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Anmerkung zu:OLG Stuttgart 2. Zivilsenat, Urteil vom 28.03.2024 - 2 U 207/22
Autor:Agnes Freise, RA'in und Syndikusanwältin
Erscheinungsdatum:17.09.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 675g BGB, § 5 BauSparkG, § 305c BGB, § 9 BauSparkG, § 488 BGB, § 305 BGB, § 311 BGB, § 145 BGB, § 307 BGB, § 308 BGB
Fundstelle:jurisPR-BKR 9/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Stephan Meder, Universität Hannover
Dr. Anna-Maria Beesch, RA'in und FA'in für Bank- und Kapitalmarktrecht
Zitiervorschlag:Freise, jurisPR-BKR 9/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel in den Allgemeinen Bausparbedingungen - zugleich Anmerkung zu OLG Stuttgart, Urt. v. 28.03.2024 - 2 U 207/22

A. Ausgangslage und Problemstellung

Der BGH hat mit Urteil vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20) im Rahmen einer Verbandsklage entschieden, dass die AGB-Änderungsklauseln nach Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und nach Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken (jeweils in der Fassung bis April 2021) der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen und ihr nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalten. Im Nachgang zu dieser höchstrichterlichen Entscheidung wurden die Klauseln zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken und Sparkassen in Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken bzw. Nr. 2 AGB-Sparkassen sowie Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken bzw. Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen geändert.

In der hier besprochenen Entscheidung hat sich erstmalig nach dem o.g. BGH-Urteil vom 27.04.2021 ein Oberlandesgericht mit dem AGB-Änderungsmechanismus der Bausparkassen befasst. Das OLG Stuttgart hat auf der Grundlage des BGH-Urteils vom 27.04.2021 die Wirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel in den Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB) der Bausparkassen bestätigt. Nach dieser Klausel gilt die Zustimmung des Bausparers zu Änderungen von in der Klausel genau bezeichneten ABB-Klauseln als erteilt, wenn der Bausparer der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang einer Mitteilung über die Änderung widerspricht und bei Beginn der Frist auf die Bedeutung des unterlassenen Widerspruchs hingewiesen wurde.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die streitgegenständliche Fiktionsklausel in den ABB einer Bausparkasse, die weiterhin den aktuellen Muster-ABB der privaten Bausparkassen entspricht, lautet wie folgt:

„Betrifft die Änderung […] oder die Präambel, gilt die Zustimmung als erteilt, wenn der Bausparer der Änderung nicht binnen zwei Monaten nach Zugang einer Mitteilung nach Abs. 1 in Textform widerspricht und bei Beginn der Frist auf die Bedeutung des unterlassenen Widerspruchs hingewiesen wurde.“

Während in erster Instanz das LG Stuttgart noch angenommen hatte, dass diese Zustimmungsfiktionsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalte, ist das OLG Stuttgart in der Berufungsinstanz von der Wirksamkeit dieser Klausel ausgegangen.

Zwar weiche die Klausel von wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB ab, da sie das Schweigen des Vertragspartners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziere. Die danach begründete Vermutung der Unangemessenheit sei vorliegend aber widerlegt.

Mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des BGH vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20) zugrunde lag, sei die hier streitgegenständliche Klausel nicht zu vergleichen, da sie eine einschränkend-konkretisierende Formulierung beinhalte.

Die AGB-Regelungen, die mit dieser Zustimmungsfiktionsklausel geändert werden könnten, beträfen thematisch beschränkte Aspekte, die im Verhältnis zu den Essentialia des Geschäfts eine nur untergeordnete Bedeutung hätten. Die von dieser Änderungsmöglichkeit mitumfasste Präambel treffe selbst keine Regelungen, sondern verweise lediglich auf die nachfolgenden ABB. Es sei nicht richtig, dass die Bausparkasse durch eine Änderung der Präambel den Vertragszweck ändern und in die absoluten Kernrechte des Bausparers eingreifen könnte. Diese Kernrechte seien in der Präambel zwar beschrieben, rechtlich bindend seien jedoch die Regelungen in den nachfolgenden Bestimmungen wie beispielsweise in § 4 „Zuteilung des Bausparvertrags“ und § 9 „Auszahlung des Bauspardarlehens“. Diese Bedingungen könne die Beklagte nur mit Zustimmung der BaFin ändern.

Sämtliche Änderungen, die durch die streitgegenständliche Fiktionsklausel ermöglicht werden, betreffen keine vertraglichen Hauptleistungspflichten und unterlägen daher der Ausübungskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.

