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Anmerkung zu:BAG 3. Senat, Urteil vom 02.07.2024 - 3 AZR 247/23
Autor:Dr. Uwe Langohr-Plato, RA
Erscheinungsdatum:18.12.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 KSchG, § 58 BetrVG, § 77 BetrVG
Fundstelle:jurisPR-ArbR 50/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 50/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verschlechterung betrieblicher Altersversorgung im Konzern



Leitsatz

Wenn der Konzernarbeitgeber die schon bislang konzernweit geregelte betriebliche Altersversorgung für den gesamten Konzern durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung ablösen möchte, bestimmt sich das Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe für eine verschlechternde Regelung der noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Stufe des Prüfungsschemas des Senats) nach den tatsächlichen Umständen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Konzern.



A.
Problemstellung
Das BAG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob und unter welchen Voraussetzungen es bei einem Konzernversorgungswerk berechtigt ist, einen verschlechternden Eingriff in eine auf einer Konzernbetriebsvereinbarung beruhenden Versorgungsordnung vorzunehmen. Dabei musste sich der Dritte Senat insbesondere mit der Kritik an seiner sog. „Drei-Stufen-Theorie“ zur verschlechternden Neuordnung betrieblicher Versorgungsansprüche auseinandersetzen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Die dem Kläger gewährte betriebliche Altersversorgung richtete sich ursprünglich nach Maßgabe einer Konzernbetriebsvereinbarung aus dem Jahre 1977 (PO 1977), die für alle konzernzugehörigen Unternehmen ein einheitliches dienstzeit- und gehaltsabhängiges Gesamtversorgungssystem vorsieht. Zum 01.01.1987 (PO 1987) trat durch weitere Konzernbetriebsvereinbarung eine geänderte Pensionsordnung in Kraft, mit der das bisherige Versorgungssystem durch ein Festbetragssystem ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Rente abgelöst worden ist.
Die Beklagte hat die dem Kläger gezahlte Betriebsrente nur für den Zeitraum bis Ende 1986 nach den Bestimmungen der KBV PO 1977 und ab Januar 1987 nach den Bestimmungen der KBV PO 1987 berechnet. Der Kläger vertritt dagegen die Auffassung, dass die ihm zustehende betriebliche Altersrente ausschließlich nach den Bestimmungen der PO 1977 zu berechnen sei, was zu einer um rund 518 Euro höheren monatlichen Betriebsrente führen würde. Die Ablösung der PO 1977 durch die PO 1987 stelle einen unzulässigen verschlechternden Eingriff in PO 1977 dar. Der Kläger bestreitet, dass es hierfür Rechtfertigungsgründe gebe.
Die seinerzeitige Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung hat die Beklagte im Wesentlichen mit einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Konzerns und diesbezüglich insbesondere mit der konzernweiten Entwicklung der Pensionsrückstellungen und einem außergewöhnlich hohen Rückstellungsbedarf begründet und in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit des nach der Besitzstandsrechtsprechung des BAG maßgeblichen dreistufigen Prüfungsschemas („Drei-Stufen-Theorie“) bestritten.
II. In den ersten beiden Instanzen ist die Klage abgewiesen worden. Auf die Revision des Klägers hin hat das BAG das Verfahren zurückverwiesen.
1. Nach Ansicht des BAG konnten die Bestimmungen der PO 1987 die Regelungen der PO 1977 nach dem im Betriebsverfassungsrecht geltenden Ablösungsprinzip, wonach eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere auch dann ablöst, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist, unter Berücksichtigung der Besitzstandsrechtsprechung des BAG und Beachtung der insoweit maßgeblichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich wirksam ablösen.
Der Ruhegeldsenat bestätigt insoweit ausdrücklich die Anwendbarkeit des von ihm entwickelten dreistufigen Prüfungsschemas, das, je nachdem in welchem Umfang in den Besitzstand eingegriffen wird, unterschiedliche Eingriffsgründe voraussetzt, und weist die hiergegen von Seiten der Beklagten gerichtete Kritik zurück.
