte die Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers zuvor bereits anerkannt bzw. streitlos gestellt habe. Die Regelungen zur Verfallfrist im Arbeitsvertrag seien auch nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Deshalb sei die Klage insgesamt unbegründet.
- C.
Kontext der Entscheidung Für die Entscheidung ist zunächst von Bedeutung, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch nach ständiger Rechtsprechung des BAG Ausschlussfristen unterliegen kann. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach den §§ 1, 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom EuGH vorgenommene und für die deutschen Gerichte nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRCh entgegen (st.Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 09.03.2021 - 9 AZR 323/20 Rn. 10). § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit. Ein solcher Übertragungszeitraum von 15 Monaten wurde vom EuGH als unionsrechtskonform gebilligt (st.Rspr., vgl. BAG, Urt. v. 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 Rn. 32). Aufgrund der dauerhaften Erkrankung des Arbeitnehmers bestand der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers hier also zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch. In der Folge der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 20.01.2009 - C-350/06 und C-520/06) hatte das BAG seine bisherige Rechtsprechung zum Charakter des Abgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs aber insgesamt aufgegeben, der Abgeltungsanspruch ist seitdem ein Geldanspruch, dessen Erfüllbarkeit nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers abhängt und der nicht dem Fristenregime des BUrlG unterliegt (vgl. BAG, Urt. v. 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 Rn. 15). Insofern kann der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr Verfallfristen unterliegen und bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung erlöschen. Da der Kläger die Ausschlussfrist unstreitig nicht gewahrt hatte, konnte er mit der Klage nur noch Erfolg haben, wenn die Klausel zur Verfallsfrist keine Anwendung finden würde oder unwirksam wäre. Aber auch das war nicht der Fall. Die rechtzeitige Geltendmachung wäre beispielsweise entbehrlich gewesen, wenn der Arbeitgeber die Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche zuvor bereits anerkannt bzw. streitlos gestellt hätte. Ein Anerkenntnis ergab sich aber insbesondere nicht aus den Abrechnungen für die Monate Februar und März 2021, welche den offenen Urlaubsanspruch des Klägers jeweils mit 32 Tagen angaben. Die Angabe von Urlaubstagen in einer Entgeltabrechnung stellt nämlich regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Die bloße Mitteilung durch den Arbeitgeber entfaltet in der Regel keine rechtsgeschäftliche Wirkung (vgl. etwa BAG, Urt. v. 19.03.2019 - 9 AZR 881/16 Rn. 16). Besondere Umstände, die bei den Entgeltabrechnungen ausnahmsweise auf einen Geschäftswillen des Arbeitgebers hätten schließen lassen können, waren nicht ersichtlich. Zwar hatte das BAG verschiedentlich auch entschieden (BAG, Urt. v. 20.10.1982 - 5 AZR 110/82; BAG, Urt. v. 03.05.2023 - 5 AZR 268/22), dass ein Arbeitnehmer, um einen Verfall zu vermeiden, bereits innerhalb der Verfallfrist abgerechnete Lohnforderungen dennoch nicht noch einmal geltend machen muss, weil diese streitlos gestellt sind. Diese Rechtsprechung war nach Ansicht des LArbG Köln auf die vorliegende Fallkonstellation aber nicht übertragbar. Denn anders als bei vorbehaltlos abgerechneten Lohnforderungen steht im Fall der Angabe offener Urlaubstage in einer Lohnabrechnung ein hieraus folgender Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht fest. Im Unterscheid zu den Lohnansprüchen für eine zurückliegende Abrechnungsperiode kann es sich bei der Angabe der Urlaubstage nur um eine Wissenserklärung des Arbeitsgebers zum aktuellen Umfang des Urlaubsanspruchs handeln, der im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses, etwa durch Verfall oder Urlaubsnahme, der Möglichkeit weiter Veränderungen unterworfen ist. Zum Umfang eines möglichen späteren Urlaubsabgeltungsanspruchs enthält die Abrechnung keine Aussage. Zudem kann die Angabe von Urlaubstagen in einer Abrechnung auch deshalb keine Streitlosstellung eines späteren Urlaubsabgeltungsanspruchs darstellen, weil es sich bei diesem um einen reinen Geldanspruch handelt, dessen Höhe nicht allein von der Anzahl der Urlaubstage, sondern auch von weiteren Faktoren abhängt. Deshalb wäre es dem Arbeitgeber allenfalls dann verwehrt, sich auf einen Verfall zu berufen, wenn er die Urlaubsabgeltung selbst in der Abrechnung ausgewiesen hätte. Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führte nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Bei Arbeitsverträgen handelt es sich regelmäßig um Verbraucherverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. etwa BAG, Urt. v. 27.07.2021 - 9 AZR 376/20). Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen (BAG, Urt. v. 23.01.2014 - 8 AZR 130/13 Rn. 24). Dem Vertragspartner kann – so die Rechtsprechung – nicht jedes eigene Nachdenken erspart bleiben (zu allgemeinen Versicherungsbedingungen eines privaten Unfallversicherers: BGH, Urt. v. 23.02.2005 - IV ZR 273/03). Die Klausel erwies sich insofern weder als widersprüchlich noch als intransparent (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 24.05.2022 - 9 AZR 461/21 Rn. 29). Der Anspruch bestand daher nicht.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Revision wurde vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen, Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt und ist unter dem Aktenzeichen 9 AZN 329/24 beim BAG anhängig. Da sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts innerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des BAG hält, ist es fraglich, ob es zu einer Entscheidung des Senats in der Sache kommen wird. Für den Rechtsanwender verdeutlicht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts einmal mehr, dass Verfallfristen in Arbeitsverträgen unbedingt beachtet werden müssen und rechtzeitig gehandelt werden muss.
|