Für eine Widerlegung der Vermutung spreche ferner, dass der Gesetzgeber selbst durch die positiven Kriterien für die Billigung von Zustimmungsfiktionsklauseln in § 308 Nr. 5 BGB deutlich gemacht habe, dass eine Zustimmungsfiktionsklausel unter bestimmten Bedingungen die Fiktion einer Zustimmungserklärung des Verbrauchers zulassen kann. Zudem sei das anerkannte Verbraucherleitbild im AGB-Recht der „rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde“, dem das Erfordernis zu widersprechen sowohl verständlich als auch zumutbar sein dürfte.

Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die durch die Zustimmungsfiktion bewirkten Rationalisierungseffekte nicht allein der Beklagten zugutekämen, sondern sich vermutlich auch in niedrigeren Entgelten oder besseren Konditionen niederschlagen werden. Der Kunde profitiere zudem davon, dass er sich um nichts kümmern müsse und ihm die Wahl bleibe, ob er in eine Vertragsverhandlung eintreten möchte um den Preis, sich mit einem komplexen Klauselwerk zu befassen, oder ob er passiv bleiben will, ohne dass er dabei ein unüberschaubares Risiko eingeht. Andererseits hätten die Bausparkassen aufgrund der Vielzahl an Verträgen, die über einen längeren Zeitraum laufen, ein hohes Interesse daran, Änderungen dieser Verträge auf möglichst kostensparende und unkomplizierte Weise durchzuführen. Die gesetzliche Grundlage für eine Zustimmungsfiktion in § 308 Nr. 5 BGB (sowie für Zahlungsdiensterahmenverträge in § 675g BGB) sei gerade dafür geschaffen worden, den Mehraufwand entfallen zu lassen, der ohne eine Fiktionsklausel in der Praxis anzutreffen wäre.

C. Kontext der Entscheidung

Das hier besprochene Urteil zeigt, dass Zustimmungsfiktionsklauseln, die im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung des Änderungsangebots durch den Vertragspartner die Änderung von AGB-Klauseln ermöglichen, weiterhin wirksam in AGB vereinbart werden können.

Das OLG Stuttgart hat richtigerweise klargestellt, dass der BGH im Urteil vom 27.04.2021 keineswegs Zustimmungsfiktionsklauseln generell als unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB angesehen hat.

Bereits vor dieser BGH-Entscheidung entsprach es der ständigen Rechtsprechung, dass eine Zustimmungsfiktionsklausel nicht nur den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB, sondern auch der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB standhalten müsse (BGH, Urt. v. 11.10.2007 - III ZR 63/07 Rn. 30).

Der BGH hat im Urteil vom 27.04.2021 angenommen, dass die in dem damaligen Verfahren streitgegenständlichen Zustimmungsfiktionsklauseln von wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB abwichen, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifizierten. Eine solche klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung begründe nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB die Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners. Diese Vermutung sei dann widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt ist und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 24).

Das OLG Stuttgart hat in der hier besprochenen Entscheidung richtigerweise angenommen, dass der Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB im Falle einer gegenständlich eingeschränkten Zustimmungsfiktionsklausel erreicht werden kann (I.), die hier streitgegenständliche Zustimmungsfiktionsklausel hinreichend einschränkend formuliert ist (dazu unter II.) und aufgrund dieser gegenständlichen Einschränkung der Fiktionsklausel die Interessenabwägung vorliegend für ihre Angemessenheit spricht (dazu unter III.).

I. Vereinbarkeit der gegenständlich beschränkten Zustimmungsfiktionsklauseln mit dem Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB

Den Ausgangspunkt der Überlegungen zum Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB bietet die Norm des § 308 Nr. 5 BGB.

Zwar weicht jede Zustimmungsfiktionsklausel von dem wesentlichen Gedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB ab, wonach ein Schweigen nicht als Zustimmung zu werten ist. Würde man jedoch hieraus schließen, dass der Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB nur bei einer ausdrücklichen oder konkludenten Annahmeerklärung des Verbrauchers erreicht werden kann, konterkarierte man damit die gesetzgeberische Entscheidung für die grundsätzliche Wirksamkeit der Fiktionsklauseln, die den Voraussetzungen nach § 308 Nr. 5 Buchst. a und b BGB (angemessene Erklärungsfrist und Hinweispflicht) genügen.

Allein der Umstand, dass ein Verbraucher aktiv werden und einem Vertragsänderungsangebot widersprechen muss, ist somit nicht per se unvereinbar mit dem Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB. Vielmehr ist der BGH davon ausgegangen, dass ein den Erfordernissen der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag nach dem Schutzzweck dieser gesetzlichen Regelungen nur dann erforderlich ist, wenn eine Fiktionsklausel weitreichende Änderungen ermöglicht.