Das BAG geht vielmehr weiterhin davon aus, dass dieses Prüfungsschema auch weiterhin geeignet ist, die einer Versorgungsanwartschaft innewohnende Entgeltkomponente sachgerecht unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien abzubilden, und hält an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung ausdrücklich fest.
a) Der Schutz der noch nicht erdienten Zuwächse rechtfertigt sich daraus, dass bei einer verschlechternden Neuregelung die Versorgungsplanung der Arbeitnehmer negativ betroffen wird, die sie an den einmal versprochenen und zu erwartenden Steigerungen ausgerichtet haben. Daran ändert es nichts, dass die Arbeitnehmer grundsätzlich mit einer auch verschlechternden Ablösung der auf einer Betriebsvereinbarung gründenden Versorgungsordnung rechnen müssen. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung im Vertrauen darauf, dass die ursprünglich versprochenen Steigerungen im Grundsatz beibehalten werden. Schließt die Versorgungszusage den Erwerb von Ansprüchen in den ersten Monaten der Beschäftigung nicht aus, ist dieses Vertrauen auch vom ersten Tag an geschützt. Aus der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ergibt sich insoweit entgegen der Auffassung der Beklagten kein Wertungswiderspruch. Die Wartezeit betrifft allein die Frage, ab wann der allgemeine Kündigungsschutz gilt.
b) Das BAG hat zudem keinen Anlass dafür gesehen, das Drei-Stufen-Schema nicht auch auf Sachverhalte anzuwenden, die ggf. mehrere Jahrzehnte zurückliegen, und dem Arbeitgeber die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass im Zeitpunkt der Neuordnung die für eine Verschlechterung geforderten Gründe – vorliegend sachliche-proportionale Gründe – auch tatsächlich vorgelegen haben.
In der betrieblichen Altersversorgung erstrecken sich die relevanten Sachverhalte typischerweise auf beträchtlich zurückliegende Zeiträume. Das dreistufige Prüfungsschema war in der Rechtsprechung im Übrigen auch im Zeitpunkt der Ablösung der KBV PO 1977 durch die KBV PO 1987 bereits anerkannt.
2. Sofern es danach darauf ankommt, ob die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt ist, geht das BAG – ebenfalls wie das Berufungsgericht – davon aus, dass bei einem Konzernversorgungswerk auf die tatsächlichen Umstände und wirtschaftlichen Verhältnisse im Konzern abzustellen ist.
a) Bei einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung legt der Arbeitgeber fest, für welchen Personenkreis die geplante Leistung gedacht ist. Er kann den Leistungszweck dabei auch so bestimmen, dass er nur mit einer unternehmensübergreifenden Regelung erreichbar ist und demzufolge nur konzerneinheitlich gewährt werden soll. Die insoweit unter dem zwingenden Mitbestimmungsrecht nach § 58 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abgeschlossene Konzernbetriebsvereinbarungen gelten nach § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend für alle Arbeitsverhältnisse in den Konzernunternehmen.
b) Soll eine solche konzerneinheitliche Regelung verändert und abgelöst werden, kann der Konzernarbeitgeber erneut entscheiden, die Versorgung nur konzernweit einheitlich abzuändern. Anderenfalls wäre er gezwungen, die konzerneinheitliche Versorgung einzustellen, teilweise zu kündigen und damit den konzernweiten Versorgungszweck zu verändern.
Die insoweit nach der Drei-Stufen-Theorie erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe bedürfen daher auch einer konzernbezogenen Betrachtung. Es genügen dafür weder auf das konkrete Arbeitgeberunternehmen bezogene Gründe, noch steht der Umstand, dass bei einem der konzernangehörigen Unternehmen isoliert betrachtet keine solchen Gründe vorliegen, einer konzernweit verschlechternden Regelung entgegen, wenn entsprechende Gründe bezogen auf den gesamten Konzern gegeben sind. Die wirtschaftliche Betätigung des konzernangehörigen Versorgungsschuldners wird insoweit durch die Bedürfnisse des Konzerns bestimmt.
Sollen die Versorgungsaufwendungen konzernweit abgesenkt werden, muss der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner daher vortragen, wegen welcher konkret konzernweit wirkender wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine finanzielle Entlastung des Konzerns interessengerecht war und weshalb die Schmälerung der künftigen Zuwächse nicht außer Verhältnis zum Anlass stand.
c) Die Ablösung der KBV PO 1977 durch die KBV PO 1987 hat nicht nur für die Beschäftigten eines oder mehrerer Konzernunternehmen zu einer Verschlechterung geführt, sondern ist konzernweit einheitlich erfolgt. Damit ist diese Verschlechterung auch durch eine sich auf den Gesamtkonzern erstreckende Betrachtung zu begründen.
