juris PraxisReporte

Autor:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Erscheinungsdatum:19.06.2024
Quelle:juris Logo
Normen:Art 77 GG, § 185 GVG, § 193 GVG, § 118 ZPO, § 1100 ZPO, § 1101 ZPO, § 128a ZPO, § 284 ZPO, § 275 ZPO, § 277 ZPO, § 495a ZPO, § 592 ZPO, § 605a ZPO, § 128 ZPO, § 227 ZPO, § 253 ZPO, § 160 ZPO, § 160a ZPO, § 375 ZPO, EGRL 8/2003
Fundstelle:jurisPR-ArbR 24/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Düwell, jurisPR-ArbR 24/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Endlich: Einigung über die Videoverhandlung in beiden arbeitsgerichtlichen Verfahrensarten!

A. Gang des Gesetzgebungsverfahrens

Das BMJ hatte am 23.11.2022 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vorgelegt und den Verbänden zur Stellungnahme übersandt.1 Dieser war auf Widerstände gestoßen und wurde in einer überarbeiteten Fassung vom Bundeskabinett beschlossen und vom Kanzler in den Bundesrat eingebracht.2 Der Bundestag hat das Gesetz am 17.11.2023 mit den vom Bundestagsrechtsausschuss empfohlenen Änderungen3 in dritter Lesung verabschiedet.4 Die Sonderregelungen im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz blieben trotz entgegenstehender Bestrebungen der Fraktionen der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgrund der Intervention der SPD-Fraktion unverändert. Darauf rief der Bundesrat am 15.12.2023 den Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 GG mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an.5 Nach einer längeren Vorbereitungszeit wurde unter Beteiligung eines Abgeordneten, der vor seiner Wahl in der Arbeitsgerichtsbarkeit als Richter tätig war, ein Einigungsvorschlag erarbeitet. Dieser wurde am Abend des 12.06.2024 vom Vermittlungsausschuss angenommen.6 In einem spurtähnlichen Durchgang nahm der Bundestag den Einigungsvorschlag am Vormittag der 14.06.2024 an.7 Ebenfalls noch am Vormittag stimmte der Bundesrat in der Weise zu, dass er auf den Einspruch verzichtete.8 Das Gesetz muss jetzt nur noch ausgefertigt und verkündet werden.

B. Synoptischer Überblick über die Änderungen nach der Einigung

1. Artikel 9

Artikel 9

Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl I S. 853, 1036), das zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 8. Oktober 2023 (BGBl 2023 I Nr. 272) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl I S. 853, 1036), das zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 8. Oktober 2023 (BGBl 2023 I Nr. 272) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 9 Absatz 2 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

1. unverändert

„Abweichend von Satz 1 findet


1.
§ 185 Absatz 1a des Gerichtsverfassungsgesetzes mit der Maßgabe Anwendung, dass das Gericht dem Dolmetscher die Teilnahme an der Verhandlung, Anhörung oder Vernehmung per Bild- und Tonübertragung gestatten kann;

2.
§ 193 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes keine Anwendung für die erstmalige gemeinsame Beratung und Abstimmung mit den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern bei einer Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung.“

2. § 11a Absatz 1 wird wie folgt geändert:

2. unverändert

a)
Nach der Angabe „Richtlinie 2003/8/EG“ werden die Wörter „mit Ausnahme des § 118 Absatz 1 Satz 6 der Zivilprozessordnung“ eingefügt.

b)
Folgender Satz wird angefügt:

 
„Im Bewilligungsverfahren gilt für den Erörterungstermin nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung § 50a dieses Gesetzes entsprechend.“

3. Dem § 13a werden die folgenden Sätze angefügt:

3. Dem § 13a werden die folgenden Sätze angefügt:

 
„§ 1100 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass anstelle von § 128a Absatz 4 der Zivilprozessordnung § 50a Absatz 3 dieses Gesetzes anwendbar ist. § 1101 Absatz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass anstelle von § 284 Absatz 2 Satz 3 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 128a Absatz 4 und § 284 Absatz 3 der Zivilprozessordnung § 58 Absatz 4 Satz 1 i.V.m. § 50a Absatz 3 dieses Gesetzes anwendbar ist.“
 
„§ 1100 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass anstelle von § 128a Absatz 6 der Zivilprozessordnung § 50a Absatz 3 dieses Gesetzes anwendbar ist. § 1101 Absatz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass anstelle von § 284 Absatz 2 Satz 3 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 128a Absatz 6 und § 284 Absatz 3 der Zivilprozessordnung § 58 Absatz 4 Satz 3 i.V.m. § 50a Absatz 3 dieses Gesetzes anwendbar ist.“

4. § 46 Absatz 2 wird wie folgt geändert:

4. unverändert

a)
Satz 2 wird wie folgt gefasst:

 
„Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozessordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozessordnung), über den Urkunden- und Wechselprozess (§§ 592 bis 605a der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Absatz 2 der Zivilprozessordnung), über die Förderung von Videoverhandlungen bei Terminsänderungsanträgen (§ 227 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 4 der Zivilprozessordnung), über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung) und die Äußerung über Bedenken gegen eine Videoverhandlung in der Klageschrift und der Klageerwiderung (§ 253 Absatz 3 Nummer 4 und § 277 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 der Zivilprozessordnung) finden keine Anwendung.“

b)
Folgender Satz wird angefügt:

 
„Abweichend von § 160 Absatz 1 Nummer 4 der Zivilprozessordnung enthält das Protokoll die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen sowie im Fall der §§ 50a und 58 Absatz 4 die Angabe, wer an der Verhandlung oder der Beweisaufnahme per Bild- und Tonübertragung teilnimmt.“

5. Nach § 50 wird folgender § 50a eingefügt:

5. Nach § 50 wird folgender § 50a eingefügt:

㤠50a

㤠50a

Videoverhandlung

Videoverhandlung

(1) Die mündliche Verhandlung kann als Videoverhandlung stattfinden. Eine mündliche Verhandlung findet als Videoverhandlung statt, wenn an ihr mindestens ein Verfahrensbeteiligter per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Verfahrensbeteiligte nach dieser Vorschrift sind die Parteien und Nebenintervenienten sowie ihre Bevollmächtigten, Vertreter und Beistände.

(1) Die mündliche Verhandlung kann in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen als Videoverhandlung stattfinden. Eine mündliche Verhandlung findet als Videoverhandlung statt, wenn an ihr mindestens ein Verfahrensbeteiligter per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Verfahrensbeteiligte nach dieser Vorschrift sind die Parteien und Nebenintervenienten sowie ihre Bevollmächtigten, Vertreter und Beistände.

(2) Der Vorsitzende kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten oder von Amts wegen die Teilnahme per Bild- und Tonübertragung für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten. Die Ablehnung eines Antrags auf Teilnahme per Bild- und Tonübertragung ist zu begründen.

(2) Der Vorsitzende kann unter den Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten oder von Amts wegen die Teilnahme per Bild- und Tonübertragung für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten. Die Ablehnung eines Antrags auf Teilnahme per Bild- und Tonübertragung ist kurz zu begründen.

(3) Den Verfahrensbeteiligten und Dritten ist es untersagt, die Videoverhandlung aufzuzeichnen. Hierauf sind sie zu Beginn der Verhandlung hinzuweisen. Die Videoverhandlung kann für die Zwecke des § 160a der Zivilprozessordnung ganz oder teilweise aufgezeichnet werden. Über Beginn und Ende der Aufzeichnung sind die Verfahrensbeteiligten zu informieren.

(3) unverändert

(4) Entscheidungen nach dieser Vorschrift sind unanfechtbar.“

(4) unverändert

6. Nach § 51 Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

6. unverändert

 
„Als persönliches Erscheinen gilt auch die nach § 50a Absatz 2 Satz 1 gestattete Teilnahme per Bild- und Tonübertragung.“

7. Dem § 54 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

7. unverändert

 
„§ 50a ist anzuwenden.“

8. Dem § 58 werden die folgenden Absätze 4 und 5 angefügt:

8. Dem § 58 werden die folgenden Absätze 4 und 5 angefügt:

„(4) Der Vorsitzende kann die Beweisaufnahme entsprechend § 50a per Bild- und Tonübertragung gestatten. Das Antragsrecht nach § 50a Absatz 2 Satz 1 steht auch Zeugen und Sachverständigen zu. Satz 1 gilt nicht für den Beweis durch Urkunden.

„(4) Der Vorsitzende kann auf Antrag oder von Amts wegen die Beweisaufnahme per Bild- und Tonübertragung gestatten. Das Antragsrecht steht den Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Sachverständigen zu. § 50a Absatz 1, 3 und 4 gilt entsprechend. Satz 1 gilt nicht für den Beweis durch Urkunden.

(5) § 375 Absatz 1 Nummer 2 und 3 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden für den Fall, dass eine Zeugenvernehmung nach § 58 Absatz 4 nicht stattfindet. § 479 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden für den Fall, dass die Leistung des Eides nach § 58 Absatz 4 nicht stattfindet. § 411 Absatz 3 der Zivilprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Erscheinen des Sachverständigen auch als Teilnahme per Bild- und Tonübertragung nach § 50a gestattet werden kann. § 492 Absatz 3 der Zivilprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für den Erörterungstermin § 50a entsprechend gilt.“

(5) unverändert


9. Dem § 60 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:


 
„Der Vorsitzende kann den Verfahrensbeteiligten gestatten, an der Urteilsverkündung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen.“

9. In § 64 Absatz 7 werden die Wörter „des § 50, des § 51 Abs. 1“ durch die Wörter „der §§ 50 bis 51 Absatz 1“ ersetzt und wird nach dem Wort „Zustellungen,“ das Wort „Videoverhandlung,“ eingefügt.

10. unverändert

10. In § 72 Absatz 6 werden nach der Angabe „§§ 50,“ die Angabe „50a,“ und nach dem Wort „Zustellung,“ das Wort „Videoverhandlung,“ eingefügt.

11. unverändert


Fußnoten


2)
4)

BT-Plenarprotokoll 20/138, S. 17610A-17610B.

8)

BR-Plenarprotokoll 1045, TOP 33.


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