Die Besonderheit der Klauseln, über die der BGH mit Urteil vom 27.04.2021 zu entscheiden hatte, lag darin, dass sie eine Änderung der AGB sämtlicher Vertragsbeziehungen zwischen dem Kreditinstitut und dem Verbraucher erlaubten. Aufgrund dieser Unbeschränktheit der Klauseln war die Entscheidung des Falles durch den BGH von vornherein „vorgezeichnet“ (Grüneberg, WM 2022, 153, 158). Der BGH hat deren Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB damit begründet, dass die streitgegenständliche Textänderungsklausel bzw. Preisänderungsklausel der Bank

nicht nur für bestimmte Verträge, sondern für die gesamte Geschäftsverbindung galt (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 11),
alle Bedingungen für Geschäftszweige betraf, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Beklagten umfassten (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 20),
nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen, sondern jede vertragliche Änderungsvereinbarung ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung betraf (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 20),
weitreichende Änderungen ermöglichte, die die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betrafen und dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 27, 32),
eine Handhabe bot, „das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten“ oder „das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten“ (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 22, 32).

In der am 27.04.2021 erfolgten mündlichen Begründung des Urteils begründete der Senatsvorsitzende die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Fiktionsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auch damit, dass diese beispielsweise eine Umgestaltung des Vertragstypus von einem Sparvertrag mit Anspruch des Kunden auf eine Guthabenverzinsung in einen Verwahrvertrag mit Anspruch der Bank auf ein Verwahrentgelt ermögliche (vgl. hierzu Herresthal, ZHR 2022, 373, 385).

Der BGH hat somit mit dem Urteil vom 27.04.2021 keineswegs den AGB-Änderungsmechanismus mittels fingierter Zustimmung der Kunden für generell unzulässig erklärt, was auch mit der gesetzgeberischen Wertentscheidung in § 308 Nr. 5 BGB unvereinbar gewesen wäre. Vielmehr hat der BGH lediglich die schrankenlose Ausgestaltung der damals streitgegenständlichen Fiktionsklauseln in den AGB beanstandet, durch die unbegrenzt auch vertragswesentliche und grundlegende Änderungen möglich gewesen wären (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 305 Rn. 47, § 308 Rn. 38; Feldhusen, BKR 2024, 776, 778; Rösler/Lang, DZWIR 2024, 186, 190). Zum Teil wird eine Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklauseln nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Fälle beschränkt, in denen Hauptleistungspflichten geändert werden können und daher die zu ändernden Klauseln ihrerseits nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei sind (Ulmer-Fuchs, AGB-Recht, 3. Aufl. 2022, § 307 BGB Rn. 241d; Kupfer/Weiß, VuR 2021, 409, 415).

Vor diesem Hintergrund hat auch der vzbv klargestellt, dass eingeschränkte Zustimmungsfiktionsklauseln im Lichte der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 wirksam geblieben sind: „Die Entscheidung lautet nicht, dass ‚AGB-Klauseln über fingierte Zustimmungen im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam‘ sind. Eine Zustimmungsfiktion kann weiterhin wirksam zur AGB-Änderung eingesetzt werden. Es wurde lediglich eine klare inhaltliche Grenze für die Änderung gezogen: Änderungen am Preis-/Leistungsverhältnis erfordern nunmehr eine aktive Zustimmung. […] Die meisten AGB-Änderungen bleiben per Zustimmungsfiktion möglich“ (Stellungnahme des vzbv v. 15.03.2023 zur Änderung von § 675g BGB, S. 3, 6).

II. Einschränkende Zustimmungsfiktionsklauseln in den ABB der Bausparkassen

Ausgehend von dem Befund, dass der Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB eine Fiktionsklausel zulässt, wenn diese durch ihre einschränkend-konkretisierende Formulierung eine Umgestaltung des Vertragsgefüges, eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung oder andere weitreichende Änderungen des Vertrags ausschließt, soll im Folgenden der Anwendungsbereich der Zustimmungsfiktionsklauseln in den ABB der Bausparkassen untersucht werden.

Allen Bausparverträgen liegen nach § 5 Abs. 1 BauSparkG zwingend ABB zugrunde, die den in § 5 Abs. 3 BauSparkG gesetzlich festgelegten Mindestinhalt aufweisen und vor ihrer Einführung einer präventiven Tarifkontrolle der BaFin unterliegen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BauSparkG muss jede Bausparkasse zu den ABB, die neuen Bauspartarifen zugrunde gelegt werden sollen, stets die vorherige Genehmigung der BaFin einholen.