3. Als sachlich-proportionale Gründe im Konzern kommen – entsprechend den Anforderungen auf Unternehmensebene – nachvollziehbare, anerkennenswerte Gründe in Betracht, die einen vernünftig handelnden Konzernarbeitgeber zu einer Verschlechterung der noch zu erdienenden Zuwächse der im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer veranlassen können.
a) Sachliche Gründe können sich insbesondere aus einer schon eingetretenen oder prognostizierten negativen wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns ergeben. Negative wirtschaftliche Entwicklungen können aus den Konzerngesellschaften auf den gesamten Konzern ausstrahlen. Eine Änderung des Versorgungssystems kann Teil eines Konzepts zur Sanierung des Konzerns sein. Eine langfristige Substanzgefährdung oder eine dauerhaft unzureichende Eigenkapitalverzinsung sind nicht erforderlich. Zur Rechtfertigung der Verschlechterung bedarf es auch nicht eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans. Ebenso wenig ist es notwendig, dass Maßnahmen zur Kosteneinsparung ausgeschöpft sind, bevor eine Schmälerung künftiger Zuwächse vorgenommen wird. Es geht nur darum, die Willkürfreiheit der Verschlechterung zu belegen. Es müssen wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Konzernarbeitgeber entsprechend reagieren darf. Der bloße Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten im Konzern reicht nicht aus. Vielmehr sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Einzelnen darzulegen. Anderweitige Sanierungsmöglichkeiten müssen zumindest erwogen worden sein und ihre Unterlassung plausibel erläutert werden. Maßnahmen, die auf den ersten Blick dem Sanierungszweck zuwiderlaufen, müssen einleuchtend sein.
b) Neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Konzerns kann eine bereits eingetretene oder prognostizierte negative Entwicklung auch nur des Versorgungssystems aufgrund unvorhersehbarer Umstände einen sachlichen Grund darstellen.
Dies ist etwa anzunehmen, wenn eine erhebliche, zum Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungswerks unvorhersehbare Mehrbelastung eingetreten oder zu erwarten ist, die etwa auf Änderungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung oder im Steuerrecht zurückzuführen ist. Der Anstieg der Kosten ist anhand eines Barwertvergleichs auf Basis der Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik vorzunehmen.
Zwar erlauben gestiegene Pensionsrückstellungen dem Unternehmer für sich genommen keinen Eingriff in die Versorgung, da sie (nur) dazu dienen, Gewinne bis zur Fälligkeit der einzelnen Rentenbeiträge als Betriebskapital – und zwar in Gestalt von Fremdkapital – zu verwenden (BAG, Urt. v. 08.12.2020 - 3 AZR 65/19 - Rn. 25, 29 f. - BAGE 173, 155). Ein sachlicher Grund kann aber vorliegen, wenn sich die Pensionslasten und damit die Pensionsrückstellungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erheblich erhöhen. Soweit diese Erhöhung nicht von Anfang an bei der Schaffung des Versorgungswerks absehbar oder einkalkuliert war, kann ein vernünftiger Unternehmer hierauf reagieren.
Soll zudem der Versorgungsaufwand insgesamt verringert werden, sind zusätzliche wirtschaftliche oder nicht-wirtschaftliche Gründe erforderlich.
Die Verschlechterung muss proportional sein. Das ist der Fall, wenn sie mit dem sachlichen Grund kompatibel ist. Regelungszweck und Kürzungsumfang müssen also in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk muss sich im Fall einer bereits eingetretenen oder prognostizierten negativen wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns nachvollziehbar in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen. Der Eingriff ist proportional, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter schmälert, als dies ein vernünftiger Konzernarbeitgeber zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Eine Verschlechterung der Berechnungsgrundlagen für die noch nicht erdienten Zuwächse ist bei einer Fehlentwicklung des Versorgungswerks jedenfalls dann proportional, wenn der neue Dotierungsrahmen bezogen auf einen vergleichbaren Personenkreis dem ursprünglichen Dotierungsrahmen bei vorhersehbarer Entwicklung entspricht.
