A. Gesetzgebungsverfahren
Mit dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) vom 27.03.20241 verfolgt die Bundesregierung die Ziele, die Liquiditätssituation der Unternehmen zu verbessern, dauerhaft höhere Unternehmensinvestitionen und Innovationen zur Begleitung der wirtschaftlichen Transformation und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Wachstumschancen des Standorts Deutschland zu befördern. In diesem 35 Artikel umfassenden Gesetz sind auch zahlreiche kleinere Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuersystems und Bürokratieentlastung vor allem kleinerer Unternehmen enthalten, die erst am 01.01.2025 in Kraft getreten sind. Dazu gehören auch insbesondere zwei für die arbeitsrechtliche Praxis bedeutsame Änderungen.
B. Entlastung von Arbeitgebern bei Berechnung der Lohnsteuer
Artikel 5 des Wachstumschancengesetzes, dessen Bestimmungen nach Art. 35 Abs. 6 „am 1. Januar 2025 in Kraft (treten)“ enthält die folgende Änderung des Einkommenssteuergesetzes (EStG): „In § 19a Absatz 4 Satz 2 werden die Wörter ‚sind für die zu besteuernden Arbeitslöhne § 34 Absatz 1 und § 39b Absatz 3 Satz 9 und 10 entsprechend anzuwenden‘ durch die Wörter ‚ist für die zu besteuernden Arbeitslöhne § 34 Absatz 1 entsprechend anzuwenden‘ ersetzt.“
Diese Änderung wirkt sich vor allem auf die im Kündigungsverfahren ausgehandelten Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes aus. Nach dem bis zum Ende 2024 geltendem Recht konnte die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG (sog. Fünftelungsregelung/-methode) für bestimmte Arbeitslöhne (Entschädigungen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten) bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Diese komplexe Berechnungsmethode ist in § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG für den Fall positiver Einkünfte geregelt: „Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.“ Die Anwendung der Regelung erfordert komplizierte Berechnungsschleifen im Programmablaufplan für die maschinelle Lohnsteuerberechnung und den Lohnsteuerberechnungs- bzw. Lohnabrechnungsprogrammen der Arbeitgeber. In vielen Fällen machten Arbeitgeber von der Möglichkeit der tarifermäßigten Lohnbesteuerung keinen Gebrauch, denn sie konnten oftmals nicht rechtssicher feststellen, ob die Voraussetzungen für die Tarifermäßigung überhaupt vorliegen. Insbesondere die Frage der Zusammenballung ist unterjährig oft nur schwer oder gar nicht zu beurteilen. Auch muss der Arbeitgeber gesondert prüfen, ob es überhaupt zu einer Lohnsteuerminderung kommt. Die Bundesregierung hat sich deshalb im Entwurf das durch den Gesetzgeber bestätigte Ziel gesetzt: „Die Regelungen zur Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn werden ersatzlos aufgehoben und damit als Beitrag zum Bürokratieabbau die Lohnsteuerberechnung vereinfacht.“2 Im Ergebnis sind ab 2025 Arbeitgeber vom Prüfungs- und Berechnungsaufwand entlastet. Für die Arbeitnehmerschaft ergeben sich keine Nachteile, denn die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG kann – wie bisher – im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend gemacht werden. Die zutreffende Einkommensteuer kann in den Fällen des § 34 Abs. 1 EStG ohnedies nur punktgenau im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ermittelt werden, weil nur hier alle Besteuerungsgrundlagen (weitere Einkünfte, Sonderausgaben, Steuerermäßigungen, Art der Veranlagung etc.) bekannt sind.
C. Behandlung von Abfindung und Entschädigung von Beschäftigten außerhalb von EU und EWR
Für die in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtigen Personen ist § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG in Art. 5 des Wachstumschancengesetzes geändert, in dem angefügt ist: „d) wenn außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Absatz 1 und 2 Nummer 2 und 4 bezogen worden sind und in diesem Zusammenhang die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird (§ 46 Absatz 2 Nummer 8)“.
Mit dem neuen Buchstaben d wird erstmalig eine Antragsveranlagung für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn ermöglicht. Dieser Personenkreis ist sonst von dieser Veranlagungsart ausgeschlossen (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG). Damit ist für außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und 4 EStG nunmehr auch Arbeitnehmern, die nicht Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates sind und im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, die Möglichkeit der Antragsveranlagung eröffnet3. Damit wird eine Schlechterstellung zum bisher geltenden Recht vermieden, die sonst durch das Aufheben der Regelungen zur Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn in § 39b Abs. 3 EStG eintreten könnte.