Zunächst ist festzuhalten, dass eine Zustimmungsfiktionsklausel in den ABB einer Bausparkasse die Änderung bestimmter Bedingungen nur in Bezug auf den jeweiligen Bausparvertrag ermöglicht. Sie kann hingegen nicht als Grundlage für die Änderung von anderen Verträgen zwischen den Bausparvertragsparteien, etwa von anderen Bausparverträgen oder Darlehensverträgen, verwendet werden. Demgegenüber erstreckten sich die früheren Zustimmungsänderungsklauseln einer Bank, über die der BGH mit Urteil vom 27.04.2021 entschieden hatte, auf die gesamte Geschäftsverbindung zwischen der Bank und ihren Kunden.

Darüber hinaus weist jeder Bausparvertrag die Besonderheit auf, dass die vertragliche Änderungsbefugnis des Bausparvertragsparteien kraft Gesetzes auf die Präambel sowie die für Bausparer nicht wesentlichen ABB-Klauseln beschränkt ist. Dies ist darin begründet, dass jede Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen eines Bausparvertrags (z.B. zum Zuteilungsverfahren oder zur Höhe der Guthaben- oder Darlehenszinsen) nach § 9 Abs. 1 BauSparkG i.V.m. § 5 Abs. 3 BauSparkG einer Zustimmung der BaFin bedarf. Die Unterscheidung zwischen genehmigungspflichtigen Änderungen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BauSparkG und bloß anzeigepflichtigen Änderungen zeigt, dass der Gesetzgeber die Belange der Bausparer bei den lediglich anzeigepflichtigen Änderungen potenziell weniger berührt sieht als bei den genehmigungsbedürftigen Änderungen (Baums in: Festschrift Nobbe, 2009, S. 815, 829).

Die gesetzliche Regelung, wonach für das Bausparen vertragswesentliche Bedingungen für bestehende Bausparverträge nur mit Zustimmung der Aufsicht geändert werden können, ist seit der Änderung des Bausparkassengesetzes in 1990 ausdrücklich gesetzlich verankert. Der Gesetzgeber hat damit die bereits zuvor bestehende Verwaltungspraxis kodifiziert. Beispielsweise sah bereits § 29 der mit Bescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen vom 18.06.1957 genehmigten Musterbedingungen für private Bausparkassen einen Genehmigungsvorbehalt der Aufsicht vor („Die Bestimmungen der §§ 5, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 17, 19 und 20 können mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde für bestehende Verträge geändert werden.“).

Eine Genehmigung der Aufsicht zur Änderung der wesentlichen Bausparbedingungen in bestehenden Bausparverträgen kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BauSparkG nur erteilt werden, wenn die Änderungen oder Ergänzungen zur hinreichenden Wahrung der Belange der Bausparer erforderlich erscheinen. Die BaFin hat bei der Erteilung einer solchen Genehmigung das Individualinteresse einzelner Bausparer an der Aufrechterhaltung vereinbarter Vertragsbedingungen gegen die Interessen der Gemeinschaft aller Bausparer abzuwägen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bausparkassengesetzes v. 09.10.1990, BT-Drs. 11/8089, S. 19, li. Sp.). Damit ist der Schutz der einzelnen Bausparer vor willkürlichen Vertragsänderungen hinreichend sichergestellt (BGH, Urt. v. 09.07.1991 - XI ZR 72/90 Rn. 91).

Bereits vor dem Inkrafttreten des Bausparkassengesetzes in 1973 und lange vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes umfassten die Bedingungsänderungsklauseln in den ABB der Bausparkassen Zustimmungsfiktionsklauseln, die zum Teil den heutigen Fiktionsklauseln in § 21 Abs. 3 der Muster-ABB der privaten Bausparkassen ähneln. Diese Fiktionsklauseln erstreckten sich auch in der Vergangenheit nur auf diejenigen ABB-Klauseln, die für die Rechtspositionen der Bausparer von geringer Bedeutung waren und daher nicht bereits dem Genehmigungsvorbehalt der Aufsicht (vgl. § 21 Abs. 2 Muster-ABB der privaten Bausparkassen) unterfielen.