Ein Anzeichen sowohl für ein sachliches Änderungsbedürfnis als auch für die Proportionalität der ablösenden Regelung im Konzern kann in der Mitbestimmung durch den Konzernbetriebsrat liegen. Dem Konzernarbeitgeber und dem Konzernbetriebsrat stehen bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrundeliegenden tatsächlichen Gegebenheiten, der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen sowie bei der mitbestimmten Ausgestaltung des Gesamtkonzepts eine Einschätzungsprärogative und ein Beurteilungsspielraum zu.
Der Vertragsarbeitgeber trägt für die negative wirtschaftliche Entwicklung des Konzerns die volle Darlegungs- und Beweislast und muss insoweit vortragen, wie das notwendige Einsparvolumen im Konzern ermittelt worden ist und in welchem Umfang die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zur Kosteneinsparung beigetragen hat. Hierzu hat er auch die anderen Maßnahmen im Einzelnen darzulegen, die zur Kosteneinsparung getroffen wurden. Auf entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers muss er erläutern, weshalb anderweitige Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten im Konzern nicht getroffen worden sind, und unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick dem Ziel der Kostenreduzierung zuwiderlaufen, erklären. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Fehlentwicklung des Versorgungssystems, hat er diese durch einen Barwertvergleich darzulegen.
4. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das BAG der Annahme des Berufungsgerichts, bei der gebotenen konzernbezogenen Betrachtung hätten sachlich-proportionale Gründe für die verschlechternde Regelung der künftigen Zuwachsraten vorgelegen, widersprochen und das Fehlen entsprechender rechtlich tragfähiger Feststellungen gerügt.
Im Rahmen der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht vor allem folgende Aspekte eingehend prüfen und bewerten müssen:
a) Soweit die Beklagte die Neuordnung mit einem starken Anstieg der Rückstellungen begründet hat, liegt hierzu bislang nur ein Gutachten zur Höhe der prognostizierten Rückstellungen vor, ohne die darin enthaltenen Ergebnisse zu erläutern. Es fehlt zudem an Feststellungen, auf welcher Basis der prognostizierte Anstieg der Lasten ermittelt wurde. Worauf sich die Annahme, dass der Anstieg der Rückstellungen die Leistungsfähigkeit des Konzerns überfordert, wäre mit entsprechenden Tatsachen zu unterlegen.
b) Bei der Prüfung der Proportionalität der Einsparungen ist darzulegen, inwiefern sich diese in ein plausibles Konzept zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten einfügten.
c) Hierfür genügt nicht der Hinweis, mit Blick auf den geplanten Stellenabbau fehle es an einem Sonderopfer der künftigen Betriebsrentner. Auf welche sonstigen Einsparmaßnahmen abstellt werden kann, muss nachvollziehbar begründet werden. Ohne jegliche Feststellung darüber, in welcher Größenordnung die übrigen Einsparmaßnahmen Entlastungen bringen sollten, kann nicht beurteilt werden, ob die Reduktion der Versorgungslasten eine kompatible Beschränkung der Versorgungszusagen bedeutete.
d) Darüber hinaus wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass eine Fehlentwicklung des Versorgungssystems nicht mit der Senatsentscheidung vom 17.03.1987 (3 AZR 64/84 - BAGE 54, 261) verneint werden kann. Diese Entscheidung, die sich im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer verschlechternden Neuordnung inhaltlich mit den Auswirkungen des Sozialversicherungsrechts durch das 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz als „triftigen Grund zum Eingriff in bereits erdiente Besitzstände“ befasst und einen solchen triftigen Grund abgelehnt hat, sagt nichts darüber aus, ob insoweit ein sachlich-proportionaler Grund für Eingriffe in künftige Zusage (dritte Eingriffsstufe) anzuerkennen ist.
d) Die Beklagte hat sich außerdem auf geänderte Gerechtigkeitsvorstellungen der (Konzern-)Betriebsparteien zur Funktion der betrieblichen Altersversorgung berufen.