Insoweit weist die Zustimmungsfiktionsklausel in den ABB der Bausparkassen immer eine gegenständliche Beschränkung auf einige, für den Bausparer nicht wesentliche ABB-Klauseln auf, die gegenüber der BaFin nach § 9 Abs. 1 Satz 4 BauSparkG lediglich anzeigepflichtig sind. Hierunter finden sich gesetzeswiederholende bzw. gesetzeskonkretisierende Klauseln (z.B. § 18 Muster-ABB der privaten Bausparkassen zur Aufrechnung und zum Zurückbehaltungsrecht) oder auch rein informatorische Klauseln, die keinen Regelungscharakter haben (z.B. § 22 Muster-ABB der privaten Bausparkassen zu den Informationen über die außergerichtliche Streitbeilegung).

Der Wirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel in den ABB kann auch nicht entgegengehalten werden, dass diese eine Änderung der Präambel zu den ABB ermögliche. Die Präambel in den ABB dient der Darstellung von Motiven, Absichten und den gesetzlichen Zwecken eines Bausparvertrags. Sie hat keinen eigenen Regelungsgehalt und kann nur im Rahmen der Auslegung von ABB-Klauseln berücksichtigt werden (vgl. Thomas, Bausparkassenfachbuch 2011/2012, S. 153; Antwort der Bundesregierung v. 14.12.2007, BT-Drs. 16/7610, zur Frage 4).

Das OLG Stuttgart hat zutreffend angenommen, dass eine Bausparkasse durch eine Änderung der Präambel weder den Vertragszweck ändern noch in die Kernrechte des Bausparers eingreifen könnte. Schon begrifflich und systematisch steht jede Präambel klar räumlich getrennt vor den eigentlichen vertraglichen Regelungen. Ein eigenständiger Regelungscharakter kommt einer Präambel gerade nicht zu. Vielmehr kann einer Präambel, die lediglich als Auslegungshilfe dienen kann, keine so weitreichende Bedeutung beigemessen werden, dass sie den entgegenstehenden Sinngehalt einer vertraglichen Regelung quasi „außer Kraft“ setzen könnte (vgl. für die Präambel in Tarifverträgen: LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.08.2008 - 21 Sa 458/08 Rn. 101).

Teilweise werden in der Literatur Zweifel an der Wirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel der Bausparkassen damit begründet, dass die Gefahr der Umgehung der erfolgten gegenständlichen Beschränkung der Zustimmungsfiktionsklausel durch die schlichte Schaffung einer formal neuen ABB-Klausel bestehe, die inhaltlich die ausgeschlossenen Bereiche tangiert (vgl. Rodi, BKR 2024, 227, 227 f., 230). Stellen wir uns also vor, dass eine Bausparkasse beispielsweise auf die Idee käme, das in den §§ 4 bis 6 ihrer ABB geregelte Zuteilungsverfahren durch einen neuen § 23 ABB zu erschweren oder die in § 3 ihrer ABB genannte Guthabenverzinsung zulasten des Bausparers durch einen neuen § 23 ABB zu ändern, wobei diese neue ABB-Klausel nachträglich über eine Fiktionsklausel in bestehende ABB eingeführt werden sollte. Wenn ein solcher § 23 ABB überhaupt trotz des schon aufgrund seiner systematischen Stellung überraschenden Charakters (vgl.§ 305c Abs. 1 BGB) in die ABB einbezogen werden könnte, würde eine nachträgliche Einführung bereits nach dem Wortlaut der Zustimmungsfiktionsklausel daran scheitern, dass damit inhaltlich eine Änderung der Zuteilungsregelungen in den §§ 4 bis 6 ABB bzw. eine Änderung der Verzinsung nach § 3 ABB verbunden wäre. Damit würde eine solche Änderung – ebenso wie jede andere weitreichende Änderung der ABB – nicht in den Anwendungsbereich der Zustimmungsfiktionsklausel fallen und bedürfte vielmehr einer Genehmigung der Aufsicht. Dieses Ergebnis entspricht den Anforderungen des Bausparkassengesetzes und der Verwaltungspraxis der Aufsicht. Denn jede Änderung der essentialia negotii und anderer wesentlicher ABB-Bestimmungen bedarf nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BauSparkG i.V.m. § 5 Abs. 3 BauSparkG einer Genehmigung der BaFin. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine von der Bausparkasse geplante ABB-Änderung formal in Gestalt der Änderung einer bestehenden ABB-Klausel oder aber in Form einer Ergänzung des ABB-Klauselwerks um eine neue Klausel erfolgen soll. Jede beabsichtigte ABB-Änderung muss der BaFin nach § 9 Abs. 1 Satz 4 BauSparkG zumindest angezeigt werden und jede nachträgliche Einführung einer neuen ABB-Klausel, die „genehmigungspflichtige Bestimmungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 enthält“, bedarf einer Genehmigung durch die BaFin (BaFin-Schreiben v. 01.11.2016, Tarifgenehmigung gemäß § 9 Abs. 1 BSpKG).

Die streitgegenständliche Fiktionsklausel in den ABB, die in dieser Form bereits vor dem BGH-Urteil vom 27.04.2021 Inhalt der Muster-ABB der privaten Bausparkassen war, ermöglicht somit nur Anpassungen von bloßen Details der vertraglichen Beziehung zwischen den Bausparvertragsparteien und gerade keine weitreichenden Änderungen der ABB. Es ist ausgeschlossen, dass die essentialia negotii eines Bausparvertrags nachträglich aufgrund eines fingierten Einverständnisses des Bausparers geändert werden oder hierdurch das Vertragsgefüge eines Bausparvertrags umgestaltet wird (Edelmann/Kruis, WM 2024, 105, 110 f.; Freise, jurisPR-BKR 9/2019 Anm. 1; Osburg, VuR 2019, 465, 467).

III. Interessenabwägung

Auch bei der Interessenabwägung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 308 Nr. 5 BGB den Ausgleich der widerstreitenden Interessen zum einen des Verwenders an einer einfachen AGB-Änderung im Massenverkehr und zum anderen des Vertragspartners an der Verhinderung von für ihn potenziell nachteiligen AGB-Änderungen zugunsten der grundsätzlichen Wirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln getroffen hat. Die Interessen des Vertragspartners sollten durch die Hinweispflicht und das Widerspruchsrecht nach § 308 Nr. 5 Buchst. a und b BGB geschützt werden.

Der BGH hat im Urteil vom 27.04.2021 das legitime organisatorischen Bedürfnis des Unternehmers nach einer einfachen Vertragsabwicklung erneut anerkannt (vgl. bereits BGH, Urt. v. 09.11.1989 - IX ZR 269/87 Rn. 33: „Jedenfalls bei massenhaft wiederkehrenden Geschäftsvorgängen ist dem Verwender ein berechtigtes organisatorisches Bedürfnis zuzubilligen, diese durch Fiktionen möglichst einfach zu bewältigen.“). Der BGH hat zudem betont, dass diesen berechtigten Interessen des Verwenders durch „eine einschränkend-konkretisierende Formulierung“ der Zustimmungsfiktionsklausel Rechnung getragen werden könne (BGH, Urt. v. 27.04.2021 - XI ZR 26/20 Rn. 32).

Dabei hat der BGH im Hinblick auf dieses legitime organisatorische Bedürfnis des Unternehmers nach einer einfachen Vertragsabwicklung ausdrücklich auf den Beitrag von „Osburg, VuR 2019, 465, 467 zu einer entsprechenden Regelung der Bausparkassen“ verwiesen. Osburg hat in diesem vom BGH zitierten Beitrag kritisch einen Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 27.03.2019 (3 U 3/19) besprochen. Soweit das OLG Celle ein fehlendes berechtigtes Interesse von Bausparkassen an der Verwendung einer Erklärungsfiktion angenommen hatte, hat Osburg dem zutreffend entgegengehalten, dass auch Bausparkassen aufgrund der Vielzahl von Verträgen, die über einen längeren Zeitraum laufen, ein hohes Interesse an einem kostensparenden und unkomplizierten Änderungsinstrument haben.

Die im Schrifttum vereinzelt geäußerten Zweifel am Bestehen des Mehraufwands der Kreditinstitute und insbesondere der Bausparkassen im Falle der Einholung einer Zustimmung des Kunden für jede AGB-Änderung sind nicht nachvollziehbar und widersprechen bereits der Erkenntnis des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 308 Nr. 5 BGB gerade den „praktischen Schwierigkeiten, die mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Massengeschäft verbunden sind“, begegnet werden (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14.05.2001, BT-Drs. 14/6040, S. 152 re. Sp.). Der Gesetzgeber hat Zustimmungsfiktionsklauseln, deren Verwendung auf die besonderen Bedürfnisse vor allem der Banken und Versicherungen zugeschnitten ist, als unverzichtbar zur Bewältigung des Massenverkehrs angesehen (Looschelders in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 308 Nr. 39). Im Nachgang zum BGH-Urteil vom 27.04.2024 haben viele Banken nach einem AGB-Änderungsangebot drei- bis fünfmal bis zu einer Reaktion des Kunden nachfassen müssen (vgl. Langner, WM 2023, 853, 856). Demgegenüber muss ein Kreditinstitut bei der Verwendung einer Zustimmungsfiktionsklausel nur die fristgerecht eingehenden Widersprüche nachhalten. Es ist daher fernab der Realität, wenn man verlangen würde, dass das OLG Stuttgart die Bausparkasse hätte auffordern müssen, ihr Rationalisierungsinteresse und den Verwaltungsaufwand im Einzelnen zu beziffern (so aber Feldhusen, BKR 2024, 776, 779).