Ein Versorgungssystem mit Elementen der Gesamtversorgung kann bei sinkenden Sozialversicherungsrenten einen Systemwechsel geboten erscheinen lassen, der zugleich zu einer generationengerechteren Verteilung führt, wenn anderenfalls die Gewährleistung der bisherigen Versorgungshöhe für Neueintritte zur Disposition steht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Dotierungsrahmen im Wesentlichen gleichbleibt und der Eingriff für die nachteilig betroffene Arbeitnehmergruppe proportional ist. Entscheiden sich die (Konzern-)Betriebsparteien gegen eine Schließung des Versorgungswerks für Neueintritte, ist dies unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit angemessen zu würdigen.
e) Für die zu prüfende Proportionalität weist das BAG zudem darauf hin, dass sich die KBV PO 1987 nicht vollständig vom Endgehaltsbezug der KBV PO 1977 gelöst hat, so dass sich der mit der Neuordnung einhergehende Systemwandel grundsätzlich nicht so gravierend auswirkt, auch wenn der Kläger selbst konkret durch seine sehr kurze Beschäftigungsdauer unter der KBV PO 1977 extrem betroffen ist. Allerdings ist sein Vertrauen wegen der kurzen Beschäftigungsdauer unter der KBV PO 1977 auch nicht so schutzwürdig wie das Vertrauen der zum Stichtag langjährig Beschäftigten, bei denen Bestandsschutzaspekte einen besonderen Schutz erfordern.
f) Die Annahme, dass für das Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe die Zustimmung des Konzernbetriebsrats spreche, wird zwar im Ansatz zutreffend auf die Einschätzungsprärogative der (Konzern-)Betriebsparteien gestützt. Dies entbindet aber nicht von der Prüfung, auf welchen tatsächlichen Umständen die verschlechternde Regelung nachvollziehbar gründete.


C.
Kontext der Entscheidung
Nachdem das LArbG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 08.05.2019 (10 Sa 44/18) Zweifel an der Drei-Stufen-Theorie des BAG geäußert hat, bestätigt das BAG mit dem vorliegenden Urteil seine bisherige Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des dreistufigen Prüfungsschemas bei der einschränkenden Neuordnung betrieblicher Versorgungssysteme und hält an dieser ausdrücklich fest, nachdem es bereits in seiner Entscheidung vom 19.03.2019 (3 AZR 201/17 Rn. 29 ff.) der Kritik aus der Literatur (vgl. u.a.: Diller/Günther, DB 2017, 908; Diller, BetrAV 2019, 581) eine erneute eindeutige Absage erteilt hat.
Soweit es um die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung in einem Konzernversorgungswerk geht, bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung, dass insoweit auf die tatsächlichen Umstände und wirtschaftlichen Verhältnisse des Konzerns insgesamt abzustellen ist.
Auch die von der Rechtsprechung an sachlich-proportionale Gründe zu stellenden qualitativen und quantitativen Anforderungen erfahren durch das vorliegende Urteil keine Neuerung.
In Bezug auf die erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe als Rechtsfertigung für einen Eingriff in künftige Zuwächse stellt das BAG noch einmal deutlich seine Anforderungen an die umfassende Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers heraus, der ggf. auch viele Jahre nach Durchführung einer Neuordnung in der Lage sein muss, die die Neuordnung tragenden Gründe nachvollziehbar zu dokumentieren.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Einschränkende Neuordnungen betrieblicher Versorgungssysteme durch abändernde Betriebsvereinbarungen werden auch weiterhin anhand des vom BAG aufgestellten dreistufigen Prüfungssystems zu messen sein. Die insoweit vom BAG aufgestellten Prüfungskriterien sollten dabei von allen Praktikern zwingend beachtet werden. Zudem sollte angesichts der Tatsache, dass derartige Neuordnungen auch noch Jahre nach ihrer Umsetzung durch die Gerichte überprüft werden können, auf eine hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgründe besonderer Wert gelegt werden, um die Berechtigung zur einschränkenden Neuordnung auch im Zeitablauf noch nachweisen zu können. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung mag zwar für die generelle Ausgewogenheit der beschlossenen Maßnahme sprechen und insoweit eine entsprechende Indizwirkung haben, sie entbindet aber die Gerichte nicht davon, die tatsächlichen Umstände der verschlechternden Neuordnung anhand der vom BAG aufgestellten Prüfkriterien kritisch zu überprüfen.



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