Das berechtigte Interesse speziell der Bausparkassen an einer einfachen Vertragsabwicklung wiegt besonders schwer, da Bausparverträge oft viele Jahre, teilweise auch mehrere Jahrzehnte lang bestehen und zudem Bausparkassen nur eingeschränkte Kündigungsrechte haben. Wenn Bankkunden bei beabsichtigten AGB-Änderungen ihre Zustimmung nicht erteilen, können Banken eine unveränderte Fortführung des Vertrages durch eine Kündigung des Kontos verhindern und somit jederzeit die Bindung an den Vertrag zu den bisherigen Bedingungen beenden (vgl. Casper, WM 2022, 2353, 2356 f.; Jordans/Rösler, NJW 2024, 1905, 1906). Demgegenüber kann sich eine Bausparkasse grundsätzlich nicht durch Kündigung von einem Bausparvertrag lösen. Denn ein gesetzliches Kündigungsrecht der Bausparkasse besteht im Hinblick auf Bausparverträge in der Sparphase nach § 488 Abs. 3 BGB erst nach Vollbesparung des Bausparvertrags und nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach Ablauf von zehn Jahren ab Zuteilungsreife (vgl. hierzu Freise, BKR 2017, 229, 231 ff.).

Die angestellte Überlegung, gegen die Fiktionsklausel in den ABB der Bausparkassen könnte sprechen, dass der Bausparer als Reaktion auf die von ihm unterlassene Annahme eines Änderungsangebots keine Kündigung der Bausparkasse fürchten müsse (so Feldhusen, BKR 2024, 776, 778 f.), vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Weder aus § 308 Nr. 5 BGB noch aus der Gesetzesbegründung zu dieser Norm noch aus den Ausführungen des BGH im Urteil vom 27.04.2024 lässt sich herleiten, die Wirksamkeit einer Fiktionsklausel hänge davon ab, dass der Verwender für den Fall einer fehlenden Zustimmung zum Änderungsangebot dem Verbraucher eine Kündigung androht. Im Übrigen kommt es für die Auslegung im Verbandsklageverfahren gerade nicht darauf an, wie der Verwender eine Klausel tatsächlich handhabt; entscheidend ist vielmehr die objektive und gerade nicht am Willen der konkreten Vertragspartner orientierte Auslegung (BGH, Urt. v. 10.06.2020 - VIII ZR 289/19 Rn. 29).

Soweit Feldhusen meint, der Bausparer habe kein Interesse, Bedingungsänderungen zu akzeptieren, da eine Vertragsverhandlung „um den Preis“ fernab jeglicher Realität sei, unterliegt sie einem Fehlverständnis der vorliegenden Urteilsgründe. Das OLG Stuttgart hat zutreffend ausgeführt, der Bausparer könne aufgrund der eingeschränkten Fiktionsklausel ohne unüberschaubare Risiken wählen, ob er entweder passiv bleibe oder aber in Verhandlungen eintrete „um den Preis“ – d.h. mit der Folge, sich in diesem Fall mit einem komplexen Klauselwerk befassen zu müssen. Ebenso fehlgeleitet wie unbegründet sind zudem die Überlegungen, dass Bausparer allein „aufgrund des Sparzwecks“ eines Bausparvertrags eher geneigt seien, sich mit den von einer Bausparkasse angebotenen AGB-Änderungen zu befassen, als Bankkunden. Warum sollte ein Bausparer bei den hier in Rede stehenden Änderungsangeboten etwa im Hinblick auf die Verfügungsberechtigung des Erben eher zu einem Widerspruch geneigt sein als ein Girokonteninhaber? Feldhusen übersieht, dass sich die hier streitgegenständliche Zustimmungsfiktionsklausel gerade nicht auf eine Änderung von Preisen, nicht auf eine Änderung der essentialia negotii und auch nicht auf den Zweck des Bausparvertrages erstreckt, sondern vielmehr nur einige wenige und für den Bausparer nicht wesentliche Änderungen des Bausparvertrags ermöglicht.

Richtigerweise wird der Verbraucher bei einer Änderung von nicht wesentlichen ABB-Klauseln hinreichend durch sein Widerspruchsrecht geschützt, auf das er vom Verwender nach § 308 Nr. 5 BGB hinzuweisen ist. Zudem unterliegen die nicht für Bausparer wesentlichen ABB-Klauseln ihrerseits immer einer AGB-Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 2 BGB. Hierdurch unterscheidet sich die Zustimmungsfiktionsklausel der Bausparkassen von denjenigen, die dem BGH-Urteil vom 27.04.2021 zugrunde lagen und eine einseitige Verschiebung der Hauptleistungspflichten ermöglicht hätten, ohne dass die AGB-Inhaltskontrolle als Schutzmechanismus hätte eingreifen können.

Wenn der Verwender nicht auf den AGB-Änderungsmechanismus aufgrund einer fingierten Zustimmung zurückgreifen kann, entstehen dem Verwender enorme Mehrkosten für die Einholung der individuellen Zustimmungen. Diese Mehrkosten wird der Verwender regelmäßig in Form von ungünstigeren Vertragskonditionen auf die Kunden umlegen (Casper, WM 2022, 2353, 2356; Edelmann/Kruis, WM 2024, 105, 111; Stellungnahme des Bundesrates vom 29.09.2023 zum Entwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes, BR-Drs. 362/23, S. 5). Das OLG Stuttgart hat zudem richtigerweise ausgeführt, dass der Kunde bei einer wie hier eingeschränkten Fiktionsklausel davon profitiere, dass er sich um nichts kümmern muss und passiv bleiben kann, ohne dass er dabei ein unüberschaubares Risiko eingeht. Auch in der Literatur wird angenommen, dass Verbraucher durchaus ein Interesse daran haben können, sich mit einem AGB-Klauselwerk bzw. mit dessen Änderungen aufgrund geringer Relevanz oder zeitlicher Überlastung nicht zu befassen (vgl. Casper, WM 2022, 2353, 2356; Feldhusen, BKR 2024, 776, 779). Soweit – wie hier – aufgrund der Zustimmungsfiktionsklausel keine weitreichenden Vertragsänderungen möglich sind, ist auch ein solches rationales Desinteresse der Verbraucher anerkennens- und schützenswert.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das sehr ausführlich und überzeugend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH begründete Urteil des OLG Stuttgart ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen.

Vor der hier besprochenen Entscheidung des OLG Stuttgart hatte im Nachgang zum BGH-Urteil vom 27.04.2021 bereits das LG Frankfurt (Urt. v. 20.10.2023 - 2-27 O 307/22) die Wirksamkeit einer älteren Zustimmungsfiktionsklausel in den ABB einer Bausparkasse bestätigt. Auch das LG Frankfurt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung widerlegt sei, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist. Sachlich gerechtfertigt sei eine derartige Abweichung dann, wenn die Zustimmungsfiktion nicht die Hauptleistungspflichten der Parteien betreffe, sondern vielmehr dem legitimen organisatorischen Bedürfnis des Verwenders nach einer einfachen Vertragsabwicklung gerecht werde. Da die Zustimmungsfiktion in den ABB einer Bausparkasse aufgrund der Konzeption des Bausparkassengesetzes keine Hauptleistungspflichten betreffe und auch keine weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen der ABB ermögliche, halte diese der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand (LG Frankfurt, Urt. v. 20.10.2023 - 2-27 O 307/22 - WM 2023, 2324, 2326).

Da grundsätzliche Rechtsfragen zu den Anforderungen an die Wirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln in den AGB bereits durch die Entscheidung des BGH vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20) geklärt worden waren, hat das OLG Stuttgart konsequenterweise keine Revision zugelassen. Der klagende Verbraucherschutzverband hat keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, so dass das hier besprochene Urteil des OLG Stuttgart rechtskräftig ist und für Rechtsklarheit im Hinblick auf die Zustimmungsfiktionsklauseln in den ABB der Bausparkassen sorgt.

Das Besprechungsurteil schafft dabei Rechtssicherheit zur Frage der Wirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel nicht nur in Bezug auf die Fiktionsklausel in den ABB einer Bausparkasse. Vielmehr kann dieses Urteil auch auf Fiktionsklauseln in den AGB von Unternehmen aus anderen Branchen übertragbar sein, soweit entsprechende Fiktionsklauseln in ähnlicher Weise gegenständlich eingeschränkt sind und der Verwender ein berechtigtes Interesse an einer AGB-Änderung aufgrund der fingierten Zustimmung des Vertragspartners hat. Dabei ist ein solches berechtigtes Interesse des Verwenders aufgrund der Wertung des § 308 Nr. 5 BGB jedenfalls bei Dauerschuldverhältnissen im Massenverkehr regelmäßig anzunehmen.


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